Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Baustellenabsicherung: Juristische Folgen der Verkehrssicherungspflicht im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Weiterführende Informationen
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was umfasst die Verkehrssicherungspflicht bei Baustellen?
- Welche Sorgfaltspflichten haben Fußgänger in Baustellenbereichen?
- Wie können Geschädigte beweisen, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorlag?
- Welche Besonderheiten gelten für provisorische Wege im Baustellenbereich?
- Wann besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei Unfällen auf Baustellen-Fußwegen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Klage der Klägerin auf Schmerzensgeld wegen mangelhafter Absicherung einer Baustelle wurde abgewiesen.
- Es wurde festgestellt, dass der streitige Fußweg in dem relevanten Zeitraum ordnungsgemäß gesichert war.
- Der Beklagte hat die Verkehrssicherungspflicht an die ……-Bau GmbH übergeben und ist daher nicht passivlegitimiert.
- Die Klägerin trug ein erhebliches Mitverschulden, da sie bei ihrem Sturz ebenfalls Fehler gemacht haben könnte.
- Der Beklagte bestritt die Unfallhergang und die Verletzungen der Klägerin mit Nichtwissen.
- Die Beklagte führte nachweisliche regelmäßige Kontrollen der Baustelle durch, die keine Mängel aufwiesen.
- Zeugen wurden vernommen, um den Hergang des Unfalls und die Sicherheitsvorkehrungen zu klären.
- Das Gericht entschied, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits trägt.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar mit der Möglichkeit für die Klägerin, die Vollstreckung abzuwenden, falls der Beklagte keine Sicherheit bietet.
- Die Entscheidung hat Auswirkungen auf zukünftige Schmerzensgeldansprüche in ähnlichen Fällen und betont die Bedeutung von Verkehrssicherungspflichten.
Baustellenabsicherung: Juristische Folgen der Verkehrssicherungspflicht im Fokus
Im Zusammenhang mit Baustellen und Baumaßnahmen ist die Straßenverkehrssicherungspflicht ein zentrales Thema, das enorme Bedeutung für die Verkehrssicherheit hat. Wenn ein Bürgersteig aufgrund von Arbeiten gesperrt wird, sind die Verantwortlichen gehalten, geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört in der Regel die Einrichtung eines provisorischen Fußwegs oder eine Gehwegumleitung, um Fußgänger sicher an Gefahrenstellen vorbeizuleiten. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass trotz der temporären Verkehrsführung eine sichere Passage für alle Verkehrsteilnehmer gewährleistet bleibt.
Die Baustellenabsicherung und das Sicherheitskonzept sind entscheidend, um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden. Daher sind klare Wegweisungen und eine ansprechende Baustelleninfrastruktur essenziell, um die Fußgängersicherung zu garantieren. Die Verantwortlichen müssen nicht nur die Verkehrsordnung beachten, sondern auch im Sinne der Verkehrssicherheit handeln, um mögliche Gefahren durch von ihnen verursachte Einschränkungen zu minimieren. Während die gesetzlichen Rahmenbedingungen oft kompliziert erscheinen, wird in der Praxis häufig deutlich, wie fragil das Gleichgewicht zwischen notwendigen Baumaßnahmen und der Sicherheit der Passanten ist.
Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall analysiert, der zeigt, wie diese Prinzipien im realen Baustellenbereich umgesetzt werden und welche juristischen Konsequenzen daraus resultieren können.
Der Fall vor Gericht
Frau verletzt sich auf Baustellen-Fußweg – Klage auf Schmerzensgeld scheitert
Eine Frau hat vor dem Landgericht Lübeck keinen Erfolg mit ihrer Klage auf Schmerzensgeld gegen eine Gemeinde. Sie war auf einem provisorischen Fußweg neben einer Baustelle gestürzt und hatte sich dabei verletzt. Das Gericht sah jedoch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Gemeinde.
Sturz auf abschüssigem Baustellenweg
Der Vorfall ereignete sich am 23. August 2021 auf der Strandpromenade in einer Gemeinde in Schleswig-Holstein. Dort war ein Baustellenbereich eingerichtet, neben dem ein provisorischer Fußweg verlief. Die Klägerin behauptete, dieser Weg sei uneben gewesen. Die rechte Hälfte habe 15 cm tiefer gelegen, was für sie nicht erkennbar gewesen sei. Dadurch sei sie trotz vorsichtigen Gehens umgeknickt, gestürzt und habe sich an der Wirbelsäule verletzt.
Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde
Die beklagte Gemeinde hatte die konkrete Verkehrssicherungspflicht für den Baustellenbereich zwar an ein Bauunternehmen übertragen. Dennoch verblieben bei ihr Aufsichts- und Überwachungspflichten. Das Gericht stellte klar: Die Gemeinde müsse überprüfen, dass überhaupt Verkehrssicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Zudem seien stichprobenartige Kontrollen erforderlich, um sicherzustellen, dass die übertragenen Aufgaben weiterhin ordnungsgemäß wahrgenommen werden.
Kein Verstoß gegen Sicherungspflichten festgestellt
Nach Würdigung aller Umstände und der Beweisaufnahme war das Gericht nicht davon überzeugt, dass ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflichten vorlag. Zwar bestätigten Zeugen, dass der Schotterweg am Rand abschüssig war. Dies sei aber deutlich erkennbar gewesen, unter anderem durch den Bewuchs. Das Gericht betonte: Bei einem erkennbaren Provisorium im Baustellenbereich müssen Fußgänger mit größeren Unebenheiten als auf einem normalen Gehweg rechnen. Eine zusätzliche Absicherung des vor sich selbst warnenden Wegesrandes sei nicht erforderlich gewesen.
Klage abgewiesen – Frau trägt Prozesskosten
Die Richter wiesen die Klage daher ab. Die Klägerin konnte weder einen Verstoß gegen Sicherungspflichten noch unzureichende Kontrollen durch die Gemeinde nachweisen. Sie muss nun die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht bei erkennbar provisorischen Wegen im Baustellenbereich. Fußgänger müssen hier mit größeren Unebenheiten rechnen und ihr Verhalten anpassen. Eine Gemeinde haftet nicht für Unfälle, wenn der Weg erkennbar abschüssig ist und keine außergewöhnlichen Gefahren bestehen. Dies unterstreicht die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer und begrenzt die Haftungsrisiken für Kommunen bei Baustellen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie sich auf einem provisorischen Fußweg im Baustellenbereich verletzen, sollten Sie sich bewusst sein, dass Ihre Chancen auf Schmerzensgeld begrenzt sein können. Das Gericht erwartet von Fußgängern erhöhte Aufmerksamkeit in solchen Bereichen. Erkennbare Unebenheiten oder abschüssige Ränder gelten oft nicht als haftungsbegründende Gefahren. Für einen erfolgreichen Anspruch müssten Sie nachweisen, dass eine nicht erkennbare, außergewöhnliche Gefahr vorlag und die zuständige Behörde ihre Überwachungspflichten vernachlässigt hat. Dokumentieren Sie daher den Unfallort sorgfältig und suchen Sie zeitnah rechtlichen Rat, um Ihre individuellen Erfolgsaussichten einschätzen zu lassen.
Weiterführende Informationen
Sie haben Fragen zur Verkehrssicherungspflicht in Baustellenbereichen? Dann sind Sie hier genau richtig! In dieser FAQ-Rubrik beantworten wir Ihnen wichtige Fragen rund um dieses Thema aus der Sicht von Rechtsexperten.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was umfasst die Verkehrssicherungspflicht bei Baustellen?
- Welche Sorgfaltspflichten haben Fußgänger in Baustellenbereichen?
- Wie können Geschädigte beweisen, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorlag?
- Welche Besonderheiten gelten für provisorische Wege im Baustellenbereich?
- Wann besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei Unfällen auf Baustellen-Fußwegen?
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was umfasst die Verkehrssicherungspflicht bei Baustellen?
Die Verkehrssicherungspflicht bei Baustellen umfasst alle Maßnahmen, die notwendig sind, um Gefahren für Verkehrsteilnehmer abzuwenden. Wenn Sie eine Baustelle einrichten oder betreiben, müssen Sie dafür sorgen, dass niemand zu Schaden kommt. Dies betrifft sowohl den Straßenverkehr als auch Fußgänger und Radfahrer.
Konkrete Pflichten für Bauherren und Bauunternehmer
Als Bauherr oder Bauunternehmer sind Sie verpflichtet:
- Die Baustelle deutlich zu kennzeichnen und abzusichern
- Gefahrenstellen wie Baugruben oder Gerüste ausreichend zu sichern
- Für eine angemessene Beleuchtung der Baustelle zu sorgen
- Provisorische Fußwege einzurichten und sicher zu gestalten
- Regelmäßige Kontrollen der Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen
Beachten Sie: Die Verkehrssicherungspflicht gilt nicht nur während der Arbeitszeiten, sondern rund um die Uhr.
