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Verkehrsunfall – Einfädeln von Beschleunigungsspur auf Autobahn

LG Essen – Az.: 13 S 44/17 – Beschluss vom 24.11.2017

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 05.07.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele (Az. 23 C 17/16) gemäß § 522 II ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme, der Kläger gegebenenfalls zur Rücknahme der Berufung, binnen zwei Wochen.

Gründe

Die Kammer ist nach vorläufiger Beratung einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die hach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Ferner hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich; es ist auch keine mündliche Verhandlung geboten.

I.

Die Parteien streiten um Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallgeschehen, welches sich am 10.08.2015 kurz hinter der Auffahrtspur zur Bundesautobahn 40 bei der Krayer Straße in Essen ereignete. Unfallbeteiligt waren der Kläger, als Fahrer und Halter seines Mercedes … mit dem amtlichen Kennzeichen … und der Beklagte zu 1.) als Fahrer des anderen beteiligten Fahrzeugs, dem LKW der Beklagten zu 2.) mit dem amtlichen Kennzeichen …, welches bei der Beklagten zu 2.) haftpflichtversichert ist.

Am 10.08.2015 befuhr der Kläger die Krayer Straße in Essen mit seinem Mercedes C 180 mit dem amtlichen Kennzeichen …. Der Kläger bog sodann links auf die Auffahrtspur zur BAB 40 in Richtung Venlo. Auf der BAB 40, welche an dem streitgegenständlichen Abschnitt über drei Spuren verfügt, herrschte wegen erhöhten Verkehrsaufkommens auf allen Fahrspuren „Stop-and-Go“-Verkehr. Der Beklagte zu 1.) befuhr mit dem LKW der Beklagten zu 2.) die rechte Fahrspur der BAB 40. Der Kläger befuhr den Beschleunigungsstreifen und leitete einen Spurwechsel auf die rechte Fahrspur der BAB 40 ein, um sich vor dem LKW der Beklagten zu 2.) in den Verkehr einzuordnen. Unter Umständen, die zwischen den Parteien streitig sind, kollidierte die Fahrzeugfront des von dem Beklagten zu 1.) gesteuerten LKWs mit dem noch in leichter Schrägfahrt befindlichen Mercedes C 180 des Klägers.

Ausweislich eines von dem Kläger beauftragten Schadensgutachtens des Sachverständigenbüros … vom 25.08.2015 sind an dem Mercedes C 180 Schäden entstanden, welche Reparaturkosten i.H.v. insgesamt 1.605,43 € netto auslösen. Der Sachverständige schätzte zudem die Wertverbesserung des Fahrzeuges durch die Reparatur auf 130,81 €. Der Sachverständige stellte zudem fest, dass der Unfallschaden Altschäden überlagern würde. Die hieraus resultierenden Abzüge seien jedoch bereits berücksichtigt worden. Das Sachverständigenbüro berechnete für die Erstellung des Gutachtens mit Zahlungsaufstellung vom 31.08.2015 einen Betrag i.H.v. 450,82 € brutto. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Gutachtens vom 25.08.2015 wird auf Bl. 6 ff. d.A. inhaltlich Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, dass der Beklagte zu 1.) eine Lücke zum Einfahren auf die BAB 40 für ihn gelassen hätte. Als er sich noch beim Spurwechsel befunden hat, habe er abbremsen müssen, um einem anderen Fahrzeug die Auffahrt auf die BAB 40 zu ermöglichen. Bei dem Abbremsvorgang habe er einen Kontakt an seiner Anhängerkupplung gespürt habe. Aufgrund dieses Kontaktes habe er sein Fahrzeug weiter abgebremst. Sodann sei der Beklagte zu 1.) auf das Fahrzeugheck seines Mercedes C 180 sorgfaltswidrig aufgefahren. Das Unfallereignis sei für ihn – den Kläger – unabwendbar gewesen.

Der Kläger behauptet weiter, dass sämtliche in dem Schadensgutachten erforderlichen Reparaturen zur Beseitigung der unmittelbar durch den Unfall entstandenen Schäden notwendig seien.

Die Beklagten behaupten, dass der Spurwechsel des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht vollständig abgeschlossen gewesen sei. Bei der Auffahrt auf der BAB 40 habe der Kläger den bevorrechtigten LKW der Beklagten zu 2.) übersehen, so dass es zu der Kollision gekommen sei. Ein Anstoß an der Anhängerkuppel sei nicht möglich.

