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Rücktritt vom Kaufvertrag – Verkäuferverpflichtung zur Rücknahme der Kaufsache

OLG Zweibrücken – Az.: 4 U 96/20 – Urteil vom 27.05.2021

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Februar 2020 – Az.: 6 O 88/19 – wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe zu tragen.

III. Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten und ihrer Streithelferin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der von diesen jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Gläubigerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird zugelassen, beschränkt auf die Frage, ob nach Rücktritt vom Kaufvertrag eine verschuldensunabhängige Rechtspflicht des Rücktrittsgegners zur Rücknahme der Kaufsache besteht.

Gründe

I.

Die Parteien des Rechtsstreits sind Kaufleute. Die Klägerin betreibt als Handelsgesellschaft ein Bauunternehmen, die Beklagte in der Rechtsform der GmbH einen Baustoffhandel.

Die Klägerin kaufte von der Beklagten gemäß deren Angebot vom 26.3.2012 (Bl. 74 – 76 der Akten erster Instanz) insgesamt 22.488,84 Tonnen Recycling-Schotter als Unterbau für die Errichtung eines Park- und Containerverladeplatzes der Bauherrin L. GmbH auf dem im Eigentum der X stehenden Grundstück in F.

Die Beklagte bezog das an die Klägerin zu liefernde Schottermaterial von ihrer Streithelferin, welche es ihrerseits bei der Herstellerin B. GmbH (seit 2015 in Liquidation und jetzt firmierend als M. GmbH i.L.) bestellte. Die letztgenannte Herstellerin lieferte den Schotter im Juni 2012 unmittelbar an die o.g. Baustelle der Klägerin, wo er von dieser verbaut wurde.

Im Jahr 2016 sollte auf dem Grundstück eine Halle errichtet werden. Dafür wurde ein Teil des von der Klägerin 2012 eingebrachten Schotters ausgebaut und auf einer Deponie der X. gelagert. Aufgrund einer von dort aus veranlassten Beprobung beanstandete die L.GmbH als Bestellerin der Werkleistung der Klägerin dieser gegenüber mit Schreiben vom 29. September 2016 (Bl. 170 der Akten erster Instanz) den Arsengehalt des gelieferten Schotters (Arsenwerte von 501 mg/kg und 514 mg/kg), da ein tolerierbarer Wert nur bei bis zu 70 mg/kg liegen dürfe. Das Material entspreche daher nicht der Zuordnung Z 1.1 des gültigen LAGA-Merkblatts. Daraufhin zeigte die Klägerin mit Schreiben vom 30. September 2016 (Blatt 171 f der Akten erster Instanz) gegenüber der Beklagten einen mit den Analyseergebnissen der X. begründeten Anfangsverdacht an, der weitere Beprobungen am 28. September 2016 erforderlich gemacht habe. Zugleich wies die Klägerin darauf hin, dass sie für den Fall der Bestätigung des Verdachts die Beklagte für den entstandenen Schaden haftbar machen werde.

In der Folgezeit verlangten die Bauherrin L. GmbH und die Grundstückseigentümerin von der Klägerin wegen der Arsenbelastung den kompletten Ausbau des in das Grundstück eingebrachten Schotters.

Der sodann von der L. GmbH gegen die hiesige Klägerin und deren Komplementärin vor dem Landgericht Osnabrück geführte Rechtsstreit (13 O 313/17) endete durch Prozessvergleich, mit welchem sich die dortigen Beklagten u.a. dazu verpflichteten, den Ausbau und die Entsorgung des Schotters auf ihre Kosten vorzunehmen.

In dem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit gleichen Rubrums vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) 1 HK O 9/17 wurde die Beklagte durch Urteil vom 13. November 2018 (in Kopie bei den Akten erster Instanz) – mit der rechtlichen Begründung eines wirksamen Rücktritts der Klägerin von dem Kaufvertrag – rechtskräftig verurteilt, den Kaufpreis für den Schotter in Höhe von 156.283,29 € zurückzuzahlen; darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung von Austauschmaterial an die Klägerin zu zahlen.

