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Schadensersatz bei Beschädigung eines Fahrzeugs bei TÜV-Vorführung

LG Freiburg (Breisgau) – Az.: 2 O 357/10 – Urteil vom 27.05.2011

1. Das Land … wird verurteilt an die Klägerin 2.803,65 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24.07.2010 zu zahlen.

2. Das beklagte Land wird verurteilt die Kläger freizustellen von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 412,93 €.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3015,43 € gegen das Land … wegen einer anlässlich der TÜV-Vorführung ihres PKW verursachten Beschädigung ihres Fahrzeuges durch einen Mitarbeiter des TÜV … geltend.

Die Klägerin führte ihren PKW, Modell Seat Ibiza mit dem amtl. Kennzeichen … am 28.05.2010 beim TÜV … vor. Dieses war tiefergelegt und hatte einen Heckspoiler, der die Bodenfreiheit gerade noch auf das zulässige Maß reduzierte. Der Zeuge … hatte den PKW zuvor vorsichtig in den Prüfstand eingefahren.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des genannten Fahrzeugs. Das Fahrzeug sei kurz vor der TÜV-Vorführung neu mit Perleffekt und Zweischichtlack lackiert worden. Das Fahrzeug sei vom Zeugen … auf den Bremsenprüfstand gefahren worden. Durch das zu schnelle Herausfahren aus dem Prüfstand habe das Fahrzeug mit dem neu lackierten und neu angebrachten Heckspoiler hart aufgesetzt. Dadurch sei der Heckspoiler gegen die Karosserie gedrückt worden, was zu einem erheblichen Schaden geführt habe. Das Fahrzeug habe keine Vorschäden und Rostantragungen aufgewiesen, denn es sei 10 Tage zuvor neu instand gesetzt worden. Das Fahrzeug sei aufgrund der umfänglichen Reparaturarbeiten zwischen dem 14.06. und 18.06.2010 nicht einsetzbar gewesen. Die Gutachterkosten und Reparaturkosten seien bezahlt. Es seien insgesamt Gutachterkosten, Mietwagenkosten, Reparaturkosten, allgemeine Auslagen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten entstanden. Der Faktor 1,5 sei bei der Berechnung der Anwaltskosten gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Land … wird verurteilt an die Klägerin 3.015,43 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.07.2010 zu bezahlen.

Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

2. Das beklagte Land wird verurteilt die Kläger freizustellen aus vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 412,93 €.

Das Land beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Das Land behauptet, es bestreite, dass die Klägerin Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs gewesen sei. Das Fahrzeug sei nicht kurz vor dem 28.05.2010 neu mit Perleffekt und Zweischichtlack lackiert worden. Der Gutachter … habe festgestellt, dass die Räder an den Radabdeckungen geschliffen hätten und der Tachometer ungenau gehe. Bei der Überprüfung der Hinterachse sei es zu einem leichten Aufsetzer gekommen. Die anschließende Überprüfung habe ergeben, dass an der Heckschürze keine Schleifspuren zu sehen gewesen seien. Der Zeuge … sei äußerst umsichtig und vorsichtig bei der Überprüfung des Fahrzeugs vorgegangen. Es werde bestritten, dass das leichte Aufsetzen Ursache des im Gutachten festgestellten und kalkulierten Schadens gewesen sei. Das Fahrzeug habe Vorschäden gehabt. Es seien Lackabplatzungen mit Rostantragungen vorhanden, welche nicht in der Zeit zwischen der TÜV-Vorführung am 28.05.2010 und dem Gutachten am 14.06.2010 hätten entstehen können. Die ersichtlichen Schäden seien nach dem Verlassen des Bremsenprüfstandes nicht vorhanden gewesen. Es werde bestritten, dass die Klägerin 5 Tage einen Mietwagen in Anspruch habe nehmen müssen. Die berechneten Arbeiten seien in höchstens 2 Tagen durchführbar gewesen. Zudem werde bestritten, dass die Klägerin die Gutachterkosten und Reparaturkosten bezahlt habe. Dass hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten eine Gebühr höher als 1,3 nicht angemessen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … sowie die Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 11.5.2011 verwiesen. Wegen des Vortrages im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, da Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden.

Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3198,55 € aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG, §§ 280 I, 249 BGB.

1. Anspruchsgrund

Schadensersatz bei Beschädigung eines Fahrzeugs bei TÜV-Vorführung
Symbolfoto: Von Christian Schwier/Shutterstock.com

Die Geschädigte ist Eigentümerin des Fahrzeugs. Der Zeuge …, TÜV-Prüfer, fuhr das Fahrzeug auf den Bremsenprüfstand, allerdings nicht, um dort eine Bremsprüfung durchzuführen, sondern um in die Grube zu fahren, die hinter dem Bremsenprüfstand positioniert ist (Aussage …, Seite 5 des Protokolls). Dabei setzte das Fahrzeug hinten auf. Dieses Aufsetzen des Fahrzeugs ist ursächlich für den streitgegenständlichen Schaden (siehe insbesondere LIBI im M&P-Gutachten 5-9). Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass der Schaden durch das Aufsetzen im Bremsprüfstand plausibel erklärbar ist und dass es sich bei dem festgestellten Schaden um einen „frischen“ Schaden handelt. Es sind keine Rostantragungen vorhanden, die auf einen länger zurückliegenden Schaden schließen lassen. Auch ist der gutachterlich festgestellte Schaden typischerweise auf ein Aufsetzen und damit ein „Hochdrücken“ des Auspuffes an die Heckschürze zurückzuführen. Der Schaden am Fahrzeug ist erst durch das Aufsetzen im Bremsenprüfstand entstanden und nicht vorher. Das ergibt sich aus der Aussage des Zeugen …. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, dass das Auto bei der Anfahrt zum TÜV diese Schäden nicht aufgewiesen hat. Das Auto war vor der Vorführung beim TÜV neu mit Perleffekt und Zweischichtlack lackiert worden (Rechnung … vom 19.05.2010, Anlagenheft Klägervertreter AS 63). Unmittelbar vor der TÜV-Prüfung war es in der 200 m vom TÜV entfernten Werkstatt vermessen worden. Von dort aus war die Klägerin zum TÜV gefahren, um das Fahrzeug abnehmen zu lassen. Während dieser Fahrt setzte das Fahrzeug nicht auf. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen … zweifelt das Gericht nicht, denn die Aussage lässt keinerlei Belastungstendenz erkennen. Vielmehr war der Zeuge sichtlich bemüht, nur das zu bekunden, was er noch sicher wusste. Anderes ergibt sich nicht aus den Aussagen der Zeugen … und …. Insbesondere der Zeuge … hat ebenfalls bestätigt, dass das Fahrzeug aufgesetzt wurde und dass die streitgegenständlichen Schäden vorhanden waren. Nur hat er – im Unterschied zum Sachverständigen – nicht den Zusammenhang zwischen den streitgegenständlichen Schäden und dem Aufsetzen gesehen. Der Zeuge … konnte nur dazu etwas sagen, was er und der Zeuge … bei der anschließenden Besichtigung des Fahrzeugs gesehen haben. Für die Klärung der beweiserheblichen Fragen (war das Fahrzeug schon vorher schadhaft? ist der Schaden durch das Aufsetzen entstanden?) ist die Aussage unergiebig.

2. Schadenshöhe

a) Reparaturkosten

Es besteht ein Anspruch auf Zahlung von 1.798,11 €. Dieser Betrag errechnet sich aus der Reparaturrechnung vom 2.7.2010 (K 2) über 1.938,77 € abzüglich der vom Sachverständigen für nicht als erforderlich für die Instandsetzung bezeichneten Positionen (Seite 10 des Protokolls: 118,20 € netto=140,66 € brutto).

b) Mietwagen

Die Klägerin hat Anspruch auf den Ersatz aufgewendeter Mietwagenkosten in Höhe von 640,09 € aus § 249 BGB. Auszugehen ist von der Mietwagenrechnung über 711,21 €. Diese Rechnung ist in Bezug auf den Fahrbedarf der Klägerin, die Reparaturdauer und die anzurechnenden Ersparnisse bestritten.

