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Verkehrssicherungspflichtverletzung – Räum- und Streupflicht für Nebeneingänge

Pflichten und Grenzen der Winterdienste bei Nebeneingängen

Wenn die Temperaturen sinken und der erste Schnee fällt, stellt sich für Betreiber von Gebäuden und Einrichtungen die Frage nach der Sicherheit auf ihren Wegen. Insbesondere die Verpflichtung zur Räumung und Streuung von Zugangswegen, um Unfälle zu vermeiden, rückt in den Fokus. Die Verkehrssicherungspflicht verlangt von den Verantwortlichen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefahr von Unfällen durch Schneefall oder Eisbildung zu minimieren.

Doch wie weit geht diese Pflicht und welche Bereiche umfasst sie? Sind auch Nebeneingänge von dieser Pflicht betroffen, und wenn ja, in welchem Umfang? Diese Fragen sind besonders relevant, wenn es zu einem Unfall kommt und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Die Abwägung zwischen der Zumutbarkeit der Räum- und Streupflicht und den Verletzungsfolgen des Unfallopfers bildet den Kern der rechtlichen Auseinandersetzung. Der Winterdienst spielt dabei eine zentrale Rolle, denn seine Ausgestaltung kann entscheidend sein, ob und in welchem Maße die Verkehrssicherungspflicht als erfüllt angesehen wird.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ca 1407/17  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht schuldhaft verletzt hat, da die Klägerin den weniger frequentierten und nicht geräumten Nebeneingang nutzte, obwohl der Haupteingang sicher und begehbar war.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Klägerin erlitt durch den Sturz auf dem Weg zum Nebeneingang des Pflegeheims erhebliche Verletzungen.
  2. Die Klägerin forderte Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden aufgrund einer vermeintlichen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten.
  3. Die Beklagte wies darauf hin, dass durch Beschilderung auf eingeschränkten Winterdienst hingewiesen wurde und der Nebeneingang erst ab einem späteren Zeitpunkt geräumt worden sei.
  4. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin den sicheren Haupteingang hätte nutzen können und somit ein Mitverschulden trägt.
  5. Es wurde betont, dass die Verkehrssicherungspflicht Grenzen hat und nicht für jede denkbare Gefahr gilt.
  6. Die Klägerin konnte sich nicht auf die Regeln des Anscheinsbeweises berufen, da keine unkalkulierbaren Witterungsverhältnisse vorlagen.
  7. Die Beklagte kam ihrer Pflicht nach, indem sie die Hauptwege priorisiert räumte und streute.
  8. Es wurde kein Schadensersatzanspruch anerkannt, da die Klägerin einen alternativen, sicheren Weg hätte wählen können.

Die Pflichten und Grenzen der Verkehrssicherung

Im Zentrum des vorliegenden Rechtsstreits steht die Frage, ob und inwieweit die Betreiberin eines Pflegeheims ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist, insbesondere in Bezug auf die Räum- und Streupflicht für Nebeneingänge. Konkret geht es um einen Vorfall am 07.12.2016, bei dem eine Mitarbeiterin des Pflegeheims auf dem Weg zum Seiteneingang auf einer Eisfläche ausrutschte und sich dabei das Sprunggelenk brach. Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur Sicherung des Verkehrsweges nicht nachgekommen sei und fordert Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden, die ihr durch den Unfall entstanden sind.

Abwägung der Verantwortlichkeiten im Winterdienst

Schneeräumen Nebenstraße
(Symbolfoto: Pearl PhotoPix /Shutterstock.com)

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergibt sich aus der Abwägung zwischen der Zumutbarkeit der Verkehrssicherungsmaßnahmen für die Beklagte und der Schutzbedürftigkeit der Klägerin als Nutzerin des Weges. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Beklagte verpflichtet war, auch weniger frequentierte Wege wie den zum Nebeneingang zu sichern, und ob die Klägerin möglicherweise eine Mitverantwortung trifft, da sie sich für den Weg über den Nebeneingang entschieden hat, obwohl der Haupteingang geräumt und gestreut war.

Gerichtliche Bewertung der Verkehrssicherungspflichtverletzung

Das Gericht musste in seiner Entscheidungsfindung mehrere Faktoren berücksichtigen: die Wetterverhältnisse und die daraus resultierende Bildung von Eisflächen, die Nutzungshäufigkeit des Nebeneingangs im Vergleich zum Haupteingang, die Beschilderung und Kommunikation über die Räum- und Streupflicht sowie die Verhaltensobliegenheiten der Klägerin selbst. Die Beklagte argumentierte, dass sie keine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen habe, da auf einen eingeschränkten Winterdienst hingewiesen wurde und der Nebeneingang erst ab einem bestimmten Zeitpunkt geräumt worden sei, zu dem üblicherweise kein Verkehr zu erwarten war.

Konsequenzen und Lehren aus dem Urteil

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht in schuldhafter Weise nachgekommen sei. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin den Haupteingang hätte nutzen können, der geräumt und gestreut war, und dass der Unfall bei Nutzung dieses Eingangs vermeidbar gewesen wäre. Zudem wurde betont, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht uneingeschränkt gilt und dass die Beklagte nicht für jede denkbare Gefahr haften kann. Das Gericht wies darauf hin, dass die Klägerin eine erhöhte Eigenverantwortung trug, da sie sich bewusst für den Weg über den Nebeneingang entschieden hatte.

Die Entscheidung des Gerichts berücksichtigt die Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten und stellt klar, dass diese Pflichten zwar bestehen, aber im Rahmen der Zumutbarkeit und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu bewerten sind. Die Verkehrssicherungspflicht bezieht sich darauf, dass im Rahmen der Zumutbarkeit bei Schnee- und Eisglätte eine Verpflichtung zur Durchführung von Räum- und Streumaßnahmen besteht, damit Bewohner und Mitarbeiter gefahrlos zu dem Gebäude gelangen können. Im vorliegenden Fall wurde jedoch angenommen, dass die Klägerin durch die Nutzung des Haupteingangs den Unfall hätte vermeiden können und somit kein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere für Betreiber von Einrichtungen mit mehreren Zugängen. Es betont die Bedeutung der Eigenverantwortung von Mitarbeitern und Besuchern bei der Wahl ihres Weges und könnte dazu führen, dass Betreiber ihre Winterdienstmaßnahmen überdenken und möglicherweise anpassen müssen, um ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.

Das Fazit des Urteils ist, dass die Verkehrssicherungspflicht Grenzen hat und dass die individuelle Entscheidung für einen bestimmten Weg die Verantwortung des Einzelnen für seine eigene Sicherheit nicht ausschließt. Es verdeutlicht, dass bei der Beurteilung von Schadensersatzansprüchen im Kontext der Verkehrssicherungspflicht die Umstände des Einzelfalls und die Zumutbarkeit der Sicherungsmaßnahmen eine wesentliche Rolle spielen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was umfasst die Verkehrssicherungspflicht im Detail und welche konkreten Maßnahmen sind darunter zu verstehen?

Die Verkehrssicherungspflicht in Deutschland ist eine deliktsrechtliche Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen, deren Unterlassen zu Schadensersatzansprüchen nach den §§ 823 BGB führen kann. Sie betrifft insbesondere Grundstückseigentümer und Immobilienbesitzer, die dafür Sorge tragen müssen, dass von ihrem Grundstück oder ihrer Immobilie keine Gefahren für Dritte ausgehen.

