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Corona-bedingte Betriebsuntersagung – Entschädigungsanspruch

OLG Köln – Az.: 7 U 87/21 – Beschluss vom 09.02.2022

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Aachen (12 O 533/20) vom 06.07.2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 74.092,06 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht Entschädigungsansprüche aufgrund Corona-bedingter Betriebsuntersagung geltend.

Er betreibt als selbstständiger Unternehmer eine Diskothek in der Nähe von Aachen. Am 22. März 2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf §§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG die zeitlich befristete Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (GV. NRW. 2020. S. 178a). Diese Verordnung enthielt in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ein landesweites Verbot u. a. für den Betrieb von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Verordnung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Betriebsuntersagung blieb durch Anschlussverordnungen aufrechterhalten.

Der Kläger hat behauptet, ihm sei durch die staatlich angeordnete Schließung seines Betriebs ein Schaden in Höhe von 69.092,06 EUR entstanden.

Mit Urteil vom 06.07.2021, Az.: 12 O 533/20, auf welches wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, der Begründung im Einzelnen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Aachen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch aus § 56 IfSG lägen nicht vor. Bei dem Kläger handele es sich weder um einen Ausscheider, Ansteckungsverdächtigen, Krankheitsverdächtigen oder sonstigen Träger von Krankheitserregern. Auch Ansprüche aus § 65 Abs. 1 IfSG stünden dem Kläger nicht zu. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift seien nur Infektionsverhütungsmaßnahmen gemäß §§ 16 und 17 IfSG anspruchsbegründend. Infektionsbekämpfungsmaßnahmen, und allein solche hätten den Kläger getroffen, seien nicht vom Entschädigungstatbestand des § 65 Abs. 1 IfSG erfasst. Eine analoge Anwendung der im IfSG geregelten Entschädigungstatbestände gemäß §§ 56, 65 IfSG komme ebenfalls nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Ein Zahlungsanspruch aus § 39 Abs. 1 lit. a OBG NRW scheide aus, weil keine individuelle Maßnahme speziell gegen den Kläger in Rede stehe. Bei den Betriebsschließungen habe es sich um Maßnahmen gehandelt, von denen eine Vielzahl von unterschiedlichen Betriebsinhabern in ganz Deutschland betroffen gewesen seien. Ein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs komme ebenfalls nicht in Betracht, weil es an einem dem Kläger auferlegten Sonderopfer fehle.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Corona-bedingte Betriebsuntersagung - Entschädigungsanspruch
(Symbolfoto: Thomas Bethge/Shutterstock.com)

Er ist weiterhin der Ansicht, ihm müsse ein Entschädigungsanspruch zustehen, da ihm die Verfügungsgewalt über sein Eigentum in essenziellen Bereichen entzogen worden sei. Ein solcher Eingriff könne nur gerechtfertigt sein, wenn gleichzeitig eine angemessene Entschädigung vorgesehen werde. Die verabschiedeten Hilfspakete im Zuge der Corona-Krise könnten eine solche Entschädigung nicht ersetzen. Sie seien unabhängig von den Eingriffen gewährt worden und dienten lediglich dem Auffangen der konjunkturellen Schwankungen. Jedenfalls könne der von Betriebsschließungen besonders stark betroffenen Wirtschaftsbranche des Klägers eine entschädigungslose Hinnahme der pandemiebedingten Staatseingriffe nicht zugemutet werden. Es könne dogmatisch nicht korrekt und auch nicht der Wille des Gesetzgebers sein, dass ein Unternehmer, der aufgrund von Unachtsamkeit die Verbreitung des Coronavirus in seinem Unternehmen zu verantworten habe und sodann aufgrund der Infektion den Betrieb schließen müsse, entschädigt werde, während ein anderer Unternehmer, der sich rechtmäßig und vorsichtig verhalten habe, keine Entschädigung für den im Zuge der Schließung seines Betriebes entgangenen Gewinn erhalte. §. Nach Auffassung des Klägers müsse bei der Gesamtbetrachtung des Pandemieverlaufes letztlich erkannt werden, dass die Unternehmer, die eine Discothek betrieben, nicht entschädigungslos zurückgelassen werden könnten. Der Verweis auf gezahlte „Soforthilfen“ oder etwa die so genannte „Novemberhilfe“ sei nicht ausreichend. Es sei auch nicht zutreffend, ein Sonderopfer zu verneinen. Bei den Diskothekenbetreibern handele es sich um eine der am stärksten von den „Corona-Maßnahmen“ betroffene Berufsgruppe. Im Gegensatz zu Gastronomiebetrieben seien die Diskotheken in besonderem Maße betroffen, da sie deutlich länger geschlossen geblieben seien. Aus Sicht des Klägers habe er durch den Verlust der Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ein besonderes Opfer zu Gunsten des Infektionsschutzes erbracht, welches andere Unternehmer nicht erbringen mussten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen, Az.: 12 O 533/20 vom 06.07.2021

1. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 69.092,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03.09.2020 zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese aus der Betriebsschließung und Einschränkung in der Zeit ab dem 16.03.2020 aufgrund der Landesverordnungen in Bezug auf Corona-Pandemie entstanden sind und noch entstehen werden,

3. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.645,00 EUR (netto) außergerichtliche Gebühren für die Einholung der Deckungszusage sowie 3.565,00 EUR (netto) außergerichtliche Gebühren für die außergerichtliche Vertretung, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise den Kläger von diesen Gebühren freizustellen

sowie

4. hilfsweise, das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landgericht Aachen zurückzuverweisen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil aus den seiner Auffassung nach zutreffenden Gründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Senat hat mit Beschluss vom 15.12.2021 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO wegen offenkundiger Erfolglosigkeit durch Beschluss zurückzuweisen. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 15. Dezember 2021, Blatt 245 ff. GA, verwiesen.

Die hierzu erfolgte Stellungnahme des Klägers vom 06.08.2021 rechtfertigt nach der einstimmigen Auffassung des Senats keine andere Entscheidung, sondern gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:

Die vom Kläger angestellten Billigkeitserwägungen ändern nichts daran, dass eine Verurteilung des beklagten Landes zu Gunsten des Klägers nur dann in Betracht kommt, wenn es dem Kläger gelingt, die Voraussetzungen einer gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich geregelten Anspruchsgrundlage darzulegen und zu beweisen. Hierzu hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 15.12.2021 im Einzelnen ausgeführt, dass und weshalb die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nicht vorliegen. Insbesondere scheidet auch unter Berücksichtigung der erneut vom Kläger angestellten Gerechtigkeitserwägungen eine analoge Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG mangels planwidriger Regelungslücke aus. Der Gesetzgeber hat nach Beginn der Corona-Pandemie und somit in Kenntnis sämtlicher relevanten pandemiebedingten Umstände durch das Einfügen von § 28a IfSG, ohne dabei zugleich die Entschädigungsregelungen im IfSG zu ergänzen, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, an der nur punktuellen Billigkeitsentschädigung (BT-Drs. III 1888, S. 27) festzuhalten. Liegt jedoch im System der Entschädigungsvorschriften keine planwidrige Regelungslücke vor, ist es nicht Aufgabe der Zivilgerichte, die insoweit bewusste politische Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Bereits im Hinweisbeschluss vom 15.12.2021 hat der Senat ausgeführt, dass und weshalb die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. An dieser Einschätzung hält der Senat auch nach den gegenteiligen Darlegungen des Berufungsklägers in seiner Stellungnahme vom 07.01.2022 fest. Auch wenn durch die Betriebsschließungen Diskothekenbetreiber im gesamten Hoheitsgebiet des beklagten Landes betroffen sind, hat der Senat den Rechtsstreit nach allgemein anerkannten (Rechts-) Grundsätzen unter Berücksichtigung des Einzelfalles entschieden. Allein dass noch keine höchstrichterliche Entscheidung in Bezug auf konkret die Schließung von Diskotheken im Zuge der Corona-Maßnahmen ergangen ist, führt nicht dazu, dass bereits aus diesem Grunde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen werden muss.

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