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Beziehungsbeendigung – Schadensersatz

LG Düsseldorf

Az.: 11 O 334/07

Urteil vom 10.05.2010


Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über das Teilanerkenntnisurteil vom 14.12.2007 hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 65.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.09.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die 36 Jahre alte Klägerin verlangt vom Beklagten Schmerzensgeld aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung.

Die Parteien führten seit 2001 eine intime Beziehung. Die Klägerin teilte dem Beklagten am 03.12.2004 mit, dass sie sich von ihm trennen will. Der Beklagte fuhr daraufhin mit ihr zu einer einsamen und uneinsehbaren Stelle am Rhein. Als die Klägerin ihre Trennungsabsichten bestätigte, klebte er ihr den Mund zu, zog sie aus dem Auto und warf sie daneben auf den Boden. Er schlug der Klägerin mehrfach mit der scharfkantigen Seite eines Hammers auf beide Schienbeine. Außerdem schnitt er ihr mit einem Messer tief in die rechte Kniekehle, um ihr am Bein sämtliche Bänder und Sehnen zu zerstören. Die Klägerin konnte nicht mehr gehen und drohte zu verbluten. Der Beklagte schleppte sie zurück auf den Beifahrersitz des Pkw und fuhr sie zum Krankenhaus in Neuss. Als auf sein Hupen hin Krankenhauspersonal erschien, stieß er sie aus dem Wagen und fuhr davon.

Die Klägerin erlitt lebensgefährliche Verletzungen, die ohne ärztliche Hilfe zum Tode geführt hätten. Sie hatte auf beiden Seiten offene Tibiaschaftbrüche sowie stark gequetschte Wunden an beiden Beinen, multiple tiefe Schnittverletzungen und eine große, querverlaufende klaffende Wunde in der rechten Kniekehle mit einer partiellen Läsion des nervus peronaeus sowie teilweiser Durchtrennung der Unterschenkelsehne.

Die Klägerin befand sich vom 04.12.2004 bis zum 30.12.2004 und vom 06.01.2005 bis zum 24.01.2005 in stationärer Behandlung. Die Brüche wurden mit Nägeln und Stahlplatten gerichtet. Sie wurde insgesamt acht Mal operiert. Die Wunde im Bereich der Kniekehle war so groß, dass sie durch eine lokale Rotationslappenplastik gedeckt werden musste. Ferner befand sie sich über einen Zeitraum von zwei Monaten in einer Rehabilitationsklinik, in der sie auch psychologisch behandelt wurde. Die endgültige Metallentfernung mit der achten Operation erfolgte stationär in der Zeit von 02.10.2006 bis 05.10.2006.

Als Folgen der Gewalttat sind an den Vorderseiten beider Unterschenkel und im Bereich beider Knie mehrere Narben in einer Länge von 5 cm, 8 cm, 10 cm, 19 cm und 20 cm verblieben. Ferner sind multiple kleine Narben nach Fixateur externe-Behandlung vorhanden. Die 20 cm lange Narbe verläuft bogenförmig von der rechten Kniekehle bis zur Vorderseite des rechten Oberschenkels; sie kann kosmetisch nicht erfolgversprechend verkleinert werden.

Die Klägerin ist gegenwärtig weiterhin behandlungsbedürftig. Sie muss täglich Krankengymnastik machen und ihr Leben lang zur Vermeidung von Thrombosen Stützstrümpfe tragen. Sie leidet weiterhin unter Schmerzen und Krämpfen sowie unter Taubheitsgefühlen an beiden Beinen. Sie ist seit dem Vorfall arbeitsunfähig, kann kein Fahrzeug mehr führen, nicht lange sitzen und viele Sportarten nicht mehr ausüben. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Düsseldorf vom 19.04.2007 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt.

Die Klägerin befindet sich seit dem Jahr 2005 fortlaufend in ambulanter psychiatrischer Behandlung im X Krankenhaus in Neuss.

Der Beklagte zahlte am 21.10.2005 in einem Hauptverhandlungstermin des Strafverfahrens 3.000,- Euro an die Klägerin. Er wurde am 15.11.2006 vom Landgericht Düsseldorf rechtskräftig wegen versuchter schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Die Klägerin trägt vor: Sie habe sich vor dem 03.12.2004 bereits mehrmals vom Beklagten trennen wollen, weil er sie von Anfang an massiv unter Druck gesetzt und bedroht sowie immer wieder körperlich und sexuell misshandelt habe. Insbesondere habe er bereits früher mehrfach erklärt, er werde sie so schwer an den Beinen verletzen, dass sie nicht mehr laufen, sondern nur noch im Rollstuhl sitzen könne, falls sie sich von ihm trenne. Es habe sich daher um eine lange geplante vorsätzliche und brutale Bestrafungstat gehandelt. Sie habe den Beklagten in keiner Weise finanziell ausgebeutet, sondern stattdessen fast unentgeltlich jeden Tag in seiner Gaststätte gearbeitet und kaum Geld von ihm erhalten.

