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Unwirksame Kündigung – vorzeitige Rückgabe der Pachtsache – Bereicherungsansprüche

Konkludenter Aufhebungsvertrag: Keine Ansprüche nach vorzeitiger Pachtrückgabe

Das Kammergericht (KG) beabsichtigt, die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin zurückzuweisen, da die Berufung offensichtlich erfolglos ist. Der Fall betrifft eine Pächterin, die einen Hotelraum vorzeitig zurückgegeben hat und anschließend Bereicherungsansprüche geltend machte. Das Gericht sieht jedoch keine Grundlage für die Ansprüche, da ein Aufhebungsvertrag zwischen den Parteien angenommen wird und somit die Kündigung des Pachtverhältnisses als rechtsgültig betrachtet wird.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 94/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung zurückgewiesen: Das KG plant, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin abzulehnen, da diese keine Erfolgsaussicht hat.
  2. Vorzeitige Rückgabe: Die Pächterin gab den gepachteten Hotelraum vorzeitig zurück.
  3. Bereicherungsansprüche: Die Pächterin forderte Schadensersatz wegen der vorzeitigen Rückgabe und „Vorenthaltung“ des Pachtraums.
  4. Aufhebungsvertrag: Das Gericht geht von einem konkludenten Aufhebungsvertrag zwischen den Parteien aus.
  5. Keine wirksame Kündigung: Die Kündigung durch den Beklagten hatte zunächst Formmängel, wurde aber letztendlich als wirksam angenommen.
  6. Keine Ansprüche nach §§ 812, 813 BGB: Bereicherungsansprüche werden abgelehnt, da eine betagte Verbindlichkeit vorzeitig erfüllt wurde.
  7. Kenntnis der Nichtschuld irrelevant: Trotz Kenntnis der Nichtschuld der Klägerin wird § 814 BGB als nicht anwendbar gesehen.
  8. Endgültige Entscheidung: Eine mündliche Verhandlung über die Berufung wird als nicht notwendig erachtet.

Ungültige Kündigung und Bereicherungsansprüche im Mietrecht

Im Mietrecht können verschiedene Konstellationen auftreten, wenn eine Kündigung unwirksam ist oder der Mieter die Mietsache vorzeitig zurückgibt. In solchen Fällen können Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB eine Rolle spielen. Allerdings ist nicht immer klar, ob und in welchem Umfang solche Ansprüche bestehen.

Einige rechtliche Herausforderungen ergeben sich beispielsweise, wenn der Vermieter nicht Eigentümer der Mietsache ist oder wenn die Befristung des Mietverhältnisses unwirksam ist. In solchen Fällen kann es zu Unklarheiten über die Berechtigung von Ansprüchen kommen.

Auch die vorzeitige Rückgabe der Pachtsache kann zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Hierbei ist zu beachten, dass ein Mietverhältnis über mehr als 30 Jahre nicht möglich ist und der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen kann. Eine vorzeitige Rückgabe der Pachtsache führt jedoch nicht zwangsläufig zu Bereicherungsansprüchen.

Unwirksame Kündigung und die Rechtsfolgen

Im Zentrum des aktuellen Rechtsstreits steht eine Pächterin, die ein Hotel in den Räumen des Beklagten in Berlin gepachtet hatte. Der Pachtvertrag, datiert auf den 28. Mai 2009, beinhaltete spezifische Klauseln zur Unterverpachtung. Die Pächterin sah sich jedoch mit einer unerwarteten Herausforderung konfrontiert, als der Beklagte zunächst fristlos und dann aufgrund eines angenommenen Schriftformmangels den Pachtvertrag zum 30. September 2019 kündigte. Daraufhin kündigte die Pächterin an, das Objekt zum besagten Datum zurückzugeben, wobei sie gleichzeitig die Wirksamkeit der Kündigung bestritt und betonte, dass die Rückgabe ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge.

Die Klage: Bereicherungsansprüche und rechtliche Komplexität

Die Pächterin erhob daraufhin eine Stufenklage, um Auskunft über die Nutzungsverträge und das vom Beklagten daraus erzielte Entgelt zu erhalten, das den Gegenstand des Pachtvertrags zwischen den Parteien im Zeitraum ab 1. Oktober 2019 betraf. Sie verlangte zudem eine eidesstattliche Versicherung und Zahlung. Das Landgericht Berlin wies die Klage in allen Punkten ab. Es argumentierte, dass kein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gemäß den §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB bestehe, da sich die Parteien über eine Vertragsbeendigung zum 30. September 2019 geeinigt hätten und ein Bereicherungsanspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen sei.