Verkehrsunfall - Einfädeln von Beschleunigungsspur auf Autobahn
(Symbolfoto: Von Lutsenko_Oleksandr/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat das Sachverständigenbüro der … GmbH mit der Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens beauftragt. Ausweislich des am 06.01.2017 von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. … erstatteten Gutachtens kommt der Sachverständige nach Untersuchung der Fahrzeugschäden sowie der sonstigen Anknüpfungspunkte zu dem Ergebnis, dass der Fahrspurwechsel zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht vollständig vollendet war. Der Kollisionort könne demgegenüber nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Der Unfall war für den Beklagten zu 1.) zudem nur schwer vermeidbar, wenn der Kläger seinen Pkw unmittelbar vor das Führerhaus gelenkt hätte. Die in dem vorgerichtlichen Gutachten beschriebenen Reparaturkosten seien nicht zu beanstanden und eine Wertverbesserung des Lackes habe nicht stattgefunden.

Mit Urteil vom 30.04.2017 hat das Amtsgericht Essen-Steele die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass gegen den Kläger vorliegend ein Anscheinsbeweis nach § 7 V StVO als Spurwechsler spräche. Die Kollision ereignete sich in unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel. Zudem habe der Kläger die Vorfahrt des Beklagten zu 1.) missachtet. Einen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1.) habe der Kläger zudem nicht bewiesen. Insbesondere sei der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen in beiden Unfallversionen knapp vor dem Führerhaus des LKWs eingeschert, so dass der Beklagte zu 1.) den Kläger nur dann hätte bemerken können, wenn er durchgehend den Rampenspiegel beobachtet hätte. Dies sie ihm jedoch nicht zumutbar.

Mit Schriftsatz vom 21.06.2017, bei Gericht eingegangen am 22.06.2017 hat der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 22.08.2017, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, hat der Kläger seine Berufung nach Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat zudem begründet. Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgehen würde, dass der Kläger vollumfänglich für das Unfallereignis haften müsste. Vielmehr sei dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, dass der Unfall sich auf der Fahrspur des Klägers ereignet hätte. Der Abbiegevorgang des Klägers sei demgemäß bereits abgeschlossen gewesen. Das Mitverschulden des Beklagten zu 1.) folge zudem bereits aus dessen erheblich Geschwindigkeitsübertretung.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, da das Amtsgericht Essen-Steele die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Die zulässige Klage des Klägers ist vollumfänglich unbegründet. Der Kläger hat aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 10.08.2015 auf der BAB 40 keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten, da er einen Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1.) nicht nachgewiesen hat. Im Einzelnen:

Dem Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 2.086,25 € gem. §§ 18 I, III, 17 I, II StVG und §§ 823, 249 ff. BGB i.V.m. 115 VVG nicht nachzuweisen vermocht.

1.

Da der Unfall sich sowohl bei Betrieb des Fahrzeuges des Klägers als auch bei Betrieb des von dem Beklagten zu 1.) geführten Pkws ereignete, waren im Rahmen der grundsätzlich erforderlichen Bestimmung der Haftungsquote gemäß § 17 II StVG die jeweils feststehenden Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten gegeneinander abzuwägen. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn das Unfallereignis für eine der Parteien ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 III StVG darstellte.

a)

Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. … in seinem Gutachten vom 06.01.2017, denen das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise gefolgt ist, war das Unfallereignis weder für den Kläger, noch für den Beklagten zu 1.) unabwendbar i.S.d. § 17 III StVG. Unabwendbar i.S.d. §§ 17 III, 18 III StVG ist ein Unfallereignis dann, wenn der Unfall auch bei Anwendung der äußerst möglichen Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können (BGH, Urt. v. 18.01.2005, VI ZR 115/04, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urt. v. 04.10.2005, 12 U 1236/04, zitiert nach juris). Hierbei kommt es nicht nur darauf an, wie ein „Idealfahrer“ in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (BGH, Urt. v. 17.03.1992, VI ZR 62/91, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urt. v. 04.10.2005, 12 U 1236/04, zitiert nach juris).

