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Verkehrsunfall – Anspruch einer Fahrradfahrerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld

LG Potsdam, Az.: 6 O 476/17, Urteil vom 05.10.2018

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 17.482,56 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.000 € seit dem 21. Februar 2015 und aus weiteren 12.482,56 € seit dem 2. Februar 2017.

Verkehrsunfall - Anspruch einer Fahrradfahrerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld
Symbolfoto; Zatevakhin/Bigstock

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin ein Viertel und die Beklagten als Gesamtschuldner drei Viertel zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags .

4. Der Streitwert wird abschließend festgesetzt auf 21.375,00 €.

Tatbestand

Die im Jahr 1940 geborene Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall am 17. Juli 2013 in der Hansastraße in Falkensee, an dem neben der fahrradfahrenden Klägerin der Beklagte zu 1 als Fahrer und Halter des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Taxis beteiligt war.

Der Unfall wurde durch die Polizei aufgenommen. Dieser gegenüber erklärte Beklagte zu 1, er habe vor der Nr. 24 angehalten. Er habe den Motor ausgeschaltet und aussteigen wollen. Er habe eine aus Richtung Sonnenstraße kommende Fahrradfahrerin gesehen. Diese sei noch weit weg genug gewesen. Daher habe er seine Tür geöffnet. Die in diesem Moment an seinem Fahrzeug vorbeifahrender Klägerin habe er dabei nicht beachtet. Sie sei gestürzt und habe sich verletzt.

Die Klägerin wurde mit dem Rettungswagen zu ihr hierfür in Rechnung gestellte Kosten von 442,55 € in das … Spandau verbracht, wo sie bis zum 22. Juli 2013 behandelt wurde. Dort wurde bei ihr eine vordere Beckenringfraktur diagnostiziert, eine ca. 2 cm große Schürfwunde am rechten Unterarm, eine ca. 2 cm große Wunde am Unterschenkel und eine ca. 2,5 cm lange Platzwunde am linken Hinterkopf. Die Patientin wohne mit ihrem Ehemann, ihrer Tochter und deren Familie in einem Haus; eine Pflegestufe bestehe nicht. Ihr Allgemeinzustand sei reduziert, ihr Ernährungszustand adipös. Als Altanamnesen nennt der Arztbrief Bluthochdruck, Herzkrankheit, vergrößerte Schilddrüse sowie Linsentrübung. Ein knöcherner Defekt des hinteren Beckenrings links sei nicht typisch für eine frische Fraktur. Im Röntgenbild seien zudem Hinweise auf eine Arthrose mit degenerativen Veränderungen zu erkennen. Die Kopfplatzwunde sei genäht worden, die Mobilisierung problemlos erfolgt unter Verschreibung eines Rollators. Die Klägerin leistete eine Eigenbeteiligung an das Krankenhaus von 60 €.

Bereits im Januar 2013 war bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom bei degenerativen ossären Veränderungen und eine Cox- und Gonarthrose beidseits diagnostiziert worden.

Mit Anwaltsschreiben vom 14. August 2013 meldete die Klägerin ihren Schaden bei der Beklagten zu 2 an und forderte sie auf, ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Schadensregulierung zu erklären.

Am 28. August 2013 wurde die Klägerin zur Feststellung ihrer Pflegebedürftigkeit durch eine Pflegefachkraft des medizinischen Dienstes der Krankenkassen begutachtet, die ihr eine Pflegebedürftigkeit in der Pflegestufe I seit Juli 2013 attestierte. Die Versicherte habe Taubheitsgefühl im Bereich der Kopfplatzwunde geäußert, ständige Kopfschmerzen, Schmerzen in den Schultern beidseits, im Rücken und im Hüft-/Beckenbereich beidseits; sie können nachts kaum schlafen. Nach Angabe der Tochter besteht Gründe zusätzlich Arthrose in den Händen beidseits. Seit dem Unfall sei die Gedächtnisleistung reduziert. Sie bedürfe Hilfe beim Waschen, beim Gehen, bei der Nahrungszubereitung sowie beim Anziehen und Ausziehen der Kleidung. Sie bedürfe eines Gehstocks, zweier Unterarm-Gehstützen und eines Rollator, eines Duschstuhls, eines Lagerungskissen sowie einer Brille.