Übertragung und verbleibende Verantwortung
Als Bauherr können Sie die Verkehrssicherungspflicht auf einen zuverlässigen Bauunternehmer übertragen. Dafür ist eine klare Absprache erforderlich. Trotz der Übertragung behalten Sie eine Überwachungspflicht. Das bedeutet, Sie müssen kontrollieren, ob der Bauunternehmer seinen Pflichten nachkommt.
Rechtliche Grundlagen und Konsequenzen
Die Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Deliktsrecht, insbesondere aus § 823 Abs. 1 BGB. Bei Verletzung dieser Pflicht drohen Schadensersatzansprüche und in schweren Fällen sogar strafrechtliche Konsequenzen.
Stellen Sie sich vor, ein Passant verletzt sich aufgrund einer unzureichend gesicherten Baugrube. In diesem Fall könnten Sie als Verantwortlicher haftbar gemacht werden und müssten für den entstandenen Schaden aufkommen.
Besonderheiten bei öffentlichen Verkehrsflächen
Bei Baustellen im öffentlichen Verkehrsraum besteht eine geteilte Verantwortung zwischen Ihnen als Bauunternehmer und der zuständigen Straßenverkehrsbehörde. Die Behörde bleibt grundsätzlich für die Verkehrssicherheit verantwortlich, kann aber Teile dieser Pflicht auf Sie übertragen.
Welche Sorgfaltspflichten haben Fußgänger in Baustellenbereichen?
Fußgänger haben in Baustellenbereichen erhöhte Sorgfaltspflichten zu beachten. Sie müssen ihre Aufmerksamkeit steigern und sich den besonderen Gefahren anpassen, die von einer Baustelle ausgehen können.
Gesteigerte Aufmerksamkeit
In Baustellenbereichen müssen Sie als Fußgänger besonders aufmerksam sein. Achten Sie auf Hinweisschilder, Absperrungen und Umleitungen. Beobachten Sie den Boden genau, da hier Stolperfallen wie Kabel, Schläuche oder Materialreste liegen können. Seien Sie auch auf plötzliche Geräusche oder Bewegungen vorbereitet, die von Baumaschinen oder -arbeiten ausgehen können.
Beachtung von Absperrungen und Hinweisen
Respektieren Sie unbedingt alle Absperrungen und Hinweisschilder. Wenn ein Bereich abgesperrt ist, dürfen Sie diesen nicht betreten – auch wenn es Ihnen als Abkürzung erscheint. Folgen Sie den ausgewiesenen Fußgängerwegen, auch wenn diese einen Umweg bedeuten. Ignorieren Sie keinesfalls Warnhinweise oder Verbotsschilder.
Anpassung der Gehgeschwindigkeit
Passen Sie Ihre Gehgeschwindigkeit den Gegebenheiten an. Auf provisorischen Gehwegen oder bei Unebenheiten ist es ratsam, langsamer zu gehen. Besonders bei Nässe oder Dunkelheit ist erhöhte Vorsicht geboten. Joggen Sie in Baustellenbereichen nicht, da hier ein erhöhtes Sturzrisiko besteht.
Nutzung vorgesehener Übergänge
Wenn Sie die Straßenseite wechseln müssen, nutzen Sie nur die dafür vorgesehenen Übergänge. Auch wenn es verlockend erscheint, die Straße an einer nicht dafür vorgesehenen Stelle zu überqueren – tun Sie es nicht. Die ausgewiesenen Übergänge sind in der Regel sicherer und berücksichtigen den Baustellenverkehr.
Eigenverantwortung bei erkennbaren Gefahren
Beachten Sie, dass Sie als Fußgänger eine Mitverantwortung tragen, wenn Sie sich trotz erkennbarer Gefahren in einen Baustellenbereich begeben. Gerichte berücksichtigen bei der Beurteilung von Unfällen, ob die Gefahrenstelle für Sie erkennbar war und ob Sie die nötige Sorgfalt haben walten lassen.
Besondere Vorsicht bei Dunkelheit
Bei Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen ist besondere Vorsicht geboten. Tragen Sie nach Möglichkeit helle oder reflektierende Kleidung, um besser gesehen zu werden. Nutzen Sie zusätzliche Lichtquellen wie eine Taschenlampe, um den Weg besser auszuleuchten.
