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Verkehrsunfall – Kollision Linksabbieger und einem eine Sperrlinie überfahrenden Fahrzeug

Oberlandesgericht Thüringen – Az.: 2 U 504/20 – Urteil vom 09.02.2022

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 13.05.2020, Az. 6 O 170/15, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 71.033,79 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2015 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über bereits gezahlte 3.500.- Euro hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 11.500.- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu 50% zu ersetzen, die aus dem Unfall vom 01.05.2006 auf der L …, Kilometer …, herrühren und künftig entstehen mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, vor allem Versicherungen oder Sozialversicherungsträger, übergegangen sind oder übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Die Berufungen der Beklagten werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat der Kläger 55% und haben die Beklagten als Gesamtschuldner 45% zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 36% und haben die Beklagten als Gesamtschuldner 64% zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der zunächst als „Beklagter zu 1“ bezeichnete Herr M… F… war bereits am 13.08.2013, mithin vor Anhängigkeit der Klage, verstorben.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht dem Kläger auf der Grundlage einer jeweils hälftigen Mitverursachung des Unfalles ein Schmerzensgeld und einen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verdienstausfalles zugesprochen. Den ebenfalls geltend gemachten Haushaltsführungsschaden hat das Landgericht nicht zugesprochen. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagte trägt vor:

Der Kläger habe Anspruch auf Ersatz seines Verdienstausfalles über die gezahlten 9.000.- Euro und die bereits ausgeurteilten 54.247,25 Euro hinaus in Höhe von weiteren 67.435,99 Euro. Zudem habe er Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens weiteren 17.500.- Euro über die gezahlten 3.500.- Euro und die ausgeurteilten weiteren 9.000.- Euro hinaus sowie Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 39.370,24 Euro.

Der Kläger habe Anspruch auf vollständigen Ersatz der geltend gemachten Forderungen. Es sei lediglich erwiesen, dass der Unfallgegner die Sperrlinie überfuhr, dem Kläger sei kein Fehlverhalten nachgewiesen worden, insbesondere nicht, dass er den Blinker nicht gesetzt habe. Der Unfallgegner habe bei unklarer Verkehrslage und im Überholverbot überholt. Der Kläger habe den Abbiegevorgang bereits eingeleitet gehabt, als der Unfallgegner auf der linken Spur herangerauscht gekommen sei. Der Kläger habe keine Chance gehabt, zu reagieren. Das Abbiegen sei erlaubt gewesen.

Bei der Berechnung des Verdienstausfallschadens seien ersparte Aufwendungen lediglich, wie vom Kläger bereits berücksichtigt, mit 7,5% anzusetzen. Das Landgericht führe nicht hinreichend aus, warum es von 10% ausgehe. Der Kläger habe im April 2006 einen Bruttolohn in Höhe von 2.857,19 Euro erzielt. Für die Berechnung des fiktiven Nettolohnes in der Folgezeit sei die durch das statistische Bundesamt veröffentlichte prozentuale Steigerung der Nettolöhne zu Grunde zu legen. Für die Jahre 2006 – 2021 ergebe dies einen Lohnschaden von 347.010,92 Euro. Des Weiteren seien dem Kläger in diesem Zeitraum vermögenswirksame Leistungen in Höhe von insgesamt 4.571,87 Euro entgangen, so dass der Verdienstausfallschaden sich im Mai 2021 auf insgesamt 351.582,79 Euro belaufe.

Der Kläger habe in Bezug auf den Haushaltsführungsschaden hinreichenden und konkreten Sachvortrag zu den einzelnen Tätigkeiten vor und nach dem Unfall gehalten und seine Angaben unter Beweis gestellt. Er habe auf der Grundlage der gerichtlichen Hinweise davon ausgehen dürfen, hinreichend zum Haushaltsführungsschaden vorgetragen zu haben.

Der Kläger begehre ein Schmerzensgeld von mindestens 30.000.- Euro, wofür sich der Kläger auf Vergleichsfälle stützen könne. Das Landgericht begründe den abweichenden Betrag nicht.

Der Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagte beantragt,

1.

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 13.05.2020, Az. 6 O 170/15,

a)

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger weitere 106.806,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2015 zu zahlen,

b)

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger über gezahlte 3.500.- Euro und ausgeurteilte weitere 9.000.- Euro hinaus ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld für den Unfall vom 01.05.2006 auf der L … bei Km … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2007 zu zahlen,

2.

die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten, Berufungskläger und Berufungsbeklagten beantragen,

1.

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 13.05.2020, Az. 6 O 170/15, die Klage abzuweisen,

2.

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten, Berufungskläger und Berufungsbeklagten tragen vor:

Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden von 50% entgegenhalten lassen. Der Kläger habe den von ihm behaupteten Unfallhergang nicht bewiesen; er habe ebensowenig einen Nachweis für eine unklare Verkehrslage erbracht wie dafür, dass er seinen Abbiegevorgang bereits eingeleitet hatte, als sich das Beklagtenfahrzeug auf der linken Spur annäherte. Fest stehe hingegen, dass der Kläger gegen das Gebot der doppelten Rückschau verstoßen habe, da er ansonsten sowohl die Annäherung des Beklagtenfahrzeuges als auch dessen Überholen hätte wahrnehmen müssen. Gegen die Zulässigkeit des Linksabbiegens spreche die Linienführung.

Zum Verdienstausfall liege allenfalls Parteivortrag vor, den die Beklagten zulässigerweise bestritten hätten. Die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien offen geblieben. Wenn dem Kläger gekündigt worden sei, dann offenbar aus betriebsbedingten Gründen, die keinen Zusammenhang mit dem Unfall hätten. Jedenfalls sei ein Abzug von 10% für ersparte berufsbedingte Aufwendungen vorzunehmen.

Zudem sei von einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht auszugehen, wenn der Anspruchssteller sich erkennbar nicht in zumutbarer Weise um eine Arbeitsstelle bemühe. Insoweit müsse der Anspruchssteller, soweit es sich um Vorgänge aus seiner Sphäre handele, an der Sachaufklärung mitwirken. Dass der Kläger dem Arbeitsmarkt dauerhaft nicht mehr zur Verfügung stehe, sei weder vorgetragen, noch nachgewiesen. Die Umschulung zum staatlich anerkannten Techniker, Schwerpunkt Kraftfahrzeugtechnik, bzw. der Besuch der Technikerschule sei an der mangelnden Mitwirkung des Klägers gescheitert. Der Kläger müsse sich daher auf die mögliche und zumutbare Umschulungsmaßnahme verweisen lassen und wäre in der Lage gewesen, die Arbeit eines staatlich anerkannten Technikers, Schwerpunktbereich Kraftfahrzeugtechnik, auszuüben bzw. den Beruf des Berufsschullehrers zu ergreifen, der auch Quereinsteigern offen stehe und in dem das durchschnittliche monatliche Einstiegsgehalt 4.002,26 Euro brutto betrage.

Da bei dem Kläger leistungslimitierende unfallunabhängige Faktoren vorlägen, sei streitig, dass der Kläger in seinem zum Unfallzeitpunkt ausgeübten Beruf bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze hätte tätig sein können. Der Verrechnung des Vorschusses in Höhe von 9.000.- Euro auf den Verdienstausfall sei bereits in der Klageerwiderung widersprochen worden.

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Einen Haushaltsführungsschaden habe das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint. Die Beklagten gingen davon aus, dass der Kläger nach seiner Rückkehr aus W… wieder in den Haushalt seiner Eltern integriert worden sei. Der Kläger habe noch nicht einmal zu einer angeblichen Minderung der Fähigkeit zur Haushaltsführung konkret vorgetragen und Beweis erbracht. Es komme nicht darauf an, wieviel Zeit der Kläger tatsächlich für die Haushaltsführung verwendet haben will, sondern, wieviel Zeit eine professionelle Kraft, deren Kosten ja ersetzt werden sollen, hätte aufwenden müssen. Daneben bestehe unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung die Verpflichtung zum Einsatz technischer Hilfsmittel bzw. zur Umorganisation des Haushalts. Der Kläger müsse sich ersparte Aufwendungen in Gestalt der ersparten Fahrtkosten entgegenhalten lassen. Als Endzeitpunkt des Haushaltsführungsschadens könne nicht auf den Zeitpunkt des statistischen Todesfalles abgestellt werden, weil dies die mit zunehmendem Lebensalter schwindende Leistungsfähigkeit und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Haushaltsführung ignorieren würde.

Es fehle an einer Begründung für die Höhe des durch das Landgericht zugesprochenen Schmerzensgeldes. Dieses sei erheblich überhöht. Schon die klägerseits zitierten Entscheidungen blieben erheblich hinter seiner Forderung zurück und diesen hätten erheblich schwerere Verletzungen zu Grunde gelegen.

Dem Feststellungsantrag sei in Bezug auf immaterielle Ansprüche, ausgehend vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruches, nicht stattzugeben. Eine angebliche Versteifung der Hand werde bestritten.

Die Ansprüche seien verjährt.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14.04.2021 (Blatt 473 – 479 der Akte) Hinweise gegeben, auf die die Parteien weiter vorgetragen haben. Des Weiteren hat der Senat den Kläger persönlich angehört und die Zeugen W… sowie J… K…, H… K… und H… K… vernommen. Wegen der Angaben des Klägers wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 24.03.2021 (Blatt 469 – 471 der Akte) Bezug genommen und wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung auf die Niederschrift vom 26.01.2022 (Blatt 589 – 592 der Akte).

II.

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Er hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von noch 11.500.- Euro sowie Ersatz des Erwerbsschadens (Verdienstausfallschadens) in Höhe von 52.057,99 Euro und des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 18.975,80 Euro.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus §§ 11 Satz 1, 7 Abs. 1 StVG, Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG, §§ 158b, 158k VVG a.F., § 3 Nr. 1, Nr. 2 PflVG a.F. einen Anspruch auf Ersatz seines hälftigen, ursächlich auf dem streitgegenständlichen Unfall beruhenden materiellen Schadens.

a)

Der Kläger wurde nach den Feststellungen des Landgerichts bei dem Verkehrsunfall am 01.05.2006 an seinem Körper verletzt, da er jedenfalls eine distale Fraktur des Radius mit Extensionsfraktur rechts, diverse Schürfwunden im Gesicht und am Knie links sowie eine schwere Knochenkontusion an der mittleren Lendenwirbelsäule erlitt (Urteil LG Seite 3). Ob es zudem unstreitig ist, dass der Kläger des Weiteren eine Infraktion des vorderen Anteil des Calcaneus links erlitt (einen darauf bezogenen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten wies das Landgericht zurück), ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da der haftungsbegründende Tatbestand des § 7 Abs. 1 StVG auch ohne diese weitere Verletzung erfüllt ist.

b)

Der Kläger erlitt die Verletzungen bei dem Betrieb des von der Beklagten zu 1 an den verstorbenen Herrn F… vermieteten Fahrzeugs. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts zum Unfallablauf (Urteil LG Seite 2, 3). Die Beklagte zu 1 war die Halterin des Fahrzeugs, wie sich auch aus der mit Anlage B1 vorgelegten Kopie der Verkehrsunfallanzeige vom 01.05.2006 (Blatt 75 der Akte) ergibt. Die Beklagte zu 2 war unstreitig die Haftpflichtversichererin des Fahrzeugs.

c)

Der durch den Unfall verursachte Schaden ist unter Anwendung von §§ 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, 18 Abs. 3 StVG unter den Parteien nach Mitverursachungsanteilen aufzuteilen, da der Unfall weder für den Kläger noch für den verstorbenen Herrn F… – den Fahrer des gegnerischen Fahrzeuges – unabwendbar war. Die Gewichtung nach Mitverursachungsanteilen führt zum Ergebnis einer jeweils hälftigen Mitverursachung, weil sowohl der Kläger aus Herr F… gleichgewichtig zur Kollision beitrugen.

aa)

Der Kläger war Halter des unfallbeteiligten und von ihm gefahrenen Motorrades, wie sich aus der mit Anlage B1 vorgelegten Kopie der Verkehrsunfallanzeige vom 01.05.2006 (Blatt 75 der Akte) ergibt.

Der etwaige Mitverursachungsanteil des verstorbenen Herrn F…, der das von der Beklagten zu 1 an ihn vermietete Fahrzeug zur Zeit des Unfalles fuhr (Urteil LG Seite 2), ist den Beklagten zuzurechnen, denn Fahrer und Halter bilden eine Haftungseinheit (Freymann/Wellner – Scholten, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. A. (Stand: 28.03.2018), § 17 StVG, Rn. 19).

bb)

Weder der Kläger noch die Beklagten haben dargelegt, dass der Unfall unabwendbar war (§ 17 Abs. 3 StVG).

(1)

Der Begriff „unabwendbares Ereignis“ im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG (= § 7 Abs. 2 StVG a.F.) meint nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadensstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 115/04 -, Rn. 15, juris). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben. Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses verlangt eine sich am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausrichtende Wertung. Diese Wertung hat unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände zu erfolgen. Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre; der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) „ideal“ verhält. Damit verlangt § 17 Abs. 3 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (BGH, Urteil vom 17. März 1992 – VI ZR 62/91 -, Rn. 10 – 11, juris).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft (Freymann/Wellner – Scholten, aaO, § 17 StVG, Rn. 57). Ist ein solcher Beweis wegen Unaufklärbarkeit tatsächlicher Umstände nicht möglich, geht dies auch im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG zu Lasten des Beweispflichtigen. Im Rahmen der Unabwendbarkeit geht der Haftungsmaßstab aber noch weiter; bereits bloße Zweifel am unfallursächlichen Fahrverhalten schließen die Feststellung der Unabwendbarkeit aus (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht – Engel, 1. A., § 17 StVG, Rn. 36).

(2)

Der Kläger hat seiner doppelten Rückschaupflicht, § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO, nicht genügt, bevor er mit seinem Motorrad nach links abbog.

Das Gesetz schreibt in § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO zum Schutz des nachfolgenden Verkehrs und zur Unfallverhütung die doppelte Rückschaupflicht vor. Danach ist zunächst auf den nachfolgenden Verkehr vor dem Einordnen zum Zwecke des Abbiegens immer zu achten. Ferner ist nach dem Einordnen und kurz vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr erneut zu achten und kann dies nur unterbleiben, wenn eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs absolut ausgeschlossen ist. Dies ist notwendig, weil sich Verkehrslagen auch kurzfristig und schnell ändern können. So ist insbesondere außerhalb geschlossener Ortschaften aufgrund der höheren zulässigen Geschwindigkeit und der Verlangsamung eines Abbiegewilligen ein unerwartetes Herannahen von Fahrzeugen möglich. Eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn ein Überholverbot (Z 276) besteht oder eine durchgezogene Linie vorhanden ist. Auch mit verbotswidrig Überholenden ist zu rechnen. Nimmt ein Linksabbieger ein herannahendes überholwilliges Fahrzeug wahr, muss er warten, bis er sich vergewissert hat, dass der Überholwillige von seinem Vorhaben Abstand nimmt oder diesen rechts überholt. Dies gilt selbst dann, wenn das Abbiegevorhaben rechtzeitig und deutlich angekündigt wurde (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht – Bender, aaO, § 9 StVO Rn. 18-22).

Der Senat hat den Kläger zum Unfallablauf in der mündlichen Verhandlung am 24.03.2021 angehört. Der Kläger hat ausgeführt, er habe sich nach rückwärts versichert und dann eingeordnet und geblinkt, und als er nach links habe abbiegen wollen, habe er das Rauschen gehört und gleich habe es auch schon geknallt. Als er sich das erste Mal nach hinten vergewissert habe, sei der Andere nicht dagewesen. Dann habe er abbiegen wollen und als er dann nach hinten geschaut habe, sei der Andere direkt neben ihm gewesen. Ob er da schon im Abbiegevorgang gewesen sei, könne er nicht mehr sagen.

Das Landgericht hat zum Unfallablauf bereits festgestellt, dass der Fahrer des Fahrzeuges der Beklagten zu 1 die Sperrlinie überfuhr und auf die Gegenfahrbahn wechselte, als in Höhe des Rondells der Kläger mit seinem Motorrad versuchte, nach links in die Einfahrt zum Rondell abzubiegen und mit der rechten Fahrzeugseite des Pkw kollidierte (Urteil LG, Seite 3). Es kann daher nicht sein, dass der Kläger sich rechtzeitig kurz vor dem Abbiegen nochmals vergewisserte, dass sich kein überholwilliger weiterer Verkehrsteilnehmer näherte. Die Unfallörtlichkeit ist aus den mit Anlage B1 (Blatt 100, 103, 104 der Akte) vorgelegten Fotografien zu ersehen, und daraus ergibt sich, dass die Sicht des Klägers auf den rückwärtigen Verkehr auf gerade Strecke ging und nicht behindert war. Der Kläger hätte also die rückwärtige Annäherung des Fahrzeuges der Beklagten auf der Gegenfahrspur zwingend erkennen müssen, wenn er sich kurz vor dem Abbiegen nochmals umgesehen hätte.

(3)

Auch die Beklagten haben nicht dargelegt, dass der Unfall für den Fahrer des gemieteten Wagens unvermeidbar war.

