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Rückschnitt von oberirdischem Überwuchs einer Grenzbepflanzung

AG Krefeld – Az.: 2 C 300/15 – Urteil vom 30.08.2017

Der Beklagte wird verurteilt, die von seinem Grundstück … in das Grundstück der Klägerin … hineinragenden Äste und Zweige, der sich nach links in die Richtung des Grundstücks neigenden Douglasie derartig zu beschneiden, dass keinerlei Äste und Zweige mehr in das Grundstück der Klägerin hineinragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten einen Rückschnitt von oberirdischem Überwuchs einer Grenzbepflanzung aus Nachbarschaftsverhältnis.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks “’… Der Beklagte ist der Eigentümer des daran angrenzenden Nachbargrundstücks “’… In dem Wohngebiet befinden sich zahlreiche Laub- und Nadelbäume. Von dem Grundstück des Beklagten ragen Zweige und Äste einer Douglasie, eines Nussbaums und eines Kirschlorbeers auf das Grundstück der Klägerin, deren Beseitigung die Klägerin begehrt.

Die windschief auf die klägerische Zufahrt neigende Douglasie überragt mit 30% des Teils der Krone die Einfahrt der Klägerin, die Dachrinne der Klägerin jedoch nicht. Ein Teil der Nadeln und der Zapfen des Baums fallen auf das Grundstück der Klägerin. Die Douglasie hat einen Überhang von maximal 5,9m im Mittel 5,4m. Die am tiefsten hängenden Zweige lassen eine Durchfahrtshöhe von 3 m zu. Die Emissionen der Douglasie (Nadeln und Zapfen) werden auf jährlich 1-2 Biotonnen auf dem Grundstück der Klägerin geschätzt. Diese verteilen sich über eine Fläche von etwa 25m2, die von der Klägerin gereinigt werden muss. Der Nussbaum am Gartenhäuschen der Klägerin hat einen Überhang von bis zu 4,5 m, dessen unterste Zweige die Nadelbäume der Klägerin berühren. Der überragende Ast hat an der Basis einen Durchmesser von 30cm. Der hinter der Douglasie befindliche Kirschlorbeer ragt ebenfalls ca. 50cm in das Grundstück der Klägerin herein, dessen Beeren blaue Flecken auf dem Pflaster der Klägerin und entsprechenden Reinigungsaufwand verursachen.

Die Parteien haben im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens zum Überwuchs im Jahr 2009 eine Regelung zur Beseitigung von Bewuchs vereinbart. Ferner hat die Klägerin eine Erfolglosigkeitsbescheinigung des Schiedsamts Krefeld West vom 26.11.2014 vorgelegt. Auch vor Klageerhebung hat die Klägerin den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 08.12.2014 erfolglos zum Rückschnitt aufgefordert.

Die Klägerin behauptet eine wesentliche Beeinträchtigung durch den Überhang. Durch die Äste käme es zu einer starken Beschattung ihres Grundstücks. Durch die Äste der Douglasie käme es zu einem erhöhten Reinigungsaufwand für die Klägerin, insbesondere im Bereich der Dachrinne wegen herabfallender Nadeln und Zapfen. Auch liege durch die Verschmutzung auf dem Boden eine optische Beeinträchtigung der Zufahrt vor. Das Beet unter dem Nussbaum sei in der Nutzbarkeit beeinträchtigt.  Der Kirschlorbeer verursache erheblichen Schattenwurf, der die Klägerin beeinträchtigt.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die von seinem Grundstück “’in das Grundstück der Klägerin ““ hineinragende Äste und Zweige, der sich nach links in Richtung des Grundstücks neigenden Douglasie derartig zu bescheiden, dass keinerlei Äste und Zweige mehr in das Grundstück der Klägerin hineinragen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, durch die hineinwachsenden Äste und Zweige würde die Benutzung des Grundstücks der Klägerin nicht beeinträchtigt. Im Übrigen stehe der Klage der Schiedsspruch aus dem Jahr 2009 entgegen.  Ferner würden die Bäume durch den Rückschnitt beschädigt. Auch sei der Überwuchs langjährig geduldet.  Im Übrigen verstoße der begehrte Rückschnitt gegen die in Krefeld gültige Baumschutzsatzung.