Der Beklagte zu 1.) hätte das Unfallereignis nach den plausibel erläuterten Ausführungen des Sachverständigen vermeiden können, wenn er dauerhaft den Rampenspiegel beobachtet hätte. In diesem war das Fahrzeug des Klägers – wenn auch schwerlich – bei längerer Beobachtung zu erkennen, Gerade in der vorliegenden Situation, in welcher im „Stop-and-Go“-Verkehr auf der Autobahn auch mehrere Fahrzeuge versuchen, von dem Beschleunigungsstreifen auf die BAB 40 aufzufahren, hatte ein Idealfahrer den Rampenspiegel regelmäßig im Auge behalten, um sich zu vergewissern, dass er auffahrende Pkws nicht gefährdet. Der insoweit beweisbelastete Kläger hat demgegenüber ebenfalls nicht nachzuweisen vermocht, dass das Unfallereignis für ihn unabwendbar gewesen ist. Insbesondere hat der Kläger nicht nachzuweisen vermocht, dass der Beklagte zu 1.) ihn wahrgenommen und vor sich hat einscheren lassen wollen.

b.)

Nach Würdigung des Verkehrsgeschehens, soweit es unstreitig ist, bzw. soweit es nicht aufklärbar ist, nach Beweislast oder anhand des Ergebnisses der Beweisaufnahme erscheint nach Auffassung des Gerichts eine vollständige Haftung der Beklagten angemessen.

Ausgangspunkt für die Ermittlung des konkreten Verursachungsbeitrags eines Unfallbeteiligten ist die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge. Grundsätzlich ist hierbei von einer gleichwertigen Verteilung der Verursachungsbeiträge im Ausgangspunkt und somit von einer gleichwertigen Haftung der Parteien auszugehen. Diese Ausgangslage ist durch die individuellen Verursachungsbeiträge der Parteien zu ergänzen und zu korrigieren.

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aa.)

Die Haftungsquote des Klägers und ist aufgrund eines Verstoßes gegen § 18 II, III StVO zu korrigieren. Gem. § 18 III StVO hat der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn – im Vergleich zu dem Verkehr auf dem Einfädlungsstreifen i.S.d. § 7a II StVO – Vorfahrt.

Ereignet sich im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren auf die Autobahn ein Auffahrunfall, so kann dies einen Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Einfahrenden begründen, der geeignet ist den Anscheinsbeweis zulasten des Auffahrenden zu entkräften (OLG Köln, Urt. v. 24.10.2005, 16 U 24/05, zitiert nach juris). Für die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises müssen die notwendigen Anknüpfungstatsachen – also vorliegend das Vorliegen eines typischen Spurwechsels, der in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfallereignis steht – entweder unstreitig sein oder von den insoweit beweisbelasteten Beklagten nachgewiesen werden. Dieser Nachweis ist den Beklagten nach der fehlerfreien Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts gelungen.

Wie bereits mehrfach erwähnt ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision noch schräg stand. Dies ergibt sich zudem aus den vorhandenen Schadensspuren und den schlüssig aufbereiteten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. … in seinem Gutachten vom 06.01.2017. Ein Fahrspurwechsel ist jedoch erst mit vollständiger Eingliederung in den auf der neuen Fahrspur fließenden Verkehr abgeschlossen. Hierzu gehört auch, dass das die Fahrspur wechselnde Fahrzeug wieder vollkommen in Fahrtrichtung ausgerichtet worden ist. Dies war vorliegend unstreitig nicht der Fall, so dass Der Fahrspurwechsel im rechtlichen Sinne andauerte. Diese Beurteilung ist – entgegen der Auffassung des Klägers – zudem interessengerecht, da die mit einem Fahrspurwechsel für die anderen Verkehrsteilnehmer verbundene Gefahrsituation sowie die bei Durchführung des Fahrspurwechsels gebotene erhöhte Sorgfalt erst mit der vollständigen Eingliederung in den fließenden Verkehr enden. Insoweit ist das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. … zudem nicht inkonsequent oder fehlerhaft. Der Sachverständige hat plausibel ausgeführt, dass mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen nicht konkret festgestellt werden kann, ob die Kollision zwischen dem LKW der Beklagten zu 2.) und dem Mercedes C 180 des Klägers stattgefunden hat, als sich der Mercedes des Klägers bereits vollständig auf der rechten Fahrspur der BAB 40 (vgl. Anlage zum Gutachten A 16) oder als sich das Fahrzeug zum Teil noch auf dem Beschleunigungsstreifen (vgl. Anlage zum Gutachten A 17) befunden hat. Demgegenüber konnte anhand der vorhandenen Fahrzeugschäden die Kollisionsstellung der Fahrzeuge zueinander bestimmt werden (vgl. Anlage zum Gutachten A 15). Der Sachverständige konnte insoweit feststellen, dass das Fahrzeug des Klägers – unabhängig vom konkreten Standort – schräg zur Fahrtrichtung gestanden haben muss. Nach den obigen Erläuterungen konnte der Sachverständige insoweit zutreffend feststellen, dass der Spurwechsel zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht vollständig vollendet war. Unabhängig davon hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt, dass sich die Kollision des Weiteren im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel ereignete. Bereits nach dem Vortrag des Klägers ist ein solcher Zusammenhang zu bejahen. Die Kollision fand nach der Schilderung des Klägers zeitlich unmittelbar nachdem der Kläger auf die rechte Fahrspur der BAB 40 gefahren ist statt. Auch wenn – wie der Kläger behauptet – der Kläger kurz abbremste, um einem anderen Fahrzeug den Spurwechsel zu ermöglichen, steht dies der Bejahung eines engen zeitlichen Zusammenhanges nicht entgegen. Der enge, räumliche Zusammenhang ist ebenfalls zu bejahen, da der Kläger nicht einmal die Stellung seines Pkws korrigieren konnte und noch leicht schräg auf der rechten Fahrspur stand.

