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Sachaufklärung des Gerichts bei Vier-Augen-Gesprächen – Anforderungen

OLG Frankfurt – Az.: 19 U 1/11 – Urteil vom 30.12.2011

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.12.2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien über Schadensersatzansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Erwerb von 300 Stück Merrill Lynch S.A. … (WKN …) zum Preis von insgesamt 30.300,– EUR.

Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat den Kläger informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.11.2010 (Bl. 211 f. d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zwar sei zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Ein Verstoß der Beklagten gegen ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung liege aber nicht in der unterbliebenen Aufklärung über die erhaltene Provision in Höhe von 4,1 % der Anlagesumme. Eine heimliche und damit aufklärungspflichtige Rückvergütung im Sinne der sogenannten Kick-Back-Rechtsprechung sei nicht gegeben, sondern nur eine Innen- bzw. Vertriebsprovision, die nicht offengelegt werden müsse. Sofern man dieser Auffassung nicht folge, sei jedenfalls anzunehmen, dass zu Gunsten des Klägers die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht greife. Denn im Hinblick darauf, dass ihm gemäß Ziff. 4 der Dokumentation der Kundenangaben in der Anlageberatung am 05.12.2005 die Basisinformation über die Vermögensanlage in Wertpapiere mit ihrem Hinweis auf die Zahlung von Vertriebsprovisionen ausgehändigt worden sei, sei er davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Beklagte eine entsprechende Provision erhalte. Eine fehlerhafte Beratung könne auch nicht bejaht werden, soweit der Kläger behaupte, über Risiken und die Funktionsweise des Zertifikats nicht aufgeklärt worden zu sein. Er habe für seine diesbezüglichen Behauptungen keinen Beweis angeboten. Seine eigene Parteivernehmung komme nicht in Betracht.

Zudem stehe mit dem Bankberater ein Zeuge zur Verfügung. Schließlich seien etwaige Ansprüche des Klägers nach § 37a WpHG a.F. verjährt.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 30.12.2010 zugestellte Urteil (Bl. 254 d.A.) hat der Kläger mit am 05.01.2011 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 260 d.A.) und sein Rechtsmittel mit am 25.02.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet (Bl. 266 d.A.).

Mit der Berufung hat der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge zunächst weiterverfolgt. Er rügt entscheidungserhebliche Rechtsfehler und macht weiter geltend, es bestünden konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachengrundlage. Im Einzelnen:

Der Kläger wiederholt, das Landgericht habe zu Unrecht eine Aufklärungspflicht der Beklagten über die an sie gezahlte Provision verneint. Zu Unrecht vertrete es die Auffassung, eine Rückvergütung liege nur bei einem Zahlungsfluss im Dreipersonen-Verhältnis – Anleger, beratende Bank und Emittent – vor. Der Kläger weist darauf hin, dass die Provision von 4,18 % teilweise aus dem Ausgabeaufschlag von 1 % bedient worden sei. Auch sei die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens vorliegend nicht widerlegt.

Weitere Beratungsfehler lägen darin, dass die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2006 (Bl. 63 d.A.) eine Verzinsung von 8 % zugesichert habe. Insoweit sei ihre Beratung nicht objektgerecht gewesen. Der Flyer sei missverständlich in Bezug auf die rückwirkende Verzinsung.

Mit Schriftsatz vom 19.08.2011 hat der Kläger mitgeteilt, dass die Beklagte das streitgegenständliche Wertpapier zu einem Kurswert von 70,77 EUR pro Stück eingelöst und ihm mit Valuta zum 08.03.2011 einen Betrag in Höhe von 21.231,– EUR gutgebracht habe. Deshalb begehrt der Kläger in der Hauptsache nunmehr nur noch 9.069,– EUR.

Weiter wird mit der Berufung vorgetragen, über das Zertifikat … CreativInvest 6 sei in allen bislang bekannt gewordenen Fällen anhand des als Anlage B21 (Bl. 326 d.A.) vorgelegten Flyers aufgeklärt worden.