Konkrete Maßnahmen, die im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht ergriffen werden müssen, hängen von den jeweiligen Umständen und der Art der Gefahrenquelle ab. Im Zusammenhang mit Grundstücken und Immobilien umfassen diese Maßnahmen unter anderem:

  • Sicherung von Gehwegen, insbesondere Räum- und Streupflicht bei Schnee und Eis
  • Überprüfung und Instandhaltung von Dachkonstruktionen, Fassaden und Balkonen
  • Kontrolle und Pflege von Bäumen auf dem Grundstück
  • Sicherung des Treppenhauses gegen Unfallgefahren (z.B. Beleuchtung, Treppengeländer)
  • Überprüfung von Wasserstellen und Kinderspielplätzen auf dem Grundstück
  • Regelmäßige Kontrolle und Wartung von Gas- und Feuerungsanlagen
  • Überprüfung von Müllplätzen auf Rattengefahr

Grundsätzlich obliegt die Verkehrssicherungspflicht dem Grundstückseigentümer. Bei vermieteten Immobilien kann der Eigentümer jedoch einige dieser Pflichten auf seine Mieter übertragen, sofern dies im Mietvertrag oder in der Hausordnung explizit vereinbart und zumutbar ist. Dennoch bleibt der Eigentümer in der Pflicht, die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht regelmäßig zu kontrollieren.

Es ist wichtig, dass Grundstückseigentümer und Immobilienbesitzer ihre Verkehrssicherungspflicht ernst nehmen und regelmäßig entsprechende Kontrollen und Instandhaltungsmaßnahmen durchführen, um Schadensersatzansprüche und Haftungsrisiken zu minimieren.


Das vorliegende Urteil

ArbG Rosenheim – Az.: 1 Ca 1407/17 – Endurteil vom 27.03.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40.186,28 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Mit der zunächst zum Landgericht Traunstein erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten beantragt, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gemäß § 287 Abs. 1 ZPO gestelltes Schmerzensgeld, mindestens allerdings 10.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2017 zu zahlen, sie hat fernerhin den Feststellungsantrag gestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 07.12.2016 im Bereich des Seiteneingangs des Hauses II des Seniorenpflegeheims der Beklagten zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht an Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen oder übergegangen sein sollten, sie hat des Weiteren einen Zahlungsbetrag in Höhe von 5.683,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2017 geltend gemacht und einen Kostenerstattungsanspruch in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten der anwaltschaftlichen Vertretung in Höhe von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2017. Im Wege der Klageerweiterung in Bezug auf von ihrem Ehemann abgetretenen Ansprüche hat die Klägerin zusätzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 22.050,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.09.2017 zu zahlen und an sie fernerhin die insofern entstandenen vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.171,87 € zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit dieses Teils der Klage zu zahlen.

Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der Beklagten und sie macht Schadensersatzansprüche sowie abgetretene Ansprüche ihres Ehemanns aus einem Sturz am 07.12.2016 geltend, der sich auf dem Weg zum Seiteneingang des Seniorenpflegeheims der Beklagten ereignet hat.

Die am 01.08.1981 geborene Klägerin ist mit Herrn … verheiratet und hat die Kinder Fabian, geb. am 15.09.2006 und Julian, geb. am 28.11.2008. Die Klägerin ist gelernte Krankenschwester und sie ist bei der Beklagten als Fachkraft in der Wohnbereichsleitung beschäftigt. Der Ehemann der Klägerin ist selbständig und betreibt eine Kunststofffirma. Die Kinder besuchen derzeit die Grund- und Realschule.

Der streitgegenständliche Sturz der Klägerin ereignete sich am 07.12.2016 in der Zeit um etwa 7:30 Uhr. Ab 6:00 Uhr begann an diesem Tag die Frühschicht und der Arbeitsbeginn der Klägerin war um 8:00 Uhr. Die Klägerin hat an diesem Tag über den Seiteneingang des Seniorenpflegeheims den Weg zur Arbeit angetreten und stürzte mit erheblichen Verletzungsfolgen. Es befanden sich zum damaligen Zeitpunkt am Weg zum Seiteneingang Eisflächen, auf denen die Klägerin ausgerutscht ist und sich hierbei das Sprunggelenk gebrochen hat. Durch diesen Unfall erlitt die Klägerin eine Weber-B-Fraktur am linken Fuß. Die Klägerin befand sich vom 09.12. bis zum 12.12. stationär im Kreiskrankenhaus Mühldorf. Das vom Sturz betroffene Bein wurde operiert und eine Metallplatte wurde eingesetzt. Nach den Angaben der Klägerin führte diese Fraktur zu erheblichen Schmerzen, sie musste in der Anfangszeit Schmerzmittel einnehmen. In den ersten Wochen konnte die Klägerin das Bein nicht belasten, danach nur gering. Bis Anfang März 2017 litt die Klägerin unter ziehenden und stechenden Wundheilschmerzen.

Als die Klägerin aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hat sie für den verletzten Fuß einen speziellen Schuh bekommen. Nach etwa vier Wochen nach dem Unfall konnte die Klägerin mit diesem Schuh zu Hause gehen und geringe Strecken bewältigen. Treppensteigen war nach ihrem Vorbringen damals nicht möglich. Etwa acht Wochen nach dem Unfall konnte sich die Klägerin auch außerhalb des Hausbereiches bewegen. Die Schmerzintensität ist zu diesem Zeitpunkt etwas zurückgegangen. Die Klägerin hat sich einer Krankengymnastik unterzogen, welche die Beweglichkeit förderte, allerdings war dies mit Schmerzen verbunden. Nachdem die Metallplatte am 14.05.2017 entfernt wurde, konnte die Klägerin nur mit einer Unterarmgehstütze gehen. Auch zu diesem Zeitpunkt war veranlasst, dass sie Schmerzmittel eingenommen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten der Verletzungen und deren Folgen wird auf die ärztlichen Atteste vom 12.12.2016, 16.01.2017, 17.02.2017, 30.03.2017, 12.05.2017, 30.05.2017, 14.06.2017, 30.06.2017 und auf die ärztlichen Nachschauberichte vom 18.07.2017 sowie vom 24.07.2017 Bezug genommen.

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Die Klägerin ließ sich von ihrem Ehemann einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 22.050,40 € und einen Anspruch hinsichtlich der entstandenen vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.171,87 € zuzüglich Prozesszinsen abtreten. Der Ehemann der Klägerin, Herr …, hat sich am 07.12.2016 – mithin am Unfalltag – ganztägig, am 08. und am 09.12.2016 halbtägig und am 10. und 11.12.2016 ganztägig um die Klägerin, die gemeinsamen Kinder und um den Haushalt gekümmert. Für weitere vier Wochen war Herr … nach seinen Angaben durchschnittlich viereinhalb Stunden mit der Pflege der Klägerin, der Kinder und der Arbeiten im Haushalt beschäftigt und in den nächsten vier Wochen reduzierten sich diese Tätigkeiten nach seinen Angaben auf durchschnittlich zweieinhalb Stunden täglich. Die Klägerin hat sich darauf berufen, erst anschließend sei sie in der Lage gewesen, den Haushalt und die Kinder zu versorgen. Für diese Zeit hat der Ehemann der Klägerin einen Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 18.750,00 € abgetreten.