Im Anschluss daran forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 27. Februar 2019 (Bl. 5 f. der Akten erster Instanz) erfolglos zur Abholung des von der Klägerin bereits ausgebauten Schotters von der Baustelle auf.

Die Klägerin hat vorgetragen, der von ihr bei der Beklagten gekaufte Schotter sei wegen unzulässiger Arsenbelastung mangelhaft und sie habe deshalb – wie durch den Ausgang des Vorprozesses 1 HK O 9/17 Landgericht Frankenthal Pfalz mit Rechtskraftwirkung entschieden sei – wirksam den Rücktritt von dem Kaufvertrag zwischen den Parteien erklärt.

Die Beklagte sei als Verkäuferin des mangelhaften Schotters verpflichtet, ihr auch die Kosten für dessen Ausbau und Entsorgung zu ersetzen. Zwar begründe § 346 BGB grundsätzlich keine Pflicht des Verkäufers zur Rücknahme der mangelhaften Kaufsache. Wegen der besonderen Interessenlage der Klägerin sei dies im vorliegenden Fall aber anders zu beurteilen. Denn die Kosten für eine Deponierung des mit Arsen kontaminierten Schotters überstiegen den Kaufpreis um ein Vielfaches. Ihr, der Klägerin, stehe deshalb ausnahmsweise ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rücknahme des Schotters zu. Für den von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkt beruft sich die Klägerin auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09. März 1983 (BGHZ 87, 104 ; „Dachziegelfall“).

Für die Entsorgung des Schotters seien der Klägerin bereits Kosten in Höhe von insgesamt 644.906,12 € netto entstanden, die sich aus folgenden Einzelbeträgen zusammensetzten: 156.519,22 €; 1.570,– €; 4.000,– €; 366.837,40 €; 10.457,60 €; 87.305,54 € und 18.216,36 € (Schriftsatz vom 5. August 2019 nebst Anlagen RW 3.1 bis RW 3.4 = Bl. 117 – 124 der Akten erster Instanz). Die Klägerin belasse es aber für ihren Leistungsantrag bei dem in der Klageschrift vom 16. April 2019 geltend gemachten Betrag in Höhe von 446.896,00 € (Vorschuss in Höhe von 80 % der geschätzten voraussichtlichen Kosten für die Entsorgung von 8.000 Tonnen Schotter in Höhe von 558.620,– €).

Für den kompletten Ausbau und die Entsorgung des Schotters sowie die Neuherstellung der Fläche seien Kosten in Höhe von insgesamt 2.125.776,50 € zu veranschlagen.

Die Klägerin hat – nach Abstandnahme von dem von ihr zunächst geltend gemachten Vorschussverlangen – zuletzt beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an sie 446.896,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch die weiteren Kosten zu ersetzen, die der Klägerin für die Entsorgung des gelieferten kontaminierten Schotters darüber hinaus künftig entstehen werden für die Beladung und Transporte von LKWs zum Abtransport, Zahlung der Kosten für die Begleitscheine, Zahlung der Kosten für die Entsorgungsnachweise, Zahlung der Entsorgungskosten Deponie und Provisionskosten, die insoweit zusätzlich zu zahlen sind.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin nach den in den Kaufvertrag einbezogenen Geschäftsbedingungen verpflichtet gewesen sei zu prüfen, ob sich der gekaufte Schotter für das konkrete Bauvorhaben eigne.

Ihr selbst könne kein Verschulden bezüglich der Mangelhaftigkeit vorgeworfen werden, da sie das Material selbst gekauft habe und dieses von der Herstellerin, welche darüber auch Prüfzeugnisse ausgestellt habe, direkt an die Baustelle der Klägerin ausgeliefert worden sei.

Weitergehende Ansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit dem Erwerb des Schotters seien in Anbetracht der seit Gefahrübergang im Juni 2012 verstrichenen Zeit verjährt.

Die Klägerin sei – entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) in dem Vorprozess zwischen den Parteien – nicht wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten. Selbst wenn dies anders zu beurteilen sein sollte, bedeute dies nicht, dass die Beklagte dann von Rechts wegen auch zur Rücknahme des Schotters verpflichtet sei.