Die Fahrspur der Parteien und die Gegenfahrspur waren – wie sich ebenfalls aus den mit Anlage B1 vorgelegten Fotografien ergibt (Blatt 100, 103 der Akte) – in der Annäherung an den Unfallort durch eine durchgezogene Fahrstreifenbegrenzung getrennt. Nach den Feststellungen des Landgerichtes und dem Vortrag der Beklagten (Urteil LG Seite 3, Schriftsatz vom 09.06.2015, Seite 2, Blatt 63 der Akte) überfuhr Herr F… die Sperrlinie und wechselte schon in der Annäherung an den Kläger und den Grundstücksabzweig vollumfänglich auf die Gegenfahrbahn (Urteil LG Seite 3). Damit verstieß Herr F… gegen das Verbot, die durchgehende Linie zu überfahren (§ 41 Abs. 1 StVO iVm Zeichen 295, Anlage 2 zu § 41 StVO, lfd. Nr. 68), ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob das Abbiegen in den Grundstücksabzweig zum Rondell erlaubt war. Hätte Herr F… sich – wie es ein Idealfahrer getan hätte – an das Verbot gehalten, wäre er nicht neben das Motorrad des Beklagten gefahren und damit der Unfall auch zwingend vermieden worden.

cc)

Auf der Grundlage der beiderseitigen Mitverursachungsbeiträge ist der durch den Unfall entstandene Schaden in Anwendung des § 17 Abs. 1 StVG hälftig auf die Parteien zu verteilen.

(1)

Bei der Abwägung dürfen nur die Verursachungs- und Verschuldensanteile berücksichtigt werden, die festgestellt wurden, d. h. unstreitig, zugestanden oder bewiesen sind und sich auf die Schadensentstehung ausgewirkt haben. Entscheidendes Kriterium bei der Abwägung ist der Verursachungsbeitrag und damit das Ausmaß, in dem zur Schadensentstehung beigetragen wurde. Es kommt danach für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten – unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge – den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. Daneben bildet ein etwaiges Verschulden des Geschädigten und dessen Schwere nur einen Faktor der Abwägung. Bei der Abwägung muss jeder Halter die zu Ungunsten des gegnerischen Halters zu berücksichtigenden Umstände beweisen (beckonline GK StVG – Walter, Std. 01.09.2019, § 17 StVG, Rn. 29, 39, 45).

(2)

Der Mitverursachungsbeitrag des Klägers bestand, wie bereits dargestellt, in dem Verstoß gegen seine Pflicht zur doppelten Rückschau vor dem Abbiegen.

Insoweit bedarf es keiner weiteren Feststellungen dazu, ob am Motorrad des Klägers ein linker Außenspiegel befestigt war. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 09.06.2015 darauf abgestellt, dass ein linker Außenspiegel des Motorrades nicht gefunden worden sei. Der Kläger hat hingegen in seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, den Spiegel gefunden und behalten zu haben, und er hat in seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt, der Außenspiegel sei bei dem Unfall abgebrochen, aber noch vorhanden. Dies kann offen bleiben, weil das Fehlen des Außenspiegels in dem Verstoß des Klägers gegen die Pflicht zur doppelten Rückschau aufginge, keine darüber hinausgehende Ursache zur Kollision beigetragen und damit das Gewicht des klägerischen Verursachungsbeitrages auch nicht erhöht hätte. Denn jedenfalls ist der „tote Winkel“, welcher mit den Spiegeln nicht bzw. nicht sicher eingesehen werden kann, mittels eines seitlichen Blicks einzusehen (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht – Bender, aaO, StVO § 9, Rn. 21), weil mit einem toten Winkel beim Blick in den Rückspiegel jeder Autofahrer rechnen und sich deshalb zusätzlich auf andere Weise vergewissern muss, ob ein Fahrvorgang ohne Gefährdung nachfolgender Verkehrsteilnehmer durchgeführt werden kann (OLG Köln, Urteil vom 13. Oktober 1994 – 18 U 42/94 -, Rn. 3, juris). Es war daher mit und ohne Außenspiegel gleichermaßen die Pflicht des Klägers, sich durch Umschau über den rückwärtigen Verkehr zu vergewissern.

(3)

Weitere Mitverursachungsbeiträge des Klägers sind hingegen nicht festzustellen.

(3.1)

So ist nicht festzustellen, dass der Kläger gegen § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 StVO verstieß, indem er nach links abbog, ohne dies rechtzeitig durch die Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen und ohne sich rechtzeitig bis zur Mitte der Straße einzuordnen.

Die Einvernahme der Zeugin S… (nun: W…) hat den Beweis, der Kläger habe weder den Blinker gesetzt, noch sich zur Mitte eingeordnet, sei überraschend nach links abgebogen und in das Fahrzeug der Beklagten zu 1 gefahren, nicht erbracht.

Die Zeugin wurde im Wege der Amtshilfe durch das Amtsgericht vernommen und sagte aus, an das Unfallgeschehen – auch nach Vorlesen ihrer polizeilichen Aussage – keinerlei Erinnerung zu haben. Sie gehe aber davon aus, dass sie sich zum damaligen Zeitpunkt – also zur Zeit ihrer polizeilichen Aussage – sich auch so an den Unfall erinnern konnte, wenn sie das so zu Protokoll gegeben habe. Die Aussage vor Gericht ist damit unergiebig.

Die Aussage vor der Polizei findet sich im Anlagenkonvolut B1 in Kopie.. Die Aussage wurde am 14.06.2006 aufgenommen, also ca. 6 Wochen nach dem Unfall. Die Zeugin gab an, sich noch recht gut an den Unfall erinnern zu können. Es sei durch nichts zu erkennen gewesen, dass der Motorradfahrer auch nach links habe abbiegen wollen, als Herr F… den Abbiegevorgang eingeleitet habe. Der Motorradfahrer sei plötzlich seitlich in sie hineingefahren. An weitere Abläufe könne sie sich kaum noch erinnern.

Eine polizeiliche Zeugenaussage ist im Rahmen der Beweiswürdigung grundsätzlich nach den Regeln des Urkundenbeweises, §§ 432 Abs. 1, 415 Abs. 1 ZPO, zu verwerten (Zöller – Greger, ZPO, 33. A., vor § 373 ZPO, Rn. 12; BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – VI ZR 233/94 -, Rn. 8, juris; BGH, Beschluss vom 12.04.2011, VI ZB 31/10, Rn. 13, juris). Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 09.06.2015 die schriftliche Aussage der Zeugin als Auszug aus der polizeilichen Ermittlungsakte in Kopie vorgelegt und sich auf den Auszug berufen. In der Vorlage der Kopie liegt zwar nicht der Beweisantritt durch Vorlage der Urkunde, § 420 ZPO, weil diese in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen wäre, § 435 ZPO. Die Fotokopie des Vernehmungsprotokolles ist keine Urkunde im Sinne des § 415 ZPO (BGH, Urteil vom 21. Januar 1992 – XI ZR 71/91 -, Rn. 13, juris). Von der Existenz der Urkunde und der Übereinstimmung der Ablichtung mit dem Original kann jedoch dann ausgegangen werden, wenn der Gegner die Vorlage der Fotokopie nicht rügt (BGH, Urteil vom 28. September 1989 – VII ZR 298/88 -, Rn. 14, juris). Dies ist hier der Fall; zudem hat auch die Zeugin auf deren Vorlage hin nicht in Abrede gestellt, die Aussage vor der Polizei getroffen zu haben. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Zeugin vor der Polizei die in Kopie vorgelegte Aussage abgegeben hat.

Dies beweist aber nicht auch die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Aussage (vgl. Zöller-Greger, aaO, vor § 373 ZPO, Rn. 15). Der Beweiswert einer Niederschrift über die frühere Vernehmung eines Zeugen ist in aller Regel von dem des Zeugenbeweises selbst durchaus verschieden und zwar vielfach geringer. Der persönliche Eindruck des Zeugen, die Anwesenheit der Parteien, das ihnen eingeräumte Fragerecht sowie die Möglichkeit und Zulässigkeit der Gegenüberstellung von Zeugen bieten eine erheblich höhere Gewähr für die Ermittlung der Wahrheit als dies bei der Würdigung einer lediglich in einer Niederschrift wiedergegebenen Zeugenaussage der Fall ist (BGH, Urteil vom 09. Juli 1981 – III ZR 189/79 -, Rn. 14, juris). Der Beweiswert kann je nach Sachlage sogar gänzlich fehlen. Welchen Beweiswert der Richter einer in einer Urkunde festgehaltenen Erklärung für deren inhaltliche Richtigkeit beimisst, unterliegt zwar seiner freien Beweiswürdigung. Das gilt auch für die polizeiliche oder richterliche Niederschrift einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren. Der Richter kann, wie sich aus dem Prinzip der freien Beweiswürdigung ergibt, seine Überzeugung letztlich auch aus einer solchen Aussage gewinnen.

Doch setzt dies eine sorgfältige Prüfung des Beweiswertes der früheren Aussage voraus. Eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Die Glaubwürdigkeitsbeurteilung eines Zeugen setzt nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme voraus, dass sie auf der Wahrnehmung der an der Entscheidung beteiligten Richter beruht oder die für die Würdigung maßgeblichen Umstände in den Akten festgehalten worden sind und die Parteien Gelegenheit hatten, sich dazu zu erklären. Diese Voraussetzungen sind bei der Verwertung einer Aussage aus einem anderen Verfahren nicht gegeben. Sie kann daher auch nicht in der umfassenden Weise wie eine Zeugenaussage gewürdigt werden (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – VI ZR 233/94 -, Rn. 11 – 14, juris).

Die polizeiliche Aussage ist inhaltlich nicht hinreichend ergiebig. In ihrer polizeilichen Vernehmung schilderte die Zeugin zwar das Kerngeschehen nachvollziehbar und lebendig, aber nicht detailliert. Es wird insbesondere nicht klar, ob und gegebenenfalls wie lange die Zeugin das Fahrverhalten des Motorrades tatsächlich beobachtete. Ihrer Aussage zufolge sah sie zwar das Motorrad und interessierte sich auch dafür, so dass sie mit Herrn F… darüber redete. Ob sie aber während des Gespräches und bis zum Zeitpunkt der Kollision auch weiterhin auf das Motorrad achtete, wird nicht klar. Der Senat kann sich daher auf dieser Grundlage nicht davon überzeugen, dass die Zeugin das Motorrad ausreichend beobachtete und daher feststellen konnte, dass der Kläger im gesamten Zeitraum nicht zu erkennen gab, nach links abbiegen zu wollen. Eine weitere Aufklärung ist mangels einer ausreichenden Erinnerung der Zeugin nicht möglich. Die ebenfalls angebotene Vernehmung des Herrn F… ist auch nicht möglich, da Herr F…verstorben ist.

Darüber hinaus haben die Beklagten im Zusammenhang mit ihrer Schilderung des Unfallablaufes auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten (Blatt 63 der Akte) und in Anlage B2 Fotografien des beschädigten Motorrades vorgelegt. Diesem Beweisangebot ist nicht nachzugehen. Der Beweisantritt ist fehlerhaft, da die Beklagten die zu begutachtenden Punkte nicht benannt haben, § 403 ZPO. Es ist daher auch nicht klar, ob sich der Beweisantritt auf die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache richtet, der Kläger habe kein Lichtzeichen gesetzt und er habe urplötzlich und unvorhersehbar nach links gezogen. Es kann zudem auch ohne besondere Fachkunde festgestellt werden, dass der Beweisantritt untauglich ist. Für eine Unfallrekonstruktion bedarf es hinreichender Anknüpfungstatsachen (vgl. a. OLG Köln, Urteil vom 22. November 2000 – 11 U 75/00 -, Rn. 10, juris). Bis auf die fotografierten Beschädigungen der beteiligten Fahrzeuge gibt es solche nicht und es ist nicht ersichtlich, wie aus den Beschädigungen darauf geschlossen werden könnte, dass der Kläger vor seinem Abbiegen kein Lichtzeichen gab und das Abbiegevorhaben für Herrn F… nicht erkennbar war.

(3.2)

Auch ein Verstoß des Klägers gegen die erhöhten Verhaltenspflichten beim Abbiegen in ein Grundstück, § 9 Abs. 5 StVO, ist nicht festzustellen.

Dabei kann für den vorliegenden Fall offen bleiben, von welchem Begriff des „Grundstücks“ im Rahmen des § 9 Abs. 5 StVO auszugehen ist, da die Tatbestandsvoraussetzungen in keinem Falle festzustellen sind.

Nach einer Auffassung sind Grundstücke i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO alle nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten Flächen, also in erster Linie private Grundflächen und Privatwege. Tatsächlich oder rechtlich öffentliche Flächen, die nicht dem fließenden Verkehr dienen, wie Parkplätze, Parktaschen und Parkstreifen neben der Fahrbahn, sind hingegen Straßenteile i.S.v. § 10 StVO und damit von den Grundstücken i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO deutlich zu unterscheiden (OLG Hamm, Urteil vom 08. November 2013 – I-9 U 88/13 -, Rn. 8, 10, juris). Flächen, die wenigstens tatsächlich für jeden Verkehrsteilnehmer zur Benutzung freigegeben und in diesem Sinne öffentlich sind, scheiden als Grundstücke aus, selbst wenn sie, wie Parkplätze oder Parkstreifen, nicht dem fließenden Verkehr dienen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 4 Ss 623/11 -, Rn. 7, juris). Nach der Gegenauffassung ist der Grundstücksbegriff funktionell zu bestimmen. Nicht die Eigentumsverhältnisse (öffentlich oder privat) sind entscheidend; vielmehr entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift allein eine Auslegung, die zu den Grundstücken im Sinne dieser Vorschrift alle Flächen rechnet, die nicht dem fließenden Verkehr dienen. Denn die besondere Gefährdung, der die Bestimmung Rechnung tragen will, entsteht, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht an einem Verkehrsknotenpunkt (Kreuzung, Einmündung oder Kreisverkehr), sondern an einer nicht voraussehbaren Stelle und damit unerwartet aus dem längsfließenden Verkehr ausscheren will. Sie lässt sich sinnvoll nicht auf den Fall beschränken, dass er auf eine bestimmte Fläche außerhalb des fließenden Verkehrs ausweicht (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 9 StVO (Stand: 07.08.2018), Rn. 46). Maßgebend ist, ob das Fahrzeug den fließenden Verkehr verlässt, denn dieser Vorgang und weniger die bloße Fahrzeugbewegung auf einem Parkplatz oder anderen Grundstück birgt die eigentliche Gefahr für den Abbieger und den übrigen Verkehr (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 4 U 145/13 -, Rn. 63, juris).

Nach keiner der genannten Auffassungen handelt es sich hier nicht um ein Grundstück im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO. Denn die Abzweigung ist, wie aus den durch die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.06.2015 in Kopie vorgelegten polizeilichen Fotografien aus der Ermittlungsakte (Blatt 100, 103 der Akte) und der durch das Straßenbauamt mit Auskunft vom 27.04.2016 vorgelegten Fotografie (Blatt 214 der Akte) ersichtlich wird, in der Annäherung an den Abzweig gut erkennbar und durch ein Hinweisschild angekündigt. Sie dient damit erkennbar der Fortführung des Verkehrs bis zum Rondell und ist damit für den öffentlichen Verkehr zur Benutzung freigegeben, dient dem abbiegenden fließenden Verkehr und ist voraussehbar.

Daraus folgt zugleich, dass der Kläger nicht den erhöhten Anforderungen des § 9 Abs. 5 StVO unterlag, die auch ohne das Vorliegen eines „Grundstückes“ eingreifen können. Es gilt grundsätzlich, dass der Abbiegende sich umso sorgfältiger verhalten muss, je weniger das Abbiegeziel im Fahrverkehr – als dem fließenden Verkehr dienend – erkennbar und erwartbar ist (OLG Naumburg, Urteil vom 12.12.2008 – 6 U 106/08, Rn 19 – juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.04.2011 – 13 U 2/11, Rn 5 – juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.10.2014 – 4 U 145/13, Rn 65 ff. – juris). Es bestanden hier aber keine Sichtbeschränkungen und der Abzweig war ausweislich der vorliegenden Lichtbilder zusammen mit dem Hinweisschild für den annähernden Verkehr gut erkennbar (vgl. a. OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17 -, Rn. 38 – 39, juris).

(3.3)

Ebensowenig ist ein Verstoß des Klägers beim Abbiegen gegen § 41 Abs. 1 StVO iVm Anlage 2, lfd. Nr. 68, Zeichen 295, festzustellen.

Wie bereits ausgeführt, waren die Fahrbahn des Klägers und die Gegenfahrbahn durch eine Sperrlinie, Zeichen 295, getrennt. Auf der Grundlage der durch das Landgericht eingeholten amtlichen Auskunft vom 27.04.2016 (Blatt 213 der Akte), deren inhaltliche Richtigkeit die Parteien nicht in Frage stellen, steht aber fest, dass es dem Kläger erlaubt war, von seiner Fahrbahn aus über die Gegenfahrbahn hinweg zum Rondell abzubiegen.