Fernerhin hat der Ehemann der Klägerin in der Zeit vom 07.12.2016 bis einschließlich 02.02.2017 nach seinem Vorbringen die Klägerin zu verschiedenen Ärzten und zu Krankenhausbesuchen hingebracht und wieder abgeholt, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Aufstellung der Fahrten vom 09.12.2016 bis zum 24.07.2017 Bezug genommen, ebenso auf die Aufstellung der Fahrten vom 18.01. bis zum 13.06.2017 in das Therapiezentrum Waldkraiburg. Aus abgetretenem Recht macht die Klägerin insofern einen Verdienstausfall in Höhe von 1.875,00 € und weiteren 675,00 € geltend und einen Wegstreckenentschädigungsanspruch in Höhe von 750,40 €.

Streitig ist zwischen den Parteien die Rechtsfrage, ob die Beklagte gemäß den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht verpflichtet ist, sämtliche materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen des Sturzes auf den Weg zum Nebeneingang des Pflegeheims zu ersetzen.

Die Klägerin hat sich darauf berufen, am 07.12.2016 hätten sich auf dem Weg zum Seiteneingang Eisflächen gebildet, auf denen sie ausrutschte und dabei das Sprunggelenk gebrochen wäre. Wenn der Seiteneingang am Tag davor oder in der Frühe gesalzen oder gestreut worden wäre, dann wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Die Haftpflichtversicherung habe zwar die Behauptung aufgestellt, dass Hinweisschilder in Bezug auf die Nichträumung und Nichtstreuung dieses Wegs vorhanden gewesen wären, dies sei allerdings nicht zutreffend. Der Unfall habe sich ereignet, als sie auf dem Weg zur Arbeit über den Nebeneingang das Pflegeheim betreten habe wollen. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die Beklagte wäre im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht verpflichtet gewesen, die Zuwege zum Seniorenpflegeheim von Eis und Schnee freizuhalten oder zu streuen, was zum Unfallzeitpunkt nicht der Fall gewesen wäre, deshalb hafte die Beklagte ihr gegenüber für den gesamten entstandenen Schaden.

Hinsichtlich des zu benutzenden Wegs zur Arbeit hat die Klägerin darauf hingewiesen, das Personal benutze beide Eingänge zum Gebäude der Beklagten, sowohl den Haupteingang als auch den Nebeneingang, vor dem sich der Unfall ereignet habe. Beide Eingänge würden eine Personalstechuhr aufweisen. Der Seiteneingang werde sowohl von der Klägerin als auch von den im Frühdienst tätigen Kolleginnen und Kollegen regelmäßig genutzt; falsch sei die Darstellung der Beklagten, dass die Räumung des Seiteneingangs grundsätzlich erst ab 8:00 Uhr erfolge. Am Tag des Unfalls – mithin am 07.12.2016 – wären weder der Zugang zum Seiten- noch zum Haupteingang vor 8:00 Uhr geräumt gewesen. Eine Beschilderung auf dem Weg zum Seiteneingang, verbunden mit dem Hinweis eines eingeschränkten Winterdienstes, habe es damals nicht gegeben und auch eine Blitzeisbildung habe sich an diesem Tag nicht ereignet.

Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Eingeklagte als angemessen angesehen werden müsse. Die Höhe ergebe sich aus dem von ihr vorgetragenen Heilungsverlauf. Erschwerend komme hinzu, dass die Beklagte, nachdem sich der Unfall mit dem Bruch am Fuß ereignet habe, nicht sofort einen Krankenwagen gerufen habe, obwohl sie unverzüglich über den Unfall informiert worden wäre, sondern dass erst nach einiger Zeit der Ehemann angerufen worden wäre, der sie dann ins Krankenhaus gebracht habe.

Hinsichtlich der sonstigen finanziellen Ansprüche in Bezug auf die Fahrten und der Kinderbetreuung hat die Klägerin vorgetragen, zwar wären sowohl sie als ihr Ehemann berufstätig, intern habe man sich dahingehend verständigt, dass sie in der Freizeit die Kinder betreue und den Haushalt versorge, so dass der Verdienstausfall ihres Ehemanns in voller Höhe gerechtfertigt wäre. Die Ausführungen der Beklagten zur Schadensminderungspflicht müssten als unsubstantiiert angesehen werden. Fernerhin hat die Klägerin darauf verwiesen, dass sie von dritter Seite keinerlei Erstattungen hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche erhalten habe.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, dass es zum Sturz vom 07.12.2016 und zu den Verletzungsfolgen auf dem Weg zum Nebeneingang nur deshalb gekommen wäre, weil die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen wäre. Am gleichen Tag sei eine andere Mitarbeiterin, Frau Radeck, die ebenfalls im Wohnbereich arbeite, zum Frühdienst zur Arbeit gekommen und deren Arbeitsbeginn sei um 6:00 Uhr gewesen. Frau Radeck habe den Pkw auf dem gleichen Parkplatz wie sie – die Klägerin – abgestellt und den selben Weg über den Seiteneingang benutzt, sie sei auf der gleichen Stelle wie die Klägerin wegen Glatteis gestürzt, habe allerdings keine Verletzungen erlitten. Zu einem Blitzeis wäre es an diesem Tag nicht gekommen und der Weg zum Eingang wäre zum damaligen Zeitpunkt weder geräumt noch gestreut gewesen. Auch um 8:05 Uhr dieses Tages, als ihr Ehemann gekommen wäre, um sie ins Krankenhaus zu bringen, wäre der Weg noch nicht geräumt oder gestreut gewesen. Auch vor dem Haupteingang des Pflegeheims sei weder geräumt noch gestreut gewesen, so dass auch der Weg beim Haupteingang in unzulässiger Weise glatt gewesen wäre. Vor dem Haupteingang hätten sich am Tag des Unfalls lediglich belegte Parkplätze befunden, so dass sie daher vor dem Seiteneingang die Parkplätze genutzt habe, die Parkplätze vor dem Haupteingang sollten weisungsgemäß für Besucher, Ärzte, Physiotherapeuten und die Ergotherapeuten freigehalten werden.

Die Klägerin hat bestritten, dass der Hausmeister der Beklagten bis 5:45 Uhr die Zufahrtswege von den Parkplätzen zum Haupteingang und bis 8:00 Uhr auch den Weg zum Seiteneingang geräumt und gestreut habe. Die Mitarbeiter hätten nicht nur den Haupteingang benutzt, sondern auch den Nebeneingang und Grund des Unfalls sei gewesen, dass sie auf dem Weg zum Seiteneingang ausgerutscht wäre, weil nicht geräumt oder gestreut gewesen wäre. Ein Mitverschulden ihrerseits sei daher nicht zu erkennen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen vom 28.08.2017, 20.09.2017, 29.11.2017, 07.02.2018 und auf die mit diesen Schriftsätzen übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hat zuletzt folgende Anträge gestellt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gemäß § 287 ZPO gesetztes Schmerzensgeld, mindestens aber € 10.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.08.2017 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 07.12.2016 (Weg zum Seiteneingang des Hauses II des Seniorenpflegeheimes Ranoldsberg 14 in 8..4428 Buchbach) zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht an Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 5.683,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.08.2017 zu bezahlen.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.100,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.08.2017 zu bezahlen.

V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 22.050,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 02.09.2017 zu bezahlen.