Argumente der Klägerin und die Reaktion des Beklagten

Die Klägerin legte Berufung ein und behauptete, die Übertragung des unmittelbaren Besitzes durch die Rückgabe des Pachtobjekts sei rechtsgrundlos erfolgt. Sie argumentierte, dass weder ein Aufhebungsvertrag zustande gekommen sei noch die unwirksame Kündigung des Beklagten in ein Angebot auf Vertragsaufhebung umgedeutet werden könne. Der Beklagte verteidigte das Urteil des Landgerichts und behauptete, er habe mit seiner Kündigung konkludent ein Angebot auf Vertragsaufhebung unterbreitet, das die Klägerin angenommen habe.

Gerichtsentscheidung: Zurückweisung der Berufung

Das Kammergericht (KG) entschied, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin zur Herausgabe der Pachtsache verpflichtet war, da das Pachtverhältnis zum 30. September 2019 beendet wurde. Das Gericht nahm an, dass ein konkludenter Aufhebungsvertrag zustande gekommen sei, und wies darauf hin, dass selbst wenn Bereicherungsansprüche bestanden hätten, diese nach § 814 BGB ausgeschlossen wären, da die Klägerin positive Kenntnis davon hatte, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war.

Das Urteil zeigt auf, wie komplex Pachtverhältnisse und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten sein können, insbesondere wenn es um die Interpretation von Kündigungen und die daraus resultierenden rechtlichen Verpflichtungen geht. Die Entscheidung des KG stellt klar, dass bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung und der Annahme eines Aufhebungsvertrags die Gesamtheit der Umstände und die Absichten der beteiligten Parteien zu berücksichtigen sind.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Wie ist eine vorzeitige Rückgabe der Pachtsache rechtlich zu bewerten?

Eine vorzeitige Rückgabe der Pachtsache ist grundsätzlich möglich, jedoch sind dabei bestimmte rechtliche Aspekte zu beachten. Nach § 596 BGB ist der Pächter verpflichtet, die Pachtsache nach Beendigung des Pachtverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben, der einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung entspricht.

Der Pächter ist grundsätzlich zu einer vorzeitigen Rückgabe berechtigt, es sei denn, durch eine vorzeitige Leistung würden die Rechte oder rechtlich geschützten Interessen des Verpächters beeinträchtigt. In diesem Fall könnte der Verpächter die vorzeitige Rückgabe ablehnen. Wenn der Verpächter die vorzeitige Rücknahme ablehnt, obwohl er dazu verpflichtet ist, gerät er in Annahmeverzug.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass der Pächter die Pachtsache in dem Zustand zurückgeben muss, in dem sie sich bei Vertragsbeginn befand. Dies umfasst die Beseitigung von Einrichtungen oder Aufbauten, die der Pächter oder sein Rechtsvorgänger während der Vertragszeit vorgenommen hat, auch wenn dies mit Zustimmung des Verpächters geschehen ist.

Eine einseitige Rückgabe durch den Pächter ist jedoch nicht zulässig und kann zur Kündigung des Pachtverhältnisses führen. Daher sollte eine vorzeitige Rückgabe immer in Absprache mit dem Verpächter erfolgen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

In welchen Fällen besteht ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB?

Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB besteht in verschiedenen Fällen, wobei die zwei Hauptkategorien die Leistungs- und die Nichtleistungskondiktion sind.

Leistungskondiktion (§ 812 I 1 1. Alt. BGB)

Die Leistungskondiktion tritt ein, wenn jemand durch die Leistung einer anderen Person etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die wesentlichen Voraussetzungen sind:

  • Etwas erlangt: Der Anspruchsgegner muss einen vermögenswerten Vorteil erhalten haben.
  • Durch Leistung: Die Bereicherung muss durch eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens erfolgt sein.
  • Ohne Rechtsgrund: Die Leistung darf keinen rechtlichen Grund haben, wie zum Beispiel einen wirksamen Vertrag.

Nichtleistungskondiktion (§ 812 I 1 2. Alt. BGB)

Die Nichtleistungskondiktion bezieht sich auf Fälle, in denen jemand etwas in sonstiger Weise auf Kosten eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Hierzu gehören:

  • Eingriffskondiktion: Wenn jemand ohne Berechtigung in ein fremdes Recht eingreift und dadurch einen Vermögensvorteil erlangt.
  • Verfügung eines Nichtberechtigten: Wenn jemand über einen Gegenstand verfügt, zu dem er nicht berechtigt ist, und ein Dritter dadurch bereichert wird (§ 816 BGB).
  • Rückgriffskondiktion: Wenn jemand aufgrund einer Verbindlichkeit leistet, die nicht bestand oder später wegfällt, und dadurch ein Dritter bereichert wird.

Rechtsfolgen des Bereicherungsanspruchs

Die Rechtsfolgen eines Bereicherungsanspruchs sind in § 818 BGB geregelt. Der Bereicherungsschuldner muss das Erlangte herausgeben. Kann er das nicht, muss er Wertersatz leisten. Zudem sind gezogene Nutzungen herauszugeben. Die Haftung kann sich verschärfen, wenn der Schuldner den Mangel des rechtlichen Grundes kannte (§ 819 BGB).

