LG Dessau-Roßlau – Az.: 4 O 592/11 – Urteil vom 13.04.2012
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld aus Amtshaftung wegen behaupteter Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch.
Sie behauptet, am späten Abend des 01. März 2011 gegen 23.00 Uhr in … ihre Hunde ausgeführt zu haben. Da die gesamte Straßenbeleuchtung im Ort ausgefallen sei, was unstreitig ist, habe sie die Taschenlampe mitgenommen. Beim Überqueren der vor ihrem Haus befindlichen Straße sei sie auf dem Gehsteig der … Straße im Einmündungsbereich in die … Straße, wobei ihr eine konkretere Zuordnung der Unfallstelle nicht möglich sei, in einem dort befindlichen etwa 6 – 7 cm tiefen Schlagloch gestürzt. Hierbei habe sie sich das rechte Handgelenk gebrochen, worauf sie 6 Wochen einen Gips habe tragen müssen und verletzungsbedingt nur eingeschränkt in der Lage gewesen sei, ihren Beruf als Steuerberaterin nachzugehen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 05. April 2011 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von der Forderung aus der außergerichtlichen Inanspruchnahme der Rechtsanwälte … in Höhe von 272,87 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, dass sich das streitgegenständliche Schlagloch nicht auf dem Gehweg, sondern auf der Fahrbahn der … Straße befunden habe. Insoweit – so meint die Beklagte weiter – sei die Streitverkündete, die die Verkehrssicherungspflicht für Landstraßen trage, und nicht sie einstandspflichtig.
Ungeachtet dessen liege eine Verkehrssicherungspflichtverletzung hier nicht vor, da es sich bei den behaupteten Straßenschäden um erkennbaren Gefahren handele, die bei normaler Aufmerksamkeit und Sorgfalt für jedermann problemlos erkennbar gewesen seien. Im übrigen treffe die Klägerin ein überwiegendes Eigenverschulden. Da diese mit einer Nebenwohnung in … gemeldet sei, was unstreitig ist, sei sie auch mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut gewesen, zumal davon auszugehen sei, dass sie beim Ausführen ihrer Hunde regelmäßig die gleichen Straßen benutze. Unter Benutzung der mitgeführten Taschenlampe hätte sie die Straßenunebenheiten problemlos erkennen können.
Die Streitverkündete beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, dass sich der Unfall auf der Fahrbahn der … Straße zugetragen habe. Selbst wenn sich dieser nicht auf dem Gehweg, sondern auf der Fahrbahn ereignet habe, befinde sich die behauptete Unfallstelle auf der Fahrbahn der … Straße. Da dies eine Kreisstraße (K 2021) sei – so ist die Streitverkündete weiter der Ansicht – sei hierfür der Landkreis … nach einer mit diesem unter dem 16. Dezember 1999 geschlossenen Vereinbarung zuständig. Ungeachtet dessen liege eine Verkehrssicherungspflichtverletzung hier jedoch nicht vor, wobei sie sich insoweit dem Vortrag der Beklagten anschließe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat die Klägerin persönlich gemäß § 141 Abs. 1 ZPO angehört, wobei wegen der Einzelheiten auf die Sitzungsniederschrift vom 21. März 2012 Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 839, 253 Abs. 2 BGB, Art. 34 GG und § 9 StrG LSA wegen schuldhafter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zu.
Dabei kann dahinstehen, ob sich der Unfall auf dem Gehweg oder der Fahrbahn der … oder … Straße ereignet hat und ob daher die Beklagte nach § 42 Abs. 5 StrG LSA, die Streitverkündete nach § 42 Abs. 1 StrG LSA oder der Landkreis … nach der von der Streitverkündeten behaupteten Vereinbarung vom 16. Dezember 1999 die Verkehrssicherungspflicht hierfür trägt.
Denn in jedem Fall liegt eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hier nicht vor.
Der Verkehrssicherungspflichtige schuldet nämlich nicht den optimalen Straßenverlauf und auch nicht den bestmöglichen Zustand einer Straße. Grundsätzlich muss der Benutzer die Straße vielmehr so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen (z.B. BGH, VersR 2005, 660). Der Verkehrssicherungspflichtige hat nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, für die ein echtes Sicherungsbedürfnis besteht und die im Rahmen der berechtigten Sicherheitserwartungen des in Betracht kommenden Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwehren. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden, da im praktischen Leben nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (z.B. BGH, NJW 2007, 1683). Dabei wird der Umfang der Verkehrssicherungspflicht maßgeblich auch durch die Häufigkeit der Benutzung einer Straße oder eines Weges und deren/dessen Verkehrsbedeutung bestimmt (z.B. BGH, a.a.O.)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht hier nicht vor. Bei dem streitgegenständlichem Schlagloch handelt es sich schon nicht um eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle. Denn wie aus den zur Akte gereichten Lichtbildern (Bl. 60 ff. d.A.) ersichtlich, war dieses für jeden Verkehrsteilnehmer deutlich zu erkennen. Darüber hinaus befindet sich die Unfallstelle in einer ländlichen Gegend, der – insbesondere um die behauptete Unfallzeit von 23.00 Uhr – keine große Verkehrsbedeutung zukommt. Angesichts dieser Offensichtlichkeit der Gefahrenstelle und der geringen Verkehrsbedeutung des Weges war weder eine Beseitigung der Gefahrenstelle noch die Anbringung eines gesonderten Warnschildes geboten.
Aber selbst wenn dieses der Fall gewesen wäre, scheidet eine Haftung der Beklagten vorliegend gleichwohl aus, weil ein etwaiger Verstoß gegen deren Verkehrssicherungspflicht vollumfänglich hinter dem überwiegenden Eigenverschulden der Klägerin zurücktritt (§ 254 Abs. 1 BGB).
Unstreitig kennt die Klägerin die Örtlichkeiten. Auch wenn sie nach ihren Angaben ca. 5 Monate vor dem Unfall das letzte Mal in … gewesen ist, war ihr der behauptete schlechte Zustand der an ihrem Büro angrenzenden … und … Straße bekannt. Wenn sie sich trotz Dunkelheit bei Ausfall der Straßenbeleuchtung entschließt, die sich im schlechten Zustand befindliche Straße zu überqueren, hatte sie hierbei die äußerste Sorgfalt anzuwenden und sich ganz besonders vorsichtig zu bewegen.
Wenn ein Fußgänger diese ganz besonders vorsichtige Gehweise unterlässt und deshalb an einem – bei Dunkelheit – stets zu vermutenden Hindernis zu Fall kommt, muss er seinen Schaden allein tragen (z.B. OLG München, VersR 1976, 740; OLG Köln, VersR 1955, 172).
Nichts anderes gilt hier; vorliegend auch um so mehr, als nach den eigenen Angaben der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung die Grünfläche vor ihrem Haus durch die eingeschaltete Außenbeleuchtung und dem Bewegungsmelder des Nachbarhauses beleuchtet gewesen ist, so dass die Hunde der Klägerin ohne weiteres auch hier ihre Notdurft hätten verrichten können. Wenn die Klägerin gleichwohl die für sie erkennbar dunkle Straße überquert, hätte sie hierbei – wie dargetan – äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Dies hat sie jedoch ersichtlich nicht getan, weil sie dann – zumal sie eine Taschenlampe mit sich führte – das als Unfallstelle behauptetes Schlagloch von erheblichem Ausmaß hätte erkennen müssen. Insoweit hat es die Klägerin ausschließlich selbst zu verantworten, wenn sie zu Schaden kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.