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Verkehrsunfall – Erstattungsfähigkeit Sachverständigenkosten bei Unbrauchbarkeit Gutachten

LG Dresden – Az.: 3 S 417/18 – Urteil vom 06.06.2019

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 26.07.2018, Az.: 110 C 650/18, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 1.003,77 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, da das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

1. Der klagende Sachverständige hat aus abgetretenem Recht der Unfallgeschädigten, Frau …, keinen Anspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer der Unfallgegnerin, Frau …, nach § 398 S. 1 BGB i.V.m. §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB auf Ersatz der Sachverständigenkosten in Höhe von 1.003,77 EUR.

a. Der Kläger ist aktivlegitimiert, da die Forderung auf Zahlung der offenen Sachverständigenkosten durch die Unfallgeschädigte mit Abtretungserklärung vom 26.02.2015 (Anlage K3) wirksam an den Kläger abgetreten worden ist.

b. Die Ansicht des Amtsgerichts, dass die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers die Unbrauchbarkeit des Gutachtens einwenden kann, ist zutreffend. Die Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten, die im Verhältnis zwischen dem Unfallgeschädigten und dem Schädiger gelten, finden aufgrund der erfolgten Abtretung keine Anwendung.

aa. Im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger gelten für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein Sachverständigengutachten folgende Grundsätze:

Wird ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig ist, gehören die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig (zum Ganzen: BGH, Urt. v. 07.02.2012 – VI ZR 133/11, juris [Rz. 13] = NJW 2012, 1953, 1955; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.02.2018 – 1 U 64/17, juris [Rz. 10] jeweils m.w.N.).

Verkehrsunfall - Erstattungsfähigkeit Sachverständigenkosten bei Unbrauchbarkeit Gutachten
(Symbolfoto: Von PaeGAG/Shutterstock.com)

Erweist sich das Gutachten nachträglich als ungeeignet, beeinträchtigt dies den Erstattungsanspruch des Geschädigten nur, wenn er die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat. Letzteres kommt namentlich in Betracht, wenn der Geschädigte einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen mit der Begutachtung betraut (Auswahlverschulden) oder wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (zum Ganzen: OLG Düsseldorf a.a.O. [Rz. 11]).

bb. Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass nicht die Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch selbst geltend macht. Stattdessen hat sie ihren Schadensersatzanspruch an den Kläger abgetreten. Bei dem Kläger handelt es sich um einen von der IHK Dresden öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Fahrzeugschäden und -bewertungen, der als Inhaber eines Kfz-Sachverständigenzentrums mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt wurde und auch die entsprechende Rechnung ausgestellt hat. Das konkrete Gutachten hat der Angestellte des Klägers, Herr …, erstellt.

Aufgrund der erfolgten Abtretung kann nach Auffassung des Gerichts dem Sachverständigen durch die Haftpflichtversicherung des Schädigers entgegengehalten werden, dass das Gutachten unbrauchbar ist (ebenso für den Fall der Überhöhung von Honoraransprüchen: OLG Dresden, Urt. v. 19.02.2014 – 7 U 111/12, juris [Rz. 19]; LG Stade, Urt. v. 07.12.2015 – 1 S 12/15, juris [Rz. 25 f.).

Zwar erhebt der klagende Sachverständige hier die originären Ersatzansprüche der Geschädigten, die sich durch die Abtretungen in ihrer Rechtsqualität nicht verändern. Die Beklagte kann allerdings dem Kläger die Unbrauchbarkeit des Gutachtens nach § 242 BGB entgegenhalten, da der Kläger im Falle der Zahlung des Sachverständigenhonorars seitens der Beklagten das Geleistete sogleich als Schadensersatz zurückerstatten müsste (sog. „dolo agit“ – Einrede). Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des zwischen Sachverständigen und Geschädigten abgeschlossenen Vertrages einbezogen und kann deshalb Schadensersatz beanspruchen, wenn der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die auch zugunsten der Haftpflichtversicherung bestehen. Mithin entsteht durch die Einbeziehung der Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des Vertrags der Geschädigten mit den Sachverständigen ein direkter Schadensersatzanspruch, wenn das Gutachten aufgrund einer Pflichtverletzung des Sachverständigen unbrauchbar ist. Macht der Sachverständige daher die Kosten des Gutachtens im Wege der Abtretung selber geltend, kann die Haftpflichtversicherung ihre Einwände dem Sachverständigen direkt entgegenhalten (zum Ganzen: OLG Dresden a.a.O.; LG Stade a.a.O. [Rz. 26]).

c. Die Bewertung des Amtsgerichts, dass das Gutachten vom 27.02.2015 unbrauchbar ist, da trotz einer teilweisen vorhandenen Schadensüberdeckung der Vorschaden aus dem Jahr 2012 und der am 06.02.2015 entstandene Unfallschaden nicht hinreichend abgegrenzt werden, ist zutreffend.

aa. Das Gutachten vom 27.02.2015 enthält zu dem Vorschaden aus dem Jahr 2012 lediglich folgende Angaben:

„Ein reparierter Frontschaden aus 2012 wurde offengelegt“ (Seite 3, 5 und letzte Seite der Anlage K1, Bl. 18, 19 und 30 d.A.).