Sie leide ferner infolge der Gewalttat unter Schlafstörungen und fühle sich vom Beklagten bedroht. Sie habe Angst, dass er sie umbringen werde, sobald er sich wieder in Freiheit befinde. Die Angstzustände seien ständig vorhanden. Bei ihr liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Besonders belastend seien für sie die zahlreichen Narben, weil sie keinen Rock und keine kurze oder halblange Hose mehr anziehen könne.

Ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,- Euro sei angemessen. Die im Hauptverhandlungstermin des Strafverfahrens gezahlten 3.000,- Euro seien nicht zu berücksichtigen, weil sie diesen Betrag dazu verwendet habe, um Schulden des Beklagten aus einem Mobilfunkvertrag und aus dem Betrieb seiner Gaststätte zurück zu zahlen. Sie begleiche die Schulden in monatlichen Raten.

Der Beklagte hat die Schmerzensgeldforderung dem Grunde nach und in Höhe eines Betrages von 7.000,- Euro anerkannt. Daraufhin hat das Gericht ihn mit Teilanerkenntnisurteil vom 14.12.2007 verurteilt, an die Klägerin 7.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.09.2007 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 50.000,- Euro für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung abzüglich bereits mit Teilanerkenntnisurteil vom 14.12.2007 ausgeurteilter 7.000,- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.09.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Es habe sich nicht um eine lange geplante Bestrafungstat, sondern um eine spontane Konflikttat gehandelt. Die Klägerin habe ihn provoziert. Sie habe ihn während der ganzen Zeit ihrer Beziehung ganz erheblich finanziell ausgenutzt und die Beziehung nur aufrechterhalten, um weiterhin finanziell von ihm zu profitieren. Er habe innerhalb von zwei Jahren praktisch alle verfügbaren Mittel für die Klägerin ausgegeben. Bis einen Tag vor der Tat habe sie ihm den Eindruck vermittelt, die Beziehung fortsetzen zu wollen, um weiterhin Gefälligkeiten von ihm in Anspruch zu nehmen. Ferner habe sie permanent seine Ehefrau belästigt und auf diese Weise seine Ehe zerstören wollen.

Die Einschränkungen wegen der Narben an beiden Beinen hielten sich in Grenzen, da die Klägerin fast ausschließlich lange Hosen trage. Die psychischen Folgen der Tat seien nicht erheblich. Klägerin leide zudem nicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern sei psychisch vollkommen gesund. Sie erwecke den Eindruck einer selbstbewussten jungen Frau und habe schon wenige Monate nach der Tat wieder Discos besucht.

Angemessen sei ein Schmerzensgeld von 10.000,- Euro. Davon sei der Betrag in Höhe von 3.000,- Euro in Abzug zu bringen. Es habe sich dabei um eine Anzahlung auf das Schmerzensgeld gehandelt. Den Mobilfunkvertrag habe die Klägerin abgeschlossen; er habe damit nichts zu tun gehabt. Die Schulden seien von der Klägerin selbst ab Dezember 2004 verursacht worden.

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Das Gericht hat die Akten aus dem Strafverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf, Az. 1 KLs 70 Js 16390/04 (17/06) beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten über das Teilanerkenntnisurteil vom 14.12.2007 über 7.000,- Euro hinaus einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 65.000,- Euro aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 224 StGB, 253 BGB. Im Übrigen hat er keinen Anspruch.

1. Der Beklagte hat den Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung dem Grunde nach anerkannt.

2. Ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 75.000,- Euro ist angemessen.

Die Klägerin kann gemäß § 253 BGB eine „billige Entschädigung in Geld“ verlangen. Das Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für die immaterielle Einbuße an Lebensfreude bewirken und dem Verletzten eine gewisse Genugtuung für die erlittenen Nachteile verschaffen. Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind die gesamten Umstände des Einzelfalles, beim Verletzten unter anderem die Schwere der Verletzungen und ihrer Folgen, das Ausmaß der Beeinträchtigungen für die Lebensführung und das Erscheinungsbild sowie Umfang und Dauer der Schmerzen, ambulanten und stationären Behandlungen, Operationen und der Arbeitsunfähigkeit. Beim Täter ist maßgebend, ob er fahrlässig, vorsätzlich oder sogar besonders brutal gehandelt hat. Ferner sind seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Art und Weise der Schadensregulierung zu berücksichtigen. Eine Bestrafung des Täters wegen der Tat mindert das Schmerzensgeld nicht (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 253 Rn. 17 und 18 m. w. N.)