Die Beklagte habe ihre vorwiegend konservative Kundschaft, die kein Zertifikat von Merrill Lynch erworben hätte, über die Emittentin getäuscht, indem sie das Wertpapier mit ihrem Namenszusatz versehen habe. Hierdurch habe sie als alteingesessene Anstalt des öffentlichen Rechts mit ihrem Namen das ihr gegenüber gebrachte Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit bewusst ausgenutzt. Der Flyer lasse im Übrigen jegliche Risikohinweise vermissen. Die Beklagte habe aber schon laut eigenem WpHG-Bogen bei Zertifikaten über ein erhöhtes Länder-, Zins-, Kurs-, Markt-, Währungs-, Bonitäts-, Verfall- und Zeitwertrisiko hinweisen müssen. Auch behaupte die Beklagte selbst nicht, über diese Risiken aufgeklärt zu haben.

Schließlich macht die Berufung geltend, die Beklagte habe vorsätzlich falsch beraten.

In Höhe des Differenzbetrages zwischen den ursprünglich eingeklagten 30.300,– € und den nunmehr noch beanspruchten 9.069,– € haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für teilweise erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen,

a) an den Kläger € 9.069,– zzgl. Zinsen i.H.v. 4% aus € 30.300,– für den Zeitraum vom 29.01.2007 bis 08.03.2011 zu zahlen sowie

b) den sich gemäß vorstehendem Antrag ergebenden Betrag ab dem 09.03.2011 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

2. an ihn weitere 764,58 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt die Einrede der Verjährung gemäß § 37a WpHG a.F..

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.12.201 (Bl. 451 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Denn die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Beratungsfehlers zu.

Mit rechtsfehlerfreier Begründung hat das Landgericht angenommen, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist.

Danach ist die beratende Bank zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH, Urt. v. 27.09.2011, XI ZR 182/10, Rn. 22 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung zunächst nicht durch einen unterbliebenen Hinweis auf das sog. allgemeine Emittentenrisiko verletzt.

Zwar erfordert eine vollständige Risikodarstellung der Anlageform des Zertifikats erfordert, dass der Anleger erkennen kann, dass die Rückzahlung generell von der Bonität der jeweiligen Emittentin oder Garantiegeberin zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit der Anleihe abhängt.

Denn bei Index-Zertifikaten handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen, die den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines Geldbetrages verbriefen, dessen Höhe vom Stand der zugrunde gelegten Basiswerte abhängt. Da hier aber kein vom sonstigen Vermögen des Emittenten getrenntes Sondervermögen gebildet wird, trägt der Anleger nicht nur das Marktrisiko in Bezug auf den zugrunde gelegten Basiswert, sondern darüber hinaus auch das Bonitätsrisiko des Emittenten. D.h. selbst wenn sich der Basiswert, in den der Anleger mit Erwerb des Zertifikats investiert hat, für ihn günstig entwickelt, wird das Zertifikat zum Verlustgeschäft, wenn der Emittent am Ende der Laufzeit den nach den Anlagebedingungen fälligen Rückzahlungsbetrag nicht aufbringen kann. Aus diesem Grund ist über das generelle oder allgemeine Emittentenrisiko aufzuklären (BGH, a.a.O. Rn. 26; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.09.2010, 9 U 151/09, Rn. 55, 57; Urt. v. 27.02.2010, 17 U 207/09, Rn. 70 ff., juris). In diese Richtung zielt auch die angegriffene Entscheidung, soweit das Landgericht unter anderem einen Hinweis auf das Bonitätsrisiko vermisst.

Zwar liegt die Beweislast für die unterbliebene Risikoaufklärung beim Anleger, da er die Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch beweisen muss. Der Senat nimmt aber abweichend vom Landgericht an, dass der Kläger durch unterbliebene Benennung des Anlageberaters X nicht beweisfällig geblieben ist.

Denn zumindest eine Anhörung des Klägers war veranlasst. Ihm war wegen des Grundsatzes der Waffengleichheit Gelegenheit zu geben, seine Darstellung vom zwischen den Parteien streitigen Inhalt des der Anlageentscheidung vorausgehenden Beratungsgesprächs persönlich in den Prozess einzubringen. Diese Gelegenheit konnte auch nicht von einer gewissen Wahrscheinlichkeit für sein Vorbringen, wie sie die Parteivernehmung nach § 448 ZPO erfordert (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 448 Rn.2), abhängig gemacht werden. Denn der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern, dass einer Partei, die für ein Vier-Augen-Gespräch anders als die Gegenpartei keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei gem. § 448 ZPO zu vernehmen oder gem. § 141 ZPO anzuhören (BGH, Urt. v. 30.09.2004, III ZR 369/03, Rn.3; Urt. v. 27.09.2005, XI ZR 216/04, Rn.31; Urt. v. 08.07.2010, III ZR 249/09, RN.16, jeweils m.w.N, juris), wobei die Notwendigkeit, der Partei Gelegenheit zur Äußerung in einer dieser beiden Formen zu geben, keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ihr Vorbringen voraussetzt (BGH, Urt. v. 27.09.2005, a.a.O.).