Ausschluss des Bereicherungsanspruchs

Ein Bereicherungsanspruch kann ausgeschlossen sein, wenn der Bereicherungsschuldner nicht mehr bereichert ist, also eine Entreicherung vorliegt (§ 818 III BGB). Allerdings kann sich ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner nicht auf Entreicherung berufen (§ 819 I BGB).

In der Praxis ist es wichtig, den konkreten Fall genau zu prüfen, um festzustellen, ob ein Bereicherungsanspruch besteht und welche Rechtsfolgen anzuwenden sind.

Welche Rolle spielt der § 814 BGB bei der Rückforderung erbrachter Leistungen?

Der § 814 BGB spielt eine wichtige Rolle bei der Rückforderung erbrachter Leistungen. Diese Vorschrift besagt, dass eine Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Dies bedeutet, dass wenn jemand eine Leistung erbringt, obwohl er weiß, dass er dazu nicht verpflichtet ist, er diese Leistung nicht zurückfordern kann.

Die Anwendung des § 814 BGB setzt voraus, dass der Leistende die Nichtschuld, also die Tatsache, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, kannte. Dabei ist es unerheblich, ob der Leistende die Nichtschuld zum Zeitpunkt der Leistung oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannte.

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Es ist zu beachten, dass der § 814 BGB nicht nur bei Vertragsverhältnissen, sondern auch in anderen rechtlichen Kontexten Anwendung finden kann. So kann beispielsweise auch bei öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen der Rechtsgedanke des § 814 BGB relevant sein.

In der Praxis kann die Anwendung des § 814 BGB jedoch komplex sein und erfordert eine genaue Prüfung des Einzelfalls. Insbesondere kann es schwierig sein, die Kenntnis der Nichtschuld nachzuweisen. Daher sollte in solchen Fällen immer rechtlicher Rat eingeholt werden.

Welche Bedeutung hat eine betagte Verbindlichkeit im Kontext von Pachtverhältnissen?

Der Begriff „betagte Verbindlichkeit“ bezieht sich im Kontext von Pachtverhältnissen auf eine Verbindlichkeit, die bereits besteht, aber erst zu einem späteren, festgelegten Zeitpunkt fällig wird. Im Falle von Pachtverhältnissen ist die Herausgabe der Pachtsache nach § 546 BGB eine solche betagte Verbindlichkeit. Der Anspruch des Vermieters oder Verpächters auf Rückgabe der Pachtsache entsteht mit dem Ende des Pachtverhältnisses und ist zu diesem Zeitpunkt fällig.

Die betagte Verbindlichkeit ist also eine Verpflichtung, die zwar bereits entstanden ist, deren Erfüllung aber erst zu einem bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt verlangt werden kann. Dies bedeutet, dass der Pächter verpflichtet ist, die Pachtsache zum Ende des Pachtverhältnisses zurückzugeben, und der Verpächter kann die Erfüllung dieser Verbindlichkeit zu diesem Zeitpunkt erwarten.

Im Kontext des § 814 BGB, der die Rückforderung einer Leistung ausschließt, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, ist zu beachten, dass die vorzeitige Erfüllung einer betagten Verbindlichkeit nicht rückforderbar ist, wenn sie einmal erbracht wurde. Dies gilt auch für die Herausgabe der Pachtsache vor dem vertraglich vereinbarten Ende des Pachtverhältnisses.

Was versteht man unter einem konkludenten Aufhebungsvertrag?

Ein konkludenter Aufhebungsvertrag ist eine stillschweigende Beendigung eines Vertragsverhältnisses durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien. Dies bedeutet, dass die Parteien durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen, dass sie den Vertrag beenden wollen, ohne dass dies ausdrücklich erklärt wird. Die Rechtsfolgen einer konkludenten Aufhebung sind dieselben wie bei einer ausdrücklichen Aufhebung. Das Vertragsverhältnis ist beendet und sämtliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien erlöschen.

Konkludentes Handeln wird auch als schlüssiges Verhalten oder als stillschweigende zweiseitige Willenserklärung bezeichnet. Entscheidendes Merkmal konkludenten Handelns ist, dass die Art und Weise des Verhaltens beider Seiten auf eine bestimmte Willenserklärung schließen lässt, ohne dass dies ausdrücklich erklärt wurde.

Im Arbeitsrecht kommt konkludentem Handeln eine große Bedeutung zu. Hier können Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise durch konkludente Handlungen Arbeitsverträge ändern oder auch einen Aufhebungsvertrag schließen.

Es ist jedoch Vorsicht geboten, da durch die fehlende Schriftlichkeit und die Unklarheit des Verhaltens der Vertragsparteien Missverständnisse entstehen können. Im Zweifel sollte daher auf einen ausdrücklichen, schriftlichen Aufhebungsvertrag zurückgegriffen werden. Eine konkludente Aufhebung kann zudem nicht gegen den Willen einer der Vertragsparteien erfolgen.