VI. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 1.171,87 zuzüglich Zinsen ab Zustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat zur Begründung des Klageabweisungsantrags sich darauf berufen, dass die Klageansprüche weder dem Grunde noch der Höhe nach als berechtigt angesehen werden könnten. Das Pflegeheim verfüge über zwei Eingänge, den Haupteingang und den Lieferanteneingang im Rückteil des Gebäudes, über die in das Pflegeheim gelangt werden könne. Der Haupteingang wäre regelmäßig vom Personal benutzt. Der Lieferanteneingang sei grundsätzlich nicht als Eingang für Bewohner, Besucher und Mitarbeiter gedacht, dies sei der Klägerin auch bekannt gewesen. Der Lieferanteneingang werde grundsätzlich erst ab 8:00 Uhr eines Tages genutzt, weil vorher keine Lieferungen stattfinden würden. Der Lieferanteneingang sei mit einem Kopfsteinpflaster ausgestattet; die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass sie dafür Sorge trage, dass sowohl der Parkplatz als auch der Weg zum Haupteingang, der von den Mitarbeitern regelmäßig benutzt werde, ab 5:30 Uhr am Morgen gestreut werde. Der Lieferanteneingang werde erst später geräumt und gestreut, weil die Lieferungen nicht vor 8:00 Uhr erfolgen würden. Dies habe der Klägerin auch bekannt sein müssen, da sie bereits seit dem Jahr 2010 beschäftigt wäre. Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin tatsächlich auf dem Weg zum Lieferanteneingang gestürzt wäre und hierbei auf einer eisigen Stelle ausgerutscht wäre, das sich entziehe sich ihrer Kenntnis. Sofern die Klägerin den Haupteingang, wie auch andere Mitarbeiter der Beklagten, genutzt hätte, wäre der Sturz vermeidbar gewesen, da dieser Bereich komplett geräumt und gestreut gewesen wäre.

Die Beklagte hat darauf abgestellt, dass sie keine Verkehrssicherungspflichten in schuldhafter Weise verletzt habe; durch entsprechende Beschilderung sei auf einen eingeschränkten Winterdienst hingewiesen und der Lieferanteneingang wäre – weil vor 8:00 Uhr niemand von den Lieferanten erscheine – erst zu diesem Zeitpunkt geräumt worden. Fernerhin hat sich die Beklagte darauf berufen, dass es am 07.12.2016 in den frühen Morgenstunden durch Regen und gefrorenen Boden eine Blitzeisbildung gegeben habe und diese habe sich auf dem Kopfsteinpflaster verstärkt ausgewirkt, so dass dafür die Beklagte nicht verantwortlich gemacht werden könne.

Von einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflichten könne nicht ausgegangen werden; die Beklagte hat darauf Bezug genommen, sie habe den Parkplatz und den Weg zum Haupteingang geräumt und somit der Klägerin ermöglicht, gefahrenfrei in das Gebäude zu gelangen. Warum die Klägerin letztendlich den Lieferanteneingang gewählt habe, liege in ihrem Verantwortungsbereich, so dass die klageweise geltend gemachten Ansprüche bereits aus diesem Grund nicht bestehen könnten.

Sofern ein gegenteiliger Standpunkt vertreten werden sollte, müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall trage, weil sie anstatt den Haupteingang, der gefahrenfrei zu erreichen gewesen wäre, den Lieferanteneingang genutzt habe, von dem sie gewusst habe, dass dieser nicht vor 8:00 Uhr geräumt oder gestreut werde.

Des Weiteren hat die Beklagte darauf hingewiesen, soweit die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € für eine Knöchelfraktur begehre, sei auszuführen, dass das Oberlandesgericht Celle in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 von einem Schmerzensgeld von lediglich 5.000,00 € ausgegangen wäre, so dass das von der Klägerin begehrte Schmerzensgeld als überzogen angesehen werden müsse.

Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten abgetretenen Schadensersatzanspruchs in Bezug auf den Verdienstausfall ihres Ehemanns hat die Beklagte darauf verwiesen, dass in unzutreffender Weise von einem Stundensatz in Höhe von 75,00 € als Verdienstausfall ausgegangen werde, weil der Verdienstausfall nicht kausal zum Unfallgeschehen wäre. Die Klägerin hätte nach den Vereinbarungen des Arbeitsvertrags zum Unfallzeitpunkt eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden gehabt, was bedeute, dass ihre Kinder auch dann, wenn der Unfall nicht eingetreten wäre, von ihr nicht betreut werden hätten können, zumindest nicht in der Zeit, als sie die Arbeitsleistung hätte erbringen müssen. Die Betreuung der Kinder hätte – wenn überhaupt sie erforderlich gewesen wäre – somit auch bei einem Nichteintreten des Schadensereignisses gewährleistet werden müssen, weswegen der Unfall keine zusätzliche Betreuung der Kinder erforderlich gemacht habe, was einen entsprechenden Schadensersatzanspruch auslösen könne. Des Weiteren hat die Beklagte bestritten, dass tatsächlich eine Verdienstausfall von Herrn … in Höhe von 75,00 € pro Stunde eingetreten wäre, denn dies würde bedeuten, dass Herr … als Geschäftsführer ein Monatsgehalt von 14.850,00 € bei Vollzeit erzielen würde.

Des Weiteren hat die Beklagte darauf verwiesen, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, ob es hierbei um die Nettovergütung oder die Bruttovergütung gehen sollte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wären beide Methoden möglich, es müsse allerdings klar dargelegt werden, welche Methode vom Geschädigten herangezogen werde, weil bei der Bruttovergütung sowohl die Steuern als auch die Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden müssen. Dass die Schadensersatzforderung hinsichtlich des Verdienstausfalls des Ehemanns der Klägerin als unschlüssig und überzogen angesehen werden müsse, beweise der Umstand, dass auch für Betreuung der Kinder am Wochenende ein Verdienstausfallschaden begehrt werde. In der Zeit vom 13.12.2016 bis zum 10.01.2017 wären in den 28 angesetzten Tagen zehn Feiertage und Wochenendtage mit eingerechnet worden, in der Zeit vom 11.01.2017 bis zum 08.02.2017 wären es acht Wochenendtage in diesen 28 Tagen gewesen.

Zusätzlich hat die Beklagte darauf verwiesen, die Klägerin sei, wenn dem Grunde nach eine Haftung von ihr gegeben wäre, zur Schadensminderung verpflichtet und hätte kostengünstigere Maßnahmen ergreifen müssen, was bedeute, dass sie entsprechende Hilfskräfte hätte einsetzen müssen, welche dann die Pflege und Betreuung hätten übernehmen können, allerdings zu einem wesentlich geringeren Stundenlohnanspruch. Die Klägerin könnte allenfalls einen Haushaltsführungsschaden geltend machen, der von der Rechtsprechung lediglich mit einem Stundensatz von 8,50 € angesetzt werde.

Hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten zu den Behandlungen hat sich die Beklagte darauf berufen, dass diese als unsubstantiiert und unschlüssig angesehen werden müssen, die Klägerin habe weder die einzelnen Wegstrecken dargelegt, auch nicht die Tage, an denen die Termine wahrgenommen worden wären. Fernerhin würden Angaben dahingehend fehlen, welche Kosten sie vom Sozialversicherungsträger ersetzt bekommen habe.

Fernerhin müsse berücksichtigt werden, dass kein Anspruch auf Ausgleich der vorgerichtlichen Anwaltskosten bestehen könne, weder dem Grund nach noch der Höhe nach, nachdem der Hauptanspruch unbegründet wäre, können auch kein Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehen.