Durch die Beachtung dieser Sorgfaltspflichten tragen Sie aktiv zu Ihrer eigenen Sicherheit bei und minimieren das Risiko von Unfällen in Baustellenbereichen. Denken Sie daran: Ihre Sicherheit hat Vorrang vor Zeitersparnis oder Bequemlichkeit.
Wie können Geschädigte beweisen, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorlag?
Geschädigte müssen grundsätzlich drei Elemente beweisen, um eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nachzuweisen:
Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht
Zunächst müssen Sie darlegen, dass überhaupt eine Verkehrssicherungspflicht bestand. Bei einem provisorischen Fußweg im Baustellenbereich trifft diese Pflicht in der Regel den Bauherrn oder das beauftragte Bauunternehmen. Sie können dies durch Vorlage von Baustellenplänen, Genehmigungen oder Zeugenaussagen belegen.
Objektive Pflichtverletzung
Als nächstes müssen Sie nachweisen, dass die Verkehrssicherungspflicht objektiv verletzt wurde. Hierzu können Sie folgende Beweismittel nutzen:
- Fotos oder Videos der Gefahrenstelle, die den mangelhaften Zustand dokumentieren
- Zeugenaussagen von Personen, die die Gefahrenstelle ebenfalls bemerkt haben
- Gutachten von Sachverständigen, die den Zustand des Weges beurteilen
- Polizeiberichte oder Unfallprotokolle, falls solche erstellt wurden
Beachten Sie, dass bei einem provisorischen Fußweg im Baustellenbereich nicht die gleichen strengen Maßstäbe gelten wie bei einem regulären Gehweg. Der Weg muss jedoch eine hinreichend sichere Nutzung gewährleisten.
Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden
Schließlich müssen Sie beweisen, dass Ihr Schaden durch die Pflichtverletzung verursacht wurde. Hier können Ihnen Beweiserleichterungen zugutekommen:
- Der Anscheinsbeweis greift, wenn sich typischerweise gerade die Gefahr verwirklicht hat, der durch die Verkehrssicherungspflicht vorgebeugt werden sollte.
- Bei der Beweislastumkehr muss der Verkehrssicherungspflichtige nachweisen, dass er alle erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen hat.
Um die Kausalität zu belegen, können Sie ärztliche Atteste vorlegen, die den Zusammenhang zwischen Ihrem Sturz und Ihren Verletzungen dokumentieren.
Wenn Sie diese Beweise sammeln und vorlegen, erhöhen Sie Ihre Chancen, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung erfolgreich nachzuweisen. Denken Sie daran, Beweise möglichst zeitnah nach dem Vorfall zu sichern, um ihre Beweiskraft zu erhalten.
Welche Besonderheiten gelten für provisorische Wege im Baustellenbereich?
Für provisorische Wege im Baustellenbereich gelten besondere Sicherheitsanforderungen, die sich von regulären Gehwegen unterscheiden. Diese Besonderheiten ergeben sich aus der erhöhten Gefährdungslage und den temporären Bedingungen einer Baustelle.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Vorgaben für provisorische Wege im Baustellenbereich basieren auf der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) und den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA). Diese Regelwerke legen fest, dass die Verkehrssicherungspflicht auch für temporäre Wegführungen gilt.
Anforderungen an provisorische Wege
Wenn Sie eine Baustelle passieren, sollten Sie folgende Besonderheiten beachten:
- Mindestbreite: Provisorische Fußwege müssen eine Mindestbreite von 1,50 m aufweisen. In Ausnahmefällen kann diese auf 1,00 m reduziert werden.
- Barrierefreiheit: Die Wege müssen möglichst barrierefrei gestaltet sein, um auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen eine sichere Passage zu ermöglichen.
- Absicherung: Provisorische Wege müssen durch Absperrungen oder Schutzeinrichtungen vom Baustellenbereich und vom fließenden Verkehr getrennt werden.
- Beleuchtung: Bei Dunkelheit ist eine ausreichende Beleuchtung der provisorischen Wege sicherzustellen.
Haftung bei Unfällen
Sollten Sie auf einem provisorischen Weg im Baustellenbereich verunglücken, gelten besondere Haftungsregeln:
- Die Verkehrssicherungspflicht obliegt demjenigen, der die Gefahrenquelle geschaffen hat, also in der Regel dem Bauunternehmen oder der beauftragenden Behörde.