Die Beklagten halten zwar daran fest, dass der Kläger „weit zuvor“ die durchgezogene Linie überquert habe. Daraus ergibt sich aber kein fehlerhaftes Fahrverhalten des Beklagten. Aus der amtlichen Fotografie (Blatt 214 der Akte) wird ersichtlich, dass es nicht möglich ist, in das Grundstück nach links abzubiegen und hierzu lediglich die Liniendurchbrechung zu nutzen. Die Durchbrechung hat daher nicht den Sinn, die Fahrlinie zu definieren, die zum Abbiegen benutzt werden muss, sondern anzuzeigen, dass nach links abgebogen werden darf. Solange der Kläger also eine Fahrlinie wählte, die unmittelbar dem Abbiegen diente – und nicht der Weiterfahrt auf der Gegenfahrbahn -, ist es unerheblich, wenn er dabei auch einen Teil der durchgezogenen Linie kreuzte. Da das Überfahren der Sperrlinie zum Linksabbiegen erlaubt war, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger seine Kurve enger oder weniger eng auslegte. Die Anstoßstelle lässt daher keinen Rückschluss auf einen Verkehrsverstoß des Klägers zu.

(4)

Der Mitverursachungsbeitrag des Fahrers des Fahrzeugs der Beklagten zu 1 bestand, wie ebenfalls bereits dargelegt, in einem Verstoß gegen § 41 Abs. 1 StVO iVm Anlage 2, lfd. Nr. 68, Zeichen 295 durch Überfahren der Sperrlinie. Auch zu Lasten der Beklagten sind keine weiteren Mitverursachungsbeiträge festzustellen.

Es ist nicht festzustellen, dass der Fahrer des angemieteten Fahrzeuges gegen das Linksüberholverbot des § 5 Abs. 7 StVO und/oder gegen das Überholverbot des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstieß, denn der Kläger hat seinerseits nicht bewiesen, dass er vor dem Abbiegen blinkte und sich zur Mitte hin einordnete.

Der Linksabbieger hat seine Absicht rechtzeitig und deutlich anzuzeigen. Nur dann muss der Hintermann von seinem Überholvorhaben Abstand nehmen (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht – Bender, aaO, StVO § 5 Rn. 59). Eine unklare Verkehrslage, die nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ein Überholen verbietet, liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf. Sie ist auch dann gegeben, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden. Dies ist dann der Fall, wenn bei einem vorausfahrenden oder stehenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wird und dies der nachfolgende Verkehrsteilnehmer erkennen konnte und dem überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren – ohne Gefahrenbremsung – möglich war (KG, Urteil vom 15. August 2005 – 12 U 41/05 -, Rn. 7, juris). Dies setzt jedoch voraus, dass der Linksabbiegende beweisen kann, dass er den linken Fahrtrichtungsanzeiger einerseits überhaupt und andererseits frühzeitig, d. h. für den nachfolgenden Verkehr erkennbar, gesetzt hatte und sich ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet hatte. Entscheidend ist eine Gesamtschau aller relevanten Umstände für die Beurteilung, ob der nachfolgende Verkehr zwingend mit einem Abbiegen zu rechnen hatte (Haus/Krumm/Quarch – Gutt, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. A., StVO § 5, Rn. 21).

Der Kläger hat in seiner Anhörung vor dem Senat angegeben, er habe sich nach rückwärts versichert, zur Mitte eingeordnet und geblinkt. Dem steht aber die oben bereits dargestellte Aussage der Zeugin S… (nun: W…) entgegen. Zwar kann sich der Senat wegen der bereits dargestellten Unklarheiten in deren Aussage nicht davon überzeugen, dass sie das Motorrad des Klägers durchgehend beobachtete; dass die Zeugin sich aber jedenfalls in der Annäherung für die Fahrt des Klägers interessierte und dennoch keine Anzeichen für den Abbiegewillen festgestellt haben will, begründet doch Zweifel an der Darstellung des Klägers. Mangels weiterer Beweismöglichkeiten hat der Kläger seine Darstellung daher nicht bewiesen.

Der Kläger bog, wie er in seiner Anhörung vor dem Senat erklärt hat, auch nicht aus einer Kolonne heraus ab – was gegebenenfalls für den rückwärtigen Verkehr eine unklare Verkehrslage hätte begründen können.

(5)

Die Gewichtung der beiderseitigen Mitverursachungsbeiträge führt zu einer hälftigen Teilung der Schadensfolgen. Die Betriebsgefahr des durch den Kläger gefahrenen Motorrades war durch den Verstoß gegen die Pflicht zur doppelten Rückschau erhöht, wie auch die Betriebsgefahr des PKW durch den Verstoß gegen das Verbot des Überfahren der Sperrlinie.

Die Mitverursachungsbeiträge sind hier gleichgewichtig. Die überwiegende Haftung des Überholers kommt in Betracht, wenn er den Linksabbieger überholt, der rechtzeitig blinkt und sich zur Mitte einordnet, aber die zweite Rückschau versäumt (KG, Beschluss vom 31. Oktober 2008 – 12 U 216/07 -, Rn. 50, juris). Hier aber ist nicht festzustellen, dass der Kläger rechtzeitig blinkte und sich rechtzeitig zur Mitte hin einordnete, so dass das Gewicht des Mitverursachungsbeitrages auf Beklagtenseite dadurch nicht erhöht wird. Bei beiderseitigem gleichermaßen unfallursächlichen Fehlverhalten ist die Schadensteilung angemessen (vgl. zur Kollision bei Linksabbiegen auch OLG Hamm, Urteil vom 16. Juni 1994 – 6 U 227/93 -, Rn. 32, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. Februar 1987 – 10 U 57/86 -, LS nach juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. August 1994 – 9 U 11/94 -, juris).

d)

Die Beklagten haften nach Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG, §§ 158 c, 158 k VVG a.F., § 3 Nr. 2 PflVG a. F. als Gesamtschuldner.

Aus dem Schreiben der Beklagten zu 2 vom 15.06.2006 (Anlage K1, Blatt 17, 18 der Akte) lässt sich entnehmen, dass der Versicherungsvertrag mit der Beklagten zu 1 bereits im Jahre 2006 bestand und es sich damit um einen Altvertrag handelt, Art. 1 Abs. 1 EGVVG. Da der Versicherungsfall im Jahre 2006 eintrat, ist das VVG in alter Fassung anzuwenden, Art. 1 Abs. 2 EGVVG. Nach §§ 158b, 158 k VVG a.F. ist das PflVG a.F. anzuwenden.

e)

Der Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt.

aa)

Die Verjährung des klägerischen Anspruches richtet sich nach Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG, §§ 158b, 158k VVG a.F., § 3 Nr. 3 PflVG a.F.. Nach § 3 Nr. 3 VVG a.F. unterliegt der Anspruch des Dritten nach § 3 Nr. VVG a.F. der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, mit dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens in zehn Jahren von dem Schadensereignis an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, so ist die Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt. § 3 Nr. 3 a.F. PflVG entspricht im Wortlaut dem nunmehr geltenden § 115 Abs. 2 VVG, mit dem einzigen Unterschied, dass auf die Schriftlichkeit der Entscheidung abgestellt wird statt auf die Textform.

bb)

Die Verjährung des Schadensersatzanspruches begann mit Ablauf des 31.12.2006, § 199 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 3 Satz 1, Satz 2 PflVG a.F.

Der Schadensersatzanspruch entstand mit dem Eintritt der Verletzungen des Klägers am 01.05.2006 einheitlich für alle durch den Unfall verursachten Schäden, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Palandt – Ellenberger, aaO, § 199 BGB, Rn. 16). Die anspruchsbegründenden Umstände kannte der Kläger bereits seit dem Unfall und die Person des Schuldners spätestens seit seiner Beteiligung im Ermittlungsverfahren im Mai 2006 (Anlage B1, Blatt 90, 91 der Akte), jedenfalls vor dem 15.06.2006, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten zu 2 ergibt (Anlage K1, Blatt 17, 18 der Akte). Die Verjährung vollendete daher bei regelmäßigem Ablauf mit dem Ablauf des 31.12.2009.

cc)

Die Verjährung wurde durch die Anmeldung des Schadensersatzanspruches bei der Beklagten zu 2 gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a.F. gehemmt.

Als notwendiger Inhalt einer solchen Anmeldung genügt es, wenn der geschädigte Dritte unter Hinweis auf ein bestimmtes Schadensereignis außergerichtlich und formlos einen Schaden geltend macht. Dabei brauchen die einzelnen Ersatzansprüche noch nicht bezeichnet zu werden; vielmehr genügt es, dass der Haftpflichtversicherer eine Vorstellung vom ungefähren Umfang der durch den Unfall bewirkten Schäden und damit seiner Leistungspflicht vermittelt bekommt (Langheid/Wandt/W.-T. Schneider, Münchener Kommentar zum VVG, 2. A., VVG § 115 Rn. 33). Aus dem in Anlage B6 vorgelegten Schreiben der Beklagten zu 2 vom 15.06.2006 (Blatt 207 der Akte) ergibt sich, dass der Schadensersatzanspruch jedenfalls vor dem 15.06.2006 angemeldet wurde. Damit war die Verjährung gehemmt.

Die Hemmung der Verjährung wird durch den Zugang der schriftlichen Entscheidung der Versicherung bei dem Geschädigten beendet, § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a. F. Hierfür tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 – VII ZR 77/08, BeckRS 2010, 19576 Rn. 28, beck-online).

Erforderlich ist eine eindeutige und abschließende Entscheidung des Versicherers, die sowohl eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers, als auch eine Ablehnung des Anspruches beinhalten kann. Die Regelung bezweckt, den Geschädigten für den Fall einer sehr langen Dauer der Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Nachteilen der Verjährung zu schützen und ihn während der Zeit, während der die Reaktion des Versicherers auf die Anspruchsanmeldung noch in der Schwebe ist, vor dem Weiterlaufen einer die Durchsetzung seiner Ansprüche gefährdenden Verjährung zu bewahren. Daher muss die Hemmung so lange aufrechterhalten werden, bis sich der Versicherer zur Anspruchsanmeldung eindeutig erklärt hat, sei es in positiver oder negativer Hinsicht. Vor dem Hintergrund der Schutzfunktion des Hemmungstatbestandes bedarf es gerade insoweit einer klaren und umfassenden Erklärung des Versicherers. Dazu ist zwar nicht erforderlich, dass sich der Versicherer für jeden in Betracht kommenden Schadensposten auch betragsmäßig festlegen müsste; vielmehr reicht es aus, dass er sich bereit erklärt, über die etwa schon bezifferten Schäden hinaus auch die weiteren nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Schadensposten zu regulieren. Ebenfalls hinreichend eindeutig ist eine Erklärung, die bestimmte Positionen anerkennt und die Ansprüche im übrigen zurückweist. Verbleiben jedoch im Einzelfall über die Tragweite einer positiven Erklärung des Versicherers in wesentlichen Punkten Zweifel, dann liegt eine abschließende, die Hemmung beendende Entscheidung nicht vor. Unzureichend sind daher Abrechnungsschreiben, die sich lediglich rechnerisch zu einzelnen Schadenspositionen äußern, im übrigen aber nicht die Bereitschaft erkennen lassen, auch alle künftigen noch in Frage kommenden weiteren Schadensposten, die bisher nicht Gegenstand der Abrechnung waren, zu ersetzen. Auch der bloßen Überweisung eines Geldbetrages an den Geschädigten, der als rein tatsächlicher Handlung für sich genommen kein Erklärungswert zukommt, wird es im Hinblick auf die Bereitschaft, den Anspruch vorbehaltlos zu erfüllen, regelmäßig an hinreichender Eindeutigkeit fehlen (Langheid/Wandt/W.-T. Schneider, aaO, VVG § 115 Rn. 35, 36). Dem Inhalt des Schreibens muss der Charakter einer erschöpfend, eindeutig und endgültig den Schadensersatzanspruch im Hinblick auf das Interesse des Gläubigers an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bejahenden schriftlichen Erklärung zukommen; nicht ausreichend ist es, wenn der Geschädigte auf Grund des Schreibens davon ausgehen konnte, dass der Anspruchsgrund nicht mehr bestritten werde; vielmehr muss klar erkennbar sein, dass der Versicherer auch alle künftigen angesichts der Verletzungen des Geschädigten noch in Betracht kommenden Schadenspositionen, die bisher nicht Gegenstand der Abrechnung waren, zu ersetzen bereit sein wird, wenn der Geschädigte sie belegt. Daran fehlt es, wenn der Anspruchsgrund und geltend gemachte Einzelpositionen zwar anerkannt werden, der Geschädigte aber nicht sicher sein kann, dass zukünftige Forderungen genauso erfüllt werden (KG Berlin, Urteil vom 27. Februar 2006 – 12 U 262/04 -, Rn. 34, juris).

Soweit die Korrespondenz zum Schaden vorgelegt wurde, finden sich die Schreiben der Beklagten zu 2 in den Anlagen B3 – B5 (Blatt 130 – 132 der Akte), K10 (Blatt 150 der Akte), K12 (Blatt 194 – 199 der Akte), B6, B7 (Blatt 207 – 209 der Akte). Aus keinem dieser Schreiben ergibt sich die erforderliche eindeutige, klare und umfassende Erklärung. Mit Anlage B6 (= Anlage K1) wird nur der Sachschaden abgerechnet. Dass es sich dabei nicht um eine abschließende Entscheidung handelt, ergibt sich aus Seite 2 des Schreibens, weil die beliebige Verrechnung oder Rückforderung des zugesagten Betrages vorbehalten wurde, auf die Widersprüche der Angaben der Beteiligten zum Unfallhergang hingewiesen und zugleich die Anforderung der Ermittlungsakte angekündigt wurde. Das Schreiben vom 23.10.2006 (Anlage B7, Blatt 209 der Akte) enthält lediglich eine Aussage zur Auffassung der Beklagten betreffend die Haftungsverteilung, aber keine klare Aussage zur Schadensregulierung. Die Schreiben vom 14.08.2012, 17.10.2012 und 17.03.2014 (Anlagenkonvolut K12, Blatt 194 – 199 der Akte) betreffen lediglich Anforderungen, die die Beklagte zu 2 an die Darlegung des Schadens stellte. Die Schreiben vom 27.12.2012, 12.12.2013 und 22.12.2014 (Anlagen B3 – B5, Blatt 130 – 132 der Akte) betreffen nur den Verjährungsverzicht. Das Schreiben vom 20.01.2015 (Anlage K10, Blatt 150 der Akte) enthält lediglich eine Schilderung der Abläufe bei der Behandlung des Schadensfalles. enthalten jeweils nur Zwischenstände.

dd)

Darüber hinaus wurde die Verjährung auch durch Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch gehemmt, § 203 BGB.

Der Hemmungstatbestand ist neben § 3 Nr. 3 PflVG anwendbar. Führen Verhandlungen des Geschädigten mit dem Versicherungsnehmer zu einer Hemmung nach § 203 BGB, so wirkt dies in gleicher Weise auch für den Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer (Langheid/Wandt/W.-T. Schneider, aaO, VVG § 115 Rn. 32, 42).

Der Begriff „Verhandlungen“ im Sinne von § 203 Satz 1 BGB ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 – XI ZR 18/08 -, Rn. 16, juris).

Auf die Schreiben der Beklagten zu 2 zum Verjährungsverzicht kommt es insoweit nicht an, denn eine Hemmung der Verjährung wegen schwebender Verhandlungen ist ungeachtet der Erklärung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten, möglich (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – VI ZR 429/02 -, Rn. 11, 12, juris).

Hier wurden vor dem 15.06.2006 Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch des Klägers aufgenommen, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten zu 2 vom 15.06.2006 (Anlage K1, Blatt 17, 18 der Akte) ergibt. Mit diesem Schreiben wurde die Regulierung bestimmter Sachschäden angekündigt. Zugleich wurde mitgeteilt, dass die amtliche Ermittlungsakte angefordert wurde und es wurden Anschaffungsbelege angefordert. Damit ließ sich die Beklagte zu 2 auf weitere Erörterungen über die Ansprüche des Klägers ein. Die Fortführung der Verhandlungen ergibt sich auch aus den Schreiben der Beklagten zu 2 vom 23.10.2006 (Anlage B7, Blatt 209 der Akte), 14.08.2012, 17.10.2012 und 17.03.2014 (Anlagenkonvolut K12, Blatt 194 – 199 der Akte) sowie 20.01.2015 (Anlage K10, Blatt 150 der Akte). Eine Beschränkung der Verjährungshemmung liegt nicht vor. Gegenstand der Verhandlungen gemäß § 203 Satz 1 BGB sind der „Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände“. Damit ist im Sinne eines Lebenssachverhalts die Gesamtheit der tatsächlichen Umstände gemeint, die nach dem Verständnis der Verhandlungsparteien einen Anspruch erzeugen, wobei das Begehren nicht besonders beziffert oder konkretisiert sein muss. Dieser Lebenssachverhalt wird grundsätzlich in seiner Gesamtheit verhandelt. Damit werden sämtliche Ansprüche, die der Gläubiger aus diesem Sachverhalt herleiten kann, von der Hemmung der Verjährung erfasst. Ausnahmsweise wirkt die Hemmung nicht für einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs, wenn die Parteien nur über den anderen Teil verhandelt haben. Eine solche Beschränkung der Hemmungswirkung muss sich aus dem Willen der Verhandlungsparteien eindeutig ergeben (BGH Urt. v. 5.6.2014 – VII ZR 285/12, BeckRS 2014, 13046 Rn. 12, beck-online; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04. November 2004 – 2 U 69/04 -, Rn. 61, juris). Hier mangelt es an der erforderlichen Eindeutigkeit. Die Beklagte zu 2 regulierte den angemeldeten Sachschaden unter Anrechnung von 50% Mithaftung (Anlage B6, Blatt 207 der Akte) und erklärte mit Schreiben vom 23.10.2006, dass diese Haftungsquote der Sach- und Rechtslage entspreche (Anlage B7, Blatt 209 der Akte). Es ergibt sich aus der vorgelegten Korrespondenz aber nicht die klare Aussage, dass über etwaige Ansprüche des Klägers ausschließlich und nur unter Ansatz einer Quote von 50% verhandelt werde.

