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Verkehrsunfall – Vortrag zur Reparatur des Vorschadens am Fahrzeug

LG Essen – Az.: 19 O 96/18 – Urteil vom 16.04.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit der Behauptung, es habe sich am … gegen 18.20 Uhr in C auf der G-Straße in Höhe der Hausnummer … ein Verkehrsunfall ereignet, an dem ein in seinem Eigentum stehendes Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie ein Versicherungsnehmer der Beklagten beteiligt gewesen sei, Schadensersatz. Der Versicherungsnehmer der Beklagten habe den Unfall wegen eines plötzlichen und unvorhersehbaren Spurwechsels allein schuldhaft verursacht.

Das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs Seat Alhambra war bereits etwa acht Monate zuvor, am …, in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem vor allem die linke Fahrzeugseite schwer beschädigt worden war. Der damals beauftragte Privatgutachter hatte bei Reparaturkosten in Höhe von 32.369,47 Euro netto, einem Wiederbeschaffungswert von 30.250,- Euro und einem Restwert von 8.000,- Euro einen wirtschaftlichen Totalschaden festgestellt. Zum Schadenumfang hat er ausgeführt:

„Bei dem Schadenereignis wurde das vorstehend näher erwähnte Kraftfahrzeug an der linken Fahrzeugseite, schwerpunktmäßig im vorderen Bereich, stark beschädigt und deformiert. Die Stauchungsmerkmale erstrecken sich über den linken Kotflügel und die Türen bis in die linke A-und B-Säule des Fahrzeugs. Das vordere linke Radhaus wurde aufgestaucht. Die linke Vorderachshälfte sowie die Lenkung mit ihren Lenkorganen wurden offensichtlich beschädigt. Die linken Kopf-, Front- und Knieairbags sowie der Beifahrerairbag und die Gurtstraffer haben ausgelöst. Die rechte Fahrzeugseite wurde lackbeschädigt bzw. eingedellt. Weiterhin sind diverse Karosserie- und Anbauteile in Mitleidenschaft gezogen worden.“

Der Kläger hat zunächst mit vorgerichtlichem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.02.2018 Folgendes vortragen lassen:

„Nach Rücksprache teilt unser Mandant mit, dass das Fahrzeug in seiner Besitzzeit keinen Unfallschaden neben dem hier streitgegenständlichen Schaden erlitten hatte.

Verkehrsunfall - Vortrag zur Reparatur des Vorschadens am Fahrzeug
(Symbolfoto: KONSTANTIN_SHISHKIN/Shutterstock.com)

Der Verkäufer unseres Mandanten habe unserem Mandanten jedoch mitgeteilt, dass das Fahrzeug einen Schaden an der linken Seite erlitten habe.Was genau, kann unser Mandant nicht angeben. Auch das entsprechende Sachverständigengutachten liegt unserem Mandanten nicht vor. “

Nach gerichtlicher Auflage zur zunächst beklagtenseits bestrittenen Aktivlegitimation hat der Kläger sodann unter Beibringung eines Kaufvertrags für gebrauchte Kraftfahrzeuge vortragen lassen, er habe das streitgegenständliche Fahrzeug am 08.07.2017 zum Kaufpreis von 12.650,- Euro von dem Verkäufer B aus F gekauft. Zugleich hat er ein Foto beigebracht, das offensichtlich aus dem Vorschadensgutachten stammt und den massiven Vorschaden mit dem Schwerpunkt vorn links visuell dokumentiert.

Nach weiterer gerichtlicher Auflage zur Aktivlegitimation hat der Kläger sodann vortragen lassen, dass die Firma B von ihm selbst betrieben werde. Von dieser habe er das Fahrzeug aus dem Firmenvermögen für private Zwecke zum Preis von 12.000,- Euro angekauft. Der Kläger bezieht sich auf einen von ihm beigebrachten Kaufvertrag zwischen der Fa. B und einem in T ansässigen Händler. Dieser Kaufvertrag trägt das Datum 19.06.2017. Unter „besondere Vereinbarungen“ ist handschriftlich eingetragen: „Totalschaden gem. Gutachten.“

Zu der von ihm durchgeführten Reparatur schreibt der Kläger in einer an seinen Prozessbevollmächtigten adressierten E-Mail vom 18.02.2019:

„Stoßstange komplett,

Scheinwerfer, Achse vorne links,

Motorhaube, Kotflügel, beide Türen links, Alufelgen, Armaturenbrett komplett mit Airbag, Dachairbag, Gurt komplett.“

Im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten wird daraus:

„Austausch der Stoßstange vorn komplett, Austausch der Scheinwerfer, der Achse vorn links.