Dem Klagevorbringen sei im Übrigen schon nicht zu entnehmen, aus welchen konkreten Einzelbeträgen sich die Klagesumme von 446.896,– € zusammensetze.

Die Streithelferin der Beklagten hat ergänzend vorgebracht, dass eine Mangelhaftigkeit des Schotters allein von der Herstellerin zu vertreten sei und nicht von den weiteren Beteiligten in der Lieferkette bis zu der Klägerin. Für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin fehle es daher an einem Verschulden der Beklagten als Verkäuferin. Für diese sei die Mangelhaftigkeit des Materials nicht erkennbar gewesen. Die Lieferanten der Beklagten seien nicht deren Erfüllungsgehilfen.

Außerdem habe die Klägerin gegen die ihr nach § 377 HGB obliegende Untersuchungspflicht verstoßen.

Der Einzelrichter der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat nach Beiziehung der Akten des Landgerichts Osnabrück 13 O 313/17 und des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) 1 HK O 9/17 mit dem angefochtenen Urteil vom 14. Februar 2020, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe selbst für den Fall eines wirksam erklärten Rücktritts von dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag kein Anspruch auf Rücknahme des gelieferten Schotters zu. Von daher habe die Beklagte keine sie treffende Pflicht zur Rücknahme der Kaufsache verletzt. Soweit die Klage darauf gestützt werde, dass die Beklagte mangelhaften Schotter geliefert habe, fehle es an dem für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Verschulden der Beklagten.

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Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Zahlungsbegehren auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.333.072,52 € erhöht.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, die Beklagte sei aufgrund wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag zur Rücknahme des mangelhaften Schotters verpflichtet. Dieser Pflicht sei die Beklagte schuldhaft nicht nachgekommen. Auch trage die Beklagte die Beweislast dafür, dass sie als Verkäuferin kein Verschulden an der Lieferung der mangelhaften Kaufsache treffe.

Die Klage werde zusätzlich auf einen Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs. 2 BBodSchG i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG gestützt. Denn die Beklagte sei als Mitverursacherin der schädlichen Bodenveränderung anzusehen.

Für die ordnungsgemäße Entsorgung des Schotters seien bei der Klägerin bis zum 31. Dezember 2019 Kosten in Höhe von insgesamt 1.333.072,52 € netto angefallen (Anlage RW 9.1. bis RW 9.8. = Bl. 86-93 der eAkte zweiter Instanz), nämlich:

  • Kostenart 6260 Diesel     10.916,37 € (für Aufnahme und Aufladung des Schotters, Neuverteilung und Einbau von Schotter)
  • Kostenart 6270     224.730,04 € (Abtransport des Schotters zur Deponie)
  • Kostenart 6410     3.135,25 € (Miete Kleingeräte für Aufnahme und Aufladung des Schotters und Einbau neuen Schotters)
  • Kostenart 6420     1.570,00 € (Bagger für Aufnahme und Aufladung des Schotters und Einbau neuen Schotters)
  • Kostenart 6421     14.000,00 € (Radlader für Aufnahme und Aufladung des Schotters und Einbau des neuen Schotters)
  • Kostenart 6550     662.686,29 € (Deponiekosten für ausgebauten Schotter)
  • Kostenart 6600     43.638,79 € (Kosten Demontage Spannglieder und Rückbau Bewehrung)
  • Kostenart 6610     82.939,02 € (Nachunternehmerkosten)
  • Kostenart 6650     66.634,18 € (Rechnungen Firma B.; Erdarbeiten für Ausbau des Schotters und Einbau den neuen Schotters)
  • Kostenart 6740     132.032,50 € (Beiträge und Gebühren, Vermittlungsprovision)
  • Kostenart 6000     93.054,92 € (Lohnkosten für Rückbau- und Neuherstellungsarbeiten)

(= insgesamt 1.335.337,20 €; die Abweichung zu dem im Berufungsantrag bezifferten Gesamtbetrag in Höhe von 1.333.072,52 € beruht darauf, dass in der Rubrik Kostenart 6000 nur ein Betrag von 90.790,08 € statt 93.054,92 € angegeben ist; vgl. Bl. 93 der eAkte zweiter Instanz).