Die Verhandlungen sind dann beendet, wenn eine Partei die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Wegen der Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche muss diese Verweigerung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch ein klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (BGH Urt. v. 5.12.2018 – XII ZR 116/17, BeckRS 2018, 35511 Rn. 38, beck-online). Dass und wann dies der Fall war, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht.

2.

Der Kläger hat damit gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf den hälftigen Ersatz seines Erwerbsschadens (Verdienstausfallschadens), § 11 Satz 1 StVG. Dies ergibt den Anspruch auf Zahlung von 52.057,99 Euro.

a)

§ 11 Satz 1 StVG umfasst den Erwerbsschaden als Folge einer zeitweisen oder dauernden Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der Schaden ist nach denselben Grundsätzen festzustellen und zu berechnen wie unter Anwendung der §§ 842, 843 Abs. 1 BGB (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht – Engel, aaO, § 11 StVG, Rn. 2; Burmann u.a. – Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. A., § 11 StVG, Rn. 1, 8; beck-online Großkommentar zum StVG – Walter, Stand 01.03.2021, § 11 StVG, Rn. 8; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1991 – VI ZR 29/91 -, Rn. 11, juris).

b)

Der Erwerbsschaden umfasst alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Verletzte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann. Die Ersatzpflicht greift ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist. Der Erwerbsschaden umfasst alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt (BGH, Urteil vom 08. April 2008 – VI ZR 49/07 -, Rn. 9, juris). Ausgehend von der Differenzhypothese sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten nach dem schädigenden Ereignis mit denen zu vergleichen, die sich ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich entwickelt hätten. Maßgebend hierfür ist einerseits, welchen Gebrauch der Geschädigte nach den Verhältnissen, in denen er im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses gelebt hat, voraussichtlich von seiner Erwerbsfähigkeit gemacht hätte, andererseits ist seine Vermögenslage infolge der ereignisbedingt eingeschränkten Erwerbsmöglichkeit zu berücksichtigen (Staudinger – Vieweg, BGB, 2015, § 842 BGB, Rn. 13).

c)

Im Ergebnis der durch das Landgericht verfahrensfehlerfrei erhobenen Beweise ist festzustellen, dass die Fähigkeit des Klägers, seinem zur Zeit des Unfalles ausgeübten Beruf nachzugehen, durch den Unfall aufgehoben wurde.

Der Kläger erlitt durch den Unfall die auf Seite 3 des angefochtenen Urteils aufgezählten Verletzungen. In Bezug auf den Fersenbeinbruch haben die Beklagten zwar mit ihrem durch das Landgericht zurückgewiesenen Tatbestandsberichtigungsantrag vorgetragen, diese Verletzung sei nicht unstreitig gewesen, sondern von ihnen bestritten worden. Dies ist aber nicht entscheidungserheblich, da der gerichtlich bestellte Sachverständige den Fersenbeinbruch bestätigt hat (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 4, 5; 12, 13) und damit auch diese Verletzung jedenfalls im Beweisergebnis festzustellen ist.

Nach den weiteren Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen kann der Kläger unfallbedingt seine Arbeitskraft in dem bis zum Unfall ausgeübten Beruf nicht mehr verwerten. Der Kläger war zur Zeit des Unfalles als Zweiradmechaniker abhängig beschäftigt (Urteil LG, Seite 4). Der Fersenbeinbruch selbst hatte zwar keine längerfristigen Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit (Gutachten vom 13.09.2019, Seite 13), der Kläger ist aber als Folge des ebenfalls durch den Unfall erlittenen Speichenbruchs und der daraus erwachsenen Dauerfolgen nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Zweiradmechaniker auszuüben (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 4, 5 – 9, 11, 12, 13, 14).

Der Kläger hat in seiner Anhörung vor dem Senat erklärt, dass der Zweiradbereich dicht gemacht und er gekündigt worden sei. Es sei ihm angeboten worden, im Autobereich zu arbeiten, dort habe er aber so häufig andere um Hilfe bitten müssen, dass eine Beschäftigung von ihm dort keinen Sinn gemacht habe. Angesichts der gutachterlich bestätigten unfallbedingten Verletzungen und Verletzungsfolgen ist das für den Senat überzeugend, denn die Umwendebeweglichkeit des rechten Unterarmes und die Beweglichkeit des rechten Handgelenkes sind erheblich eingeschränkt, die Kraft der rechten Hand vermindert und der Kläger ist nicht mehr in der Lage, schwerere manuelle Tätigkeiten auszuführen; außerdem ist der Kläger auch bei feinmechanischen Tätigkeiten eingeschränkt (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 11 – 14). Daraus ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers bei seinem ehemaligen Arbeitgeber und in seinem Beruf unfallbedingt scheiterte.

d)

Der unfallbedingte Erwerbsschaden des Klägers beläuft sich für den Zeitraum seit dem Unfall am 01.05.2006 bis zum 31.12.2014 auf insgesamt 52.057,99 Euro.

aa)

Der Kläger macht mit der Zahlungsklage seinen Erwerbsschaden bis zum 31.12.2014 geltend. Dieser Zeitraum war die Grundlage seiner Schadensberechnung und Antragstellung in erster Instanz (Urteil LG Seite 4) und ist dies auch im Berufungsverfahren geblieben, da der Kläger den Anspruch mit 140.549,45 Euro aus seiner erstinstanzlichen Berechnung übernommen und seinem Berufungsantrag zu Grunde gelegt hat. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.06.2021 eine Schadensberechnung bis Mai 2021 vorgelegt, seinen Zahlungsantrag aber bewusst unverändert gelassen. Für die Schadensberechnung ist daher weiterhin auf den Zeitraum bis zum 31.12.2014 abzustellen.

bb)

Zur Feststellung des unfallkausalen Erwerbsschadens ist eine Prognoseentscheidung über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit ohne das schädigende Ereignis nach den besonderen Umständen des Falls bzw. nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu treffen. Zugunsten des Geschädigten greifen die Beweiserleichterungen des § 252 Satz 2 BGB und des § 287 ZPO ein (BGH, Urteil vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94 -, Rn. 12 – 13, juris), d. h. er muss lediglich darlegen und beweisen, dass er ohne das schädigende Ereignis gearbeitet und ein Einkommen erzielt hätte. Ausgangspunkt für die Prognoseentscheidung ist die Stellung des Geschädigten im Erwerbsleben zur Zeit des schädigenden Ereignisses. Zu ermitteln ist, wie sich sein Einkommen nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entwickelt hätte. In die Prognose sind auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen (z. B. Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche Veränderungen) einzubeziehen, ebenso charakterliche Eigenschaften und Neigungen des Verletzten, soweit sie bereits vor dem schädigenden Ereignis zutage getreten waren, und sektorspezifische Entwicklungen. Bei einem unselbstständigen Arbeitnehmer sind die Lohn- und Gehaltssteigerungen seiner Lohn- oder Tarifgruppe sowie altersbedingte Einkommenssteigerungen für die Prognose heranzuziehen. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Geschädigte das vor dem schädigenden Ereignis erzielte Einkommen auch danach erzielt hätte. Unterstellt werden kann regelmäßig eine Kontinuität der beruflichen Laufbahn (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 20, 21).

(1)

Da es keine entgegenstehenden Anhaltspunkte gibt, ist davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin in seinem zuvor ausgeübten Beruf als Zweiradmechaniker tätig gewesen wäre, wenn er die unfallbedingten Verletzungen nicht erlitten hätte. Ein darüber hinausweisendes berufliches Fortkommen ist nicht festzustellen; der Kläger selbst stützt sich ebenfalls auf den zuletzt als angestellter Zweiradmechaniker erhaltenen Lohn nebst vermögenswirksamen Leistungen, ohne auf ein berufliches Fortkommen abzustellen.

(2)

Ausgangspunkt für die Prognoseentscheidung ist die Stellung des Geschädigten im Erwerbsleben zur Zeit des schädigenden Ereignisses, und damit hier der Lohn, den der Kläger als Zweiradmechaniker zur Zeit des Unfalles am 01.05.2006 tatsächlich erzielte.

Zu ermitteln ist, wie sich sein Einkommen nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entwickelt hätte. In die Prognose sind auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen (z.B. Arbeitslosigkeit, gesellschaftliche Veränderungen) einzubeziehen. Bei einem unselbstständigen Arbeitnehmer sind die Lohn- und Gehaltssteigerungen seiner Lohn- oder Tarifgruppe sowie altersbedingte Einkommenssteigerungen für die Prognose heranzuziehen. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Geschädigte das vor dem schädigenden Ereignis erzielte Einkommen auch danach erzielt hätte. Unterstellt werden kann regelmäßig eine Kontinuität der beruflichen Laufbahn. Dem normalen und regelmäßigen Verlauf des Erwerbslebens eines unselbstständigen Arbeitnehmers entspricht es, dass dieser entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 35 SGB VI bei Erreichen des regelmäßigen Renteneintrittsalters in den Ruhestand tritt. Bei ungewisser Entwicklung dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Darlegungen des Geschädigten gestellt werden. Prognoseschwierigkeiten gehen in erster Linie zu Lasten des Schädigers, weil er den Geschädigten erst in die für ihn schwierige Lage gebracht hat, einen konkreten Schadensnachweis zu führen (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 20, 21).

Da das Bestehen eines Schadens konkret vom Geschädigten dargelegt und bewiesen werden muss und dieser Schaden in der Differenz der beiden Vermögenslagen nach dem Unfall und ohne den Unfall besteht (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 18; Münchener Kommentar zum BGB – Wagner, 8. A., § 842 BGB, Rn. 18), muss der Kläger, da die Beklagten den Tatsachenvortrag des Klägers bestritten haben, die Differenz der Vermögenslagen und damit auch die tatsächlich erlangten Zahlungen der Höhe nach beweisen. Für die Zahlung des Krankengeldes gilt dies auch deswegen, weil der Schadensersatzanspruch in dieser Höhe auf den Krankenversicherungsträger überging, § 116 SGB X, und der Kläger insoweit nicht aktiv legitimiert ist.

Die prognostische Lohnentwicklung muss der Kläger nicht zwingend durch die Darlegung und den Beweis der Lohnentwicklung in seinem ehemaligen Betrieb belegen, zumal der Zweiradbereich wegen seines Ausfalles geschlossen wurde, wie der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend ausgeführt hat. Für die prognostische Lohnentwicklung des Klägers kann stattdessen auch auf die Lohnentwicklung abgestellt werden, wie sie der in Anlage K12 (Blatt 508 – 512 der Akte) vorgelegten, durch das Statistische Bundesamt veröffentlichten Statistik zu entnehmen ist. Ist die voraussichtliche berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis zu beurteilen, so gebietet § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann. Dabei muss der Geschädigte zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für diese Prognose dartun. Es dürfen jedoch insoweit auch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Ergeben sich keine abweichenden Anhaltspunkte, liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Basis die weitere Prognose hinsichtlich der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1998 – VI ZR 342/96 -, Rn. 23, 25, juris). Die in der veröffentlichten Statistik enthaltene statistische Aussage ist offenkundig und bedarf keines weiteren Beweises (§ 291 ZPO, Zöller – Greger, aaO, § 291 ZPO, Rn. 1b). Die Teilhabe des Klägers als Arbeitnehmer an der statistisch durchschnittlichen Entwicklung der Löhne ist nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwarten und hinreichend wahrscheinlich. Die prognostische Lohnentwicklung kann daher in den jeweiligen Jahren mit diesen Prozentzahlen rechnerisch angepasst werden.

Zu dem zu ersetzenden Schaden gehören auch entgangenes Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie entgangene vermögenswirksame Leistungen (Palandt – Grüneberg, aaO, § 252 BGB, Rn. 7; OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Oktober 2016 – 12 U 35/16 -, Rn. 64, juris).

(3)

Der Kläger macht seinen Ersatzanspruch auf der Grundlage des fiktiven Nettoeinkommens geltend, wie sich aus der vorgelegten Berechnung ergibt, ohne die auf dieses fiktive Nettoeinkommen zu entrichtenden Steuern und Beiträge aufzuschlagen. Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden (vgl. a. OLG Frankfurt, Urteil vom 19. September 2001 – 9 U 123/00 -, Rn. 68, juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 04. November 2010 – 12 U 35/10 -, Rn. 34, juris). Da der Kläger nur den Ersatz des Nettolohnes geltend macht, muss auch keine Steuerprogressionsdifferenz ausgeglichen werden, die auftreten kann, weil der Schadensersatz, den der Kläger zu beanspruchen hat, als Folge des Mitverursachungsanteiles des Klägers geringer ist als die ansonsten bezogene Lohnzahlung (BGH, Urteil vom 15. November 1994 – VI ZR 194/93 -, Rn. 15, 19, juris).

(4)

Die Leistungen der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung, von denen der Kläger nach seinem Vortrag zwischenzeitlich lebte, muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Die Anrechnung eines Vorteils ist davon abhängig, ob sie im Einzelfall nach Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten nach Treu und Glauben dem Geschädigten zugemutet werden kann. Der Kläger hat den dafür erforderlichen finanziellen Aufwand nicht erbracht, um den Schädiger wirtschaftlich zu entlasten. Es widerspräche dem Sinn des Versicherungsverhältnisses, wenn die Leistungen des Versicherers dem Schädiger zugute kämen, im Ergebnis also die Wirkung einer Versicherung zugunsten des Schädigers einträte, bei der ein anderer, ohne es zu wollen, die Prämien für den Schädiger bezahlt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1978 – VI ZR 218/76 -, Rn. 45, juris; Palandt – Grüneberg, aaO, vor § 249 BGB, Rn. 84; Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 24).

(5)

Ersparte berufsbedingte Aufwendungen sind in Höhe von 10% des Nettoeinkommens anzurechnen.

Auf den Erwerbsschaden ist im Wege des Vorteilsausgleichs die Ersparnis von berufsbedingten Aufwendungen anzurechnen. Regelmäßig fallen einem Erwerbstätigen aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit Kosten zur Last, die sein Arbeitseinkommen schmälern. Dabei handelt es sich neben Fahrtkosten, Ausgaben für Kleidung, Fachliteratur, Beiträge zu Berufsverbänden, Werkzeug oder dergleichen, oft um Ausgaben, die nicht mit der notwendigen Sicherheit bezifferbar sind, die sich aber zur Ausübung des Berufes erforderlich machen. Die dadurch eintretende Schmälerung des monatlichen Einkommens eines vor dem Schadensereignis erwerbstätigen Geschädigten ist während seiner Arbeitsunfähigkeit als Ersparnis von Kosten im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen. Denn die Ersatzpflicht des Schädigers soll sicherstellen, dass der Verletzte über das gleiche Arbeitseinkommen wie vor dem Unfall verfügt. Die Ersatzleistung soll daher nur den vollen Schadensausgleich, jedoch nicht einen Gewinn aus dem Schadensereignis schaffen. Die Ersparnis berufsbedingter Kosten steht in einem adäquaten Ursachenzusammenhang zum Unfallereignis. Die Vorteilsausgleichung führt auch nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers, denn die Aufwandsersparnis steht in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden, so dass beide Positionen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Recheneinheit verbunden sind (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. September 1998 – 12 U 31/98 -, Rn. 3, juris; OLG München, Urteil vom 29. April 2011 – 10 U 4208/10 -, Rn. 43, juris).

Der Kläger arbeitete seit dem Jahre 2000 in W… und bewohnte seit dem Jahre 2005 auch das Haus in K…. Er arbeitete jeweils 5 Tage in W… und war dann 2 Tage zu Hause. Er ersparte damit die wöchentliche Hin- und Rückfahrt K… – W… (nach Angaben im „F… Routenplaner“ zumindest ca. 294 Km einfacher Fahrt), den täglichen Weg zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstelle sowie die Aufwendungen für die Zweitwohnung. Für sonstige Ersparnisse gibt es bislang keinen Vortrag.

