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Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung fahrendes Fahrzeug –rechts-vor-links

Falsch auf Einbahnstraße: Wer haftet bei Unfall mit Rechts-vor-links?

Das Urteil des Landgerichts Wuppertal befasst sich mit einem Verkehrsunfall in einer Einbahnstraße. Es wurde entschieden, dass beide Parteien, die Fahrerin des Klägers und die Zweitbeklagte, die in entgegengesetzter Richtung fuhr, eine Teilhaftung tragen. Der wesentliche Punkt ist, dass das Fahren in falscher Richtung einer Einbahnstraße die Vorfahrt nicht automatisch ausschließt, und beide Fahrer hätten aufmerksamer sein müssen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 S 48/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall in einer Einbahnstraße: Ein Zusammenstoß ereignete sich, als ein Fahrzeug entgegen der erlaubten Fahrtrichtung fuhr.
  2. Teilhaftung beider Parteien: Sowohl die Fahrerin des Klägers als auch die Zweitbeklagte werden für den Unfall verantwortlich gemacht.
  3. Fahren gegen die Einbahnstraße: Der Verstoß gegen die Einbahnstraßen-Regelung eliminiert nicht automatisch das Vorfahrtsrecht.
  4. Verstoß gegen § 8 I StVO: Die Fahrerin des Klägers hätte gemäß „rechts vor links“ die andere Partei beachten müssen.
  5. Berücksichtigung des Radverkehrs: Die Einbahnstraße war für Fahrradfahrer in Gegenrichtung freigegeben.
  6. Schadensersatzforderung des Klägers: Der Kläger forderte vollen Ersatz des entstandenen Schadens.
  7. Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile: Beide Seiten trugen durch ihr Verhalten zum Unfall bei.
  8. Berufung ohne Erfolg: Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil wurde zurückgewiesen.

Einbahnstraße: Verkehrsregeln und Haftungsfragen

Einbahnstraße
(Symbolfoto: 1take1shot /Shutterstock.com)

Einbahnstraßen sind ein wichtiger Bestandteil des Straßenverkehrs. Sie sorgen für eine geordnete Verkehrsführung und erhöhen die Sicherheit. Doch was passiert, wenn ein Fahrzeug entgegen der Fahrtrichtung fährt und es zu einem Verkehrsunfall kommt? In solchen Fällen spielen Verkehrsregeln und Haftungsfragen eine zentrale Rolle.

Das Urteil eines Landgerichts befasst sich mit einem Unfall, der sich in einer Einbahnstraße ereignete. Ein Fahrzeug fuhr entgegen der erlaubten Fahrtrichtung und es kam zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, das die Vorfahrt beachtete. Die Klägerin forderte Schadensersatz, doch das Gericht entschied, dass beide Parteien eine Teilhaftung tragen.

Im Folgenden werden die zentralen Punkte des Urteils vorgestellt, um Ihnen einen Einblick in die komplexen Fragen des Verkehrsrechts zu geben.

Verkehrsunfall in einer Einbahnstraße: Ursachen und Konsequenzen

In Wuppertal kam es zu einem bemerkenswerten Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrzeug entgegen der erlaubten Fahrtrichtung einer Einbahnstraße fuhr. Dies führte zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, das gerade dabei war, in dieselbe Straße einzubiegen. Der Unfall ereignete sich in einer Straße, die für Fahrradfahrer im Gegenverkehr freigegeben war, was zu einer komplexen rechtlichen Situation führte.

Die rechtlichen Herausforderungen des Falls

Der Fall wurde vor dem Landgericht Wuppertal verhandelt, wobei der Kläger vollständigen Ersatz für den ihm entstandenen Schaden in Höhe von 2.636,05 Euro forderte. Das Amtsgericht Mettmann hatte zuvor entschieden, dass beide Parteien eine Teilschuld trugen. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil führte zur erneuten Auseinandersetzung mit dem Fall, insbesondere mit der Frage der Vorfahrt in einer Einbahnstraße und der Verletzung der Sorgfaltspflichten durch beide Fahrer.

Abwägung der Schuldanteile

In der Urteilsbegründung legte das Landgericht Wuppertal dar, dass beide Parteien zur Unfallverursachung beigetragen hatten. Aufseiten des Klägers wurde ein Sorgfaltsverstoß nach § 8 I StVO festgestellt, da die Fahrerin des Klägerfahrzeugs das von rechts kommende Beklagtenfahrzeug hätte wahrnehmen müssen. Die Beklagte hingegen hatte gegen Zeichen 220 zu § 41 II Nr. 2 StVO verstoßen, indem sie die Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung befuhr. Das Gericht sah beide Verstöße als gleichwertig an und entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf vollständigen Schadensersatz habe.

Urteilsfindung und Auswirkungen auf das Verkehrsrecht

Letztendlich wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Sorgfaltspflichten von Autofahrern, auch in Situationen, die auf den ersten Blick unüblich erscheinen, wie das Befahren einer Einbahnstraße in Gegenrichtung. Es zeigt auch, dass die Vorfahrt in einer Einbahnstraße, selbst wenn sie entgegen der Fahrtrichtung befahren wird, nicht automatisch entfällt.