Bis zum endgültigen Abschluss der Arbeiten würden sich, so die Klägerin, die Kosten voraussichtlich auf eine Größenordnung von ca. 1,7 Millionen Euro erhöhen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil wie folgt abzuändern:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.333.072,52 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 446.896,50 € seit Rechtshängigkeit der Klageschrift und aus weiteren 886.176,02 € seit Rechtshängigkeit der Berufungsschrift zu zahlen.

2. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die weiteren Kosten, die der Klägerin für die Entsorgung des gelieferten kontaminierten Schotters darüber hinaus entstehen bzw. entstanden sind für Diesel für Gerätschaften auf der Baustelle zur Aufnahme und Ladung des Schotters, Transportkosten zum Abtransport des Schotters, Kosten der Deponien für die Entsorgung, Kosten für unterstützende Leistungen, Erarbeitung Sanierungskonzept, gutachterliche Überwachung etc. durch I. mbH, zu zahlende Provisionskosten für Makler zur Besorgung von aufnahmebereiten Deponien, Kosten der Wiederherstellung des neuen Pflasters zu zahlen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die von ihnen für zutreffend gehaltene Entscheidung des Erstgerichts.

Die Streithelferin bringt ergänzend vor, dass eine von der Klägerin reklamierte Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des verkauften Schotters keinesfalls auch die Pflicht zur Tragung der Kosten für dessen Ausbau und auch nicht die Kosten für den Einbau von neuem Schotter umfasse.

Die Beklagte sei im Übrigen auch nicht Verursacherin einer Bodenkontamination im Sinne von § 4 BBodSchG.

Die Klageerweiterung in zweiter Instanz sei unzulässig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der Streithelferin im Einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 25. Februar 2021 (Bl. 708 ff der eAkten zweiter Instanz) rechtliche Hinweise erteilt. Die Parteien haben danach der Überleitung der Sache in das schriftliche Verfahren zugestimmt.

II.

1. Das Rechtsmittel ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und somit zulässig. Das gilt auch für die Erhöhung des Zahlungsantrages im zweiten Rechtszug. Sofern darin eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO liegt, ist diese jedenfalls sachdienlich, weil der Rechtsstreit auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen aus der ersten Instanz entscheidungsreif bleibt (§ 533 ZPO). Auch genügt die Leistungsklage nach der Antragserweiterung, worin erstmals konkret aufgeschlüsselt wird, aus welchen Einzelpositionen sich die nunmehr verlangte Klagesumme errechnet, jetzt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Schadensersatz weder aus kaufrechtlicher Mängelgewährleistung noch wegen Verletzung einer Rechtspflicht zur Rücknahme der Kaufsache im Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt vom Kaufvertrag beanspruchen. Sie hat gegen die Beklagte auch keinen Ausgleichsanspruch nach dem BBodSchG.

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

Auf den zwischen den Parteien als Unternehmern im Jahr 2012 geschlossenen (Handels-) Kaufvertrag finden gem. Art. 229 § 39 EGBGB die Vorschriften des BGB zur kaufrechtlichen Mängelhaftung in der bis zum 01.01.2018 geltenden Fassung Anwendung.

Im Weiteren kann dahinstehen, ob der verkaufte Schotter wegen Arsenbelastung bei Gefahrübergang mangelhaft war und, bejahendenfalls, ob die Klägerin kaufrechtlicher Gewährleistungsrechte (auch zum Rücktritt vom Vertrag) nach § 377 Abs. 2 HGB verlustig gegangen ist, weil sie eine Untersuchung der Kaufsache bei der Anlieferung des Schotters an die Baustelle unterlassen hat (vgl. Hinweisverfügung vom 25.02.2021 unter 3. m.w.N.)

2.1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Schotters und den Wiedereinbau von Ersatzmaterial gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 BGB i.V.m. §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434 BGB zu, da die Beklagte als Letztverkäuferin in dem Streckengeschäft die sich aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache ergebende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast zu der Verschuldensfrage bei der Beklagten liegt.