Die Höhe der ersparten beruflichen Aufwendungen kann gemäß § 287 ZPO auf einen Prozentsatz des Nettoeinkommens geschätzt werden. Sowohl dem Geschädigten als auch dem Schädiger bleibt es unbenommen, niedrigere bzw. höhere Ersparnisse darzulegen und zu beweisen; dann müsste gegebenenfalls der Geschädigte substantiiert darlegen, dass neben dem Fahrtkostenaufwand auch keine sonstigen Aufwendungen erspart wurden (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 24; OLG München, Urteil vom 29. April 2011 – 10 U 4208/10 -, Rn. 43, juris). Konkrete Ersparnisse haben die Parteien nicht beziffert. Die Schätzungen bewegen sich in der Regel zwischen 5% und 10% des Netteinkommens (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05. Oktober 2010 – I-1 U 244/09 -, Rn. 63, juris; OLG Dresden, Urteil vom 12. Dezember 2001 – 11 U 2940/00 -, Rn. 73, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 07. Mai 2009 – 7 U 26/08 -, Rn. 10, juris; OLG München, Urteil vom 29. April 2011 – 10 U 4208/10 -, Rn. 43, juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. September 1998 – 12 U 31/98 -, Rn. 5, juris). Bei der Einordnung können die bekannten konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden (OLG Celle, Urteil vom 29. November 2005 – 14 U 58/05 -, Rn. 8, juris). Dies führt hier zum Ansatz einer Pauschale von 10%, da der Kläger schon für die wöchentlichen Fahrten und die Zweitwohnung erhebliche berufsbedingte Aufwendungen hatte, die unfallbedingt entfielen.

cc)

Der Erwerbsschaden ist nach Allem wie folgt zu berechnen:

(1)

Für das Jahr 2006 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden in Höhe von 1.167,80 Euro.

(1.1)

Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass er für das Jahr 2006 ohne den Unfall Netto – Lohnzahlungen in Höhe von 20.426,71 Euro erhalten hätte.

Der Kläger hat die entsprechenden Nettobeträge, die er mit Schriftsatz vom 12.11.2021 zusammengefasst hat (Seiten 2, 3, Blatt 556, 557 der Akte) belegt durch die Vorlage von Lohnabrechnungen seines ehemaligen Arbeitgebers für die Monate 01/2006 – 04/2006, 09/2006 und 10/2006, sowie die Kontoauszüge Nr. 12/2006, Nr. 22/2006, Nr. 27/2006 (Anlagen K11ff., Blatt 560 – 564, 567 – 570 der Akte). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hierzu Unterlagen vorgelegt, deren Beweiswert ist nach § 286 ZPO zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 28. September 1987 – II ZR 35/87 -, Rn. 11, juris), die nach ihrem Erscheinungsbild (Haptik, Material, Farbgebung) als Original-Unterlagen zu erkennen sind und inhaltlich den zur Akte gereichten Kopien entsprechen. Der Senat hat auf dieser Grundlage keinen Zweifel daran, dass der Vortrag des Klägers zutrifft. Der für Mai 2006 angesetzte Betrag von 2.378,45 Euro ergibt sich aus dem Kontoauszug Nr. 12/2006. Da dieser Betrag der Höhe nach deutlich heraussticht und die Vereinbarung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei tariflicher Entlohnung, wie sie sich aus den vorgelegten Lohnabrechnungen ergibt, die Regel bildet, belegt dies zugleich, dass der Vortrag des Klägers zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld zutrifft.

(1.2)

Mit der Vorlage der zu den Anlagen K11ff. gehörenden Originale (hierzu schon oben) hat der Kläger zugleich zur Überzeugung des Senates belegt, dass er im Jahr 2006 Netto-Lohnzahlungen im Gesamtumfang von 15.927,38 Euro erhielt.

Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung das Original zur Anlage K13 (Blatt 572, 573 der Akte) vorgelegt, wie sich wiederum aus der Haptik und der Erscheinung der Unterschrift (U… D…) ergibt. Da diese Urkunde die Ausstellerin erkennen lässt, kommt ihr die Beweiswirkung des § 416 ZPO zu und belegt, dass die Erklärung von Frau D… abgegeben wurde. Der Senat hat auch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass diese für die Krankenkasse abgegebene Erklärung inhaltlich den Tatsachen entspricht. Damit ist belegt, dass der Kläger im Jahr 2006 eine Netto-Zahlung von Krankengeld in Höhe von 3.331,53 Euro erhielt.

(1.3)

Damit ergibt sich für das Jahr 2006 ein Erwerbsschaden in Höhe von 1.167,80 Euro (20.426,71 Euro – 15.927,38 Euro – 3.331,53 Euro).

(2)

Für das Jahr 2007 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 5.096,70 Euro.

(2.1)

Der Kläger hat den fiktiven Nettolohn für das Jahr 2007 mit 22.225,08 Euro angesetzt (Schriftsatz vom 14.06.2021, Seite 2, Blatt 515 der Akte; Schriftsatz vom 12.11.2021, Seite 3, Blatt 557 der Akte).

Die Angaben des Klägers zur Errechnung des fiktiven Netto-Lohnes blieben aber trotz des Hinweises des Senats unschlüssig, weil die Berechnung nicht nachvollziehbar ist. Dem Vortrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 14.06.2021 iVm der Anlage K13 (Blatt 523 der Akte) ist nicht zu entnehmen gewesen, wie er rechnerisch – vom monatlichen Bruttolohn ausgehend – zu dem jährlich angesetzten fiktiven Nettolohn gelangt ist. Die in Anlage K13 vorgelegte Tabelle enthält insoweit keine nachvollziehbaren Angaben. Darauf hat der Senat den Kläger mit Beschluss vom 03.09.2021 (Blatt 544 der Akte) hingewiesen. In seiner Stellungnahme hat der Kläger lediglich vorgetragen, die jeweiligen Nettolöhne habe die Zeugin W… anhand der jeweiligen steuerlichen Gegebenheiten aus dem wie geschildert lt. Statistischem Bundesamt moderat gesteigerten jeweiligen Bruttolöhnen errechnet (Schriftsatz vom12.11.2021, Seite 2, Blatt 556 der Akte). Damit ist die Berechnung des Klägers weiterhin unklar und nicht nachvollziehbar geblieben. Es wird nicht dargelegt, wie der Kläger für den Zeitraum ab Januar 2007 auf eine Lohnerhöhung auf brutto 3.066,84 Euro kommt. Dass der Kläger tatsächlich im Jahre 2007 noch eine Lohnerhöhung erhielt, hat er nicht vorgetragen und dafür auch keine Belege vorgelegt. Wenn man den letzten Bruttolohn 2006 von 2.857,19 Euro für 2007 um 3% entsprechend der statistischen Nominalentwicklung (Anlage K12, Seite 3/3, Blatt 512 der Akte) erhöht, ergibt sich eine Erhöhung um 85,72 Euro auf dann 2.942,91 Euro brutto. Zudem legt der Kläger auch weiterhin nicht nachvollziehbar dar, wie das monatliche Netto von 1.852,09 Euro aus dem Brutto zu errechnen ist. Die Erhöhung des Grundfreibetrages und die verbesserte Abzugsfähigkeit der Arbeitnehmerbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung wird nach Grund und Höhe ebensowenig erläutert wie die Berechnung im Übrigen. Das Zeugenbeweisangebot ist nicht zur Beweisführung geeignet, zum Einen, weil es nicht um die Wahrnehmung von Tatsachen geht, sondern um eine Berechnungsweise, zum Anderen, weil der Sachvortrag ungenügend ist.

(2.2)

Im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 Abs. 1 ZPO ist daher die prognostische Lohnentwicklung auf der Grundlage der hinreichend wahrscheinlichen Mindestentwicklung zu schätzen. Hierfür kann an den nachgewiesenen (siehe oben) Netto-Lohn für 2006 von 20.426,71 Euro angeknüpft und dieser um die durch Anlage K12 belegte statistische Veränderung von 3% erhöht werden, was für 2007 einen fiktiven Nettolohn von 21.039,51 Euro ergibt.

Dieser fiktive Netto-Lohn ist, da der Kläger im Jahre 2007 seinen Arbeitsplatz in W… verlor, seine Zweitwohnung dort aufgab und zu seinen Eltern zog, um die Ersparnis berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 10% des Netto-Lohnes zu kürzen. Der Kläger konnte den Zeitpunkt des Umzuges im Rahmen seiner Anhörung nicht angeben. Da der Kläger aber jedenfalls noch eine Zahlung seines ehemaligen Arbeitgebers erhielt, die in etwa einem Netto-Monatslohn entspricht (siehe im Folgenden), ist davon auszugehen, dass der Kläger noch für einen Monat des Jahres 2007 berufsbedingte Aufwendungen hatte. Die Ersparnis berechnet sich daher wie folgt: 21.039,75 Euro x 10% = 2.103,97 Euro x 11/12 = 1.928,64 Euro. Unter Abzug der Ersparnis von 1.928,64 Euro verbleibt für die Berechnung ein Betrag von 19.111,11 Euro.

(2.3)

Davon ist der Lohn abzuziehen, den der Kläger im Jahre 2007 von seinem ehemaligen Arbeitgeber noch in Höhe von 1.054,31 Euro erhielt. Die Höhe des im Jahre 2007 gezahlten Krankengeldes – 12.925,88 Euro netto – hat der Kläger wiederum durch die Vorlage des Originals zur Anlage K13 belegt.

(2.4)

Damit errechnet sich für das Jahr 2007 ein Erwerbsschaden von 5.130,92 Euro (19.111,11 Euro – 1.054,31 Euro – 12.925,88 Euro).

(3)

Für das Jahr 2008 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 5.583,14 Euro.

(3.1)

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2007 in Höhe von 21.039,51 Euro ergibt die Berechnung für 2008 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 3% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 19.503,62 Euro.

(3.2)

Hiervon ist das Arbeitslosengeld abzuziehen, welches der Kläger im Jahre 2008 in Höhe von 9.817,92 Euro bezog sowie das Krankengeld, welches er in Höhe von 4.102,56 Euro erhielt. Die entsprechenden Beträge hat der Kläger mit den Anlagen K15 und K16 sowie den dazu in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Originalen belegt.

(3.3)

Damit errechnet sich für das Jahr 2008 ein Erwerbsschaden von 5.583,14 Euro (19.503,62 Euro – 9.817,92 Euro – 4.102,56 Euro).

(4)

Für das Jahr 2009 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 12.019,65 Euro.

(4.1)

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2008 in Höhe von 21.670,69 Euro ergibt die Berechnung für 2009 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 0,2% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 19.542,63 Euro.

(4.2)

Hiervon ist das Übergangsgeld abzuziehen, welches der Kläger im Jahre 2009 in Höhe von zusammen 7.522,98 Euro bezog. Die entsprechenden Beträge hat der Kläger mit der Anlage K17 sowie den dazu in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Originalen belegt.

(4.3)

Damit errechnet sich für das Jahr 2009 ein Erwerbsschaden von 12.019,65 Euro (19.542,63 Euro – 7.522,98 Euro).

(5)

Für das Jahr 2010 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 14.812,25 Euro.

(5.1)

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2009 in Höhe von 21.714,03 Euro ergibt die Berechnung für 2010 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 2,6% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 20.050,73 Euro.

(5.2)

Hiervon ist das Krankengeld abzuziehen, welches der Kläger im Jahre 2010 in Höhe von 5.238,48 Euro bezog. Den entsprechenden Betrag hat der Kläger mit der Anlage K18 belegt. Angesichts dessen, dass der Kläger seinen Vortrag im Übrigen durch die zu den zur Akte gereichten Kopien vorgelegten Originalen als zutreffend ausgewiesen hat, hat der Senat auch insoweit keine Zweifel an der Wahrhaftigkeit seines Vortrages.

(5.3)

Damit errechnet sich für das Jahr 2010 ein Erwerbsschaden von 14.812,25 Euro (20.050,73 Euro – 5.238,48 Euro).

(6)

Für das Jahr 2011 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 18.535,68 Euro.

(6.1)

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2010 in Höhe von 22.278,59 Euro ergibt die Berechnung für 2011 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 3,3% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 20.712,40 Euro.

(6.2)

Hiervon ist das Krankengeld abzuziehen, welches der Kläger im Jahre 2011 in Höhe von 2.176,72 Euro bezog. Den entsprechenden Betrag hat der Kläger mit der Anlage K18 belegt. Angesichts dessen, dass der Kläger seinen Vortrag im Übrigen durch die zu den zur Akte gereichten Kopien vorgelegten Originalen als zutreffend ausgewiesen hat, hat der Senat auch insoweit keine Zweifel an der Wahrhaftigkeit seines Vortrages.

(6.3)

Damit errechnet sich für das Jahr 2011 ein Erwerbsschaden von 18.535,68 Euro (20.712,40 Euro – 2.176,72 Euro).

(7)

Für das Jahr 2012 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 21.230,22 Euro.

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2011 in Höhe von 23.013,79 Euro ergibt die Berechnung für 2012 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 3,3% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 21.230,22 Euro, von dem keine weiteren Abzüge zu machen sind, weil der Klägerin diesem Jahr keine anzurechnenden Einnahmen hatte.

(8)

Für das Jahr 2013 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 21.527,43 Euro.

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2011 in Höhe von 23.589,12 Euro ergibt die Berechnung für 2013 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 1,4% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 21.527,43 Euro, von dem keine weiteren Abzüge zu machen sind, weil der Klägerin diesem Jahr keine anzurechnenden Einnahmen hatte.

(9)

Für das Jahr 2014 ergibt die Berechnung einen Erwerbsschaden von 22.108,67 Euro.

Ausgehend vom gemäß Statistik erhöhten Netto-Lohn für 2011 in Höhe von 23.919,37 Euro ergibt die Berechnung für 2014 unter Ansatz der nachgewiesenen statistischen Lohnerhöhung um 2,7% und unter Abzug von Ersparnissen in Höhe von 10% einen fiktiven Nettolohn von 22.108,67 Euro, von dem keine weiteren Abzüge zu machen sind, weil der Klägerin diesem Jahr keine anzurechnenden Einnahmen hatte.

(10)

Die Addition der Schadensbeträge für die Jahre 2006 – 2014 ergibt insgesamt 122.115,98 Euro. Da der Kläger Anspruch auf hälftigen Schadensersatz hat, ergibt sich daraus ein Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens in Höhe von 61.057,99 Euro. Unter Anrechnung der auf diesen Schaden bereits gezahlten 9.000.- Euro verbleibt ein Anspruch auf Zahlung weiterer 52.057,99 Euro.

e)

Der Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens ist nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers gemäß §§ 9 StVG, 254 Abs. 2 BGB zu mindern.

aa)

Das Mitverschulden des Verletzten wird nicht nur bis zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses berücksichtigt, sondern kann auch in einem pflichtwidrigen Verhalten nach Eintritt des Schadenfalles liegen. Vor allem ist dem Verletzten über § 9 StVG ein Verstoß gegen die ihm in § 254 BGB obliegende Schadenminderungspflicht zuzurechnen. Die Schadenminderungspflicht legt dem Geschädigten Maßnahmen auf, die nach allgemeiner Erfahrung angewandt werden, um Schaden abzuwenden oder zu verringern. Ein überobligationsmäßiges Verhalten darf dem Geschädigten aber nicht abverlangt werden (Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht – Engel, aaO., StVG § 9 Rn. 4).

bb)

Ein Verstoß des Klägers gegen die Obliegenheit, die ihm verbliebene Arbeitskraft im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen so gewinnbringend wie möglich einzusetzen, ist nicht festzustellen.

(1)

Dem Geschädigten obliegt die Verpflichtung, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten (BGH, Urteil vom 05. Dezember 1995 – VI ZR 398/94 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – VI ZR 278/06 -, Rn. 12, juris). Die Zumutbarkeit bestimmt sich nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls; insbesondere sind zu berücksichtigen: Persönlichkeit und Stand des Verletzten, bisheriger Lebenskreis, Begabung und Anlagen, Bildungsgang, Kenntnisse und Fähigkeiten, bisherige Erwerbsstellung, gesundheitliche Verhältnisse, Alter, körperliche und seelische Anpassungsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Art und Schwere der Unfallfolgen, Familie und Wohnort (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 27). Die Verpflichtung zur Verwertung der Arbeitskraft setzt indes voraus, dass der Verletzte überhaupt die Möglichkeit hat, die verbliebene Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen (BGH, Urteil vom 05. Dezember 1995 – VI ZR 398/94 -, Rn. 10, juris). Dem Kläger als ausgebildeten Handwerker ist dabei nicht zuzumuten, sich allein zum Zwecke der Schadensminderung um eine Anstellung als ungelernte Arbeitskraft zu bemühen (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 28; OLG Frankfurt, Urteil vom 20. Juni 1990 – 7 U 173/88 -, LS nach juris).

Verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht, weil er es unterlässt, einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind die erzielbaren (fiktiven) Einkünfte auf den Schaden anzurechnen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung kommt dagegen grundsätzlich nicht in Betracht, weil sie im Einzelfall zu sachwidrigen Ergebnissen führen kann. Die Höhe der erzielbaren Einkünfte des Geschädigten hängt nämlich davon ab, welches Einkommen er in der konkreten Situation unter Berücksichtigung aller Umstände, d. h. seiner Lebenssituation, seiner Ausbildung, einer eventuell früher ausgeübten Tätigkeit und der jeweiligen Lage auf dem Arbeitsmarkt in zumutbarer Weise erzielen könnte und von welchem Zeitpunkt an ihm eine Aufnahme der Erwerbstätigkeit zumutbar war (BGH, Urteil vom 26. September 2006 – VI ZR 124/05 -, Rn. 9, juris).

(2)

Für ein Mitverschulden des Klägers und dessen Ursächlichkeit für den Schaden sind die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 116/06 -, Rn. 14, juris). Es obliegt daher ihnen, zu beweisen, dass es dem Kläger nach den gesamten Umständen seiner besonderen Lage möglich und (unter Berücksichtigung seines Alters und seiner Persönlichkeit, Ausbildung und bisherigen Lebensstellung) zumutbar war, eine andere als die ihm infolge des Unfalls unmöglich gewordene Arbeit aufzunehmen (BGH, Urteil vom 23. Januar 1979 – VI ZR 103/78 -, Rn. 12, juris); dazu gehört die Darlegung, welche Art von Arbeiten der Kläger ausüben kann (BGH, Urteil vom 03. März 1998 – VI ZR 385/96 -, Rn. 22, juris).

Aus dieser Beweislastregelung kann aber nicht gefolgert werden, der Verletzte brauche sich selbst nicht um eine Arbeitsaufnahme zu kümmern. Vielmehr trifft ihn in erster Linie die Pflicht, sich ernstlich darum zu bemühen, die ihm verbliebene Arbeitskraft nutzbringend zu verwerten; er kennt seine Fähigkeiten und Neigungen am besten, nur er kann sie – notfalls mit fachkundiger Beratung – testen lassen; zudem verfügt er in der Regel über das bessere Wissen der im Einzugsbereich seines Wohnorts vorhandenen Arbeitsplätze. Die mangelnde Bereitschaft des Verletzten, sich um anderweiten Verdienst zu bemühen, kann bereits eine Verletzung der ihm nach § 254 Abs. 2 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht bedeuten. Freilich ist die Tatsache allein, dass der Verletzte sich nicht bemüht hat, noch kein Beweis dafür, dass seine Bemühungen auch Erfolg gehabt hätten. Muss somit zwar der Schädiger die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 254 Abs. 2 BGB beweisen, so ändert das nichts daran, dass der Verletzte zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Dazu wird er in der Regel, wenn er arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger darüber zu unterrichten haben, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen (ohne allerdings verpflichtet zu sein, insoweit einen Negativ-Beweis erbringen zu müssen), und was er bereits unternommen hat, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu erhalten. Demgegenüber ist es Sache des Schädigers zu behaupten und zu beweisen, dass der Verletzte entgegen seiner Darstellung in einem konkret bezeichneten Fall eine ihm zumutbare Arbeit hätte aufnehmen können. Dabei kann der Tatrichter, insbesondere wenn der Verletzte gar nichts unternommen hat, um die ihm verbliebene Arbeitskraft zu verwerten, je nach der Gestaltung des Falles in Anpassung der Beweislastregelung an die Grundsätze von Treu und Glauben die Regeln des Anscheinsbeweises heranziehen, die unter Umständen sogar bis zur Umkehr der Beweislast führen können. Hat der Schädiger eine konkret zumutbare Arbeitsmöglichkeit nachgewiesen, so wird es Sache des Verletzten sein, um dem Einwand nach § 254 Abs. 2 BGB mit Erfolg zu begegnen, darzulegen und zu beweisen, warum er diese Möglichkeit nicht hat nutzen können. Es ist daher zunächst die Sache des Klägers, im einzelnen darzutun, welche Schritte er unternahm, um eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie seiner sozialen Stellung entsprechende Tätigkeit zu finden (BGH, Urteil vom 23. Januar 1979 – VI ZR 103/78 -, Rn. 12 – 14, juris).

(3)

Der Kläger hat auf Seite 4 der Klageschrift (Blatt 12 der Akte) dargestellt, welchen Maßnahmen er sich unterzog, um seine Erwerbsfähigkeit zu verbessern, und aus welchen Gründen diese Maßnahmen scheiterten. Der Kläger selbst hat daraus den Schluss gezogen, seine berufliche Wiedereingliederung sei gescheitert. Die durchgeführten Heil- und Rehabilitationsmaßnahmen ergeben sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen (Gutachten vom 13.09.2013, Seiten 5 – 9, 13); insgesamt ist daher nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger zumutbare Heilmaßnahmen zur Verbesserung seiner Erwerbsfähigkeit nicht wahrnahm. Außerdem ergibt sich aus den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, dass der Kläger als Folge der erheblichen Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit seiner rechten Hand nicht mehr in der Lage ist, schwerere manuelle Tätigkeiten auszuführen und zudem bei feinmechanischen Tätigkeiten eingeschränkt ist (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 13, 14). Der Kläger hat angegeben, in der Elektrofirma seines Vaters auf 460.- Euro-Basis im Büro mitzuhelfen; entsprechende Einnahmen lässt der Kläger sich auch anrechnen.

Dieser Tatsachenvortrag ist iVm mit den konkreten gutachterlichen Feststellungen ausreichend für die dem Kläger obliegende Schilderung seiner Bemühungen und Fähigkeiten. Es obliegt nun nicht mehr dem Kläger, zu beweisen, dass sein Zustand eine andere nutzbringende Verwertung seiner verbliebenen Arbeitskraft verhindert. Vielmehr ist es nun die Sache der Beklagten, die auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens auch über die hinreichende Tatsachenkenntnis verfügen, darzulegen und zu beweisen, dass und welche Möglichkeiten dem Kläger konkret offenstanden, trotz seiner Einschränkung durch die Aufnahme einer besser bezahlten Erwerbstätigkeit ein höheres Einkommen zu erzielen. Der Senat hat die Beklagten hierauf hingewiesen. In der Stellungnahme der Beklagten findet sich aber nichts zur Aufnahme einer sonstigen zumutbaren Erwerbstätigkeit auf der Grundlage des derzeitigen Gesundheits- und Ausbildungsstandes des Klägers; vielmehr befassen sich die Beklagten mit der Zumutbarkeit der Durchführung einer Umschulung.

(4)

Ein Mitverschulden des Klägers im Rahmen der Umschulung ist ebenfalls nicht zu erkennen.

Aus § 254 Abs 2 kann auch eine Obliegenheit des Geschädigten folgen, sich einer Umschulung zu unterziehen. Die Umschulung muss für den Verletzten allerdings zumutbar sein. Dies ist gegeben, wenn der neue Beruf der bisherigen Tätigkeit und der sozialen Stellung gleichwertig ist und den Neigungen und Fähigkeiten des Verletzten nicht widerspricht. Umschulungen, für die keine Aussicht auf Erfolg besteht, sind unzumutbar (Staudinger – Vieweg, § 842 BGB, Rn. 27, 48). Dabei ist u.a. die Art der Verletzung beachtlich; misslingt die angestrebte Umschulung trotz ernsthaften Bemühens des Verletzten, hat dieser seiner Obliegenheit genügt (BGH, Urteil vom 13. Mai 1953 – VI ZR 78/52 -, Rn. 5, 7, juris).

Die Folgen der unfallbedingt erlittenen Handverletzung sind gutachterlich festgestellt. Der Kläger leidet an einer manifesten posttraumatischen Arthrose des rechten Handgelenkes, die durch praktisch permanente Schmerzen gekennzeichnet ist. Die Umwendebeweglichkeit des rechten Unterarmes und die Beweglichkeit des rechten Handgelenkes sind erheblich eingeschränkt und die Kraft der rechten Hand vermindert. Der Kläger ist nicht mehr in der Lage, schwerere manuelle Tätigkeiten auszuführen und außerdem bei feinmechanischen Tätigkeiten eingeschränkt (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 11 – 14).

Zur Umschulung hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat erklärt, er habe das mit dem Linksschreibtraining wochenlang probiert, aber das habe nicht geklappt. Er habe dann in der Technikerschule mit rechts geschrieben, was aber nicht lange gegangen sei.

Die Hand sei dick geworden und er sei krank geworden. Die HDI habe Hilfestellung leisten wollen mit einem Computer, der es erleichtere, wenn man nur eine Hand benutzen könne. Daraus sei aber nichts geworden. Er sei in einem Zeitraum von 5/6 Wochen mehrfach krank geworden und dann habe die Rentenversicherung erklärt, dass das keinen Sinn mache und den Schulbesuch abgebrochen. Er habe kein weiteres Angebot von der Rentenversicherung bekommen.

Das Scheitern eines ersten Versuches der Umschulung im Jahre 2009 wegen Problemen mit der rechten Hand stellen die Beklagten auch nicht in Abrede. Der weitere Vortrag der Beklagten zur Möglichkeit der weiteren Umschulung auf der Technikerschule setzt die vorangegangene und erfolgreiche Umschulung der Händigkeit von Rechtsschreibung auf Linksschreibung voraus. Auch nach dem Vortrag der Beklagten nahm der Kläger das Linkshand-Training auf und absolvierte es engagiert. Dies passt zu der Angabe des Klägers, dass er es wochenlang probiert habe. Zum Erfolg bzw. zu den Gründen des Scheiterns des Linkshand-Trainings ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten aber nichts, obwohl ihnen ausweislich ihres Vortrages die entsprechenden Informationen zur Verfügung stehen. Es ergibt sich daher aus dem Vortrag der Beklagten weder, dass dem Kläger die Aufnahme der Umschulung in der Technikerschule ab August 2012 tatsächlich offenstand, noch, dass der Kläger im Rahmen dieses Trainings gegen seine Obliegenheiten verstieß.

3.

Des Weiteren hat der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf den hälftigen Ersatz seines Haushaltsführungsschadens, § 11 Satz 1 StVG. Dies ergibt einen Anspruch auf Zahlung von 18.975,80 Euro.

a)

Die Schadensersatzpflicht nach § 11 Satz 1 StVG umfasst auch den Ersatz des Vermögensnachteils durch eine Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten.

Soweit die Haushaltstätigkeit vor der Verletzung Beitrag zum Familienunterhalt gewesen ist, gehört der Haushaltsführungsschaden zu dem Erwerbsschaden im Sinne von § 843 Abs. 1, 1. Alt. BGB. Soweit die Haushaltstätigkeit der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gedient hat, gehört der Ausfall dieser Tätigkeit zur Schadensgruppe der vermehrten Bedürfnisse im Sinne von § 843 Abs. 1, 2. Alt. BGB. In dem einen wie in dem anderen Fall ist der Schaden messbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird oder gezahlt werden müsste (BGH, Urteil vom 08. Oktober 1996 – VI ZR 247/95 -, Rn. 7, juris). Beide Posten zusammen sind Teile eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs (Staudinger – Vieweg, aaO, § 842 BGB, Rn. 123).

Der Schaden ist messbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbaren oder nicht mehr zumutbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (dann Erstattung des Bruttolohns) oder, wenn etwa Familienangehörige oder Freunde einspringen, gezahlt werden müsste (dann ist der Netto-Lohn maßgeblich). Schadensersatz ist in Anlehnung an das Gehalt einer geeigneten Ersatzkraft auch dann zuzubilligen, wenn die anfallenden Arbeiten durch erhöhten eigenen Einsatz – etwa unter Ertragung von Schmerzen oder unter Inkaufnahme einer längeren Arbeitszeit – oder mit Hilfe des Ehepartners oder unentgeltlich von Verwandten oder Freunden bewältigt werden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 – VI ZR 247/88 -, Rn. 8, 13, juris; BGH, Urteil vom 18. Februar 1992 – VI ZR 367/90 -, Rn. 9, 10, juris). Die Darlegung und der Beweis des Haushaltsführungsschadens werden dem Kläger durch § 287 Abs. 1 ZPO erleichtert (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 247/88 -, Rn. 14, juris).

aa)

Der Kläger kann jedenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen, soweit die beeinträchtigte Fähigkeit zur Führung des Haushaltes der Deckung seiner eigenen Bedürfnisse diente (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2006 – 1 U 241/05 -, Rn. 10, juris).

Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Schadensersatz, soweit seine Mitarbeit im Haushalt der Deckung des Bedarfes seiner Lebensgefährtin oder seiner Eltern diente. Der Kläger bewohnte eine Etage seines Hauses in K… zusammen mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind, die andere Etage bewohnten seine Eltern. Dies ist auch nach dem Unfall noch so.

Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nichts dafür, dass er gesetzlich verpflichtet war, durch Leistungen im Haushalt und am Haus zum Unterhalt seiner Eltern beizutragen, §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1612 BGB. Der Kläger war auch seiner Lebensgefährtin gegenüber nicht gesetzlich zum Unterhalt durch Führung des Haushalts verpflichtet (vgl. OLG Celle, Urteil vom 12. Februar 2009 – 5 U 138/08 -, Rn. 14, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 2005 – 5 U 195/05 -, Rn. 15, juris).

Auf eine faktisch oder sittlich begründete Unterhaltsverpflichtung ist im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens nicht abzustellen. Diese Einschränkung ist erforderlich, weil es bei den §§ 842 f. BGB um den Ersatz von Vermögensschäden geht. Das Vermögen kann aber nur dann betroffen sein, wenn durch das Unterbleiben der Hausarbeit für dritte Personen eine bestehende Unterhaltspflicht mit der Folge unerfüllt bliebe, dass der Verletzte an sich gehalten wäre, auf andere Weise seinen Beitrag zum Familienunterhalt zu leisten. Dies ist bei einer faktisch oder sittlich begründeten Unterhaltsverpflichtung nicht der Fall; die weitere Erbringung der Leistungen kann nicht eingefordert werden. Kann die fragliche Hausarbeit nach dem, was die persönliche Überzeugung gebietet, geleistet oder unterlassen werden, so berührt eine Verletzung, die ihre Erbringung unmöglich macht, die Vermögenssphäre nicht (OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 2005, 5 U 195/05, zitiert nach juris, Rn. 16; so auch: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 03. April 2018 – 11 U 93/17 -, Rn. 7, juris; KG, Urteil vom 26. Juli 2010 – 12 U 77/09 -, Rn. 20 – 32, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2006 – 1 U 241/05 -, Rn. 15ff.; OLG Celle, Urteil vom 12. Februar 2009 – 5 138/08 -, Rn. 13, 14; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 12 U 180/15 -, Rn. 13).

Ein Anspruch kann bestehen, wenn die Leistungen zur Haushaltsführung aufgrund einer vertraglichen Regelung erfolgen, insbesondere soweit sie sich als Gegenleistung zur Unterhalts- oder Versorgungsleistung des anderen Partners verstehen. Möglicherweise kommt auch die Qualifizierung als ersatzfähiger Erwerbsschaden unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Haushaltsführung eine sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft des davon betroffenen Partners darstellt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2006, 1 U 241/05, 1 U 241/05, Rn. 23, juris), etwa, weil der Kläger eine wirtschaftliche Gegenleistung erhält (Löhnig, FamRZ 95, 2030, 2031/2032; Pardey, Haushaltsführungsschaden, S. 32). Solche Tatsachen hat der Kläger aber nicht vorgetragen.

Eine Verpflichtung zur Erbringung des Betreuungsunterhaltes besteht aber gegenüber seinem – minderjährigen – Kind, §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Seine Tochter wurde am 11.05.2010 geboren. Die Verpflichtung zur Leistung des Betreuungsunterhaltes bestand daher seitdem bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes am 31.12.2014.

Die Mitarbeit des Klägers ist daher insoweit auszuscheiden, als sie der Deckung des Bedarfes seiner Lebensgefährtin oder seiner Eltern diente. Für den Zeitraum bis zur Geburt seiner Tochter, also für die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 11.05.2010, ist daher auf einen „fiktiven“ Ein-Personen-Haushalt abzustellen. Für die Zeit danach ist auf einen „fiktiven“ Zwei-Personen-Haushalt mit dem Kläger und seinem Kind abzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2006 – 1 U 241/05 -, Rn. 19, juris; OLG Hamm, Urteil vom 16. September 2016 – 9 U 238/15-, Rn. 27, 28, juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 12 U 180/15 -, Rn. 13, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. Januar 2019 – 1 U 158/16 -, Rn. 56, 57, juris).

b)

Für die Feststellung des Ausgleiches, der erforderlich ist, um dem verständig denkenden Menschen in der konkreten Lage des Betroffenen zu dem Zustand zu verhelfen, der dem unbeeinträchtigten Zustand so gut und so weit wie möglich entspricht (Abhilfebedarf, vgl. Pardey, SVR 2018, 81, 83) ist die Gegenüberstellung der Haushaltstätigkeiten, die der Kläger ohne die unfallbedingten Verletzungen weiterhin geleistet haben würde, mit der in Folge des Unfalles eingetretenen Leistungsminderung bzw. mit dem in Folge des Unfalles erforderlichen Mehraufwand maßgeblich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. Januar 2019 – 1 U 158/16 -, Rn. 49, juris). Festzustellen sind die Haushaltstätigkeiten, die der Verletzte nicht mehr oder nur eingeschränkt oder aber nur mit einem Mehraufwand an Arbeit oder Zeit bewältigen kann.