Des Weiteren hat sich die Beklagte darauf berufen, grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass von winterlichen bzw. atypischen Wetterverhältnissen ausgehende Gefahren von Wegen und Straßen nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in das allgemeine Lebensrisiko des Nutzers des Weges oder der Straße fallen würden. Die Verkehrssicherungspflicht der Betreiberin eines Seniorenpflegeheims beziehe sich darauf, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Zumutbarkeit bei Schnee- und Eisglätte eine Verpflichtung zur Durchführung von Räum- und Streumaßnahmen bestehe, damit Bewohner und Mitarbeiter gefahrlos zu dem Gebäude gelangen könnten. Dieser Verpflichtung wäre auch am Unfalltag nachgekommen worden, weil der Hausmeister bereits ab 5:45 Uhr die Zufahrtswege von den Parkplätzen zum Haupteingang komplett geräumt und gestreut habe. Der Weg zum Lieferanteneingang wäre vom Hausmeister bis 8:00 Uhr geräumt und gestreut worden und der Hausmeister sei seiner Verpflichtung nachgekommen und habe diese Aufgaben erledigt. Eine andere Mitarbeiterin, die bereits an diesem Tag um 6:00 Uhr zur Arbeit erschienen wäre, habe mühelos den Parkplatz und die Auffahrt benutzen können und auch der Gehweg zum Haupteingang wäre nicht glatt gewesen. Der Klägerin wäre es somit – ohne Umwege gehen zu müssen – möglich gewesen, über den Parkplatz, auf dem sie ihr Fahrzeug abgestellt habe, über den Haupteingang in das Gebäude zu gelangen. Warum der Lieferanteneingang genutzt worden wäre, das erschließe sich nicht. Beim Lieferanteneingang wären die Lichtverhältnisse nicht die besten und aus diesem Grunde werde von den Mitarbeitern zumindest in der Dunkelheit zumeist der Haupteingang genutzt. Der Klägerin wäre es als langjährig beschäftigte Arbeitnehmerin bekannt gewesen, dass bei winterlichen Witterungsverhältnissen zunächst die Parkplätze und der Weg zum Haupteingang geräumt werden würden und der Weg zum Lieferanteneingang erst zu einem späteren Zeitpunkt an die Reihe komme, da vor 8:00 Uhr dort nichts angeliefert werde. Dass die Klägerin den Lieferanteneingang benutzt habe, stehe in ihrem Verantwortungsbereich, so dass sie die Folgen des Sturzes selbst zu tragen habe.

Des Weiteren hat sich die Beklagte darauf berufen, der Hausmeister sei seiner Streupflicht sachgerecht nachgekommen, er habe zunächst die Parkplätze und den Zugangsweg zum Haupteingang geräumt, damit hier ein gefahrloser Zugang möglich gewesen wäre und erst sodann habe er sich um den Lieferanteneingang gekümmert, weil vor 8:00 Uhr dort nichts angeliefert werde. Somit habe sie die notwendigen Maßnahmen durchgeführt, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen und einen gefahrlosen Weg in das Gebäude zu ermöglichen.

Der Sturz der Klägerin sei im Wesentlichen deshalb entstanden, da sich die Klägerin dazu entschieden habe, über den Lieferanteneingang in das Gebäude zu gelangen, obwohl es gefahrlos möglich gewesen wäre, über den Haupteingang des Gebäudes die Arbeit anzutreten. Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass sie nicht verpflichtet wäre, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eine Schadenseintrittsvorsorge zu treffen; es würde genügen, die Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar wären, zu treffen.

Auch wenn dem Grunde nach eine Haftung angenommen werden sollte, müsse der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden angelastet werden, weil ihr bewusst gewesen wäre, dass es bei den Witterungsverhältnissen zu Glatteisbildungen kommen könne, wenn nicht der Weg zum Haupteingang benutzt worden wäre, sondern die Arbeit über den Lieferanteneingang angetreten worden wäre.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen vom 05.11.2017, 17.01.2017 und auf die mit diesen Schriftsätzen übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Verwiesen wird im Übrigen auf den Inhalt der Verhandlungsniederschriften vom 28.11.2017, 27.03.2018 und auf den gesamten Akteninhalt.

Die Klage war zunächst an das Landgericht Traunstein gerichtet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte dem Landgericht Traunstein mit Schriftsatz vom 12.09.2017 mit, dass die Klägerin den Standpunkt vertritt, dass zur Entscheidung des Rechtsstreits das Arbeitsgericht zuständig wäre. Das Landgericht Traunstein hat sodann den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Rosenheim verwiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 25.09.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Klageanträge sind zulässig. Hinsichtlich sämtlicher Klageanträge folgt die Rechtswegzuständigkeit aus § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG, weil die Klägerin die von ihr geltend gemachten materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche auf eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten stützt, wobei das Unfallereignis sich auf dem Weg zur Erbringung der Arbeitsleistung der Klägerin ereignet hat. Daher unterfallen sämtliche geltend gemachten Ansprüche dem Begriff der Streitigkeit über finanzielle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Rechtswegzuständigkeit ist somit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG anzunehmen, in Verbindung mit dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Traunstein. Die Feststellungsklage hinsichtlich sämtlicher weiterer Verletzungsfolgen ist ebenfalls gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Wenn im Rahmen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, wie von der Klagepartei behauptet, finanzielle Schadensersatzansprüche und immaterielle zukünftige Ansprüche geltend gemacht werden, ist es zulässig, diese im Rahmen einer allgemeinen Feststellungsklage zu erheben. Die Feststellungsklage betrifft dann ein gegenwärtiges und zukünftiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klägerin sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche wegen außergerichtlicher und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend machte, stehen diese Ansprüche der Zulässigkeit des zum Arbeitsgericht beschrittenen Rechtswegs nicht entgegen, die Frage des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG betrifft die Begründetheit des Anspruchs.

2. Die zulässigen Klageanträge sind im Ergebnis unbegründet. Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht, weder in Bezug auf die materiellen noch hinsichtlich der immateriellen Ansprüche, die ihr durch das Unfallereignis entstanden sein sollen, weil das erkennende Gericht den Standpunkt vertritt, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten nicht anzunehmen ist. Daher konnten die geltend gemachten Schadensersatzbeträge der Klägerin nicht zugesprochen werden. Auf die fehlende Kostenerstattung in Bezug auf die vorgerichtlichen Kosten gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG im Rahmen der Geltendmachung der Ansprüche im arbeitsgerichtlichen Verfahren muss daher nicht mehr näher eingegangen werden.

II.

1. Im Rahmen der Anspruchsgrundlagen des § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB, soweit es um eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Gesundheit der Arbeitnehmerin geht, ist nach den Grundsätzen der Wahrung der Verkehrssicherungspflicht davon auszugehen, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich dazu verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Beim Betreiben eines Pflegeheims bezieht sich die Verkehrssicherungspflicht auch auf die Wege zum Pflegeheim, auf die Stellplätze für Bewohner und Besucher, die mit dem Kfz zur Anlage kommen und grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass dann, wenn mehrere Wege in die Pflegeeinrichtung möglich sind, sowohl für Arbeitnehmer, Besucher als auch für Bewohner, die Verkehrssicherungspflichten sich demzufolge auf sämtliche Zugänge dem Grunde nach beziehen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1990 498; VersR 2002 247; BGHZ Band 121 368 und BGH VersR 1997 109) ist davon auszugehen, dass die rechtlich gebotenen Verkehrssicherungspflichten all diejenigen Maßnahmen umfassen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten kann, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ist daher grundsätzlich, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (BGH NJW-RR 2003 1459; BGH NJW-RR 2002 525; LG Oldenburg Urteil vom 21.01.2013 16 O 2017/12 Beck RS 2014 00359). Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich daher grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls, die Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs sind hierbei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs, sei es mit Pkw oder auch des Verkehrs von Fußgängern.