Da hierbei aber ein Negativum im Streit steht, nämlich die nicht vorwerfbare Unkenntnis der Beklagten von Umständen, die sie hinsichtlich des Vorliegens eines Sachmangels argwöhnisch hätten machen müssen, trifft die Klägerin eine sekundäre Behauptungslast (Substantiierungslast) dahin, dass es für die Beklagte als Verkäuferin bei Gefahrübergang bestimmte Verdachtsmomente für die Mangelhaftigkeit des Schotters gab (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 5. Juni 2014, 5 U 408/11, zitiert nach juris Rdnr. 11).

Hierauf und auf das Fehlen von konkretem Vorbringen dazu ist die Klägerin durch Verfügung vom 25. Februar 2021 hingewiesen worden. Ihre Stellungnahme dazu vom 23. März 2021 (Bl. 713 ff. der eAkten zweiter Instanz) erschöpft sich in Mutmaßungen und zeigt weiterhin keine konkreten Verdachtsmomente auf, welche der Beklagten Anlass zum Argwohn hinsichtlich etwaiger Sachmängel hätten geben müssen.

Aufgrund einer Gesamtschau des Prozessstoffes ist der Senat – wie schon das Erstgericht – vielmehr davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass die Beklagte an der Lieferung von mit Arsen kontaminiertem Schotter kein Verschulden trifft. Dies gilt um so mehr, als an den Entlastungsnachweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 280 Rdnr. 40 m.w.N.).

So ist dem außergerichtlichen Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 30. September 2016 (Bl. 171, 172 der Akten erster Instanz) zu entnehmen, dass für das gelieferte Material Prüfzeugnisse und Lieferscheine vorgelegt wurden, welche die für den Schotter geforderte Kategorie LAGA Z 1.1. bescheinigten. Die Prüfzeugnisse seien auf die Firma B. GmbH ausgestellt gewesen.

anderer Qualität als von der Klägerin geordert bestellt hatte und zum Anderen, dass die Beklagte als Letztverkäuferin die mangelhafte Lieferung zu vertreten hat. Die Beklagte durfte vielmehr grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich die in die Lieferkette eingeschalteten Fachhändler für Baubedarf redlich verhalten und dass über die Kaufsache erstellte Prüfzeugnisse der Wahrheit entsprechen.

Die Beklagte muss sich auch nicht ein etwaiges Fremdverschulden innerhalb der Lieferkette (Vorlieferanten bzw. Hersteller) nach § 278 BGB zurechnen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH Urteil vom 2. April 2014 – VIII ZR 46/13, Rdnr. 31 m.w.N., zitiert nach juris).

Trifft die Beklagte sonach kein Verschuldensvorwurf, muss nicht entschieden werden, ob die Verjährung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache durch die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises (1 HK O 9/17 Landgericht Frankenthal (Pfalz) gemäß § 213 BGB gehemmt wurde.

Einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz von Kosten für den Ausbau des mangelhaften Schotters und die Remontage des an dessen Stelle in das Grundstück einzubringenden Ersatzmaterials gewährt das Rücktrittsrecht im Übrigen nicht (Schall in beck-online.Großkommentar, Stand: 01.05.2021, BGB § 346 Rn. 374).

2.2.

Die Klägerin kann einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte eine behauptete Pflicht zur Rücknahme des Schotters im Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff BGB schuldhaft verletzt und deswegen die Kosten für den Ausbau, den Abtransport und die Entsorgung der arsenbelasteten Kaufsache zu tragen habe.

Denn eine solche Rechtspflicht des Rücktrittsgegners zur Rücknahme der Kaufsache besteht unter der Geltung des mit Wirkung ab dem 01. Januar 2002 reformierten Schuldrechts – im Gegensatz zur Rechtslage bei der kaufrechtlichen Wandelung vor der Schuldrechtsmodernisierung (BGHZ 87, 104 – „Dachziegelfall“) – jedenfalls dann nicht, wenn – wie im Streitfall – kein Verbrauchsgüterkauf, sondern ein Kaufvertrag zwischen Unternehmen in Rede steht. In dieser Bewertung stimmt der Senat mit der rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht überein:

§ 346 Abs. 1 BGB gibt dem Verkäufer allein den Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache, verpflichtet ihn aber nach von dem Senat für zutreffend gehaltener Auffassung nicht zur Rücknahme, also zur Abnahme der vom Käufer zurückzugebenden Sache. Verzichtet der Verkäufer, aus welchen Gründen auch immer, auf den Rückerhalt der Kaufsache, macht er sich deswegen nicht gegenüber dem vom Vertrag zurückgetretenen Käufer schadensersatzpflichtig.