Der Schaden kann in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung anhand der Erfahrungswerte geschätzt werden, die in einem anerkannten Tabellenwerk niedergelegt sind (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 5, juris). Maßgeblich bleibt aber die konkrete Behinderung des Verletzten im Haushalt. Mit dem Rückgriff auf Tabellenwerte erfolgt ein Rückgriff auf Erfahrungswerte, die nicht schematisch übernommen werden dürfen. Die Stundenzahl, für die dem Verletzten eine – gegebenenfalls fiktive – Hilfskraft zugute zu halten ist, entspricht nicht zwangsläufig dem Anteil der abstrakten Minderung der Hausarbeitsfähigkeit an dem statistischen Bedarf. Deswegen kann nicht in abstrakter Weise eine Übertragung der Minderung der Hausarbeitsfähigkeit auf die Tabellenwerte erfolgen (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 – VI ZR 247/88 -, Rn. 10, juris). Der Verletzte muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er infolge des Unfalls nicht wie zuvor in der Lage ist, bestimmte Tätigkeiten im Haushalt zu verrichten. Maßstab für den ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden ist die konkrete haushaltsspezifische Behinderung des Verletzten. Dazu ist grundsätzlich die konkrete Lebenssituation darzustellen, um gemäß § 287 ZPO beurteilen zu können, nach welchen wesentlichen Auswirkungen auf die Hausarbeit sich der Haushaltsführungsschaden berechnen lässt. Die Darlegung wird nicht durch einen Verweis auf eine abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit oder eine entsprechende Einschränkung der Haushaltsführungstätigkeit entbehrlich. Um den Haushaltsführungsschaden berechnen bzw. schätzen zu können, ist es jedenfalls erforderlich, dass der Anspruchsteller darlegt, welche Arbeitsleistungen er in seinem konkreten Haushalt vor dem Schadensereignis tatsächlich erbracht hat und in welchem Umfang er bei diesen Tätigkeiten durch die Verletzung nunmehr gehindert ist. Der Umstand, dass das Gericht bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens auf Tabellenwerke zurückgreifen kann, macht einen detaillierten Sachvortrag zu den vorbezeichneten Umständen nicht entbehrlich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. Januar 2019 – 1 U 158/16 -, Rn. 49, juris). Es ist auf die konkrete Behinderung in den einzelnen Haushaltsbereichen abzustellen. Dazu ist zunächst auf Grund entsprechenden Vortrages der Partei festzustellen, welche Hausarbeiten der Verletzte tatsächlich ohne das Unfallereignis verrichtet hätte. Sodann ist vom Verletzten darzulegen und ggf. anschließend Beweis dazu zu erheben, welche dieser Arbeiten unfallbedingt nicht mehr möglich oder zumutbar sind und auch nicht durch den Einsatz von Haushaltstechnik oder Umorganisation kompensierbar sind. Anschließend wird die Zeit geschätzt, die eine Hilfskraft für die Erledigung dieser Arbeiten benötigen würde, welche sodann mit dem ortsüblichen Stundenlohn für Hilfskräfte bewertet wird (OLG Celle, Urteil vom 26. November 2008 – 14 U 45/08 -, Rn. 35, juris). Dazu muss der Verletzte vortragen, welche Tätigkeiten er im Haushalt vor dem Unfall verrichtet hat, infolge des Unfalls aber überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben und nicht anderweitig (zumutbar) ausgleichen kann (OLG Celle, Urteil vom 14. Dezember 2006 – 14 U 73/06 -, Rn. 26 – 28, juris; vgl. a. OLG Koblenz, Urteil vom 03. Juli 2003 – 5 U 27/03 -, Rn. 28 – 30, juris). Hierzu gehört die Darstellung, welche Beeinträchtigungen es erschweren oder hindern, welche bestimmten Tätigkeiten in welchem Umfang auszuführen (Pardey, SVR 2018, 165). Die Darlegung muss aber nicht spezifizierter erfolgen, als ausreichend ist, um den erforderlichen Aufwand und die erforderliche Qualifikation unter Zuhilfenahme der anerkannten Tabellenwerke einzuschätzen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1992 – VI ZR 367/90 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 9, juris).

Erforderliche Anknüpfungstatsachen sind als wesentliches Indiz für den hypothetischen Verlauf ohne den Unfall die konkrete Arbeit und der konkrete Umfang der vor der Verletzung von dem Verletzten übernommenen Arbeiten (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 9, juris) und der Zuschnitt des zu versorgenden Haushaltes (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 9, juris).

c)

Der Zeitaufwand, den der Kläger selbst vor dem Unfall in seinem Haushalt geleistet hat und ohne die unfallbedingten Verletzungen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2006 bis zum 31.12.2014 weiterhin geleistet haben würde, ist mit wöchentlich 25 Stunden anzusetzen.

(1)

Vor dem Unfall hatte der Kläger in W… gearbeitet und war deswegen an 5 Tagen der Woche in W… und an 2 Tagen in K…. Der Unfall ereignete sich am 01.05.2006. Der Kläger gab in der Anhörung vor dem Senat an, im Jahre 2007 seine Wohnung in W… aufgegeben zu haben. Die doppelte Haushaltsführung blieb daher jedenfalls im Jahre 2006 aufrechterhalten; die Weiterführung über einen bestimmten Zeitraum auch im Jahre 2007 lässt sich anhand der unbestimmten Angabe des Klägers hingegen nicht feststellen.

(2)

Die Tätigkeiten, die der Kläger in seinen zwei Haushalten vor dem Unfall übernommen hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26.11.2015 (Blatt 166 – 170 der Akte) beschrieben. Neben den unmittelbar haushaltsbezogenen Tätigkeiten gehören auch Gartenarbeiten und Reparaturarbeiten an Haus und Hof zum ersatzfähigen Bedarf (BGH, Urteil vom 06. Juni 1989 – VI ZR 66/88 -, Rn. 10 – 15, juris). Die Beschreibung der Tätigkeiten ist entgegen der Auffassung des Landgerichtes nach Art und Umfang hinreichend konkret, da im Einzelnen dargestellt wird, welche Tätigkeiten der Kläger in Haus und Garten ausführte und welchen Zeitaufwand diese Tätigkeiten durchschnittlich erforderten. Es kann angenommen werden, dass der Kläger sich in dem Umfang, in dem er Tätigkeiten in seinem Haushalt in W… ausführte, im Falle der Aufgabe des zweiten Haushaltes auch in K… am Haushalt beteiligt hätte, da keine Anhaltspunkte für eine andere Aufteilung des Haushaltes bestehen. Da der Kläger vor dem Unfall sowohl in W… als auch in K… in seiner eigenen Wohnung seinen eigenen Haushalt führte und er nach dem Unfall in K… weiterhin seine eigene Wohnung hat, ist von einer eigenständigen vollumfänglichen Führung des eigenen Haushalts – nach Geburt des Kindes einschließlich der Betreuung des Kindes – auszugehen. Der Zuschnitt des zu versorgenden Haushalts ergibt sich aus der Beschreibung des Gartens (Schriftsatz vom 23.03.2015, Seite 5, Blatt 13 der Akte) und der Wohnung (Schriftsatz vom 26.11.2015, Seite 4, Blatt 169 der Akte). Der Kläger hat einen Geschirrspüler, eine Waschmaschine und einen Staubsauger. Beheizt werden die Räume durch eine zentrale Holzheizung, für die das Holz besorgt und zugeschnitten werden muss (Anhörung des Klägers am 24.03.2021, Blatt 471 der Akte).

(3)

Die Angabe des Klägers, er habe vor dem Unfall etwa 2,5 Stunden pro Woche für den Einkauf aufgewandt, hat sich in der Beweiserhebung bestätigt. Der Zeuge J… K… hat hierzu angegeben, der Kläger habe, wenn er am Wochenende dagewesen sei, so vielleicht 2 – 3 Stunden eingekauft. Die Zeugin H… K… hat ausgesagt, der Kläger habe das Einkaufen vor dem Unfall selbst erledigt, nach dem Unfall hätten sie und ihr Ehemann das erledigen müssen, wofür sie zu Beginn der Woche vielleicht eine Stunde und am Wochenende nochmals ca. zwei Stunden aufwenden müssten.

Die Zeugen J… K… und H… K… haben auch bestätigt, dass der Kläger den Garten des Anwesens vor dem Unfall alleine bearbeitete, wozu Rasenfläche, Beete und Gewächshaus gehörten, sowie Arbeiten an Haus und Hof erledigte. Sämtliche Zeugen bestätigten, dass der Kläger neben dem Zeugen J… K… und dem Zeugen H… K… das Brennholz beschaffte und bearbeitete, welches für den Betrieb der Holzvergaserheizung des Hauses in K… benötigt wurde, was hieß, das Holz im Wald nach den Angaben es Försters zu schlagen, zu zerteilen, zu transportieren, zu spalten und zu schichten.

Die Zeugin H… K… hat bestätigt, dass der Kläger nach den Operationen Hilfestellung bei der Körperpflege benötigte, vor dem Unfall selbst vollumfänglich und aufwändig in seinem Haushalt kochte und seine Wohnung reinigte, wobei er, wie die Zeugin schilderte „sehr pingelig“ war.

Die Aussagen ergeben für den Senat das Bild, dass die Beschreibung der Tätigkeiten, die der Kläger vor dem Unfall vornahm, wie sie im Schriftsatz vom 26.11.2015 enthalten ist, zutrifft.

(4)

Nimmt man die Zeitangaben des Klägers zusammen, so ergibt sich ein wöchentlicher Zeitbedarf für die Haushaltsführung von 38,5 Stunden. Was die schwereren Arbeiten im Garten, an Haus und Hof sowie zur Brennstoffbeschaffung angeht, ergab die Beweiserhebung das Bild, dass der Kläger seine Zeit an den Wochenenden durchaus überwiegend mit solchen Arbeiten verbrachte und tatsächlich, wie auch die Zeugin H… K… ausgesagt hat, etwa 1 – 1,5 Tage im Durchschnitt mit solchen Tätigkeiten pro Woche verbrachte. Auch darüber ergab sich aus den Zeugenaussagen insgesamt das Bild, dass der Kläger bei der Selbstversorgung, der Reinigung der Wohnung, der Arbeit an Haus, Hof und Garten sowie der Sicherung der Brennstoffversorgung aktiv und engagiert beteiligt war.

Die Arbeiten in Garten, Brennholzbeschaffung, zur Haus- und Grundstückspflege dienen ihrer Art nach aber zugleich der Deckung des Bedarfs der Eltern des Klägers, wie sich aus den Angaben des Klägers in seiner Anhörung ergibt. Da einzelne Leistungen insoweit nicht trennbar nur dem eigenen Bedarf des Klägers dienen, ist eine Reduzierung des Aufwandes nach Kopfteilen vorzunehmen (vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 31. März 2013 – 4 U 349/11 -, Rn. 49, juris; Saarländisches OLG, Urteil vom 26. Februar 2015 – 4 U 26/14 -, Rn. 72, juris). Dies führt zur Drittelung des Aufwandes, da der Kläger mit seinen Eltern zu dritt im Haus lebt. Da der Kläger den Zeitaufwand für diese Tätigkeiten angesichts der Zeugenaussagen zutreffend mit zusammen 15 Stunden wöchentlich bewertete, sind hiervon nur 5 Stunden anzusetzen, was sodann zu einem wöchentlichen Zeitaufwand von 28,5 Stunden führt.

(5)

Soweit keine zweifelsfreie Feststellung des konkreten Zeitbedarfes im Einzelfall möglich ist, kann das Gericht sich ergänzend an den statistischen Angaben in einem anerkannten Tabellenwerk orientieren. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung vor, können solche Erfahrungswerte im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens genutzt werden (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 5, juris). Die statistisch gefundenen Mittelwerte der Tabellen können als Korrektiv zur Überprüfung der Angaben im Einzelfall dienen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Januar 2005 – 7 U 78/02 -, Rn. 37, juris).

(5.1)

In der Rechtsprechung sind zunächst die von Pardey fortgeführten Tabellen (Pardey, der Haushaltsführungsschaden) anerkannt (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 5, juris; Saarländisches OLG, Urteil vom 01. Juni 2017 – 4 U 122/16, Rn. 76). Ergänzend können Erkenntnisse auch aus veröffentlichten Statistiken des Statistischen Bundesamtes oder aus der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung gewonnen werden (Pardey, SVR 2018, 165, 170). Diese finden sich in der 9. Auflage von Pardey abgedruckt.

(5.2)

Statistische Werte für den Zeitraum 01.05.2006 – 10.05.2010 (fiktiver Ein-Personen-Haushalt):

Die 9. Auflage des Pardey enthält in Tabelle 3 einen Nachdruck der Tabellen aus der 8. Auflage und verweist wegen Einzelheiten auf die 8. Auflage. Mangels konkreter abweichender Angaben kann von der Anspruchsstufe 2 (mittlere Anforderungen an die Haushaltsführung) ausgegangen werden. Tabelle 1 weist für diesen Fall und den männlichen Haushaltsführenden eine wöchentliche Arbeitszeit von 20,4 Stunden für Erwerbstätige aus. Da nach den Angaben des Klägers in seiner Anhörung vor dem Senat ein Geschirrspüler und eine Waschmaschine im Haushalt vorhanden sind, kommt nach Tabelle 3 ein Abschlag von 0,7 Stunden wöchentlich in Betracht. Für die Größe der Wohnung von insgesamt 117 qm kommt ein Zuschlag von 1 Stunde wöchentlich in Betracht, ausgehend von einem Zuschlag von 0,6 nach Tabelle 3 für bestimmte Räume der Wohnung. Für die Unterhaltung des Holzofens kommt nach Tabelle 3 ein Zuschlag von 0,7 Stunden wöchentlich in Betracht. Für den Obst- und Gemüseanbau im Garten mit einer Fläche von 400 qm kommt ein Zuschlag von 0,01 Stunden wöchentlich pro qm, mithin 4 Stunden wöchentlich in Betracht. Je nach Umfang der selbst vorgenommenen Reparaturen und Renovierungsarbeiten kommt ein Zuschlag von 3 Stunden wöchentlich in Betracht (OLG Celle, Urteil vom 06. Oktober 2010 – 14 U 55/10 -, Rn. 55, juris). Insgesamt käme daher statistisch der Ansatz einer wöchentlichen Hausarbeitszeit von ca. 28 Stunden in Betracht.

(5.3)

Statistische Werte für den Zeitraum 11.05.2010 – 31.12.2014 (fiktiver Zwei-Personen-Haushalt mit einem Kleinkind):

Tabelle 1 weist für einen Zwei-Personen-Haushalt eines erwerbstätigen Mannes eine wöchentliche Arbeitszeit von 29,2 Stunden aus. Tabelle 4 weist für die Betreuung und den Unterhalt eines Kleinkindes einen zusätzlichen Bedarf zwischen 16,2 und 29,4 Stunden wöchentlich aus. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger ohne den Unfall zur Betreuung seines Kindes nur das Wochenende zur Verfügung gehabt hätte. Der statistische Ansatz ist daher auf 2/7 zu reduzieren, mithin auf einen Umfang zwischen 4,62 Stunden und 8,4 Stunden wöchentlich. Im Übrigen verbleibt es bei den unter (2) dargestellten Ansätzen. Insgesamt käme daher statistisch der Ansatz einer wöchentlichen Hausarbeitszeit von ca. zwischen 33 und 38 Stunden wöchentlich in Betracht, wovon auf den geringere Wert von 33 Stunden abzustellen wäre, da der Kläger, wie er in seiner Anhörung vor dem Senat erläuterte, seine Tochter nicht alleine in seinem Haushalt versorgte, sondern in Ergänzung zu seiner Lebensgefährtin.