b) Die Räum- und Streupflicht besteht daher nicht uneingeschränkt, sie steht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGHZ 112 74 ff). Der Grundstückseigentümer ist für Drittschäden gemäß § 823 Abs. 1 BGB und bezüglich der im Gewerbe des Grundstückseigentümers tätigen Personen fernerhin nach § 280 Abs. 1 BGB dafür verantwortlich, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Bewohner und sonstige Kunden, etwa Lieferanten, eines auf dem Gelände betriebenen Pflegeheims während der üblichen Öffnungszeiten und der Zeiten, zu denen Besucher kommen, das Personal die Arbeit antritt und auch die Bewohner das Pflegeheim betreten und verlassen, die Wegstrecke von ihnen auf den dafür vorgesehenen Parkplätzen geparkten Fahrzeugen bis zum Eingangsbereich des Pflegeheims ohne Gefährdung der Gesundheit benutzen können. Diese Kriterien der Verkehrssicherungspflichten, die von der Rechtsprechung der Zivilgerichte im wesentlichen für öffentliche Einrichtungen, Geschäfte und Verbrauchermärkte entwickelt wurde, sind auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt entsprechend anzuwenden, denn es macht keinen Unterschied, ob es um ein öffentliches Amtsgebäude geht, um ein Einkaufszentrum, um ein Ladengeschäft oder um eine Einrichtung der Betreuung älterer Personen, die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf die Wegstrecken von den Parkplätzen bis zum Eingangsbereich sind in diesen Fällen grundsätzlich nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten.

c) Nach diesen Grundsätzen sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs, wobei an die Sicherung des Fußgängerverkehrs strengere Anforderungen zu stellen sind (OLG Hamm Urteil vom 30.09.2003 9 U 86/03 OLGR Hamm 2004 38 ff. Rz. 11 zitiert nach Juris). Andererseits gilt auch die dem Hauseigentümer obliegende Räum- und Streupflicht nicht uneingeschränkt, sondern steht sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, so dass es namentlich auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGH Urteil vom 09.10.2003 III ZR 8/03 NJW 2003 3622), während sich andererseits jeder Verkehrsteilnehmer – auch und gerade im Winter – den ihn erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen anpassen muss (OLG München Urteil vom 22.07.2010 1 U 1804/10 Rz. 14 zitiert nach juris; OLG Koblenz Urteil vom 27.10.2010 1 U 170/10 VVR 2011 67 Rz. 14 zitiert nach juris). Geht es um die Sicherung des Fußgängerverkehrs, ist danach maßgeblich darauf abzustellen, ob die Fußgänger bei vernünftiger Sicherheitserwartung mit der Sicherung des Gehweges rechnen dürfen oder nicht. Danach müssen Gehwege, soweit auf ihnen ein nicht nur unbedeutender Verkehr stattfindet, geräumt und gestreut werden. Lediglich für verkehrsunbedeutende Wege, für die ein echtes Verkehrsbedürfnis auch unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Benutzer nicht erkennbar ist, besteht danach keine Streupflicht (BGH Urteil vom 09.10.2003 III ZR 8/03 NJW 2003 3622 Rz. 5 zitiert nach juris; Brandenburgisches OLG Urteil vom 02.03.0210 2 U 6/08 MDR 2010 809 Rz. 24 zitiert nach juris; in der Sache ebenso: OLG Hamm Urteil vom 30.09.2003 9 U 86/03 NZV 2004 645 f. Rz. 11 zitiert nach juris).

2. Die Klägerin hat die von ihr erhobenen Schadensersatzansprüche hinsichtlich der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Wesentlichen damit begründet, dass sie am 07.12.2016, nachdem sie vor Arbeitsbeginn ihren Pkw auf dem Parkplatz abgestellt hat, die Arbeit antreten wollte und über den Nebeneingang das Betriebsgelände der Beklagten erreichen wollte.

a) Zwar sind die Umstände des Sturzes der Klägerin zwischen den Parteien streitig, in Anbetracht der von der Klägerin erlittenen Verletzungsfolgen ist allerdings davon auszugehen, dass die Klägerin auf dem Weg vom Abstellplatz ihres Pkws bis zum sogenannten Lieferanteneingang gestürzt ist. Bei diesem Sturz kam es zu der Fraktur und den damit verbundenen Verletzungsfolgen. Es ist davon auszugehen, dass der Sturz etwa 7:30 Uhr morgens sich ereignete und dass der Zugang zum sogenannten Nebeneingang, über den zwar auch Beschäftigte das Betriebsgelände der Beklagten erreichen, weil auch bei diesem Eingang – nicht nur beim Haupteingang – ein Zeiterfassungsgerät angebracht ist, mit Steinen belegt ist. Steine, wenn sie eine glatte Oberfläche aufweisen, gelten generell als etwas rutschempfindlich; insbesondere dann, wenn in Wintermonaten das Pflaster gefroren ist und ein Überzug aus Eis sich auf den Pflastersteinen befindet, ist von einer deutlichen Rutschgefahr auszugehen. Nachdem die Klägerin bereits seit einigen Jahren bei der Beklagten im Pflegeheim arbeitete, kann davon ausgegangen werden, dass ihr die örtlichen Verhältnisse bekannt waren.

b) Entgegen der Rechtsansicht des Klägerin kommt es bei der Frage, ob die Beklagte insofern eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, nicht maßgeblich darauf an, welche Hinweisschilder auf diesem Weg aufgestellt sind, denn insbesondere Personen, die seit einigen Jahren bei der Arbeitgeberin tätig sind, müssen Sommer wie Winter wissen, wie die Wegfläche ausgestaltet ist und es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Steinpflaster im Winter, wenn es möglicherweise von einer Eisschicht überzogen ist, rutschgefährlich ist. Weil sich aus den örtlichen Gegebenheiten auch nicht entnehmen lässt, dass der Weg zum Nebeneingang deutlich abschüssig war, kommt es darauf an, wie in diesem Zusammenhang die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Räumung und Streuung dieses Wegs ausgeprägt war. Der Inhalt und der Umfang einer winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte grundsätzlich danach, wie die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen sind. Die den Betreibern von Ladengeschäften, Einkaufsmärkten und auch Pflegeheimen wie auch sonstigen Betreuungseinrichtungen oder auch Krankenhäusern obliegende Räum- und Streupflicht besteht nicht uneingeschränkt, sondern steht sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, so dass es insbesondere auch auf die Leistungsfähigkeit des Verkehrssicherungspflichtigen – hier der Beklagten – ankommt (BGH Urteil vom 09.10.2003 III ZR 8/03, NJW 2003 3622 Rdnr. 8); jeder Verkehrsteilnehmer hat sich, insbesondere und gerade auch im Winter, den ihm erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen grundsätzlich anzupassen, wobei dies genauso für den Fußgängerweg gilt (OLG München Urteil vom 22.07.2010 1 O 1804/10 Rdnr. 14; OLG Koblenz Urteil vom 27.10.2010 1 O 170/10 VVR 2011 67 Rdnr. 14). Wenn es um die Sicherung des Fußgängerverkehrs geht, ist nach der Rechtsprechung maßgeblich darauf abzustellen, ob die Fußgänger bei vernünftiger Sicherheitserwartung mit der Sicherung des Gehwegs rechnen dürfen oder nicht; hiernach müssen Gehwege, soweit auf ihnen ein nicht nur unbedeutender Verkehr stattfinden sollte, grundsätzlich geräumt und gestreut werden. Lediglich für verkehrsunbedeutende Wege, für die ein echtes Verkehrsbedürfnis auch unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Benutzer nicht erkennbar ist, besteht hiernach keine generelle Streupflicht (BGH Urteil vom 09.10.2003 III ZR 8/03 NJW 2003 3622 Rdnr. 5; Brandenburgisches OLG Urteil vom 02.03.2010 2 O 6/08 MDR 2010 809 Rdz. 24; OLG Hamm Urteil vom 30.09.2003 9 O 86/03 NZV 2004 645; OLG Hamm Urteil vom 12.09.2012 I/11 U 94/11 Beck RS 2013 11850).