Der Wegfall der kaufrechtlichen Wandelung im reformierten Schuldrecht ab dem 1. Januar 2002 hat der zur früheren Rechtslage ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung betreffend den Ersatz von Einbau- und Ausbaukosten sowie die Pflicht zur Rücknahme einer mangelhaften Kaufsache die Grundlage entzogen. In der Folgezeit galt bis zum Inkrafttreten des BauVtrRRefG ab dem 1. Januar 2018 in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz, dass sich bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern aus § 439 BGB (in der damals gültigen Fassung) kein (verschuldensunabhängiger) Anspruch auf Ersatz von Ein-, Ausbau- und Transportkosten für eine mangelhafte Sache herleiten lässt (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11, Rdnrn. 17-22). Ein Anspruch auf Ersatz solcher Kosten bestand im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmen nur dann, wenn – anders als im vorliegenden Fall – der Verkäufer seine Vertragspflichten zur Lieferung einer mangelfreien Sache verletzt und dies zu vertreten hatte (BGH, Urteile vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11, vom 16. April 2013 – VIII ZR 67/12 und vom 2. April 2014 – VIII ZR 46/13).

Diese Konzeption des für den vorliegenden Vertrag aus dem Jahr 2012 maßgeblichen Gewährleistungssystems darf nach der Rechtsüberzeugung des Senats nicht dadurch ausgehebelt werden, dass man in § 346 Abs. 1 BGB eine Rechtspflicht des Verkäufers zur Rücknahme der Kaufsache hineinliest. Eine solche Pflicht lässt sich – entgegen Stimmen in der Literatur (u.a. Muscheler AcP 187 (1987) 343, 386 f) – auch nicht für Ausnahmefälle aus einer analogen bzw. „spiegelbildlichen“ Anwendung von § 433 Abs. 2 BGB oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten.

2.3.

Die Klägerin kann ihr Ersatzbegehren auch nicht mit Erfolg auf §§ 24, 4 BBodenSchG stützen.

Ein Ausgleichsanspruch nach den genannten Vorschriften besteht unabhängig davon, ob die Verwaltungsbehörde einen Störer in Anspruch genommen hat. Er wäre auch nicht verjährt, da er erst mit Ende der Sanierung des Bodens fällig wird.

Die Beklagte ist aber nicht Verursacher einer Bodenkontamination im Sinne von § 4 BBodenSchG. Verursacher ist nur derjenige, dessen Handlung die unmittelbare Bodenveränderung vorgenommen hat (vgl. Giesbert/Hilf in BeckOK, BBodenSchG, § 4 Rdnr. 22). Unmittelbarer Verursacher ist die Klägerin als bauausführendes Unternehmen und Zustandsstörer die Eigentümerin bzw. Pächterin des Grundstücks.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

IV.

Der Senat lässt in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zu. Die Rechtsfrage, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen und auf welcher dogmatischen Grundlage im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB mit der Rückgewährpflicht spiegelbildlich eine Rücknahmepflicht korrespondiert, ist im Schrifttum im Einzelnen umstritten (zum Meinungsstand vgl. Schall a.a.O BGB § 346 Rdrn.366 ff; Kaiser in Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts (2020), H 109 ff; H. Schmidt in BeckOK BGB, Hau/Poseck 57. Edition Stand: 01.02.2021, § 346 Rdnr. 43, jeweils m.w.N.). Eine höchstgerichtliche Entscheidung zu dieser klärungsbedürftigen Rechtsfrage, die sich auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten stellen kann, ist – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen.

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