Austausch der Motorhaube, des Kotflügels, beider Türen links, Austausch der Alufelgen, Austausch des Armaturenbrettes komplett mit Airbag und Dachairbag.“

Es habe sich um Gebrauchtteile gehandelt, die vom Kläger in Eigenregie verbaut und sach- und fachgerecht lackiert worden seien.

Der Kläger hat die durch das streitgegenständliche Schadensereignis verursachten Reparaturkosten unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten des Sachverständigen H zunächst auf 10.049,92 Euro netto beziffert. Zuzüglich einer Wertminderung in Höhe von 800,- Euro, Gutachterkosten in Höhe von 1.284,84 Euro und einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,- Euro hat er daraus einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 12.159,76 Euro beziffert.

Nach Hinweis darauf, dass in dieser Reparaturkostenkalkulation in erheblichem Umfang Positionen berücksichtigt sind, die aus dem Vorschaden stammen und schon nach dem eigenen Vorbringen zwischenzeitlich nicht repariert worden sind, unter anderem ein nicht ausgetauschtes Servolenkgetriebe, hat der Kläger mit insoweit nachgelassenem Schriftsatz vom 05.03.2019 ein Nachtragsgutachten des Sachverständigen H zur Gerichtsakte gereicht, in dem nunmehr die Reparaturkosten mit 6.991,60 Euro netto angeben werden. Trotz gerichtlichen Hinweises enthält auch dieses Schadengutachten keine Angaben zum Restwert des beschädigten Fahrzeugs.

Der Kläger lässt nach gerichtlichem Hinweis zur Erforderlichkeit der Substantiierung der nach Erwerb durchgeführten Reparatur Folgendes ausführen:

„Weitere Rechnungen bzw. weitere Ausführungen zur durchgeführten Reparatur kann der Kläger nach eigenen Angaben nicht vorlegen. Der Kläger kann nach eigenen Angaben auch keine Rechnung der von ihm angeschafften Ersatzteile vorlegen, da er diese bereits vernichtet habe.“

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 10.874,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen und ihn von den Kosten des Sachverständigen H zur Rechnung Nr. … in Höhe von 1.284,84 Euro freizustellen sowie ihn von den außergerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 958,19 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Unfallhergang und lässt den Verdacht einer Verkehrsunfallmanipulation anklingen.

Hinsichtlich der Schadenshöhe weist die Beklagte auf den widersprüchlichen vorgerichtlichen Schriftverkehr hin, wonach der Kläger ihr gegenüber den schweren Vorschaden trotz Kenntnis vom Ausmaß des Schadens nicht angegeben hatte. Sie vermutet, der Kläger habe dem von ihm beauftragten Sachverständigen den Vorschaden bewusst verschwiegen, um eine günstigerer Bewertung des Fahrzeugschadens zu erhalten und er habe ihr gegenüber aus diesem Grunde zielgerichtet falsche Angaben gemacht. Der gesamte Vortrag des Klägers sei von vornherein darauf abgestellt gewesen, sie zu täuschen.

Die Beklagte verweist zudem darauf, dass der Geschädigte die Art und Weise der Beseitigung des Vorschadens unter Darlegung der tatsächlich vorgenommenen Reparaturschritte im Einzelnen konkret angeben muss. Wenn eine fachgerechte Reparatur der Vorschäden nicht nachgewiesen sei, sei eine Schadenschätzung nicht möglich.

Die Kosten für das Sachverständigengutachten seien schon deshalb nicht erstattungsfähig, weil der Kläger dem Sachverständigen gegenüber keine vollständigen Angaben zum Vorschaden und zu dessen Beseitigung gemacht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schiftsätze und die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen.

Der Kläger hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf das nachgereichte Ergänzungsgutachten eine Klagerücknahme in Höhe von 3.858,32 Euro erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aufgrund des behaupteten Unfallereignisses gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 823 BGB.