In diesem Urteil spiegelt sich die Notwendigkeit wider, im Straßenverkehr stets aufmerksam und vorausschauend zu agieren. Die Entscheidung des Landgerichts Wuppertal liefert wichtige Erkenntnisse für ähnliche Fälle und trägt zur Klarheit im Verkehrsrecht bei. Die endgültige Entscheidung im Fall 9 S 48/22 des LG Wuppertal setzt damit einen wichtigen Orientierungspunkt für die Handhabung von Verkehrsunfällen in Einbahnstraßen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet die Regel „rechts-vor-links“ im Kontext einer Einbahnstraße und wie wirkt sie sich auf die Vorfahrt aus?

Die Regel „rechts vor links“ besagt, dass an Kreuzungen und Einmündungen ohne vorfahrtregelnde Verkehrszeichen das von rechts kommende Fahrzeug Vorfahrt hat. In einer Einbahnstraße, die nur in eine Richtung befahren werden darf, ist diese Regel grundsätzlich auch gültig. Das bedeutet, dass auch in Einbahnstraßen, sofern keine Ampeln oder Verkehrszeichen vorhanden sind, die Regel „rechts vor links“ zur Anwendung kommt.

Allerdings gibt es Situationen, in denen die Einbahnstraße für Radfahrer in beide Richtungen freigegeben ist. In solchen Fällen kann es vorkommen, dass Radfahrer von rechts kommen und dann nach der „rechts vor links“-Regel Vorfahrt haben. Dies wird durch ein Zusatzzeichen unter dem Verkehrszeichen für die Einbahnstraße angezeigt.

Wenn ein Fahrzeug entgegen der Einbahnstraße fährt, also in verbotener Richtung, und es kommt zu einer Kreuzung oder Einmündung, dann steht dem von rechts kommenden Fahrzeug nach einem Urteil des Landgerichts Wuppertal das Vorfahrtsrecht nicht entgegen, auch wenn es die Einbahnstraße in verbotener Richtung befährt. Dies bedeutet, dass die „rechts vor links“-Regel auch in diesem Fall gilt, obwohl das Befahren der Einbahnstraße in der falschen Richtung an sich eine Ordnungswidrigkeit darstellt und mit einem Bußgeld belegt werden kann.

Zusammenfassend gilt in Einbahnstraßen die „rechts vor links“-Regel, sofern keine anderen Verkehrszeichen oder Ampeln die Vorfahrt regeln. Dies gilt auch, wenn Radfahrer in beide Richtungen fahren dürfen oder wenn ein Fahrzeug entgegen der Einbahnstraße fährt, obwohl dies nicht erlaubt ist.

Wie wird die Haftung bei einem Verkehrsunfall in einer Einbahnstraße, die für Fahrradfahrer in Gegenrichtung freigegeben ist, rechtlich beurteilt?

Die Haftung bei einem Verkehrsunfall in einer Einbahnstraße, die für Fahrradfahrer in Gegenrichtung freigegeben ist, hängt von den spezifischen Umständen des Unfalls ab.

Wenn ein Fahrradfahrer eine Einbahnstraße in der erlaubten Gegenrichtung befährt, hat er grundsätzlich Vorfahrtsrecht. Dieses Vorfahrtsrecht gilt auch gegenüber Fahrzeugen, die aus untergeordneten Straßen auf die bevorrechtigte Straße einbiegen wollen. Es ist jedoch wichtig, dass der Fahrradfahrer auf der rechten Seite fährt und die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ beachtet.

Trotz des Vorfahrtsrechts kann ein Fahrradfahrer, der in der Gegenrichtung unterwegs ist, bei einem Unfall ein Mitverschulden tragen. Dies kann der Fall sein, wenn er beispielsweise auf einem Fahrradschutzstreifen in entgegengesetzter Richtung fährt. Ein Gerichtsurteil hat festgestellt, dass ein Fahrradfahrer, der entgegen der Fahrtrichtung auf dem Gehweg fährt und an der Ausfahrt einer Einbahnstraße einen Unfall verursacht, zu zwei Dritteln für den Zusammenstoß haftet.

In einem speziellen Fall, in dem ein Fahrradfahrer entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung unterwegs war und einen Unfall verursachte, wurde das Gericht die Schuld für den Unfall zu 90 Prozent bei dem Fahrradfahrer gesehen. Dies zeigt, dass die spezifischen Umstände des Unfalls und das Verhalten der beteiligten Parteien bei der Beurteilung der Haftung eine wichtige Rolle spielen.

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Es ist auch zu beachten, dass Fahrradfahrer in der Innenstadt grundsätzlich ihre Fahrweise auf ein erhöhtes Fußgängeraufkommen einrichten müssen. Dies könnte insbesondere in Einbahnstraßen relevant sein, in denen Fußgänger möglicherweise nicht mit Verkehr aus der Gegenrichtung rechnen.

