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Mieterhöhungsklage und Kündigungssperre für Wohnraumvermieter § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB

BGH

Az: VIII ZR 5/04

Urteil vom 04.05.2005


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2005 für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 3. Dezember 2003 teilweise aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts München vom 28. Mai 2003 im Kostenpunkt und insoweit geändert, als die Zahlungsklage bezüglich des Hauptsachebetrages sowie hinsichtlich der Zinsen für die Zeit nach dem 13. September 2003 abgewiesen worden ist.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 619,20 ¤ nebst Zinsen in Höhe von 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14. September 2003 zu zahlen.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagten sind Mieter einer Doppelhaushälfte in M. , die ihnen die Klägerin mit Vertrag vom 25. März 1994 vermietet hat. Durch Schreiben vom 30. Januar 2002 forderte die Klägerin die Beklagten auf, mit Wirkung vom 1. April 2002 einer Erhöhung der Miete von bislang 888,58 ¤ auf 1.012,42 ¤ monatlich zuzustimmen. Dem Mieterhöhungsverlangen war ein Gutachten beigefügt, nach dessen Inhalt die geforderte Mieterhöhung die Grenze der ortsüblichen Miete nicht überschritt.

Die Klägerin hat am 28. Juni 2002 Klage auf Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung erhoben. Mit Schriftsatz vom 6. August 2002, den Beklagten zugestellt am 14. August 2002, hat sie die Klage um den Antrag erweitert, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung des Mieterhöhungsbetrages von monatlich 123,84 ¤ für die Monate April bis August 2002, insgesamt 619,20 ¤, nebst Zinsen in Höhe von 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 123,84 ¤ seit 5. April, 5. Mai, 5. Juni, 5. Juli und 5. August 2002 zu verurteilen.

Das Amtsgericht hat die Beklagten verurteilt, dem Mieterhöhungsverlangen zuzustimmen; die Zahlungsklage hat es als (derzeit) unbegründet abgewiesen. Die Beklagten haben gegen das ihnen am 6. Juni 2003 zugestellte Urteil kein Rechtsmittel eingelegt. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie das Zahlungsbegehren mit der Maßgabe weiter, daß Zinsen erst ab 15. August 2002 verlangt werden.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat bis auf einen Teil der Zinsforderung Erfolg. Insoweit ist über das Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf umfassender Würdigung des Sach- und Streitstands (BGHZ 37, 79, 81 f.). Soweit sich die Klage hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung als unbegründet erweist, ist die Revision der Klägerin ungeachtet der Säumnis der Beklagten durch kontradiktorisches Urteil zurückzuweisen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1967 – V ZR 112/64, NJW 1967, 2162).

I.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Zahlungsklage wie folgt begründet:

Eine im Mieterhöhungsprozeß neben dem Zustimmungsantrag erhobene Zahlungsklage sei nicht zulässig. Da der Mieter die erhöhte Miete – wenn auch rückwirkend – erst mit Eintritt der Rechtskraft seiner Verurteilung zur Zustimmung schulde, sei die Zahlungsklage im Zeitpunkt ihrer Erhebung auf eine zukünftige Leistung gerichtet. Sie sei daher gemäß § 259 ZPO nur dann zulässig, wenn die Besorgnis gerechtfertigt sei, daß der Mieter sich der rechtzeitigen Zahlung des erhöhten Mietzinses entziehen werde. Das sei nicht schon dann der Fall, wenn der Mieter die Zustimmung zu dem Mieterhöhungsverlangen mit dem Ziel verweigere, dessen Berechtigung überprüfen zu lassen. Die Besorgnis der Nichterfüllung sei vielmehr nur dann begründet, wenn der Mieter sinngemäß ankündige, er werde auch im Falle der Berechtigung des Erhöhungsverlangens die erhöhte Miete nicht zahlen. Gründe der Prozeßökonomie sprächen ebenfalls gegen die Zulassung einer solchen Klage, da durch sie vielfach der Streit über eine Mietminderung in den Mieterhöhungsprozeß hineingezogen und dieser dadurch „aufgebläht“ würde. Auch seien Unzuträglichkeiten zu befürchten, wenn die mangels Fälligkeit unbegründete Zahlungsklage in erster Instanz vorab durch Teilurteil abgewiesen und hiergegen Berufung eingelegt werde. Durch eine zugleich mit der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung erhobene Klage auf Zahlung der erhöhten Miete würde schließlich der durch § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB bezweckte Mieterschutz unterlaufen.

Ein – mangels Zulässigkeit der Zahlungsklage nicht zur Entscheidung stehender – Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen aus den eingeklagten Mieterhöhungsbeträgen müßte an fehlendem Verschulden der Beklagten scheitern.

II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, in eine grundsätzliche Prüfung der Frage einzutreten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vermieter von Wohnraum eine Klage nach § 558b Abs. 2 BGB auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen mit einer Klage auf Zahlung der erhöhten Miete verbinden kann. Denn die Bedenken, die nach Auffassung des Berufungsgerichts der Zulässigkeit einer solchen Klage gemäß § 259 ZPO entgegenstehen, waren jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung am 12. November 2003 ausgeräumt.