3. Unter Berücksichtigung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht ist in streitgegenständlichen Rechtsstreit nach Auffassung des Arbeitsgerichts davon auszugehen, dass zwar dem Grunde nach für die Beklagte die Verkehrssicherungspflicht auch in Bezug auf den Weg zum Nebeneingang bestanden hat, allerdings im Rahmen des Zumutbaren im winterlichen Bereich insofern hier gewisse Einschränkungen vorhanden waren.

a) Die Beklagte hat zwar mit der Anbringung eines Zeiterfassungsgeräts auch für den Eintritt über den Nebeneingang, der von Lieferanten üblicherweise erst ab 8:00 Uhr morgens genutzt wird, den Beschäftigten die Möglichkeit eröffnet, die Zeiterfassung zu betätigen, was grundsätzlich den Schluss dahingehend zulässt, dass es den Beschäftigten auch erlaubt war, über den sogenannten Nebeneingang in den Arbeitsbereich des Pflegeheims zu kommen. Grundsätzlich ist allerdings, was die Räum- und Streupflicht betrifft, davon auszugehen, dass beim Auftreten von Schnee oder Eisesglätte zunächst die Hauptwege eines Geländes, auf dem eine Pflegeeinrichtung für Senioren betrieben wird, zu reinigen sind. Unbestritten hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die als Hausmeister tätige Person zunächst – mithin in den frühen Morgenstunden – die Parkplätze und den Weg zum Haupteingang geprüft hat und hier die erforderlichen Räum- und Streumaßnahmen durchgeführt wurden. Beim Nebeneingang, den die Klägerin beim Unfallereignis benutzt hat, kommt es entgegen ihrer Ansicht nicht entscheidend darauf an, ob zum damaligen Zeitpunkt bereits die Beschilderungen diesbezüglich angebracht waren, dass auf diesem Weg nur ein „eingeschränkter“ oder „gar kein Winterdienst“ besteht, denn die Klägerin, die zum damaligen Zeitpunkt schon einige Jahre bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt war, musste über die konkreten Verhältnisse der Wege zum Arbeitsbereich Bescheid wissen.

b) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wäre im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nur dann anzunehmen, wenn die Klägerin wegen der Verletzung der Räum- und Streupflicht über den Haupteingang das Gebäude zur Arbeitserbringung betreten hätte und auf diesem Weg zum Sturz gekommen wäre. Zwar ist die Grenze des Zumutbaren erreicht, wenn aufgrund der winterlichen Verhältnisse überraschend Eis auftreten sollt und dann ein gepflasterter Gehweg gestreut wird, weil dann möglicherweise davon auszugehen ist, dass auch das Streuen mit Salz oder mit Split zumindest dann, wenn es weiterhin regnet und der Boden weiterhin gefroren bleibt, nicht hundertprozentig das Eis auf den Pflastersteinen beseitigt werden kann. Die Zumutbarkeit bei auftretendem Blitzeis ist dann erreicht, wenn die beauftragte Person entweder mit Auftausalz oder mit Split versucht, die eisglatten Stellen zu streuen; wenn sich dann aufgrund der Witterungsverhältnisse erneut Eis bildet, kann nicht mehr verlangt werden, als dieses dann in absehbarer Zeit wieder zu beseitigen.

c) Im hier zu entscheidenden Rechtsstreit geht es allerdings dem Sachverhalt nach um die Konstellation, dass die Klägerin über den Nebeneingang um etwa 7:30 Uhr morgens stürzte und sich die Knöchelfraktur zugezogen hat. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten musste der Klägerin klar sein, dass beim Betreten des Pflegeheims über den Nebeneingang eine wesentlich höhere Sorgfaltspflicht im Eigeninteresse, so zu gehen, dass kein Sturz sich ereignet, bestanden hat als wenn sie ihren Arbeitsbereich über den Haupteingang betreten hätte. Der Umstand, dass ihr bekannt war, dass dieser Weg mit Pflastersteinen befestigt war und Pflastersteine insbesondere dann, wenn der Boden gefroren ist und es dann zu regnen beginnt, erheblich rutschig werden können und in einer solchen Situation die beauftragte Person des Räum- und Streudienstes nicht – sozusagen auf die Sekunde – diese Eisesglätte beseitigen kann. Weil die Klägerin den zwar erlaubten, aber für winterliche Verhältnisse doch nicht so sicheren Weg, was Eisbildung betrifft, über den Nebeneingang benutzte, war es ihre Obliegenheit, darauf zu achten, ob Eisesglätte besteht und entsprechend vorsichtig zum Nebeneingang sich zu bewegen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin möglicherweise mit zügigen Schritten versuchte, schnell ins Gebäude zu kommen, da es Winter war; die Gesamtumstände hätten hier allerdings erkennen lassen müssen, dass beim Betreten des Pflegeheims über diesen Nebeneingang die Wahrung besonderer Vorsicht erforderlich war.

4. Unter Würdigung der Gesamtumstände des Geschehens geht das Arbeitsgericht davon aus, dass zwar grundsätzlich die Beklagte verpflichtet war, für die Verkehrssicherheit auch des Gehwegs zum Nebeneingang zu sorgen, primär hatte allerdings die mit diesen Arbeiten beauftragte Person die Wege zum Parkplatz zum Haupteingang von Schnee und Eis zu befreien und erst dann konnte im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht daran gegangen werden, auch den Bereich der Nebeneingangstür zu überprüfen und ggf. die Räum- und Streuarbeiten durchzuführen. Weil üblicherweise über den Nebeneingang erst Lieferantenverkehr ab 8:00 Uhr abgewickelt wird, bestand im konkreten Einzelfall keine Verkehrssicherungspflicht, den Nebeneingangsbereich entweder gleichzeitig mit dem Haupteingangsbereich zu räumen, sondern die beauftragte Person konnte so vorgehen, dass frühmorgens zunächst der Haupteingangsbereich gestreut und geräumt wurde und erst im Anschluss daran der Zugangsbereich zur Nebeneingangstür, den die Klägerin genutzt hat, überprüft und ggf. geräumt und gestreut wurde. Von einem erhöhten Aufkommen an der Unfallstelle – was die Fußgänger betrifft – kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ausgegangen werden. Es kann hier auch dahingestellt bleiben, ob tatsächlich eine andere Arbeitnehmerin, die bereits etwa eineinhalb Stunden vor der Klägerin zur Arbeit kam, auf der Eisfläche gestürzt ist, wobei unstreitig ist, dass sich diese Arbeitnehmerin keine bleibenden Verletzungen zugezogen hat. Nur dann, wenn es der Beklagten bekannt gewesen wäre, dass Sommer wie Winter ein ganz erheblicher Teil der Arbeitnehmer grundsätzlich den Nebeneingang benutzt, wäre sie gehalten gewesen, entweder durch entsprechende Hinweisschilder darauf aufmerksam zu machen, dass überhaupt kein oder nur eine eingeschränkter Winterdienst besteht oder dass bei der Benutzung dieses Wegs im Winter besondere Vorsicht angeraten wird und mit Schnee- und Eisesglätte zu rechnen ist. Da allerdings der Hauptbesucherverkehr wie auch die Gehwege der Bewohner über den Haupteingang gingen und lediglich vereinzelt Beschäftigte beim Weg von der Arbeit und zur Arbeit den Nebeneingang nutzten, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei entgegen der Rechtsansicht der Klägerin um einen unbedeutenderen Fußweg handelte, vor allem gemessen an den konkreten Verhältnissen der Situation, als das Unfallgeschehensich ereignete. Dass möglicherweise der Nebeneingangsbereich ab 8:00 Uhr, wie die Beklagte vorgetragen hat, wenn die ersten Lieferungen vorgenommen werden, mehr frequentiert ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil es um ein Unfallereignis geht, das etwa eine halbe Stunde vorher stattgefunden hat.