„Zudem wurde ein reparierter Schaden im Frontbereich aus 2012 offengelegt“ (Seite 10 der Anlage K1, Bl. 21 Rs. d.A.).

Weitere Darlegungen zu der Art und dem Umfang Vorschadens aus dem Jahr 2012 und seiner erfolgten Reparatur weist das Gutachten nicht auf, obgleich diese erforderlich waren. So zeigt der Kläger in seiner Stellungnahme vom 26.03.2018, die der Klägervertreter im Schriftsatz vom 03.07.2018 ausdrücklich zum Sachvortrag des Klägers erklärt (dort S. 2 f., Bl. 78 f. d.A.), selbst auf, dass ein „erheblicher Vorschaden“ aus dem Jahr 2012 sowie eine „nachweisbare teilweise Schadensüberdeckung“ vorlag, da „der Anstoß im Jahr 2015 sich lokal innerhalb des Anstoßbereiches wie 2012 befindet“ (Seite 2 der Anlage K6, Bl. 85 d.A.). Letzteres sei laut dem Kläger für einen „Fachmann aber auch offensichtlich“ gewesen (Seite 2 der Anlage K6, Bl. 85 d.A.). Die Erheblichkeit des Vorschadens aus dem Jahr 2012 zeigt sich auch an den ausweislich der Rechnung vom 20.11.2012 angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 8.830,38 EUR (vgl. Anlage B1, Bl. 48-54 d.A.). Überdies weist der Kläger in seiner Stellungnahme vom 26.03.2018 darauf hin, dass „sämtliche im Gutachten aufgeführten Ersatzteile durch den Schaden im Jahr 2012 beschädigt gewesen sind“ (Seite 2 der Anlage K6, Bl. 85 d.A.).

bb. Das streitgegenständliche Gutachten, das sich trotz der – bereits nach dem Klägervortrag – vorhandenen offensichtlichen teilweisen Schadensüberdeckung mit dem reparierten erheblichen Vorschaden aus dem Jahr 2012 nur insoweit auseinandersetzt, dass es die Offenlegung des Vorschadens angibt, kann den ihm zugedachten Zweck nicht erfüllen, weil es keine verlässliche Grundlage für die erforderlichen Reparaturen, den merkantilen Minderwert und den Wiederbeschaffungswert sein kann. Ohne detaillierte Angaben über die Art und den Umfang des Vorschadens und der in der Vergangenheit erfolgten Reparatur ist weder eine halbwegs sichere Reparaturkostenkalkulation noch eine halbwegs sichere Wiederbeschaffungswertabgrenzung möglich. Daher ist – soweit entsprechende Informationen dem Sachverständigen durch den Geschädigten übermittelt werden – bei einer teilweisen Schadensüberlagerung nicht nur die Art und der Umfang des wertbestimmenden Vorschadens genau darzulegen, sondern auch darzustellen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit durchgeführt worden sind und ob eventuelle Reparaturmaßnahmen fachgerecht waren. Andernfalls können Vorschaden und Unfallschaden nicht abgegrenzt werden.

Da die entsprechenden Darlegungen und Darstellungen in dem streitgegenständlichen Gutachten fehlen und sich dieses trotz der offensichtlichen teilweisen Schadensüberdeckung auf die Angabe beschränkt, dass ein Vorschaden aus dem Jahr 2012 offengelegt wurde, war das Gutachten zur Begründung des geltend gemachten Sachschadens offenkundig untauglich. Angesichts dessen bedurfte es nicht der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.

d. Mithin kann die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers berechtigterweise die Untauglichkeit des streitgegenständlichen Gutachtens im Wege der Einrede gemäß § 242 BGB entgegenhalten, da der Kläger ansonsten das Gezahlte sogleich als Schadensersatz zurückerstatten müsste.

2. Mangels eines Hauptanspruchs hat der Kläger gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10 S. 1 und 2, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 39 ff. GKG, § 3 ZPO und entspricht dem Abänderungsinteresse des Klägers.

 

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