Das vorliegende Urteil

KG – Az.: 8 U 94/22 – Beschluss vom 26.10.2023

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10.05.2022, Az. 11 O 322/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe:

A.

Die Klägerin war aufgrund Vertrags vom 28.05.2009 Pächterin eines Hotels in den Räumen des Beklagten in der W-Straße, Berlin. Der Vertrag enthält in § 12 Regelungen für eine Unterverpachtung. Nachdem der Beklagte den Pachtvertrag mit Schreiben vom 13. und 21.01.2019 fristlos und mit Schreiben vom 21.02.2019 wegen vermeintlichen Schriftformmangels zum 30.09.2019 gekündigt hatte, hat die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 17.06.2019 (Anl. BMH 2) die „Erfüllung“ des Räumungsanspruchs gemäß § 11 Pachtvertrag zum 30.09.2019 angekündigt. Zugleich widersprach sie der Wirksamkeit der Kündigung und erklärte, dass die Rückgabe ohne Präjudiz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge und dass ihr aus der „Vorenthaltung“ der Pachträume für den Zeitraum 01.10.2019 bis 30.06.2024 ein Schaden von ca. 300.000 Euro entstehen werde. In dem vorausgegangenen Rechtsstreit umgekehrten Rubrums LG Berlin 3 O 249/19 – 8 U 209/19 ist die Widerklage der hiesigen Klägerin auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Vorenthaltens im Zeitraum 01.2019 bis 30.06.2024 abgewiesen worden. Das Urteil des Senats vom 02.08.2021 ist rechtskräftig geworden.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin im Wege der Stufenklage Auskunft über die Nutzungsverträge und das daraus vom Beklagten vereinnahmte Entgelt, welche den Gegenstand des Pachtvertrags zwischen den Parteien im Zeitraum ab 01.10.2019 (bis längstens 30.06.2024) betreffen, eidesstattliche Versicherung und Zahlung. Das Landgericht hat mit dem am 10.05.2022 verkündeten Urteil, auf das wegen der weiteren Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, die Klage insgesamt (auf allen Stufen) abgewiesen und ausgeführt, dass ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB nicht bestehe, weil sich die Parteien über eine Vertragsbeendigung zum 30.09.2019 geeinigt hätten und ein Bereicherungsanspruch jedenfalls auch nach § 814 BGB ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt:

a) Die Übertragung des unmittelbaren Besitzes durch Rückgabe des Pachtobjekts am 30.09.2019 sei rechtsgrundlos erfolgt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Entgegen dem Landgericht sei die Annahme eines „durch“ die Rückgabe entstandenen Rechtsgrunds ein Zirkelschluss. Es sei auch kein Aufhebungsvertrag zustande gekommen. Die unwirksame Kündigung des Beklagten vom 21.02.2019 könne nicht in ein Angebot auf Vertragsaufhebung umgedeutet werden. Eine solche Umdeutung sei grundsätzlich nicht möglich. Hier stehe ihr entgegen, dass der Beklagte von der Wirksamkeit seiner Kündigung vom 21.02.2019 ausgegangen sei und insoweit die Notwendigkeit einer Mitwirkung der Klägerin nicht in Betracht gezogen habe.

Es sei auch völlig fernliegend, in dem Schreiben der Klägerin vom 17.06.2019 eine Annahmeerklärung zu sehen. Denn sie habe dort darauf hingewiesen, dass der Pachtvertrag erst zum 30.06.2024 „endet“, und habe Schadensersatz wegen „Vorenthaltung“ des Gebrauchs begehrt. Nach einverständlicher Vertragsaufhebung hätten ihr Schadensersatzansprüche nicht zustehen können, weshalb sie auch keinen Willen zur Vertragsaufhebung gehabt habe. Für die Auslegung komme es auf die Erklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe an, so dass aus der späteren Erklärung einer „dauerhaften“ Aufgabe der Mieträume im Schriftsatz vom 24.02.2020 an das Kammergericht in 8 U 209/19 nichts abzuleiten sei. Ebenso sei unerheblich, dass die Klägerin mit eMail vom 14.05.2020 ihre Bürgschaft zurückverlangt habe.

b) Die Herausgabe sei auch nicht wegen Kenntnis der Nichtschuld nach § 814 BGB ausgeschlossen. Wegen der komplizierten Materie des § 550 BGB habe die Klägerin zwar nach anwaltlicher Beratung „bessere Gründe“ für eine Unwirksamkeit der Kündigung gesehen, jedoch weiterhin „Zweifel am Bestehen der Nichtschuld“ gehabt. Dass diese berechtigt gewesen seien, zeige sich schon daran, dass das Landgericht im Vorprozess einen Schriftformmangel i.S. von § 550 BGB und damit die Wirksamkeit der Kündigung vom 21.02.2019 angenommen habe.