Hier erscheint unter Abwägung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 75.000,- Euro angemessen. Nach Abzug der bereits ausgeurteilten 7.000,- Euro sowie eines im Strafverfahren gezahlten Betrages von 3.000,- Euro verbleibt ein Betrag von 65.000,- Euro.

a) Maßgebend für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind im vorliegenden Fall zunächst die Verletzungen sowie Art und Dauer der Behandlung. Der Beklagte hat die Klägerin ganz erheblich verletzt. Sie erlitt durch die Gewalttat an beiden Beinen offene Tibiaschaftbrüche, stark gequetschte Wunden und multiple tiefe Schnittverletzungen sowie in der rechten Kniekehle eine große, querverlaufende klaffende Wunde mit partiellen Nerven- und Sehnenverletzungen. Sie musste sich infolge dieser schweren Verletzungen drei Mal für insgesamt mehr als sieben Wochen in stationäre Behandlung begeben und sie wurde über einen Zeitraum von fast zwei Jahren acht Mal operiert. Dabei wurden ihr die Brüche mit Nägeln und Stahlplatten gerichtet sowie im Bereich der Kniekehle eine lokale Rotationslappenplastik eingesetzt. Ferner befand sie sich über einen Zeitraum von zwei Monaten in einer Rehabilitationsklinik. Die ärztliche Behandlung der unmittelbar erlittenen Verletzungen an beiden Beinen war damit nicht nur langwierig, sondern aufgrund der hohen Anzahl der erforderlichen Operationen für die Klägerin mit besonderen physischen und psychischen Belastungen verbunden. Allein aufgrund der Schwere der Verletzungen, der Dauer der ärztlichen Behandlung sowie der Anzahl der Operationen bewegt sich das Schmerzensgeld in einem weitaus höheren Rahmen als vom Beklagten anerkannt.

b) Hinzu kommen die dauerhaften Verletzungsfolgen, die bis heute – also mehr als drei Jahre nach der Gewalttat – fortbestehen und daher große Bedeutung für die Höhe des Schmerzensgeldes haben. Die Folgen sind gravierend und führen bei der Klägerin zu spürbaren Beeinträchtigungen bis in den Alltag hinein. So leidet sie bis heute unter Schmerzen und Krämpfen sowie unter Taubheitsgefühlen an beiden Beinen. Sie ist seit dem Vorfall arbeitsunfähig, kann kein Fahrzeug mehr führen, nicht lange sitzen und viele Sportarten, z. B. Schwimmen oder Rollerbladen, nicht mehr ausüben. Sie ist somit durch die Folgen der Verletzungen in ihrer alltäglichen Lebensführung stark eingeschränkt. Das gilt auch für die zahlreichen, teilweise langen und gut sichtbaren Narben an beiden Beinen, die überwiegend nicht entfernt oder erfolgversprechend kosmetisch verkleinert werden können, so dass sie das Erscheinungsbild der Klägerin beeinträchtigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob die Klägerin vor dem Vorfall beinfreie Kleidungsstücke getragen hat oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, dass die Narben auffällig sind und Einfluss auf das Selbstwertgefühl der 36 Jahre alten Klägerin haben, die sich nun nicht mehr traut, mit kurzem Rock oder kurzer Hose in der Öffentlichkeit aufzutreten oder ins Schwimmbad zu gehen. Auch eine Frau, die bislang nur lange Hosen getragen hat, fühlt sich dadurch beeinträchtigt, dass sie keine kurzen Kleidungsstücke mehr tragen kann, selbst wenn sie es jetzt wollte.