Von der letztgenannten Möglichkeit, nämlich der Anhörung des Klägers, musste der Senat aber keinen Gebrauch machen, weil der Kläger bereits in erster Instanz vor dem Landgericht informatorisch angehört worden ist. Die Anhörung des Klägers setzte dabei nicht voraus, dass dieser zunächst für den von ihm behaupteten Inhalt des Beratungsgesprächs den im Lager der Beklagten stehenden Anlageberater X als Zeugen benannte und die Beweisaufnahme für ihn ungünstig verlief. Zwar wird in der Rspr. die Auffassung vertreten, dass eine Parteivernehmung bzw. Anhörung zum Inhalt eines Vier-Augen-Gesprächs nur dann in Betracht komme, wenn das Gericht eine Beweisaufnahme mit dem „gegnerischen“ Zeugen bereits durchgeführt und diese für die andere Partei ein ungünstiges Ergebnis gebracht habe (KG Berlin, Beschl. V. 09.02.2009, 10 U 145/08; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.04.2011, 17 U 128/10). Diese Auffassung verkennt aber, dass die Beweisnot einer Partei schon dann gegeben ist, wenn der einzige zur Verfügung stehende Zeuge im Lager der Gegenpartei steht, die bei dem Vier-Augen-Gespräch vertreten wurde. Demgemäß stellt der BGH bei Begründung der Beweisnot einer Partei und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit zu ihrer Vernehmung oder Anhörung nicht darauf ab, dass die „zeugenlose“ Partei die Richtigkeit ihres Vorbringens zunächst und im Ergebnis vergeblich in das Wissen des im Lager der anderen Partei stehenden Zeugen stellen muss, ( BGH, Urt. v. 27.09.2005, XI ZR 216/04, Rn. 31; BGH, Urt. v. 08.07.2010, III ZR 249/09, Rn. 16). Soweit der BGH von dem postulierten Grundsatz eine Ausnahme annimmt und eine Vernehmung oder Anhörung nicht für erforderlich hält, wenn der Tatrichter seine Feststellungen über den Gesprächsverlauf nicht nur auf die Aussage des von der Gegenpartei benannten Zeugen, sondern zusätzlich auf sonstige Beweismittel und Indizien stützt (BGH, Urt. v. 27.09.2005, XI ZR 216/04, Rn.32), lässt sich auch hieraus mittelbar ableiten, dass ein Erfordernis auf Seiten der beweispflichtigen Partei, den gegnerischen Zeugen ebenfalls zu benennen, nicht besteht.

Dies geht zudem auch aus der Entscheidung des BVerfG (v. 21.02.2001, 2 BvR 140/00, Rn.15, juris), auf die sich der BGH in den oben zitierten Entscheidungen maßgeblich stützt, hervor. Soweit das BVerfG ausführt, dass eine Konstellation, in der der einen Partei ein Mitarbeiter als Zeuge zur Seite stehe, während die Gegenseite, die selbst die Verhandlung geführt habe, sich auf keinen Zeugen stützen könne, in einem späteren Gerichtsverfahren eine Benachteiligung darstelle, die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO – ggf. Anhörung – berücksichtigt werden könne, kann dies nur heißen, dass es zwar einen Zeugen gibt, der aber im anderen Lager steht, weshalb eine Anhörung bzw. Parteivernehmung nicht verneint werden kann. Für das danach erforderliche Mindestmaß an rechtlichem Gehör kann es nicht darauf ankommen, ob es nur um das Führen des Gegenbeweises – so in der Entscheidung des BVerfG – oder um das Führen des Beweises geht.