Zudem sei die Leistung nicht freiwillig erfolgt, sondern zur Vermeidung der Gefahr einer Schadensersatzpflicht wegen verspäteter Rückgabe gemäß § 584b BGB. Hätte sie nicht geräumt, wäre sie nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Landgerichts im Vorprozess zur Räumung verurteilt worden.

Schließlich habe die Klägerin auch bei Leistung einen Vorbehalt erklärt. Hierfür sei die Erklärung ausreichend, dass der Anspruch nicht berechtigt sei (OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.11.1996 -3 U 52/95). Die Klägerin habe sogar die Gründe für ihre Auffassung, dass der Anspruch nicht bestehe, ausführlich dargelegt. Ein Rückforderungsverlangen habe nicht formuliert werden müssen. Aufgrund der Ankündigung von Schadensersatzansprüchen habe sich jedenfalls kein Vertrauen der Beklagten bilden können, „die Früchte ihrer rechtswidrigen Kündigung behalten zu dürfen“.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10.05.2022 -11 O 322/21- abzuändern und die Beklagte zur Erteilung der Auskunft gemäß Ziffer 1 des Klageantrags aus der Klageschrift vom 27.10.2021 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er habe mit seiner Kündigung vom 21.02.2019 konkludent ein Angebot auf Vertragsaufhebung zum 30.09.2019 unterbreitet, das die Klägerin mit Schreiben vom 17.06.2019 angenommen habe. Der Beklagte habe in seiner Kündigung um Mitteilung bis 28.02.2019 gebeten, ob ein entsprechender Nachtrag zum Pachtvertrag geschlossen werden könne, und damit trotz Kündigung mit einer Stellungnahme der Klägerin gerechnet. Zudem entspreche die Umdeutung der beiderseitigen Interessenlage, weil beide Parteien die Beendigung zum 30.09.2019 gewollt hätten.

Zweifel am Nichtbestehen der Verbindlichkeit i.S. von § 814 BGB habe die Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 17.06.2019 und ihres nachfolgenden Prozessverhaltens gerade nicht gehabt. Druck oder Zwang habe nicht bestanden, die Räumungsklage sei am 17.06.2019 noch nicht zugestellt gewesen. Ein Vorbehalt der Rückforderung der Pachtsache sei, wie die Klägerin in der Berufungsbegründung einräume, nicht erfolgt.

B.

Die Berufung hat aus den Gründen des Landgerichtsurteils und zudem bereits aus einem weiteren Grund offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1) Die gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB auf Herausgabe der nach „Besitzleistung“ gezogenen Nutzungen (vgl. BGHZ 198, 381 = NJW 2014, 1095 Rn 11, 14) gerichtete Klage ist bereits unschlüssig, da Bereicherungsansprüche nach § 813 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sind, wenn eine betagte Verbindlichkeit vorzeitig erfüllt wird. Das ist hier der Fall.

In Abgrenzung zu einer erst in Zukunft begründeten oder einer aufschiebend bedingt oder aufschiebend befristet erst mit Bedingungseintritt bzw. Fristbeginn künftig entstehenden Forderung (§§ 158 Abs. 1, 163 BGB) ist eine betagte Forderung eine solche, die bereits existent ist, der es jedoch (lediglich) noch an der Fälligkeit fehlt (s. BGH NJW 2008, 1153 Rn 34; NJW 2013, 2429 Rn 27; BGHZ 191, 277 = NJW 2012, 229 Rn 12; BGHZ 182, 264 = NJW 2010, 444 Rn 10: bei der befristeten Forderung ist das Bestehen, bei der betagten nur die Fälligkeit vom Ablauf einer Frist abhängig). § 813 Abs. 2 BGB soll bei Erfüllung einer bereits bestehenden, aber noch nicht fälligen Schuld ein sinnloses Hin- und Herbewegen der „an sich geschuldeten“ Leistung vermeiden (BGH NJW 2012, 2659 Rn 25).

Der Anspruch des Vermieters bzw. Verpächters auf Herausgabe der Miet- bzw. Pachtsache nach § 546 BGB begründet eine betagte Verbindlichkeit i.S. von § 813 Abs. 2 BGB. Der Anspruch entsteht nicht etwa erst mit dem Ende des Vertrags (so aber Krüger in: Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 546 Rn 25 im Zusammenhang mit der Frage, ob der Mieter vorzeitig zurückgeben darf), noch unter der „aufschiebenden Bedingung“ des Vertragsendes. Soweit der BGH im Urteil vom 17.09.2020 -IX ZR 62/19, NJW 2021, 626 Rn 13 im Zusammenhang mit der Qualifizierung des Räumungsanspruchs als (bloße) Insolvenzforderung ausgeführt hat, dass es sich bei dem Räumungsanspruch um eine bereits mit Abschluss des Mietvertrags entstandene Forderung handelt, die „aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Mietverhältnisses“ sei, handelt es sich bei diesem – nicht tragenden – Einschub offenbar um eine Formulierung, die nur die künftige Vollwirksamkeit des Räumungsanspruchs unterstreichen sollte und zur rechtlichen Abgrenzung gerade der betagten von der befristeten Forderung nicht herangezogen werden kann (s. aber auch Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl., § 546 Rn 2; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 546 Rn 15, die jeweils die Formulierung einer „aufschiebend bedingten“ Forderung übernehmen).