Weiterhin ist für die Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch mehrere Jahre nach dem Vorfall noch behandlungsbedürftig ist. Das betrifft zum einen die physischen Folgen der Gewalttat, indem sie täglich Krankengymnastik absolvieren und ihr Leben lang zur Vermeidung von Thrombosen Stützstrümpfe tragen muss. Daneben hat sie aber auch dauerhafte Auswirkungen auf die Psyche der Klägerin, indem sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Das folgt zum einen aus dem ärztlichen Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie X vom 21.02.2007, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin infolge einer sehr schweren körperlichen Gewalteinwirkung im Jahre 2004 eine posttraumatische Belastungsstörung hat und sich deshalb seit 2005 in kontinuierlicher ambulanter psychiatrischer Behandlung befindet. Ferner ergibt sich aus dem Bescheid des Versorgungsamtes Düsseldorf vom 19.04.2007 eine posttraumatische Belastungsstörung bei der Klägerin, die zum ermittelten Grad der Behinderung von 30 % beiträgt. Außerdem spricht hierfür die tatsächlich durchgeführte und laufende ärztliche Behandlung seit dem Jahr 2005. Es liegt fern, dass sich die Klägerin über einen so langen Zeitraum freiwillig in psychiatrische Behandlung begibt, ohne dass sie tatsächlich psychisch erkrankt ist. Zuletzt liegt auch nach der Lebenserfahrung nahe, dass eine derart brutale Gewalttat wie diejenige, die der Beklagte an der Klägerin verübt hat, nicht spurlos am Opfer vorübergeht, sondern dieses professionelle Hilfe zur Bewältigung der dadurch verursachten Störungen und Ängste benötigt.

Die Einwendungen des Beklagten gegen die psychischen Folgen der Tat vermögen nicht zu überzeugen. Das im Strafverfahren eingeholte Gutachten der Sachverständigen X vom 16.06.2005 steht der Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht entgegen. Zum einen fand die betreffende Untersuchung der Klägerin im Frühjahr 2005 statt; die posttraumatische Belastungsstörung kann sich aber durchaus erst in der Folgezeit entwickelt und verschärft haben, was hier ausweislich der zitierten Unterlagen tatsächlich der Fall ist. Zum anderen hatte das damalige Gutachten eine andere Zielrichtung. Es sollte keine psychiatrische Diagnose bei der Klägerin stellen oder ausschließen, sondern hatte nur die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage für die Zwecke des Strafverfahrens zum Gegenstand. Daher überzeugt die Schlussfolgerung des Beklagten nicht, dass die Sachverständige X eine posttraumatische Belastungsstörung vermerkt hätte, wenn eine solche vorgelegen hätte. Denn eine solche Anmerkung gehörte nicht zur Aufgabenstellung des Gutachtens. In den Ausführungen auf S. 117 ff. dieses Gutachtens, auf die der Beklagte insbesondere verweist, erhebt die Gutachterin Bedenken gegen Aussagen der Klägerin zu von ihr behaupteten Vorfällen, die vor dem 03.12.2004 lagen. Aus ihnen kann sich schon wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhanges nicht ergeben, dass die Gewalttat vom 03.12.2004 – insoweit hat die Sachverständige im Übrigen die Aussage der Klägerin als glaubhaft eingestuft – keine seelischen Folgen hatte. In diesem Zusammenhang schließt zuletzt das vom Beklagten angeführte selbstbewusste Auftreten der Klägerin nach außen, insbesondere im Rahmen des Strafverfahrens, das Vorliegen einer psychischen Erkrankung nicht aus. Auch eine psychisch kranke Person kann nach außen selbstbewusst auftreten, sei es, weil es ein hervorstechendes Merkmal der Persönlichkeit ist oder sei es aus Gründen des Selbstschutzes.

Eine posttraumatische Belastungsstörung liegt nach alledem vor; ebenso die von der Klägerin beschriebenen und damit verbundenen Ängste und Schlafstörungen.

Bereits aufgrund der beschriebenen Verletzungen sowie ihrer physischen und psychischen Folgen ist ein Schmerzensgeld in der Größenordnung des von der Klägerin geforderten Mindestbetrages angemessen. Das belegen als Orientierung – bei aller Vorsicht mit solchen Vergleichen – die Entscheidungen des OLG Schleswig-Holstein vom 24.08.2000, Az. 7 U 176/99, das für eine offene Oberschenkelfraktur und eine Kreuzbandruptur mit Narbenbildung ein Schmerzensgeld von 60.000,- Euro ansetzte, und des OLG Karlsruhe vom 12.04.2002, Az. 10 U 145/01, das für eine offene Unterschenkelfraktur rechts 50.000,- Euro zusprach. Hier sind die Verletzungen und ihre Folgen vergleichsweise sogar eher als noch etwas schwerwiegender einzustufen.