Die Klägerin muss sich im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen (BGH NJW 1975, 255; Palandt, § 249 Rdnr. 36). Die Ersparnis beträgt nach den maßgeblichen wirtschaftlichen und technischen Verhältnissen etwa 10 % der Mietwagenkosten (BGH NJW 2010, 1445, 1446; OLG Hamm VersR 2001, 206, 208; OLG Jena, OLG-Report 2007, 985, 988; LG Dortmund, NZV 2008, 93, 95).

Die Reparaturdauer und damit die Mietwagendauer ist angemessen. Bei derartigen Arbeiten wie dem Auftragen von mindestens 3 Lackschichten sind Trockenzeiten zu berücksichtigen. Eine Reparaturdauer von 3-4 Tagen ist deshalb nicht zu beanstanden (siehe Aussage des Sachverständigen, Seite 10 des Protokolls). In 2 Tagen, wie vom Land geltend gemacht, ist eine solch aufwendige Reparatur jedenfalls nicht zu bewerkstelligen. Die Trocknungszeiten wurden bei der Arbeitszeitberechnung nicht berücksichtigt. Die Anmietung eines Mietwagen für die Dauer von 5 Tagen hält sich damit im Rahmen des hier vorliegenden Einzelfalles. Die Geschädigte war auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für die Dauer der Reparatur aufgrund verschiedener Arztbesuche und sonstiger Termine angewiesen. Insoweit glaubt das Gericht der plausiblen Erklärung der Klägerin im Termin vom 11.05.2010. Zudem ging sie zu dieser Zeit an Krücken und war damit wenig mobil. Hieraus ergibt sich ein erhöhter Fahrbedarf (Palandt, § 249, Rdnr. 35).

Bei den erforderlichen Kosten für die KFZ-Anmietung kann der Geschädigte, wenn er zum Unfallersatztarif (UET) mietet, nur die Sätze des Normaltarifs (NT) verlangen (BGH NJW 05, 51, 07, 1122 ff.). Der Geschädigte muss sich bei der Anmietung für den NT entscheiden (BGH NJW 2010, 1445). Ein Aufschlag von 20 % ist jedoch bei der Inanspruchnahme unfallbedingter Mehrleistungen zulässig (Köln, NZV 07, 173). Hier ist kein Aufschlag von 20 % zu rechtfertigen, da die Anmietung erst am 14.06.2010 geschah. Es sind hier keine Besonderheiten unfallbedingter Mehrleistungen der Verkehrsunfallsituation wie vorliegend des schädigenden Ereignisses zu berücksichtigen. Das Auto wurde weder am gleichen Tag angemietet noch entstanden sonst außergewöhnliche Belastungen auf Seiten des Autovermieters. Auf all dies kommt es aber nicht an, weil das beklagte Land die Rechnung in diesen Punkten nicht bestritten hat.

c) Anwaltskosten

Die Geschädigte hat einen Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten i. H. v. 412,93 €. Die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten sind hier mit dem Faktor 1,5 zu berechnen. Die Erhöhung der 1,3-fachen Regel-Geschäftsgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Dem Rechtsanwalt steht bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 v. H. zu. Hält sich der Rechtsanwalt innerhalb dieser sog. Toleranzgrenze, so ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht i. S. d § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher vom Ersatzpflichtigen hinzunehmen (BGH, Urt. .v. 13.01.2011 – IX ZR 110/10; BGH, Urt. V. 31.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 Rdnr. 5; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 14 Rdnr. 12; AnwKomm-RVG/Onderka, 5. Aufl., § 14 Rdnr. 80 ff. m. w. N.). Durch die hier angemessene Erhöhung der Regelgebühr um 0,2 hat der Rechtsanwalt die Toleranzgrenze eingehalten.

d) Unstreitig sind die Schadenspositionen Gutachterkosten (335,45 €) und Auslagenpauschale (30 €).

e) Der Schaden ergibt sich aus der Summe der vorgenannten Beträge von 1.798,11 €, 640,09 €, 335,45 € und 30 € und beträgt mithin 2.803,65 €. In Höhe von 412,93 € nebst Zinsen muss das beklagte Land die Klägerin von Anwaltskosten freistellen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 709 ZPO.

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