Während des Verfahrens ist der Lorbeer bis auf die Grenze zurückgeschnitten. Die Parteien haben insofern beidseitige Erledigung erklärt und jeweiligen Kostenantrag gestellt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens samt Ergänzungsgutachtens und Inaugenscheinnahme während der Durchführung eines Ortstermins. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie den sonstigen Inhalt der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Rückschnitt von oberirdischem Überwuchs einer Grenzbepflanzung
(Symbolfoto: Von Sarnia/Shutterstock.com)

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Parteien nach § 53 JustG NRW versucht, die Streitigkeit einvernehmlich vor einer Gütestelle beizulegen. Ziel des obligatorischen Schiedsverfahrens ist die Entlastung der Zivilgerichte. Zu diesem Zweck wurde es den Ländern durch die Öffnungsklausel des § 15a EGZPO ermöglicht, die Zulässigkeit einer Klage in bestimmten Fällen von der vorherigen Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsversuches abhängig zu machen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2010 – V ZR 9/10 -, Rn. 8 mit Verweis auf BT-Drs. 14/980 S. 5 noch zum § 10 GüSchlG NRW). Eine vergleichsweise Einigung hinsichtlich des streitgegenständlichen Überwuchses der besagten Pflanzen konnte jedoch nicht erzielt werden. Ausweislich des Protokolls vom 16.12.2009 (Bl 10 GA) war der streitgegenständliche Überwuchs nicht Teil des Schlichtungsverfahrens, sodass der insofern zwischen den Parteien erzielte vollstreckbare Vergleich i.S.v. § 794 ZPO dem Verfahren nicht entgegensteht.

2. Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht der Anspruch auf Rückschnitt der streitgegenständlich überhängenden Äste nach §§ 1004, 910 BGB hinsichtlich der Douglasie zu. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

a.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Entfernung der Äste und Zweige zu, welche von dem Grundstück der Beklagten über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Klägerin hinüber reichen, §§ 1004, 910 BGB. Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks die Beseitigung herüberragender Zweige vom Besitzer des Nachbargrundstücks verlangen, wenn er zuvor eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgte. Dies ist vorliegend der Fall.

aa.

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Regelung steht dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks der Anspruch dann nicht zu, „wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen“. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass von den überhängenden Ästen keine solche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung ausgeht, trägt der Eigentümer der Bäume (vgl. BGH, Urteil v. 14.11.2003 – V ZR 102/03, juris, Tz. 21; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. Mai 2014 – 12 U 168/13 -, Rn. 59, juris). Das Gericht hat angesichts der vorgelegten Fotos sowie nach Durchführung eines Ortstermins keinen Zweifel daran, dass von den über die Grundstücksgrenze reichenden Ästen und Zweigen der Douglasie eine massive Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks ausgeht. Auch wenn nach dem eingeholten Sachverständigengutachten eine wesentliche Beeinträchtigung der Dachrinne durch die Douglasie nicht festgestellt werden konnte, die Einträge von Douglasiennadeln in der Dachrinne eine Nebenrolle spielen. Ein massiver Eintrag von Nadeln ist unter Berücksichtigung der Hauptwindrichtung nicht zu erwarten und aufgrund des aufgefundenen Materials in der Rinne nicht feststellbar. So ist aufgrund der festgestellten Emissionen (Nadeln und Zapfen) von und 1-2 Biotonnen pro Jahr und der damit einhergehenden (regelmäßigen bzw. anlassbezogenen) Säuberung der Auffahrt, auch hinsichtlich der optischer Beeinträchtigungen von Nadeln und Zapfen, von einer nicht zu duldenden Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks auszugehen. Schließlich ist die Summe aller Einträge maßgeblich.

bb.