Der Hausarzt der Klägerin attestierte ihr am 2. September 2013, dass sie sich am 29. Juli und am 29. August 2013 mit Schmerzen in der Beckenregion und auch in der Brustwirbelsäule bei ihm vorgestellt habe; sie laufe an zwei Unterarmstützen und befinde sich in orthopädischer Behandlung.

Der Orthopäde S aus Spandau diagnostizierte am 11. September 2013 einen Zustand nach vorderer Beckenringfraktur und verordnete ihr Krankengymnastik sowie orale Schmerzmedikation.

Mit Anwaltsschreiben vom 13. November 2013 bezifferte die Klägerin ihre materiellen Schäden näher und machte ein Schmerzensgeld von 10.000 € geltend. Die Beklagte zu 2 zahlte nach ihrem Schreiben vom 23. November 2013 „unter allem Vorbehalt einen Vorschuss in Höhe von 5.000 €“.

Am 11. Februar 2015 erklärte der Orthopäde S , die letztmalige Röntgenkontrolle der Klägerin am 27. Oktober 2014 habe eine vollständige Konsolidierung der vorderen Beckenringfraktur links ergeben. Es habe sich aber – wie bereits zuvor bei der Röntgenkontrolle am 19. September 2013 – auch eine fortgeschrittene Coxarthrose rechts und eine weniger ausgeprägte Coxarthrose links gezeigt. Vor dem Unfall habe er sie nur gegen Rückenbeschwerden behandelt, nicht wegen einer Coxarthrose. Es sei davon auszugehen, dass die vorher bestehenden Befunde keine Auswirkungen auf die Pflegebedürftigkeit der Klägerin hatten. Die unfallbedingte Behandlung sei abgeschlossen, von einer dauerhaften Schädigung sei nicht auszugehen.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schadensersatzes von 5.000 € bis zum 20. Februar 2015 auf, und mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 zur Zahlung von weiteren 21.375,11 € nebst Anwaltskosten von 1.430,82 €, zu zahlen bis zum 23. Dezember 2016. Mit E-Mail vom 22. Januar 2017 wiederholte sie ihre Forderung auf Zahlung bis zum 1. Februar 2017.

Die behandelnden Ärzte der Klägerin teilten mit, dass ihnen Vorerkrankungen der Klägerin im betroffenen Bereich nicht bekannt seien; die Ärzte des …es Spandau relativierten ihre Angaben zum Alter der festgestellten Fraktur. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung stellte in zwei Gutachten die Unfallursächlichkeit der Pflegebedürftigkeit der Klägerin fest.

Die Klägerin zahlte für Atteste 30 €, für 14 Physiotherapietermine in 2013 gesamt 322,28 € und für weitere 12 Termine in 2014 gesamt 222,24 €.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte trage mit Blick auf das auch von ihm vor der Polizei eingeräumte Unfallgeschehen die Alleinverantwortung für den Schaden.

Zu diesem trägt sie vor: Sie sei vor dem Unfall voll beweglich gewesen. Sie habe sämtliche Tätigkeiten im Rahmen normaler Haushaltsführung verrichten können, das heißt Einkaufen, Kochen, Putzen und dergleichen. Sie habe auch ihre schwerkranke Tochter Tatjana in Falkensee jeden zweiten Tag betreut, gepflegt und dort den Haushalt geführt. Sie habe nur geringe Probleme im orthopädischen Bereich gehabt und sei bis zum Jahr 2014 nur vereinzelt wegen orthopädischen Schmerzen im Arm, in der Schulter-Nacken-Muskulatur, im Rücken (Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule) und in der linken Hüfte behandelt worden. Durch den Unfall sei sie erheblich verletzt worden. Neben den Platz- und Schürfwunden sei sie insbesondere durch die Beckenringfraktur erheblich beeinträchtigt worden. Sie habe sich nur noch mit Rollator und Rollstuhl fortbewegen können, teilweise auch mit Krücken. Gegen die Schmerzen habe sie starke Schmerzmittel nehmen müssen. Gleichwohl sei sie nicht in der Lage gewesen, einfachste Tätigkeiten im Haushalt durchzuführen und Fahrrad zu fahren. Nachts sei ihr ungehindertes Schlafen nicht möglich gewesen. Ihr Mann habe die Versorgung übernommen. Die Beeinträchtigungen hätten noch im Dezember 2015 angehalten. Für den Rollator habe sie 17 € aufwenden müssen. Für das erforderliche Thrombosemittel habe sie eine Zuzahlung von 15 € leisten müssen, für die Physiotherapie eine von 46,02 €.

Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld von wenigstens 25.000 € für angemessen. Ihre Beschwerden seien ausschließlich oder zumindest zum überwiegenden Teil auf den Unfall zurückzuführen, der zu einem Bruch ihres Beckens geführt habe, nicht dagegen auf die zuvor bestehende Coxarthrose. Das werde auch deutlich darin, dass sie zuvor uneingeschränkt im Haushalt tätig gewesen sei und ihre Tochter in Falkensee versorgen habe können.

Sie sei Eigentümerin des bei dem Unfall beschädigten Fahrrades, das sie vor vielen Jahren erworben habe. Das Vorderrad sei im Lauf beeinträchtigt worden, der Lenker und die Pedale des Fahrrades zerkratzt und eingedellt. Diese Schäden seien zu geschätzten Kosten von 50 € in Eigenreparatur beseitigt worden. Ihr Ehemann sei wegen der notwendigen Reparatur für drei Tage nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug zu fahren; hierfür mache sie Nutzungsausfall von 45 € geltend. Für den Krankentransport seien ihr 442,55 € in Rechnung gestellt worden. Ihre bei dem Unfall beschädigte Kleidung habe noch einen Wert von geschätzten 100 € gehabt. Ergänzend macht sie eine Unfallpauschale von 25 € geltend sowie vorgerichtliche Anwaltskosten aus einem Betrag von 21.375 €.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an sie 1.375,11 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2017, sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch ein Betrag von 5.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2015 und ein Betrag von 15.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2017;

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2. an sie vorgerichtliche Kosten von 1.430,82 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2017.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Beklagte zu 2 habe die Tür nicht unvermittelt aufgerissen, sondern vielmehr sogar noch die Zeugin Bereuter gesehen, leider aber nicht die Klägerin. Er habe ihr nach dem Unfall sofort geholfen. Sie habe zum Unfall beigetragen, indem sie zu dicht an dem Taxi vorbeigefahren sei, so dass an ein Mitverschulden von 25 % zu denken sei. Sie habe sich nur die Schürf- bzw. Platzwunde zugezogen; die anderen Gesundheitsschäden seien nicht unfallkausal.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugin J K . Auf das Protokoll der Vernehmung vom 21. September 2018 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die ohne weiteres zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des tenorierten Betrages. Er gründet sich hinsichtlich des Beklagten zu 1 auf §§ 7 sowie 18 StVG; der dementsprechende Anspruch gegen die Beklagte zu 2 auf § 115 VVG.

1.

Nach § 7 Abs. 1 StVG ist, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Soweit der Halter haftet, ist nach § 18 Abs. 1 StVG auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist. Der Verletzte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG auch gegen den Versicherer geltend machen, wenn es sich – wie hier – um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt.

2.

Die danach dem Grunde nach bestehende Haftung der Beklagten stellen diese nicht in Abrede. Die Klägerin wurde bei dem in Rede stehenden Unfall verletzt, ihre Sachen wurden dabei beschädigt. Der Unfall ist auch ebenso wenig durch höhere Gewalt verursacht worden, wie der Beklagte zu 1 als Führer des Fahrzeugs schuldlos gehandelt hätte. Im Gegenteil ist sein Verschulden nicht nur nach dem Wortlaut des § 18 StVG zu vermuten. Es spricht vielmehr auch der Beweis des ersten Anscheins gegen ihn als denjenigen, der seine Fahrzeugtür zum Aussteigen geöffnet hat. Denn der Unfall hat sich in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Tür ereignet. Daher ist anzunehmen, dass er gegen seine in § 14 Abs. 1 StVO normierte besondere Rücksichtnahmepflicht verletzt hat. Danach muss, wer aussteigen will, den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten und darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet (vgl. nur Heß in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 14 StVO Rdnr. 2 f, m. u. N. zur Rechtsprechung). Zwar kann der Aussteigende damit rechnen, dass der an einem haltenden Kfz Vorbeifahrende einen ausreichenden Seitenabstand einhält (Heß ebd. Rdnr. 3). Es fehlen vorliegend aber jegliche objektiv belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin dies nicht getan hätte. Auch für ein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 9 StVG und § 254 BGB ist daher vorliegend kein Raum.