- Es besteht eine erhöhte Sorgfaltspflicht für die Verantwortlichen, da provisorische Wege als potenzielle Gefahrenquellen gelten.
- Gleichzeitig müssen Fußgänger eine erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen, da im Baustellenbereich mit Unregelmäßigkeiten zu rechnen ist.
Konsequenzen bei Nichtbeachtung
Werden die Vorgaben für provisorische Wege nicht eingehalten, kann dies rechtliche Folgen haben:
- Bußgelder für die Verantwortlichen bei Verstößen gegen die StVO oder RSA.
- Schadensersatzansprüche von Geschädigten im Falle von Unfällen aufgrund mangelhafter Sicherung.
- Baustilllegung bei schwerwiegenden Sicherheitsmängeln durch die zuständige Behörde.
Beachten Sie, dass die Sicherheitsanforderungen an provisorische Wege im Baustellenbereich dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer dienen. Als Fußgänger sollten Sie in solchen Bereichen besonders aufmerksam sein und die vorgegebenen Wege nutzen, um Ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.
Wann besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei Unfällen auf Baustellen-Fußwegen?
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei Unfällen auf Baustellen-Fußwegen besteht, wenn der Bauherr oder das beauftragte Bauunternehmen seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und Sie dadurch einen Schaden erlitten haben.
Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch
Für einen Schmerzensgeldanspruch müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Es liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.
- Sie haben einen Schaden erlitten (z.B. Körperverletzung).
- Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und Ihrem Schaden.
- Den Verantwortlichen trifft ein Verschulden.
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt vor, wenn der Verantwortliche nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um Gefahren für Passanten abzuwenden. Bei Baustellen-Fußwegen bedeutet dies konkret:
- Unzureichende Absicherung der Baustelle
- Fehlende Warnschilder oder Beleuchtung
- Mangelhafte Instandhaltung des provisorischen Fußwegs
Wenn Sie beispielsweise nachts über ein nicht beleuchtetes Hindernis auf dem Baustellen-Fußweg stolpern, könnte dies eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellen.
Mitverschulden des Geschädigten
Beachten Sie, dass auch Ihr eigenes Verhalten eine Rolle spielt. Wenn Sie als Fußgänger nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen, kann dies zu einem Mitverschulden führen. Dies kann Ihren Anspruch auf Schmerzensgeld mindern oder sogar ausschließen.
Ein Mitverschulden kann vorliegen, wenn Sie:
- Offensichtliche Gefahren ignorieren
- Absperrungen missachten
- Bei schlechten Sichtverhältnissen nicht besonders vorsichtig sind
Höhe des Schmerzensgeldes
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Schwere der Verletzung
- Dauer der Heilung
- Bleibende Schäden
- Grad des Verschuldens des Verantwortlichen
Bei leichten Verletzungen wie Prellungen oder Schürfwunden fällt das Schmerzensgeld in der Regel geringer aus als bei schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen oder Kopfverletzungen.
Beweislast
Wenn Sie einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend machen möchten, müssen Sie die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und den daraus resultierenden Schaden nachweisen. Sammeln Sie daher möglichst zeitnah Beweise wie Fotos der Unfallstelle und Zeugenaussagen. Auch ein ärztliches Attest über Ihre Verletzungen ist wichtig.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Verkehrssicherungspflicht: Die Verkehrssicherungspflicht ist eine rechtliche Verpflichtung von Straßenbaulastträgern, öffentliche Wege und Straßen in einem sicheren Zustand zu halten und Gefahren für Verkehrsteilnehmer zu minimieren. Dies umfasst alle notwendigen Maßnahmen, wie das Aufstellen von Warnschildern oder das Absichern von Baustellen. Bei Baustellen ist diese Pflicht besonders wichtig, um Unfälle durch provisorische Verkehrsführungen zu vermeiden.
- Provisorischer Fußweg: Ein provisorischer Fußweg ist eine temporäre Gehwegführung, die während Bauarbeiten eingerichtet wird, um Fußgängern die Weiterführung ihrer Route zu ermöglichen. Solche Wege sind oft weniger gut ausgebaut und können Unebenheiten sowie sonstige Beschränkungen aufweisen. Fußgänger müssen hier besonders aufmerksam sein, da die Sicherheitsstandards nicht den normalen Gehwegen entsprechen.