Der Rückschnitt verringert insofern zumindest die Beeinträchtigung durch die Zapfen, wenn man davon ausgeht, dass die Nadeln teilweise auch durch Windeinfluss verteilt werden. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Entfernung der überragenden Zweige würde zu einer Minderung der Verschmutzung mit Nadeln und Zapfen auf dem Grundstück der Klägerin führen. Der Beklagte hat im Rahmen seiner nachbarschaftlichen Verpflichtung der Baumpflege und gegenseitigen Rücksichtnahme im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses der Beseitigung des Überhangs nachzukommen.

cc.

Der Einwand des Beklagten, die Baumschutzsatzung stünde seiner Beseitigungspflicht entgegen, greift nicht. Die Rechte und Pflichten von Nachbarn in Bezug auf über die Grundstücksgrenze wachsende Bäume bestimmt sich nach § 910 BGB. Überlagert wird die Vorschrift durch Art. 111 EGBGB. Die kommunale Baumschutzsatzung der Stadt Krefeld ist jedoch nicht als Landesrecht im Sinne von Art. 111 EGBGB angesehen und kann auch nicht dem Beseitigungsbegehren der Kläger entgegengehalten werden (vgl. LG Freiburg, Urteil vom 22.01.2015 – 3 S 143/17; AG Kerpen, Urteil vom 12. April 2011 – 110 C 140/10). Insofern hat es bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass das Bundesrecht höherrangig ist als das kommunale Satzungsrecht. Eine kommunale Baumschutzsatzung kann daher nicht dem auf § 910 BGB gestützten Anspruch auf Beseitigung der Störung entgegengehalten werden (vgl. AG Kerpen, Urteil vom 12. April 2011 – 110 C 140/10 -, Rn. 31, juris).

dd.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Anspruch auf Beseitigung der Äste nicht fällig gewesen sei, da sie mangels Ausnahmegenehmigung von der Baumschutzsatzung nicht berechtigt gewesen sei, die Äste zu entfernen. Das Bestehen einer Baumschutzsatzung ändert nichts daran, dass der Eigentümer des Baumes, dessen Äste auf das fremde Nachbargrundstück ragen, Störer im Sinne des § 1004 BGB ist, solange nicht feststeht, dass eine Ausnahmegenehmigung von dem Verbot der Satzung nicht erteilt wird (vgl. LG Köln, Urteil vom 11. August 2011 – 6 S 285/10 -, Rn. 3, juris). War die Beklagte aber Störerin, war es ihre Aufgabe, sich um eine Ausnahmegenehmigung zu kümmern und diese herbeizuführen.

ee.

Eine anspruchsausschließende Verwirkung nach § 242 BGB ist mangels Umstandsmoments zu verneinen. Die Klägerin ist nicht untätig geblieben und insofern aufgrund der langjährigen Bewachsung des Wohngebiets konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, die Klägerin würde den konkreten Überwuchs dulden.

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2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht der Anspruch auf Rückschnitt des Walnussbaums nicht zu. Eine übermäßige Beeinträchtigung durch den Überwuchs des Grundstücks der Klägerin liegt nicht vor. Der Sachverständige hat mit Blick auf den Walnussbaum unter Berücksichtigung von Schattenwurf die Nutzungsbeeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin nur unwesentlich erachtet. So hat der Sachverständige u.a. festgestellt, dass der Walnussbaum die Nadelbäume der Klägerin berührt. Aufgrund der nördlichen Lage des Baums kommt es nur zu einem geringen Schattenwurf auf das Beet. Die Nutzbarkeit der Fläche wird nicht überwiegend durch die Belichtung beeinflusst. Insofern würde der Rückschnitt nicht zu einer erheblichen Veränderung der Beeinträchtigung führen. Das Gericht hat keine Veranlassungen an den Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln, zumal es vor Ort selbst ein Bild verschaffen konnte.

II.

Die Nebenentscheidungen finden ihre Grundlage in §§ 92, 91a, 708 Nr. 11 ZPO. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Lorbeers hat der Beklagte nach billigen Ermessen des Gerichts gem. § 91a ZPO die Kosten zu tragen, da sie unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands vorliegend in der Sache unterlegen wären, da der Kirschlorbeer Beeren verliert und blaue Flecken im Pflaster hinterlässt und damit die Klägerin unzumutbar in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt.

III.

Der Streitwert beträgt 2.000,- EUR

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