c) Die Art und Weise der Tatausführung und der Hergang der Tat führen darüber hinausgehend zu einem Schmerzensgeld, das deutlich über 50.000,- Euro liegt. Nur ein Betrag in dieser Größenordnung kann der Klägerin aufgrund der brutalen Vorgehensweise des Beklagten hinreichend Genugtuung für das erlittene Leid verschaffen. Er hat sie nicht nur absichtlich schwer verletzt, sondern er ist dabei mit ungeheurer Brutalität vorgegangen. Es ist grausam und geradezu unmenschlich, einem anderen mit der spitzen Seite eines Hammers auf beide Schienbeine einzuschlagen und ihm anschließend mit einem Messer tief in die rechte Kniekehle zu schneiden, um sämtliche Bänder und Sehnen des Beines zu zerstören. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Tat an einer körperlich unterlegenen und wehrlosen Frau beging, der er jede Möglichkeit zur Flucht oder Hilfe herbeizurufen von vornherein abschnitt, indem er sie im Pkw zu einer einsamen und abgelegenen Stelle am Rhein fuhr und ihr den Mund zuklebte. Die geschilderten Umstände belegen, dass es sich nicht um einen spontanen Entschluss handelte, sondern er die Tat vorher geplant hatte. Der Beklagte hat sich einen geeigneten Tatort ausgesucht und hatte passendes Werkzeug dabei, um die Klägerin in der beschriebenen Art und Weise zu verletzen. Seine Motive, die Klägerin für ihre Trennungsabsicht zu bestrafen, sie für andere Partner unattraktiv zu machen und ihr Verletzungen mit dauerhaften Folgen zuzufügen, offenbaren darüber hinaus eine Grausamkeit und Egozentrik, der eine – im Vergleich mit fahrlässig herbeigeführten Verletzungen und Verletzungsfolgen der hier vorliegenden Art und Schwere – entsprechend höhere immaterielle Entschädigung korrespondieren muss, damit das Schmerzensgeld seine Genugtuungsfunktion erfüllt.

d) Bei dieser Sachlage kann die geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten, der sich gegenwärtig in Haft befindet, keine entscheidende Rolle spielen und insbesondere nicht zur Folge haben, dass der Klägerin nur eine symbolische Entschädigung zukommt. Allerdings führt dieser Umstand zugunsten des Beklagten dazu, dass sich das Schmerzensgeld nicht sogar in der Nähe einer sechsstelligen Summe bewegt.

Nur in geringem Umfang wirkt sich zugunsten des Beklagten aus, dass er die Klägerin unmittelbar nach der Tat zu einem Krankenhaus fuhr und auf diese Weise für die dringend notwendige ärztliche Hilfe sorgte. Diese Vorgehensweise belegt einerseits, dass er keine Tötungsabsicht hatte, passt aber andererseits auch zu seinem Tatplan, die Klägerin zwar nicht zu töten, aber doch dauerhaft zu verstümmeln.

Ebenfalls nur in leichtem Maße ist zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Konflikttat handelte. Die Parteien führten eine konfliktbeladene Intimbeziehung und die Tat wurde durch die Mitteilung der Klägerin ausgelöst, sich vom Beklagten zu trennen. Auf die insoweit zwischen ihnen streitigen Einzelheiten kommt es jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht an. Denn aufgrund der ungeheuren Brutalität und des planvollen Vorgehens des Beklagten haben diese für die Schmerzensgeldbemessung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung. Die grausame Gewalttat des Klägers erscheint durch kein wie auch immer geartetes Verhalten der Klägerin in einem milderen Licht. Auch wenn sich der Beklagte von der Klägerin finanziell ausgebeutet fühlte, so ist nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar, dass er dies zum Anlass für sein brutales Vorgehen nahm.

e) In Anbetracht der erlittenen Verletzungen, der Art und Dauer der ärztlichen Behandlungen, der dauerhaften Verletzungsfolgen, insbesondere der vielfältigen Einschränkungen in der Lebensqualität, sowie der Brutalität der Tatausführung ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts somit zusammenfassend ein immaterieller Ausgleich durch ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,- Euro angemessen und ausreichend.

Die Zahlung des Beklagten vom 21.02.2005 in Höhe von 3.000,- Euro ist anzurechnen und somit in Abzug zu bringen. Er hat diesen Betrag in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens als Anzahlung für das Schmerzensgeld übergeben. Diese Zweckbestimmung ist für die rechtliche Beurteilung maßgebend. Es kommt hingegen nicht darauf an, wofür die Klägerin das Geld in der Folgezeit verwendet hat. In Höhe eines Betrages von 3.000,- Euro ist die Klage daher abzuweisen.

II.

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 65.000,- Euro seit dem 25.09.2007 kann die Klägerin vom Beklagten aus §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: Bis zum 13.12.2007: 75.000,- Euro, ab dem 14.12.2007: 68.000,- Euro (§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO).

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