- Übertragene Verkehrssicherungspflicht: In vielen Fällen wird die Verkehrssicherungspflicht von der verantwortlichen Gemeinde an ein Bauunternehmen weitergegeben. Dies bedeutet, dass das Bauunternehmen dafür zuständig ist, die Sicherheitsmaßnahmen während der Bauarbeiten umzusetzen. Die Gemeinde behält jedoch eine Aufsichts- und Überwachungspflicht, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen auch korrekt durchgeführt werden.
- Aufsichts- und Überwachungspflichten: Selbst wenn die Verkehrssicherungspflicht an ein Bauunternehmen übertragen wurde, bleibt die Gemeinde in der Verantwortung, die Umsetzung durch regelmäßige Kontrollen zu überwachen. Stichprobenartige Prüfungen sollen gewährleisten, dass Sicherheitsvorkehrungen eingehalten und die Gefahren für Verkehrsteilnehmer minimiert werden.
- Deutliche Erkennbarkeit: Ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung, ob die Verkehrssicherungspflicht erfüllt wurde, ist die deutliche Erkennbarkeit von Gefahrenstellen. Ist eine Gefahrenstelle wie eine Unebenheit klar sichtbar oder durch Schilder markiert, müssen Fußgänger ihre Eigenverantwortung wahrnehmen und entsprechend vorsichtig agieren. Dies spielt bei der Bewertung von Haftungsansprüchen eine zentrale Rolle.
- Schmerzensgeld: Schmerzensgeld ist eine finanzielle Entschädigung, die einer Person zusteht, die durch das Verschulden eines anderen körperlichen oder seelischen Schaden erlitten hat. Um Schmerzensgeld erfolgreich zu fordern, muss der Geschädigte nachweisen, dass eine Pflichtverletzung vorlag und diese direkt zur Verletzung führte. In Fällen wie Baustellenunfällen muss zusätzlich gezeigt werden, dass die Gefahren nicht offensichtlich waren und ausreichende Sicherungsmaßnahmen gefehlt haben.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB: Nach § 823 Abs. 1 BGB haftet „wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen verletzt“. Diese Norm ist der Kern der deliktischen Haftung im deutschen Recht und regelt die Ansprüche auf Schadensersatz, die jemand geltend machen kann, wenn er durch das schädigende Handeln eines anderen geschädigt wurde.
- § 839 Abs. 1 BGB: § 839 Abs. 1 BGB regelt die Haftung des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber haftet für die fahrlässige oder vorsätzliche unerlaubte Handlung seiner Arbeitnehmer, wenn diese in Ausübung ihrer Tätigkeit die Rechtsgüter anderer schädigen. Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber für den Schaden verantwortlich ist, der durch die Handlung des Arbeitnehmers verursacht wurde, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Schadens eine arbeitsvertragliche Tätigkeit ausübte.
- § 836 BGB: § 836 BGB regelt die Haftung für die Verletzung von Pflichten bei der Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses. Es können vertragliche Pflichten durch ein Verschulden des Schädigers oder durch nicht vertragsgemäße Ausführung verletzt werden. In dem konkreten Fall könnte es relevant sein, wenn der Klägerin durch ein fehlerhaftes Verhalten der Beklagten oder ihrer Beauftragten bei der Absicherung der Baustelle ein Schaden entstanden ist.
- § 203 BGB: Nach § 203 BGB kann derjenige, der bei Gefahr im Verzug notwendige Maßnahmen zur Rettung von Personen oder Sachen trifft, von demjenigen, dem er dabei geholfen hat, Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Diese Regelung könnte in dem Fall relevant sein, wenn die Klägerin durch ihre eigene Hilfeleistung bei der Verhütung oder Minderung des aufgetretenen Schadens Aufwendungen hatte.
- § 423 BGB (Verkehrssicherungspflicht): § 423 BGB regelt die Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten, die in einer Gefahrenzone sind, die durch die Person oder Organisation selbst geschaffen oder beeinflusst wurde. Der Pflichtverletzte kann einen Schadenersatzanspruch geltend machen, wenn er durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht einen Schaden erlitten hat. In diesem konkreten Fall könnte es relevant sein, ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht auf der Baustelle verletzt hat, indem die Absperrung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Das vorliegende Urteil
LG Lübeck – Az.: 15 O 149/22 – Urteil vom 27.02.2024
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