3.

Der Klägerin stehen in der Folge Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 15.000 € sowie materieller Schadensersatz in Höhe von 1.310,09 € und Ersatz für Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.172,42 € zu, jeweils nebst Zinsen.

a)

Der Klägerin steht ein weiterer Schmerzensgeldanspruch von 15.000 € zu. Nach Überzeugung des Gerichts ist für die unfallbedingte Verletzung und ihre Folgen ein Schmerzensgeld von 20.000 € angemessen; nach Abzug der bereits gezahlten 5.000 € verbleibt der genannte Betrag.

Denn das Gericht ist überzeugt, dass die bei der Klägerin unmittelbar nach dem Unfall diagnostizierten Einschränkungen ebenso unfallbedingt sind wie ihre hieraus folgende Pflegebedürftigkeit für zwei Jahre. Das betrifft neben den letztlich unstreitigen äußerlichen Verletzungen – die Schürfwunde am rechten Unterarm, die Wunde am Unterschenkel und die Platzwunde am linken Hinterkopf – insbesondere auch die vordere Beckenringfraktur, die der Klägerin nicht nur erhebliche Schmerzen bereitet hat, sondern sie auch deutlich und langandauernd eingeschränkt. Die ursprünglich nachvollziehbaren Zweifel auch der Beklagten, die sich auf die Angaben im Arztbrief des …es Spandau vom 22. Juli 2013 bezogen, können nach den nunmehr vorgelegten Gutachten insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 20. August 2017 nicht mehr aufrechterhalten werden. Denn dieses Gutachten geht in Auswertung aller vorliegenden medizinischen Dokumente und unter Berücksichtigung auch der Relativierung der zunächst behandelnden Ärzte überzeugend von der Unfallursächlichkeit der sonst nicht erklärlichen Verletzung aus. Entsprechend ist die Beklagtenseite dem nicht mehr substantiiert entgegen getreten.

In gleicher Weise ist das Gericht davon überzeugt, dass die Verletzung zu erheblichen Schmerzen und einer lang andauernden mobilen und sozialen Einschränkung der vor dem Unfall vergleichsweise unbelasteten Klägerin geführt hat. Zwar war sie ausweislich der Auskunft der erstbehandelnden Ärzte leicht adipös und von reduziertem Allgemeinzustand gewesen. Sie bedurfte aber keiner Pflege im Haushalt und bei den sonstigen täglichen Verrichtungen, sondern konnte sogar insbesondere ihre psychisch kranke älteste Tochter aktiv unterstützen. Das ergibt sich zum einen aus dem vorherigen Fehlen einer Pflegestufe für die Klägerin und zum anderen insbesondere aus der lebendigen und anschaulichen Darstellung ihrer zweitältesten Tochter, der Zeugin J K . Diese hat ausführlich dargestellt, dass ihre Mutter vor dem Unfall Rückgrat und gewissermaßen Mittelpunkt der Familie und ganz besonders starke Hilfe für ihre älteste Tochter war, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung erheblicher Betreuung bedurfte. All dies brach mit der Verletzung und damit der Immobilisierung der Klägerin zusammen. Die Klägerin war nicht mehr in der Lage, den eigenen Haushalt zu führen, sondern bedurfte vielmehr der Pflegestufe 2 für ihre persönlichen Verrichtungen. Die Hilfe für die älteste Tochter musste wiederum deren Tochter übernehmen oder die Zeugin. Teils sprang wohl auch der Ehemann der Klägerin ein. Die Belastungen durch die Schmerzen und die daraus folgenden Einschränkungen hielten nach den Angaben im erwähnten Gutachten jedenfalls für zwei Jahre an. Zwar bekundete die Zeugin, dass auch heute noch Einschränkungen bestehen; insoweit ist aber offen, inwieweit es sich hierbei nicht inzwischen um altersbedingte Einschränkungen handelt.