Der Rückgabeanspruch des Vermieters bzw. Verpächters besteht bereits mit Abschluss des Miet- bzw. Pachtvertrags (s. BGH a.a.O.) und unter der aufschiebenden Bedingung der Übergabe der Sache an den Mieter/Pächter (vgl. auch BGH NJW 2022, 1020 Rn 11), worum es hier jedoch nicht geht, da diese Bedingung eingetreten ist.

Abzugrenzen ist sodann die betagte von der befristeten Forderung. „Bedingt“ ist der Herausgabeanspruch nach § 546 BGB nicht, da es sich nicht um eine Forderung handelt, die von einem künftigen Ereignis abhängt, dessen Eintritt „ungewiss“ ist (s. BGH NJW 2018, 3018 Rn 10). Denn das Vertragsende ist hier bereits aufgrund der Befristung im Pachtvertrag absehbar, wie im Übrigen jedes Miet- oder Pachtverhältnis eines Tages endet (s.a. § 544 BGB; Schmidt-Futterer/Lammel, a.a.O., § 544 Rn 1). Ist das künftige Ereigniss gewiss, jedoch sein Zeitpunkt ungewiss, ist von einer Befristung (§ 163 BGB) zu sprechen (s. BGH WM 2010, 711, Rn 12; Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., § 163 Rn 1).

Ein betagter und nicht nur befristeter Anspruch ist anzunehmen, wenn der Gläubiger seine Leistung seinerseits vollständig erbracht hat und ihm in Bezug auf die künftig fällig werdende Forderung eine gesicherte Rechtsposition zusteht (s. zu Leasingraten in der Grundmietzeit BGH NJW 2013, 2429 Rn 27, 29; zu ausnahmsweise betagter Mietzinsforderung bei atypischer Vertragsgestaltung NZM 2010, 126; zum Werklohnanspruch vor Herstellung des Werks und Abnahme als betagter Forderung und der daraus folgenden Anwendbarkeit von § 813 Abs. 2 BGB: BGHZ 171, 364 = NJW 2007, 1947 Rn 31).

Danach ist auch der Herausgabeanspruch nach § 546 BGB als betagt anzusehen. Er entsteht mit Abschluss des Mietvertrags (und Übergabe an den Mieter) und ist „in jeder Weise durch den Vertrag rechtlich von vornherein festgelegt“ (vgl. BGH NJW 2013, 2429 Rn 29 zu Leasingraten).

Der Vermieter oder Verpächter überlässt seine Sache dem Mieter oder Pächter nur deshalb zum Gebrauch, weil er davon ausgehen kann, dass sein Vertragspartner die Sache zum Ende des Vertragsverhältnisses (grundsätzlich: in dem ursprünglichen Zustand) zurückgibt (s. BGHZ 125, 270 = NJW 1994, 1858). Weitere Voraussetzungen als das Vertragsende bestehen für den Rückgabeanspruch nicht, sogar ein Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen (§§ 570, 578, 581 Abs. 2 BGB). Dementsprechend ist auch bereits entschieden worden, dass der Herausgabeanspruch des Vermieters eine betagte Forderung i.S. von § 30 VerglO (BGHZ 125, 270) bzw. von § 41 InsO, der ebenfalls nur auf betagte Forderungen Anwendung findet (BGHZ 168, 276 Rn 21), darstellt (OLG Brandenburg ZIP 2015, 1790).

2) Ungeachtet des Ausschlusses etwaiger Bereicherungsansprüche nach § 813 Abs. 2 BGB fehlt es auch an einer rechtsgrundlosen Leistung i.S. von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, da das Pachtverhältnis zum 30.09.2019 geendet hat und die Klägerin damit nach §§ 546 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB zur Herausgabe verpflichtet war. Zwar waren die Kündigungen des Beklagten aus den im Urteil des Senats vom 02.08.2021 (8 U 209/19) dargelegten Gründen nicht wirksam. Zutreffend hat das Landgericht jedoch einen konkludenten Aufhebungsvertrag angenommen. Der Senat ist mit dem Landgericht der Ansicht, dass dem Kündigungsschreiben des Beklagten vom 21.02.2019 gemäß § 140 BGB (auch) ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu entnehmen ist, das die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 17.06.2019 angenommen hat.