(6)

Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, der selbst für die Zeit vor und nach der Geburt seiner Tochter keinen Unterschied im Zeitaufwand darstellt, der Zeugenaussagen und der statistischen Erfahrungswerte ist der Zeitaufwand, der für die Tätigkeiten des Klägers im Haushalt, im Garten und an Haus und Hof anzusetzen ist, unter auf wöchentlich 25 Stunden zu schätzen. Damit wird berücksichtigt, dass die Zeitangaben des Klägers oberhalb der statistischen Werte gelegen haben und durch die Zeugen nicht konkret bestätigt werden konnten und dass unter Berücksichtigung der Drittelung der auf Haus, Hof und Garten entfallenen Zeit eine Verringerung des Ansatz gegenüber den statistischen Werten nahe liegt.

d)

Der Zeitbedarf zum Ausgleich der in Folge des Unfalles eingetretenen Leistungsminderung ist für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2006 – 31.12.2014 mit 4.928,78 Stunden anzusetzen.

aa)

Der Grad der Minderung der Hausarbeitsfähigkeit ist aus der konkreten Art und dem konkreten Umfang der unfallkausalen körperlichen Beeinträchtigungen herzuleiten (BGH, Urteil vom 10.10.1989, VI ZR 247/88, Rn. 11 – 13; BGH, Urteil vom 03.02.2009, VI ZR 183/08, zitiert nach juris, Rn. 9; OLG Koblenz, Urteil vom 26.03.2002, 27 U185/01, zitiert nach juris, Rn. 18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.2011,1 U 236/10, zitiert nach juris, Rn. 69, 89, 97).

bb)

Auch die Beeinträchtigungen bei der Führung des Haushaltes hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 26.11.2015 (Blatt 166 – 170 der Akte) hinreichend beschrieben, indem er jeweils dargelegt hat, welchen nachteiligen Einfluss die Verletzung seiner rechten Hand auf die Ausführung der jeweiligen Tätigkeiten hatte.

cc)

Der Tatsachenvortrag des Klägers wird zunächst durch die Feststellungen des Landgerichtes zu den Verletzungen und Verletzungsfolgen und das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung gestützt. Der Kläger erlitt durch den Unfall die auf Seite 3 des angefochtenen Urteils aufgezählten Verletzungen; der gerichtlich bestellte Sachverständige hat auch den bestrittenen Fersenbeinbruch bestätigt (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 4, 5; 12, 13). Der Fersenbeinbruch ist ohne längerfristige Auswirkungen verheilt (Gutachten vom 13.09.2019, Seite 13), der Speichenbruch führte aber zu Dauerfolgen (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 4, 5 – 9, 11, 12, 13, 14). Aus den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ergibt sich, dass der Kläger als Folge der erheblichen Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit seiner rechten Hand nicht mehr in der Lage ist, schwerere manuelle Tätigkeiten auszuführen und zudem bei feinmotorischen Tätigkeiten eingeschränkt ist (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 13, 14).

Auch die Zeugen habe die Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand bestätigt. Der Zeuge J… K… hat ausgesagt, der Kläger habe Probleme, wenn er mit der rechten Hand zugreifen müsse, das werde dann alles dick. Der Kläger mähe im Garten allenfalls noch den Rasen, wobei er selbst die vorbereitenden Arbeiten machen und den Rasenschnitt entsorgen müsse. Bei der Bereitung von Brennholz sei der Kläger nur noch Zuschauer. Die Zeugin H… K… hat ausgesagt, nach dem Unfall hätten sie und ihr Ehemann für den Kläger einkaufen müssen. Der Kläger könne seit vielen Jahren mit der rechten Hand nichts Schweres mehr heben oder tragen. Direkt nach der OP habe sie ihm beim Waschen helfen müssen. Auch das Kochen gehe schlecht mit nur einer Hand. Nach dem Unfall habe sie seine Wohnung sauber gehalten und sich um die Wäsche gekümmert. Dann sei es mit seiner gesundheitlichen Entwicklung besser geworden und er mache jetzt auch einiges selbst. Er brauche weiterhin Hilfe bei der Wäsche und der Heizung und sie wische bei ihm noch durch und putze die Fenster. Es kämen sicherlich weiterhin 3 – 4 Stunden zusammen, die sie für ihn tätig werde. Der Zeuge H… K… hat ausgesagt, er habe mit seinem Vater zusammen nach dem Unfall die Arbeit in Haus und Hof übernommen. Nach dem Unfall sei die Hand des Klägers in einer Schonhaltung fixiert gewesen und er habe eine gefühlte Ewigkeit mit der Hand nichts machen können. Er könne weiterhin mit der Hand nicht richtig arbeiten, leichte Handgriffe gingen.

Der Kläger selbst hat in seiner Anhörung erklärt, dass es im Haushalt schon gehe, weil er sich umstelle und vieles mit links mache. Aber alles draußen, wo man richtig zupacken müsse, könne er nicht mehr machen.

dd)

Auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweiserhebung ist der für den Ausgleich der unfallbedingten Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand erforderlichen Zeitaufwand für den streitgegenständlichen Zeitraum bis einschließlich 31.12.2014 mit 4.928,78 Stunden anzusetzen.

(1)

Für die Zeiträume der unfallbedingten Abwesenheiten des Klägers wegen stationärer Behandlungen ist unabhängig von der konkreten haushaltsspezifischen Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers von seinem Ausfall zu 100% auszugehen.

Dies betrifft die stationären Aufenthalte im KKH U… vom 01.05.2006 – 06.05.2006 und 08.11.2006/09.11.2006, im Universitätsklinikum J… vom 23.05.2007 – 25.05.2007, 05.09.2007 – 09.09.2007 und 13.06. – 15.06.2010, im Helios Kreiskrankenhaus G… vom 18.11.2008 – 21.11.2008 (Urteil LG Seite 3; Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 3, 5 – 8). Bei einem wöchentlich anzusetzenden Zeitaufwand von 25 Stunden (siehe oben) entfallen auf einen Wochentag durchschnittlich 3,57 Stunden. Auf die stationären Aufenthalte von zusammen 22 Tagen entfallen damit 78,54 Stunden.

Während der Zeit einer stationären Behandlung ist der Haushaltsführungsschaden in einem Ein-Personen-Haushalt naturgemäß deutlich reduziert und beschränkt sich im Allgemeinen auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen. Da viele Haushaltsarbeiten bei vollständiger Abwesenheit nicht anfallen, ist insbesondere der Aufwand für „Haushaltsführung und Organisation“ in dieser Zeit reduziert. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass während der vollständigen Abwesenheit des alleinigen Bewohners der Reinigungsbedarf auf ein Minimum reduziert ist. Der übliche Zeitbedarf für die Position „Ernährung“ ist während der Zeit der stationären Aufenthalte wegen der bestehenden Vollverpflegung unberücksichtigt zu lassen. Dies betrifft sowohl die üblicherweise anfallende Zeit für Essenszubereitung und Geschirrspülen als auch den Zeitaufwand für den Einkauf von Nahrungsmitteln und anderen Artikeln (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 7, juris). Es verbleibt ein gewisser Zeitbedarf für die Betreuung der Wohnung und für weiterhin anfallende Einzeltätigkeiten der Haushaltsführung, wie z. B. die Erledigung der Wäsche (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 31. März 2009 – 4 U 26/08 – 10, 4 U 26/08 -, Rn. 95, juris). Hierfür kann von einem verbleibenden Zeitaufwand von 15% der ansonsten anfallenden Zeit ausgegangen werden (Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 7. A., Seite 85, 86), der BGH hat daher nicht beanstandet, dass von ansonsten 21,7 h noch 3 h angesetzt werden (BGH, Urteil vom 03. Februar 2009 – VI ZR 183/08 -, Rn. 7, juris). Dies ist vorliegend auch für die Zeit nach der Geburt der Tochter des Klägers abweichend anzusetzen. Zwar verändert die stationäre Behandlung eines Familienmitgliedes bei einem Mehr-Personen-Haushalt den Gesamtaufwand für die Haushaltsführung in aller Regel nur unwesentlich (Gräfenstein/Strunk, NZV 2020, 176, 180), so dass die ersparten Aufwendungen können daher im 2-Personen-Haushalt mit 20 % geschätzt werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 22 U 97/16 -, Rn. 56, juris). Dies ist auf den vorliegenden Fall aber nicht zu übertragen, weil die Tochter des Klägers in den Zeiten seiner Abwesenheit nicht im Haushalt des Klägers verblieb, sondern in demjenigen seiner Lebensgefährtin, bei der sie wohnte, wie der Kläger in seiner Anhörung erklärte.

Für die Zeiten der stationären Behandlungen ist daher ein Zeitbedarf von 78,54 Stunden x 15% = 11,78 Stunden anzusetzen.

(2)

Bei den Arbeiten im Garten, an Haus und Hof und bei der Brennstoffbeschaffung fällt der Kläger, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, vollständig aus. Hierfür ist daher – wie oben bereits dargelegt – unter Berücksichtigung der Mitversorgung seiner Eltern ein Zeitbedarf von 5 Stunden wöchentlich anzusetzen. Dies ergibt für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2006 – 31.12.2014 einen Zeitbedarf von 2.235 Stunden (450 Wochen – 3 Wochen (s.o.) x 5 Stunden)

(3)

Für den übrigen Zeitaufwand ist, wie es der Kläger auch geltend macht, ein Hilfebedarf im Umfang von 30% des verbleibenden Zeitaufwandes – von noch 20 Stunden (siehe oben) – anzusetzen. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger seine rechte Hand bei Heben, Tragen und sonstigen schwereren Tätigkeiten nicht mehr einsetzen kann und darüber hinaus auch in Bezug auf feinmechanische Tätigkeiten erheblich eingeschränkt ist, wie durch das Gutachten vom 13.09.2019 bestätigt wurde, so dass dem Kläger im Wesentlichen nur seine linke Hand verbleibt, um Arbeiten im Haushalt auszuführen (zur entsprechenden MdH vgl. a. Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 8. A., Tabelle 7.2).). Dies kann insbesondere auch auf die Angaben der Zeugin H… K… gestützt werden, die den Kläger seit dem Unfall bei der Führung des Haushaltes unterstützte und den dafür erforderlichen Zeitaufwand mit 3 – 4 Stunden wöchentlich angegeben hat. Da der Kläger darüber hinaus zudem bei den ihm verbleibenden Aufgaben erheblich eingeschränkt ist, ist der Ansatz von wöchentlich 6 Stunden zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Dies ergibt für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2006 – 31.12.2014 einen Zeitbedarf von 2.682 Stunden (450 Wochen – 3 Wochen (s.o.) x 6 Stunden).

e)

Als für den erforderlichen Ausgleich notwendiger Geldbetrag ist ein Betrag von 7,70 Euro/Stunde anzusetzen.

aa)

Der schadensrechtlich zu ersetzende Wert der Haushaltstätigkeit ist an der Entlohnung messbar, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird oder gezahlt werden müsste (BGH, Urteil vom 08. Oktober 1996 – VI ZR 247/95 -, Rn. 7, juris). Wird eine Hilfskraft entlohnt, besteht der Schaden im gezahlten Bruttolohn. Ansonsten orientiert sich der Schaden am Nettolohn (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 – VI ZR 247/88 -, Rn. 8, juris). Dieser kann vereinfacht mit einem Abschlag von 30 % von der Brutto-Vergütung (ohne Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) angesetzt werden (BGH, Urteil vom 08. Februar 1983 – VI ZR 201/81 -, Rn. 13, juris).

bb)

Angesichts der Größe und Ausstattung der Wohnung, die der Kläger beschrieben hat und deren Größe mit etwa 100 qm auch die Zeugin H… K… bestätigt hat, und angesichts dessen, dass der Kläger neben seiner Lebensgefährtin täglich auch seine Tochter zu betreuen hat, ist von einem Haushalt mittlerer Anforderungen mit einem Kleinkind auszugehen und der maßgebliche Stundenlohn nach der Entgeltgruppe 2 des TVöD für die neuen Bundesländer zu bestimmen (Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 8. A., Tabelle 7.2). Dies ergibt für wöchentliche Arbeitszeiten zwischen einer Stunde und 40 Stunden:

Ab 01.01.2009: 10,69 Euro brutto

01.01.2011 – 31.07.2011: 10,88 Euro brutto

Ab 01.05.2011: 10,94 Euro brutto

Ab 01.03.2012: 11,32 Euro brutto

01.08.2013 – 28.02.2014: 11,64 Euro brutto

01.03.2014 – 28.02.2015: 12,17 Euro brutto

Da der Bedarf des Klägers über den gesamten Zeitraum gleich blieb, kann zur Vereinfachung der Berechnung der Durchschnittswert von 11.- Euro brutto = 7,70 Euro netto angesetzt werden.

f)

Damit ergibt sich für den Zeitraum vom 01.05.2006 – 31.12.2014 ein Betrag von 37.951,61 Euro (4.928,78 Stunden x 7,70 Euro), den der Kläger zur Hälfte ersetzt verlangen kann. Der Kläger hat damit einen Anspruch auf Zahlung von 18.975,80 Euro.

4.

Gemäß § 11 Satz 2 StVG hat der Kläger Anspruch des Klägers auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Das angemessene Schmerzensgeld beträgt im vorliegenden Falle 15.000.- Euro, so dass der Kläger Anspruch auf Zahlung weiterer 11.500.- Euro hat, nachdem er bereits eine Zahlung von 3.500.- Euro erhalten hatte.

a)

Gemäß § 11 Satz 2 StVG hat der Kläger Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld.

Bei dessen Bemessung sind grundsätzlich die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes zu berücksichtigten (Palandt – Grüneberg, aaO, § 253 BGB, Rn. 4). Das Gewicht der Genugtuungsfunktion tritt bei einem durch einfache Fahrlässigkeit mitverursachten Verkehrsunfall allerdings weitgehend in den Hintergrund (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Oktober 2011 – 1 U 236/10 -, Rn. 107, juris; OLG Celle, Beschluss vom 23. Januar 2004 – 14 W 51/03 -, Rn. 3, 4, juris). Entscheidend für die Bemessung der billigen Entschädigung in Geld ist daher vor allem das Gewicht der Verletzungen und Verletzungsfolgen. Ergänzend ist das Maß der beiderseitigen Mitverursachung zu berücksichtigen. Der Sachverhalt ist dabei auch anhand von Vergleichsentscheidungen einzuordnen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1969 – VI ZR 111/68 -, Rn. 132, juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 04. November 2010 – 12 U 35/10 -, Rn. 28, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 02. September 2004 – 7 U 28/04 -, Rn. 4, 17, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in den Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfälle in der Regel nur den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung bilden, nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen und keine verbindlichen Präjudizien sind (OLG München, Urteil vom 11. April 2014 – 10 U 4757/13 -, Rn. 47 – 50, juris).

b)

Die unfallbedingt erlittenen Verletzungen und Verletzungsfolgen ergeben sich aus den Feststellungen des Landgerichtes (UA Seite 3) und des Gutachters (Gutachten vom 13.09.2019, Seiten 5 – 9; 11 – 14).

Von der Handgelenksfraktur als der zentralen Verletzung ausgehend, ergeben sich die folgenden Vergleichsentscheidungen:

OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.04.2016 – 4 U 76/15 -: 16.000.- Euro bei Haftung zu 100% und vergleichbaren Dauerfolgen

OLG Koblenz, Urteil vom 06.01.2016 – 5 U 1148/15: 15.000.- Euro bei Haftung zu 100% ohne Feststellung zu einer Berufsunfähigkeit

OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.2016 – 12 U 35/16: 15.000.- Euro bei Haftung zu 100% und MdE von 20% ohne Feststellung zu einer Berufungsunfähigkeit

In Anbetracht des Zeitablaufes seit diesen Vergleichsentscheidungen und unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger mit der Knochenkontusion und dem Fersenbeinbruch weitere Verletzungen erlitt und seinen Beruf aufgeben musste, ist der Schmerzensgeldbetrag im Verhältnis zu den genannten Vergleichsentscheidungen und zunächst ohne Berücksichtigung des klägerischen Mitverschuldens auf 25.000.- Euro anzuheben. Dieser Betrag ist aber unter Berücksichtigung der Mitverursachung durch den Kläger angemessen zu reduzieren, was zur Festsetzung des Betrages von 15.000.- Euro führt.

5.

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugszinsen beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

6.

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger für künftigen materiellen und immateriellen Schaden hälftigen Ersatz zu leisten.

1)

Der Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftigen materiellen Schadens ist gegeben. Nach den gutachterlichen Feststellungen besteht ein körperlicher Dauerschaden, so dass künftige Schadensfolgen – etwa in Bezug auf die Haushaltsführung und den Erwerbsschaden – möglich sind, was für die Feststellung genügt (Zöller – Greger, ZPO, 33. A., § 256 ZPO, Rn. 9; BGH Urteil vom 23. April 1991 – X ZR 77/89 -, Rn. 7, juris).

2)

Auch der Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger immaterieller Schäden ist gegeben.

a)

Verlangt ein Kläger für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den zuerkannten Betrag alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen. Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, werden von der vom Gericht ausgesprochenen Folge nicht umfasst und können deshalb die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld sein (BGH, Urteil vom 20. Januar 2015 – VI ZR 27/14 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15 -, Rn. 6, juris). Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist daher nur dann zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass künftig weitere, bisher nicht erkannte und nicht voraussehbare Leiden auftreten (Palandt – Grüneberg, BGB, 80. A., § 253 BGB, Rn. 25; KG Berlin, Urteil vom 12. September 2002 – 12 U 9590/00 -, Rn. 103, juris).

b)

Der verletzungsbedingte Zustand des Klägers ist gutachterlich festgestellt.

Aus dem Gutachten vom 13.09.2019 ergibt sich ein Zustand mit permanenten Schmerzen (Seite 14). Des Weiteren wurde dem Kläger bereits die Versteifung des Handgelenkes empfohlen (Gutachten vom 13.09.2019, Seite 8), wozu der Klägers sich bislang nicht entschlossen hat, was aber angesichts des schmerzhaften Dauerzustandes nicht ausgeschlossen ist. Dies würde einer weitere Operation und eine Veränderung des Dauerzustandes bedingen, weshalb auch weitere Leiden des Klägers möglich sind, deren Eintritt bislang nicht feststeht.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

 

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