Des Weiteren hat der Kläger vorliegend gegen das Gebot verstoßen, die Beschleunigungsspur bis zum Ende durchzufahren. Benutzen Fahrzeuge beim Einfädeln in die BAB in kurzem Abstand aufeinander den Einfädelungsstreifen, so gilt die Regel, dass das Einfahren nur hintereinander durchgeführt werden darf (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, StVO, § 18 Rn. 7). Der Kläger trägt insoweit selbst vor, dass er abbremsen musste, um ein vor ihm auf den Beschleunigungsstreifen befindliches Fahrzeug den Spurwechsel zu ermöglichen. Benutzen Fahrzeuge beim Einfädeln in die BAB in kurzem Abstand aufeinander die Beschleunigungsspur, so gilt die Regel, dass das Einfahren nur hintereinander durchgeführt werden darf. Muss ein vorderes Fahrzeug betriebsbedingt die Geschwindigkeit reduzieren, dürfen hintere Fahrzeuge nicht vor dem vorderen Fahrzeug auf die rechte Fahrspur der BAB auffahren. Kommt es infolge vorzeitigen Auffahrens auf der BAB zu einer Stockung, weil dann doch dem vorderen Fahrzeug das Auffahren ermöglicht werden soll, trifft den vorzeitig Auffahrenden ein Verschulden an der Stockung (OLG Hamburg, Urt. v. 14.07.1999, 14 U 61/99, zitiert nach juris).

Der Kläger konnte zudem den insofern geltenden Beweis des ersten Anscheins für den Umstand, dass er bei dem Wechsel der Fahrspur nicht die gebotene Sorgfalt sowie den Vorrang des Beklagten zu 1.) beachtet hat, nicht entkräften.

bb.)

Die Haftungsquote des Klägers ist zudem aufgrund eines Verstoßes gegen § 7 V StVO zu seinen Lasten anzupassen.

Gem. § 7 V StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. § 7 V StVO geht hierbei für jede Form des Nebeneinanderfahrens, auch wenn die jeweiligen Fahrstreifen nicht gesondert durch einen Mittelstreifen markiert sind (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, StVO, § 7 Rh 21 m.w.N.). Steht die Kollision in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel, so spricht auch hier der Beweis des ersten Anscheins zudem für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten.

Nach den Ausführungen unter (1.) ist der Beweis des ersten Anscheins vorliegend aufgrund des unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Fahrspurwechsel des Klägers und der Kollision anwendbar. Den insoweit geltenden Anscheinsbeweis hat der Kläger nicht zu entkräften vermocht.

cc.)

Die Haftungsquote der Beklagten ist vorliegend nicht aufgrund eines Verstoßes des Beklagten zu 1.) gegen §§ 4 I, 1 II StVO zu erhöhen.

Nach § 4 I 1 StVO muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.