Eine Kündigungserklärung kann in ein Angebot zur Vertragsaufhebung umgedeutet werden, wenn der Erklärung des Kündigenden zu entnehmen ist, dass er mit einer Stellungnahme des Erklärungsgegners rechnet oder wenn eine Umdeutung den beiderseitigen Interessen entspricht (BGH NJW-RR 2014, 1423 Rn 23 m.N.; Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 542 Rn 182). Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann grundsätzlich nicht in ein Aufhebungsangebot umgedeutet werden (s. BGH a.a.O., Rn 27 m.N.). Denn eine Vertragsbeendigung aus vom Gegner verursachten wichtigen Grund (sog. Aufhebungsverschulden) kann mit für den Kündigenden günstigen Rechtsfolgen verbunden sein kann (vgl. zur Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung nur bei erkennbar unbedingtem Beendigungswillen BGH NZM 2018, 515, Rn 27; s.a. BGH NJW 2003, 1043, Rn 20: die Rechtsfolgen „können sehr unterschiedlich sein“).

Vorliegend handelt es sich bei der Kündigung vom 21.02.2019 nicht um eine solche aus wichtigem Grund, sondern um eine ordentliche Kündigung, so dass gegen eine Umdeutung schon nach der Interessenlage auf Seite des Beklagten keine Bedenken bestehen. Ferner lässt die Kündigungserklärung aufgrund des Angebots eines Nachtragsabschlusses, gerichtet auf die Vereinbarung eines Vertragsablaufs zum 31.12.2019, erkennen, dass der Beklagte mit einer Stellungnahme der Klägerin rechnete (s. Anlage K 13 im Vorprozess).

Die Klägerin hat das Angebot mit ihrem Schreiben vom 17.06.2019 angenommen. Denn sie hat ausdrücklich erklärt, trotz der gerügten – aus dem Fehlen eines Schriftformmangels folgenden – rechtlichen Unwirksamkeit der Kündigung den „Räumungsanspruch ..zu erfüllen und das Pachtobjekt fristgerecht zum 30.09.2019 gemäß § 11 Pachtvertrag zurückzugeben“. Indem sie die als unwirksam erkannte und gerügte Kündigung kraft ihrer Erklärung als erfüllbar behandelte und Erfüllung ankündigte, hat die Klägerin selber zum Ausdruck gebracht, dass sie von einem annahmefähigen Angebot ausging, und hat die Annahme erklärt. Die folgenden Ausführungen, wonach das Pachtverhältnis mangels wirksamer Kündigung und nach Optionsausübung „erst zum 30.06.2024 endet“, stehen der Auslegung als einer auf Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichteten Willenserklärung nicht entgegen. Denn sie stehen im Zusammenhang mit der sodann folgenden Ankündigung einer Schadensersatzforderung wegen entgehenden Pachtgebrauchs im Zeitraum 01.10.2019 bis 30.06.2024. Diese Auslegung ist auch interessengerecht. Während dem Schadensersatzverlangen der Abschluss eines Aufhebungsvertrags für sich genommen nicht entgegensteht (s. BGH NJW 2009, 2059 Rn 14), hätte die Klägerin bei Fortbestehen des Pachtverhältnisses trotz ihres Auszugs Pachtzahlung geschuldet (s. §§ 537 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB). Dass sie eine Vertragsbeendigung wollte, wird auch durch das (durchaus für die Auslegung relevante, s. BGH NJW-RR 2014, 1423 Rn 35; allg. Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn 6b) spätere Prozessverhalten der Klägerin deutlich, nämlich ihre Erklärung der „dauerhaften“ Aufgabe der Pachträume im Schriftsatz vom 24.02.2020 an das Kammergericht in 8 U 209/19 und die Rückforderung der Mietsicherheit mit eMail vom 14.05.2020.

3) Selbst wenn man entgegen allem Ausgeführten die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs bejahen wollte, wäre ein Bereicherungsanspruch (auf Wiedereinräumung des Besitzes und damit wegen der in § 818 Abs. 1 BGB bloß angeordneten „Erstreckung“ des Herausgabeanspruchs auf die gezogenen Nutzungen auch auf deren Herausgabe) nach § 814 BGB ausgeschlossen.