In der Gesamtschau all dessen erachtet das Gericht einen Schmerzensgeldbetrag von 20.000 € für angemessen. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass dem Schmerzensgeld hier keine Genugtuungsfunktion zukommen kann. Die Haftung der Beklagten resultiert aus einem leider häufigen, doch angesichts dessen auch nicht besonders drastischen Fehlverhalten im Straßenverkehr. Der Beklagte zu 1 handelte nur einfach vorwerfbar, nicht vorsätzlich. Zum anderen aber fallen die Verletzung auf der einen sowie die erheblichen Dauerfolgen deutlich ins Gewicht. Diese sind erheblich gravierender als im zunächst angesprochenen Fall des LG Aachen (SP 2010, 12), das für eine ähnliche Verletzung 12.000 € zusprach. Dort war aber der Verletzte nur zwei Monate voll berufsunfähig und für weitere zwei Monate zur Hälfte, im fünften Monate dagegen nur noch vergleichsweise geringfügig, auch wenn er insgesamt für dreizehn Monate nachbehandelt wurde. Die Dauerfolgen hier gehen darüber hinaus. Näher liegt daher eine Orientierung an der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Oktober 2003 zum Aktenzeichen 2 U 58/02. Dieses sprach unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens 20.000 € zu für eine allerdings deutlich erheblichere Verletzung, die eine viermonatige stationäre Behandlung erforderlich machte und zu zwei Jahren Arbeitsunfähigkeit führte, wobei dem Geschädigten ein Dauerschaden von 35 % verblieb, welcher seine Lebensführung erheblich beeinträchtigte. Die Entscheidung des OLG Hamm (VersR 2001, 339) liegt auf einer vergleichbaren Ebene: Dieses hielt eine Entschädigung von 40.000 DM für angemessen für eine doppelte vordere und hintere Beckenringfraktur mit Acetabulumfraktur nebst Leistenbruch, aufgrund derer er insgesamt 10 Wochen in zwei Krankenhäusern behandelt werden musste und insgesamt fast 8 Monate lang arbeitsunfähig war.

b)

Die Klägerin hat zudem Anspruch auf materiellen Schadensersatz in Höhe von 1.310,09 €. Die Beklagten sind dem Vortrag der Klägerin zu ihren materiellen Schäden nicht entgegen getreten. Abzusetzen waren aber gleichwohl die Zuzahlungskosten im Krankenhaus. Denn insoweit muss die Klägerin sich ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 249 BGB Rdnr. 8 und Rdnr. 93 vor § 249 BGB). Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer angesichts insbesondere der seit Jahren dauerhaft sinkenden Telekommunikationskosten eine höhere Pauschale als 20 € nicht angemessen (vgl. nur LG Potsdam, Urteil vom 6. September 2017, 6 S 12/17, unter Hinweis auf Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14.01.2016 – 12 U 160/14, BeckRS 2016, 20871).

c)

Die als adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten ebenfalls zu ersetzenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (vgl. nur Palandt/Grüneberg, § 249 BGB Rdnr. 57) sind aus dem Gegenstandswert zu berechnen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, NJW 2008, 1888). Das sind hier in der Summe 16.310 €, so dass die 1,3-fach anzusetzende Gebühr bei 696 € liegt. Zuzüglich der Postpauschale von 20 € und Umsatzsteuer sowie die unbestritten gebliebenen Akteneinsichtskosten von 12 € und Attestkosten von 59,96 € sind dies in der Summe 1.172,47 €.

d)

Die Zinsforderung beruht auf §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Angesichts der Erstforderung im klägerischen Schreiben vom 13. November 2013 sowie im Schreiben vom 2. Dezember 2016 sind die Schreiben vom 9. Februar 2015 und 22. Januar 2017 als Mahnungen mit neuer (letzter) Fristsetzung aufzufassen, nach deren Ablauf mithin Verzug eintrat.

II.

Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz1 und 2 sowie 711 ZPO. Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf § 43 Abs. 1 GKG.

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