Unstreitig ist vorliegend der Beklagte zu 1.) auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Beim Auffahren spricht grundsätzlich der erste Anschein gegen den Auffahrenden (BGH, Urt. v. 18.10.1988, VI ZR 223/87, zitiert nach juris; KG Berlin, Urt. v. 26.04.1993, 12 U 2137/92, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urt. v. 21.06.1993, 6 U 51/93, zitiert nach juris), weil typischerweise in solchen Verkehrsunfallsituationen entweder der nötige Sicherheitsabstand nach § 4 I 1 StVO, die der Verkehrssituation entsprechende Geschwindigkeit nicht eingehalten wurde, § 3 I StVO oder die erforderliche Aufmerksamkeit des Fahrzeugführers fehlte § 1 II StVO. Der Anscheinsbeweis greift aber nur ein, wenn das Auffahren feststeht und zumindest eine Teilüberdeckung von Heck und Front gegeben ist, anderenfalls fehlt die Typizität des Unfallereignisses.

Der Beweis des ersten Anscheins findet vorliegend zulasten der Beklagten keine Anwendung. Unabhängig davon, dass vorliegend keine hinreichende Überdeckung von Heck des Mercedes und Front des LKWs vorliegt, gilt der Anscheinsbeweis zulasten des auffahrenden Verkehrsteilnehmers bei Vorfahrtsverletzungen, insbesondere wenn das vorausfahrende Fahrzeug vom Beschleunigungsstreifen in den durchgehenden Fahrstreifen der Autobahn eingefahren ist, nicht (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, StVO § 4 Rn. 24; BGH, Urt. v. 06.04.1982, VI ZR 152/80, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urt. v. 21.06.1993, 6 U 51/93, zitiert nach juris). Somit obliegt dem Kläger der Vollbeweis für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten zu 1.). Wie das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Welse festgestellt hat, ist dieser Nachweis nicht gelungen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte zu 1.) den Kläger bemerkt und ihn eine Lücke zum Fahrspurwechsel freigelassen hat. Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Beklagten diesen Umstand hinreichend bestritten. Insoweit stehen sich die Aussagen der Parteien diametral gegenüber. Das somit vorliegende non-liquet geht hier zulasten des für einen Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu 1.) beweisbelasteten Klägers.

dd.)

Der Kläger hat zudem einen Verstoß des Beklagten zu 1.) gegen §§ 2 I, II, 7 V StVO nicht nachzuweisen vermocht.

Soweit der Kläger behauptet, dass der LKW der Beklagten zu 2.) seine Fahrspur verlassen und teilweise auf dem Beschleunigungsstreifen gefahren sei, hat er diese Behauptung nicht nachzuweisen vermocht. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat insoweit schlüssig dargelegt, dass er den genauen Kollisionsort nicht bestimmen kann. Das insoweit vorliegende non-liquet geht zulasten des für den Nachweis eines Verursachungsbeitrags des Beklagten zu 1.) beweisbelasteten Klägers.

c.)

Bei der zur Bestimmung der Haftungsquote vorzunehmenden Gesamtwürdigung der oben ausgeführten Verursachungsbeiträge stehen sich ein Verstoß des Klägers gegen seine Pflichten aus § 18 II, III StVO und § 7 V StVO sowie die Betriebsgefahr des von dem Beklagten zu 1.) geführten LKWs gegenüber. Soweit das Amtsgericht ausführt, dass die Betriebsgefahr des LKWs der Beklagten zu 2.) vorliegend hinter dem Verschulden des Klägers vollständig zurücktritt ist diese Wertung nicht zu beanstanden. Aufgrund des Vorfahrtsrechts des auf der Autobahn befindlichen Verkehrsteilnehmers trifft regelmäßig das Fahrzeug die volle Haftung, das von einer Autobahnauffahrt oder einem Autobahnkreuz kommend auf die Autobahn auffährt und dann einen Unfall verursacht (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, StVO § 18 Rn. 26). Auch das Oberlandesgericht Hamburg entschied in einem vergleichbaren Fall, dass der auffahrende Verkehrsteilnehmer vollständig für durch das Unfallereignis entstandene Schäden haftet (OLG Hamburg, Urt. v. 14.07.1999, 14 U 61/99, zitiert nach juris). Die Kammer sieht bei Abwägung der obigen Ausführungen unter Prüfung des Einzelfalls keinen Anlass, von dieser grundsätzlichen Wertung zugunsten des Klägers abzuweichen.

 

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