Denn der Kläger hat nicht hinreichend konkret dargelegt, wie er den schweren Vorschaden im Einzelnen repariert hat. Der Kläger ist darauf hingewiesen worden, dass er sich konkret dazu zu erklären hat, welche derjenigen Schadenpositionen, die in dem Vorschadengutachten aufgelistet sind, in welcher Weise konkret beseitigt worden sind. Er ist darauf hingewiesen worden, dass jegliche Belege zu Ersatzteilen fehlen. Trotz dieser Hinweise ist der Klägervortrag hierzu nicht näher substantiiert worden. Der Kläger hat keine weiteren Ausführungen zur Reparatur gemacht und keine Belege über Ersatzteile beigebracht. Aus diesem Grunde ist auch das nachträglich beigebrachte Ergänzungsgutachten des Privatgutachters nicht zur hinreichenden Darlegung der Schadenshöhe geeignet, da nicht dargetan ist von welchen Prämissen der Sachverständige ausgeht.

Der Kläger ist zudem darauf hingewiesen worden, dass das Gericht auf der Grundlage seines Vorbringens mangels jeglicher Angaben zum Restwert des Fahrzeugs nicht erkennen kann, ob der Kläger befugt ist, die Reparaturkosten netto fiktiv abzurechnen. Es lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, in welchem Verhältnis die geltend gemachten Netto-Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungsaufwand stehen. Auch hierzu fehlen ergänzende Angaben; das Nachtragsgutachten verhält sich ebenso wie das erste Gutachten zum Restwert nicht.

Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, dass der Vorschaden seinen Schwerpunkt vorn links hatte, wohingegen der Fahrzeugschaden aufgrund des neuen Schadensereignisses im Wesentlichen die rechte Fahrzeugseite betrifft. Denn die Art und Weise der Beseitigung des Vorschadens hat Auswirkungen sowohl auf den Wiederbeschaffungswert als auch auf den Restwert. Beide Werte sind hier aufgrund fehlender näherer Angaben des Klägers unklar. Deshalb lässt sich auf der Grundlage des Klägervorbringens der Wiederbeschaffungsaufwand nicht ermitteln. Dies führt dazu, dass nicht substantiiert dargetan ist, dass der Kläger überhaupt berechtigt wäre, seinen Schaden netto-fiktiv abzurechnen.

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Die Klage ist damit der Höhe nach unschlüssig. Einer weiteren Beweisaufnahme zum Unfallhergang bedarf es nicht.

Mangels schlüssigen Vorbringens zur Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Schadensersatz für die Nebenforderungen. Zu Recht hat die Beklagte im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Kosten für das zuerst erstellte Sachverständigengutachten nicht erstattungsfähig sind. Denn dieses Gutachten ist unbrauchbar, weil der Kläger dem Privatgutachter gegenüber unvollständige Angaben zum Vorschaden und zu dessen Beseitigung gemacht hat. Der Kläger hat es zu verantworten, dass der von ihm beauftragte Sachverständige bei seiner ersten Kalkulation ereignisfremde Schäden berücksichtigt hat. Für ein Gutachten, dessen Unbrauchbarkeit der Kläger zu vertreten hat, kann Schadensersatz nicht geltend gemacht werden.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers vortragen hat, der im Termin angesprochene „Schriftsatz der Gegenseite“ sei „immer noch nicht eingegangen“, gab dies keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Zum Einen dürfte Einiges dafür sprechen, dass der Klägervertreter diesen Schriftsatz nach Fertigung seines Schriftsatzes vom 05.03.2019 doch noch erhalten haben dürfte, da kein Rückläufer zur Akte gelangt ist. Es fällt zudem auf, dass der im Nachtragsgutachten reduzierte Betrag von insgesamt 3.858,32 Euro der Höhe nach in etwa der Summe derjenigen Schadenspositionen entspricht, die von der Beklagten in eben diesem Schriftsatz auf 2.660,- Euro (Seitenrahmen links austauschen) und 1.115,- Euro (Austausch Servolenkgetriebe) beziffert worden sind. Auch dies könnte indizieren, dass dem Kläger der Inhalt dieses Schriftsatzes bekannt sein dürfte.

Außerdem sind sämtliche maßgeblichen Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2019 ausführlich erörtert worden. Der Kläger ist vom Gericht auf die entscheidungserheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen hingewiesen worden. Ihm ist damit hinreichend Gelegenheit gegeben worden, sein Vorbringen unter Beachtung dieser Hinweis zu substantiieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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