Schließlich geht auch aus einer neueren Entscheidung des BGH klar hervor, dass der vorherige Eintritt in eine Beweisaufnahme und das Abwarten deren ungünstigen Ausgangs nicht erforderlich sind, um eine Parteianhörung durchführen zu können. Denn danach hat ein Gericht bei einem Vier-Augen-Gespräch der Parteien eine Anhörung beider Parteien entweder auf der Grundlage des § 141 ZPO oder des § 448 ZPO vorzunehmen, weil eine solche Parteianhörung in Ermangelung weiterer Beweismittel geboten ist, um Feststellungen über den Inhalt streitiger Beratungsgespräche treffen zu können (Urt. v. 09.06.2011, IX ZR 75/10, Rn.19, juris). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass der BGH die Parteien nicht auf die Vernehmung des Gegners (§ 445 ZPO) verwiesen hat. Im Übrigen ist die Anhörung einer Partei nicht Teil der Beweiserhebung, sondern beruht allein darauf, dass eine Partei wegen des Erfordernisses des rechtlichen Gehörs beanspruchen kann, ihre Darstellung dem Gericht unmittelbar zu unterbreiten.

Unter Zugrundelegung der Angaben des informatorisch gehörten Klägers und der Aussage des Zeugen X ist der Senat nicht davon überzeugt, dass im Rahmen des Beratungsgesprächs ein Hinweis auf das sogenannte allgemeine Emittentenrisiko unterblieben ist. Zwar hat der Kläger angegeben, auf mögliche Verluste und auch auf das Emittentenrisiko nicht hingewiesen worden zu sein. Das Gericht geht davon aus, dass er dabei einen überzeugenden Eindruck hinterlassen hat. Seine Angaben werden aber durch die Aussage des Zeugen X widerlegt.

Denn dieser hat bekundet, er habe bei den Beratungen stets darauf hingewiesen, dass ein Emittentrisiko bestehe und gegebenenfalls mit einem Verlust zu rechnen sei („Emittent war Merrill Lynch, und ich habe dem Kunden gesagt, dass, wenn da was passiert, auch mit einem Verlust zu rechnen ist. Ob ich diese konkreten Worte gewählt habe, weiß ich natürlich nicht. Ich habe aber immer darauf hingewiesen, das muss man ja tun.“).

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Gleiches gilt für die Struktur der Papiere. Während der Kläger angegeben hat, bei Angebot des Produkts auf mögliche Verluste nicht hingewiesen worden zu sein, hat der Zeuge X bekundet, dem Kläger nicht nur die Verluste des Papiers dargestellt, sondern auch erwähnt zu haben, dass bei Nichterreichen des prognostizierten Verlaufs nach Fälligkeit des Papiers keine Zinszahlungen erfolgen und im allerschlimmsten Fall auch ein Kapitalverlust eintreten könne. Die Angaben des Zeugen X waren in sich stimmig und nachvollziehbar. Auch wenn er sich offensichtlich an den Ablauf des konkreten Beratungsgesprächs im Einzelnen nicht mehr erinnern konnte, so wusste er doch, wie er regelmäßig über das streitgegenständliche Finanzprodukt aufgeklärt hat. Anhaltspunkte, die zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zeugen berechtigen können, sind nicht sichtbar geworden. Dies gilt umso mehr, als er mittlerweile Rentner und damit nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt ist, weshalb sein Eigeninteresse am Ausgang dieses Rechtsstreits als eher gering einzustufen ist. Damit besteht unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers ein sogenanntes non liquet, d.h. der Kläger, der als Anspruchsteller die Voraussetzungen einer fehlerhaften Beratung zu tragen hat, trägt das Risiko der Beweislosigkeit.

Ein Pflichtverstoß der Beklagten liegt auch nicht in der unterbliebenen Aufklärung über die Provision von 4,1 %, die sie nach den Feststellungen des Landgerichts für den Vertrieb der streitgegenständlichen Zertifikate erhalten hat. Zu Recht und mit rechtsfehlerfreier Begründung hat das Landgericht angenommen, dass vorliegend ein Fall der aufklärungsbedürftigen Rückvergütung nicht gegeben ist (Urt. S. 6 – 8). Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen dann vor, wenn beispielsweise Teile der Aufgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde an einen Dritten zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank – regelmäßig umsatzabhängig – zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade dieses Produkt zu empfehlen (BGH, Urt. v. 27.09.2011, XI ZR 182/10, Rn. 40 m.w.N. – juris).

Damit liegt eine aufklärungspflichtige Rückvergütung vorliegend nicht vor. Sie setzt ein Dreipersonenverhältnis voraus, das bei einem Festpreisgeschäft, das nach der Wertpapierabrechnung Anlage K1 hier gegeben war, nicht vorliegt (BGH, a.a.O., Rn. 41).