5. Es kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht davon ausgegangen werden, dass bereits ein Anscheinsbeweis dafür bestehen würde, dass die Beklagte am 07.12.2016 frühmorgens der ihr obliegenden Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen wäre, denn der Unfall hat sich – wie bereits ausgeführt – auf dem untergeordneten Weg zur Nebeneingangstür um 7:30 Uhr ereignet, der Zeitpunkt liegt zwar noch innerhalb der allgemeinen zeitlichen Grenzen der bestehenden Verkehrssicherungspflichten, allerdings bezog sich in diesem Zusammenhang die Verkehrssicherungspflicht primär auf die Parkplätze und den Weg zum Haupteingang und nicht zum Nebeneingang, der zum damaligen Zeitpunkt – und wie wahrscheinlich auch schon zum Zeitpunkt davor und danach – von untergeordneter Bedeutung war, was die Frequentierung durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten betroffen hat.

a) Es kommt daher auch nicht maßgeblich darauf an, ob tatsächlich an diesem Tag frühmorgens Regen eingesetzt hat, ob über Nacht der Boden gefroren war und demzufolge auf den Pflastersteinen sich schnell eine Eisschicht bildete, ebenfalls nicht entscheidungserheblich darauf, ob diese Eisschicht von der Klägerin erkennbar war oder – da am 07.12.2016 um 7:30 Uhr morgens noch nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Ort des Geschehens hinreichend erleuchtet war – die Gefahr erkennbar oder weniger erkennbar war. Nur dann, wenn es in den Stunden vor dem Unfallereignis entweder zu einem erheblichen Schneefall gekommen wäre oder eindeutig klar ist, dass der Boden gefroren ist und Regen fällt, was zu Glättebildung auf den Pflastersteinen führt, werden die erforderlichen Räum- und Streumaßnahmen zunächst auf den Hauptwegen und dann auf den Nebenwegen ausgelöst. Eine derartige witterungsmäßige Situation hat die Klägerin nicht vorgetragen. Während die Beklagte sich darauf berufen hat, es sei am 07.12.2016 morgens Blitzeis aufgetreten, hat die Klägerin lediglich darauf abgestellt, eine Eisfläche wäre am Zugangsweg zum Nebeneingang gewesen und die Verkehrssicherungspflicht habe es erfordert, dass die Beklagte durch entsprechende Räum- und Streumaßnahmen den Zugang zum Nebeneingang gesichert hätte.

b) Weil eindeutig keine unkalkulierbaren Witterungsverhältnisse entweder mit erheblichem Schneefall oder mit einem eindeutig gefrorenen Boden und einsetzenden erheblichen Regenfällen bestanden haben, konnte sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien über die Regeln des Anscheinsbeweises in dieser Situation berufen (BGH 26.02.2009 III ZR 225/08 NJW 2009 3300 Rdz. 4; 07.06.2005 IV ZR 290/04 NJW-RR 205 1185; OLG Koblenz 27.10.2010 1 O 170/10 VVR 2011 67 Rdz. 10). Im Normalfall trägt der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht; der Anscheinsbeweis ist anzunehmen, wenn die geschädigte Person innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht und innerhalb der Grenzen, für welche Wege die Streupflicht gilt, zu Fall gekommen ist und dabei das schadensstiftende Ereignis eingetreten ist. In diesen Situationen spricht der erste Anschein für eine Vermutung dafür, dass es bei pflichtgemäßer Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten im Sinne der Räum- und Streupflichten nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn sich bei dem Unfall mithin gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, deren Eintritt die Räum- und Streupflicht verhindern sollte.

c) Weil die Beklagte der Räum- und Streupflicht in Bezug auf die Parkplätze und den Zugang zum Haupteingang zunächst nachgekommen ist und erst zu einem späteren Zeitpunkt der weniger bedeutende Fußweg zum Nebeneingang vom Eis befreit wurde, ist davon auszugehen, dass die Klägerin, als sie den Weg zur Arbeitsstätte im Pflegeheim der Beklagten wählte, entweder besondere Vorsicht hätte walten lassen müssen, wenn sie den Eingang über den Nebenbereich gewählt hat – so wie geschehen – oder es wäre ihre Obliegenheit gewesen, zur Vermeidung von Unfällen über den Haupteingangsbereich das Pflegeheim zu betreten. Da beide Wegstrecken zum Antritt der Arbeit in etwa, was die Länge betrifft, gleich sind, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, wenn sie nicht über die Nebeneingangstür gegangen wäre, eine deutliche Verlängerung des Wegs zur Arbeitsstätte gehabt hätte.

d) Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht im Rahmen der gegebenen Reihenfolge, was zunächst von Schnee und Eis zu räumen ist und was zunächst zu streuen ist und welche Wege dann erst hiernach an die Reihe kommen, nachgekommen ist und die Klägerin, die eindeutig einen untergeordneten Weg benutzte, wäre gehalten gewesen, sich besonders vorsichtig auf die Eingangstür des Nebeneingangs zuzubewegen und sie hätte damit rechnen müssen, dass bei diesem Weg mit Eisesglätte auf dem Steinpflaster zu rechnen ist. Weil der Beklagten eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht zur Last gelegt werden konnte, war die Klage nicht erfolgreich.

6. Da dem Grunde nach bereits kein Schadensersatzanspruch besteht, bedurfte es keiner näheren Ausführungen zur Höhe des Schadens, zur Frage, ob der Klägerin ein Schmerzensgeldanspruch zusteht und wenn ja, in welcher Höhe, und insbesondere musste zu den Rechtsfragen der vom Ehemann der Klägerin an sie abgetretenen Schadensersatzansprüchen in Bezug auf die Kinderbetreuungskosten und die Aufwendungen, die für die Fahrten der Klägerin zu Ärzten und Therapieeinrichtungen entstanden sind, nicht näher eingegangen werden. Auch auf die Bestimmung des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG kam es nicht mehr entscheidungserheblich an.

III.

1. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 ZPO; als die Unterliegende hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 3 ZPO. Als Streitwert ist festzusetzen die Summe der klageweise geltend gemachten Hauptsachebeträge, wobei das Gericht den immateriellen Schmerzensgeldanspruch mit demjenigen Betrag bewertet, den die Klägerin als Mindestbetrag des Anspruchs in der Klagebegründung angegeben hat.

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