Jedenfalls zu diesem – für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Berufungsgericht maßgeblichen (vgl. MünchKommZPO-Lüke, 2. Aufl., § 257 Rdnr. 12; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 257 Rdnr. 7) – Zeitpunkt war die Klage auf Zahlung der Mietdifferenz für die Monate April bis August 2002 nicht (mehr) auf eine künftige Leistung gerichtet. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß die Verurteilung der Beklagten, der Mieterhöhung zuzustimmen, bereits vor der Berufungsverhandlung über den Zahlungsanspruch in Rechtskraft erwachsen und die Mieterhöhung damit wirksam geworden war. Die Beklagten haben gegen das ihnen am 6. Juni 2003 zugestellte Urteil des Amtsgerichts keine Berufung eingelegt. Die Möglichkeit, sich der Berufung der Klägerin anzuschließen, von der sie ebenfalls keinen Gebrauch gemacht haben, endete gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der seinerzeit geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887), inzwischen geändert durch Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198), mit Ablauf eines Monats nach der am 13. August 2003 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung, somit am 13. September 2003. Mit dem Verlust der Möglichkeit, sich dem Rechtsmittel der Klägerin anzuschließen, ist das Urteil des Amtsgerichts hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten, der Erhöhung der Miete ab 1. April 2002 auf monatlich 1.012,42 ¤ zuzustimmen, in Teilrechtskraft erwachsen (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 1993 – VIII ZR 41/93, WM 1994, 548 = NJW 1994, 657 unter II 4 b). Mit dem Eintritt der Teilrechtskraft gilt die Zustimmung, zu der die Beklagten verurteilt worden sind, als erteilt (§ 894 ZPO); damit ist die Mieterhöhung zu diesem Zeitpunkt rückwirkend zum 1. April 2002 zustande gekommen. Demzufolge hatte das Berufungsgericht am 12. November 2003 nicht (mehr) über künftige, sondern, ohne daß es hierzu einer Änderung des Klageantrags bedurfte (Zöller/Greger aaO § 257 Rdnr. 7; aA Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 257 Rdnr. 6), über bereits entstandene und fällige Zahlungsansprüche zu entscheiden.

2. Dahingestellt bleiben kann unter diesen Umständen ferner, ob die Bedenken berechtigt sind, die das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie gegen eine Verbindung von Zustimmungs- und Zahlungsklage aufzeigt. Denn auch diese Bedenken haben sich jedenfalls dadurch erledigt, daß die von der Klägerin eingeklagten Zahlungsansprüche vor der Berufungsverhandlung entstanden und fällig geworden sind. Minderungsgründe, die zu einer „Aufblähung“ des Zustimmungsprozesses hätten führen können, haben die Beklagten weder in erster noch in zweiter Instanz geltend gemacht. Es bedarf deshalb auch keiner abschließenden Stellungnahme zu der wenig einleuchtenden Auffassung des Berufungsgerichts, über Einwendungen des Mieters gegen den Anspruch des Vermieters auf Zahlung der erhöhten Miete könne ökonomischer in einem Folgeprozeß entschieden werden. Dasselbe gilt für die weitere Überlegung, die das Berufungsgericht für den Fall anstellt, daß die Zahlungsklage in erster Instanz vorab durch Teilurteil mangels Fälligkeit abgewiesen wird; denn ein solches Teilurteil ist hier nicht erlassen worden und hätte – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – wegen der Vorgreiflichkeit des Zustimmungsbegehrens auch gar nicht erlassen werden dürfen.

3. Schließlich ist dem Berufungsgericht insoweit nicht zu folgen, als es aus dem Schutzzweck des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB Bedenken gegen eine Verbindung der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung mit einer Klage auf Zahlung der erhöhten Miete herleiten will. Die vom Berufungsgericht als „Schonfrist“ bezeichnete zweimonatige Kündigungssperre für den Vermieter besteht nach dieser Vorschrift – ungeachtet ihres mißverständlichen Wortlauts – unabhängig davon, ob der Mieter bereits rechtskräftig zur Zahlung der erhöhten Miete verurteilt worden ist oder ob seine Zahlungspflicht sich daraus ergibt, daß er rechtskräftig verurteilt ist, einer rückwirkenden Mieterhöhung zuzustimmen (Kraemer WuM 2001, 163, 170; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 569 BGB Rdnr. 62; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. IV Rdnr. 185; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 569 Rdnr. 32; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 569 Rdnr. 21; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Teil III Rdnr. 865; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 569 Rdnr. 64).

III.

Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, so daß der Senat in der Sache selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die Miete für die den Beklagten vermietete Doppelhaushälfte rückwirkend zum 1. April 2002 um monatlich 123,84 ¤ erhöht hat, sind die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung des Mieterhöhungsbetrages für die Monate April bis August 2002 in Höhe von zusammen 619,20 ¤ zu verurteilen.

Zinsen hierauf schulden die Beklagten gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab Fälligkeit der Mieterhöhungsbeträge, die, wie der Senat in einer heute verkündeten Grundsatzentscheidung (Urteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 94/04, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) näher dargelegt hat, auch für in der Vergangenheit liegende Zeiträume erst mit der – hier nach § 894 ZPO fingierten – Zustimmung des Mieters zu dem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters eintritt. Danach sind die Mieterhöhungsbeträge für die Monate April bis August 2002 infolge des Eintritts der Teilrechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils mit Ablauf des 13. September 2003, somit am 14. September 2003 fällig geworden. Bezüglich des weitergehenden Zinsanspruchs sind Berufung und Revision der Klägerin daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 2 ZPO.

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