Ohne Erfolg wird mit der Berufung weiter geltend gemacht, die Bezeichnung des Wertpapiers als … CreativInvest 6 täusche vor, dass es sich um ein Papier der Beklagten handele. Insoweit ist ein Beratungsfehler schon deshalb nicht gegeben, weil der Zeuge X, wie ausgeführt, den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Emittentin Merrill Lynch, eine namhafte Investmentbank, ist.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte hat mit Schreiben vom 27.11.2006 (Bl. 63 d.A.) auch rückwirkend eine Verzinsung des streitgegenständlichen Zertifikats von 8 % zugesichert. In dem genannten Schreiben wird das streitgegenständliche Zertifikat angepriesen, ohne dass es eine Zusicherung in dem Sinne, dass die Beklagte für eine Verzinsung in genannter Höhe einstehen will, enthält. Derartiges gibt der Wortlaut des Schreibens nicht her. Im Übrigen wird mitgeteilt, dass ein Mindest-Kupon von 8 % bei vorzeitiger Rückzahlung nur dann gezahlt wird, wenn die Wertentwicklung des ML Europe 1 Index über der des DAX liegt. Auch ist das weitere Vorbringen des Klägers, wonach die rückwirkende Verzinsung – gemeint ist offenbar die im Flyer Anlage B1 (Bl. 326 d.A.) unter der Überschrift ‚Einfach vergleichen: Die Outperformance‘ in Fettdruck erwähnte rückwirkende Zahlung des Kupons – nicht den zugrunde liegenden maßgeblichen endgültigen Bedingungen der Emittentin entspreche, ohne nähere Erläuterungen nicht nachvollziehbar. Denn die Angaben im Flyer, wonach zwar kein Kupon gezahlt wird, wenn der Merrill Lynch Europe 1 Index auf oder unter dem DAX-Index liegt, die Besonderheit aber sei, dass der Kupon auch rückwirkend für die vergangenen Jahre (oder gegebenenfalls die höhere Outperformance im aktuellen Jahr) gezahlt werde, wenn der Merrill Lynch Index im Folgejahr über dem DAX liege, entspricht S. 11, dort letzter Absatz, der von der Beklagten auszugsweise als Anlage B17 vorgelegten Zertifikats-Bedingungen (Bl. 316 d.A.).

Ohne Erfolg bleibt der weitere Einwand der Berufung, die Beklagte habe die Beratung anhand des bekannten und keine Risikohinweise enthaltenen Flyers (Anlage B21) vorgenommen. Die Frage nach der Unvollständigkeit des Flyers und die weitere Frage, ob dieser überhaupt als Verkaufsprospekt im eigentlichen Sinne oder nur als Werbebroschüre einzustufen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Zwar liegt eine Falschberatung des Anlegers dann vor, wenn der Anlageberater einen Verkaufsprospekt zur Grundlage seiner Beratung macht, obwohl dieser Prospekt fehlerhaft ist (BGH, Beschl. v. 19.09.2009, XI ZR 264/08, Rn. 5 m.w.N. – juris). Vorliegend kann indes nicht festgestellt werden, dass die Beratung anhand des Flyers vorgenommen worden ist. Die knappen Angaben des Klägers, wonach er den Flyer bekommen und auch durchgelesen habe, lassen nicht erkennen, ob der Zeuge X den Flyer auch zur Grundlage seiner Beratung gemacht hat. Im Übrigen hat der Zeuge bekundet, die Beratung zu dem Produkt immer anhand einer hand-out genannten Schulungsunterlage der Beklagten vorgenommen zu haben.

Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, ein vorsätzlich begangener Pflichtverstoß der Beklagten liege in der unterbliebenen Aufklärung darüber, dass fast jedes Zertifikat der Emittentin Merrill Lynch ohne Kursgewinne oder Bonuszahlungen geendet habe, weil diese es selbst in der Hand habe, durch Ein- und Auswechseln von Aktien den Kurs des Merrill Lynch Europe 1 zu den maßgeblichen Stichtagen (Beobachtungstagen) zu beeinflussen. Der Vortrag, die vergleichbaren Vorgängerzertifikate hätten keinen Gewinn abgeworfen, ist neu und im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten, die hier von einer „ins Blaue“ aufgestellten Behauptung und im Übrigen von einer außergewöhnlich guten Performancen der Vorgängerzertifikate spricht, nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähig.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

 

 

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