a) Die anwaltlich beratene Klägerin hatte im Zeitpunkt der Rückgabe der Pachträume positive Kenntnis davon, dass sie zur Leistung – mangels Wirksamkeit der Kündigungen – nicht verpflichtet war. Zu Recht hat das Landgericht insoweit die Ausführungen des Senats im Urteil des Vorprozesses 8 U 209/19, S. 12 in Bezug genommen. Die Klägerin hatte nicht nur Kenntnis der Tatsachen, sondern hat daraus auch die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen (vgl. BGH NJW-RR 2014, 1133 Rn 109). Sie hat diese positive Kenntnis in ihrem Schreiben vom 17.06.2019 sogar ausdrücklich mitgeteilt. Nicht maßgeblich ist, ob die Klägerin nach anwaltlicher Beratung auch mit einer anderen Beurteilung der Rechtslage durch Gerichte (wie sie sodann beim Landgericht im Vorprozess erfolgte) rechnete. Das von § 814 BGB sanktionierte widersprüchliche Verhalten liegt darin, dass der objektiv nicht leistungspflichtige Schuldner sich zur Leistung entschließt, obwohl er sich selber nicht dazu verpflichtet hält. Ein Rückforderungsanspruch wäre im Übrigen gem. § 242 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn die Klägerin Zweifel an der Rechtslage gehabt hätte; denn sie hat im Schreiben jedenfalls zum Ausdruck gebracht, selbst für den Fall der Nichtschuld leisten zu wollen (s. BGH NJW-RR 2014, 1133 Rn 112; Grüneberg/Sprau, a.a.O., § 814 Rn 4).

b) Die Leistung erfolgte auch nicht unter Druck oder Zwang, was der Anwendung von § 814 BGB entgegenstünde (BGH NJW 2015, 1672 Rn 44). Wollte man die bloße Gefahr eines Rechtsstreits und eines – nie auszuschließenden – Unterliegens zur Annahme einer „erzwungenen“ Leistung genügen lassen, dürfte § 814 BGB weitgehend leerlaufen. Unmittelbarer Zwang zur Räumung bestand jedenfalls schon deshalb nicht, weil die Räumungsklage erst am 09.07.2019 zugestellt wurde und die Klägerin zudem schon zuvor im Schreiben vom 17.06.2019 die künftige Räumung angekündigt hatte. Der Senat verbleibt auch bei seiner Beurteilung im Urteil vom 02.08.2021, S. 13/14, dass die Möglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung, welche die Wirksamkeit der Kündigung wegen Formmangels bejaht und die Klägerin zu Leistung der ortsüblichen, nach den Marktverhältnissen jetzt höheren Nutzungsentschädigung (§ 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB) oder zu Schadensersatz verurteilt, vorliegend als bloß hypothetisch anzusehen war. Auch unter diesem Aspekt bestand daher kein eine Freiwilligkeit ausschließender Druck, dem unbegründeten Räumungsverlangen nachzukommen.

c) Schließlich ist § 814 BGB nicht wegen einer Leistung „unter Vorbehalt“ unanwendbar. Erforderlich ist ein Vorbehalt, der das Vertrauen des Leistungsempfängers hindert, die Leistung behalten zu dürfen (s. OLG Hamm NJW-RR 2022, 271; Senat MDR 2014, 1437; Grüneberg/Sprau, a.a.O., § 814 Rn 5). Anders als bei einer Zahlung – jedenfalls eines Verbrauchers – unter der Erklärung „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht“ (s. dazu BGH NJW-RR 1992, 1214; OLG Hamm a.a.O., Rn 53; a.A. OLG Koblenz NJW 1984, 134) fehlt es vorliegend an einer Erklärung der Klägerin, mit der sie sich die Rückforderung der Leistung (des Besitzes an den Pachträumen) vorbehielt. Ihre Erklärungen im Schreiben vom 17.06.2019 waren im Gegenteil deutlich auf eine endgültige Rückgabe („Erfüllung des Räumungsanspruchs gemäß § 11 Pachtvertrag“) gerichtet. Auch die Ankündigung einer Schadensersatzforderung für den gesamten Zeitraum bis 30.06.2024 zeigte, dass die Klägerin beabsichtigte, ihren Raumbedarf anderweitig zu decken, nicht jedoch, die Räume alsbald wieder zurückzufordern.

4) Eine mündliche Verhandlung ist hier nicht im Sinne von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO geboten, auch wenn die Begründung des Senats für die Zurückweisung der Berufung mit der Argumentation des Landgerichts nicht vollständig übereinstimmt. Abweichend von dem, was der Begründung in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 17/6406) zu entnehmen sein könnte, erfordert ein Wechsel der Begründung nicht in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung. Nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung vielmehr nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (ebenso OLG Hamm VersR 2013, 604; OLG Koblenz VersR 2013, 708; OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.11.2018 – 10 U 90/18; OLG Frankfurt BeckRS 2013, 22588; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 522 Rn 40; Saenger/Wöstmann, ZPO, 8. Aufl., § 522 Rn 12.1) bzw. wenn nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Gebot prozessualer Fairness entsprechen würde (s. BGH GE 2017, 825 Rn 8 f., mit dem Hinweis, dass eine etwaige Verletzung dieser Anforderung eine Revision jedoch nicht allein begründen würde). Dies ist hier nicht der Fall, zumal bereits die Gründe des Landgerichtsurteils für sich genommen eine Zurückweisung der Berufung wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussicht rechtfertigen.

 

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