Insgesamt ist die rechtliche Beurteilung der Haftung bei einem Verkehrsunfall in einer für Fahrradfahrer in Gegenrichtung freigegebenen Einbahnstraße komplex und hängt von den spezifischen Umständen des Unfalls ab. Es ist daher ratsam, bei solchen Unfällen rechtlichen Rat einzuholen.

Inwiefern beeinflusst ein Verstoß gegen das Verkehrszeichen 220 (Einbahnstraßenregelung) die Schuldfrage bei einem Unfall?

Ein Verstoß gegen das Verkehrszeichen 220, welches die Einbahnstraßenregelung anzeigt, hat erhebliche Auswirkungen auf die Schuldfrage bei einem Unfall. Wer eine Einbahnstraße entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung befährt, kann sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, der normalerweise im Straßenverkehr gilt. Dies bedeutet, dass der Falschfahrer bei einem Unfall grundsätzlich eine höhere Schuld trifft, da er gegen die Verkehrsregeln verstoßen hat.

Die Rechtsprechung sieht vor, dass ein solcher Verstoß als schuldhaftes Verhalten gewertet wird, welches die Haftung bei einem Unfall maßgeblich beeinflusst. Beispielsweise kann sich der Falschfahrer nicht auf Schutzwirkungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) berufen, die normalerweise für Verkehrsteilnehmer gelten, die sich an die Regeln halten.

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nach einem Unfall berücksichtigt werden muss, dass der regelkonforme Verkehrsteilnehmer nicht mit Fahrzeugen rechnen muss, die eine Einbahnstraße in unzulässiger Richtung nutzen. Dies gilt, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die ein solches Verhalten rechtfertigen würden.

Ein Verstoß gegen das Vorschriftszeichen 220 stellt somit einen entscheidenden Faktor für die Neubewertung der Haftungsverteilung bei einem Unfall dar. In der Rechtsprechung wird ein solcher Verstoß als schwerwiegend angesehen und führt in der Regel zu einer höheren Schuldzuweisung an den Falschfahrer.

In welchen Fällen bleibt das Vorfahrtsrecht trotz eines Verkehrsverstoßes, wie dem Befahren einer Einbahnstraße in falscher Richtung, bestehen?

In bestimmten Fällen bleibt das Vorfahrtsrecht trotz eines Verkehrsverstoßes, wie dem Befahren einer Einbahnstraße in falscher Richtung, bestehen. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein Fahrzeug Sonderrechte gemäß § 35 Abs.6 StVO in Anspruch nimmt, wie es bei Einsatzfahrzeugen der Fall ist. Diese dürfen auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit der Einsatz dies erforderlich macht.

Ein weiteres Beispiel ist, wenn ein Fahrzeug eine Einbahnstraße in falscher Richtung befährt und dabei mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstößt, das wider Erwarten nicht ausweichen kann. In diesem Fall ist der Fahrer, der die Einbahnstraße in falscher Richtung befährt, nicht wegen Gefährdung des Straßenverkehrs durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Nichtbeachten der Vorfahrt zu bestrafen.

Es gibt auch Gerichtsurteile, die besagen, dass das Vorfahrtsrecht nicht dadurch aufgehoben wird, dass ein Fahrzeug eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befährt. Der wartepflichtige Verkehrsteilnehmer darf nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug kommt; er muss schon aus Rücksicht auf etwaige Anlieger oder Vorrechtsfahrzeuge (§ 35 Abs. 1 StVO: Polizei, …) mit einem Fahrzeug rechnen.

Es ist jedoch zu betonen, dass das Befahren einer Einbahnstraße in falscher Richtung grundsätzlich verboten ist und mit einem Bußgeld belegt wird. Es stellt eine Bedrohung der Verkehrssicherheit dar und kann zu einer Gefährdung anderer Menschen oder sogar zu einem Unfall führen.


Das vorliegende Urteil

LG Wuppertal – Az.: 9 S 48/22  Urteil vom 30.06.2022

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Mettmann, 22 C 359/20, vom 09.03.2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien sind durch einen Verkehrsunfall miteinander verbunden. Die Fahrerin des Pkw des Klägers bog von der XX Straße in V nach links in die Straße ### ab. Zeitgleich befuhr die Zweitbeklagte die Straße ### entgegen der erlaubten Fahrtrichtung, um nach der Einmündung der XX Straße in dieselbe Richtung wie das Klägerfahrzeug zu fahren. Die Straße ### war zwar bis zur Einmündung eine Einbahnstraße, war aber für Fahrradfahrer im Gegenverkehr freigegeben. Die Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich. Zur näheren Verdeutlichung der Unfallsituation wird auf die nachfolgende Skizze aus dem vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten verwiesen, wobei das Klägerfahrzeug das blaue/rechte ist.

…………

Der Kläger hat 100 % des ihm entstandenen Schadens, nämlich 2.636,05 EUR, verbunden mit einem entsprechenden Feststellungsantrag auf Ersatz künftiger Schäden, verlangt und zwar nebst Zinsen und Kosten.Das Amtsgericht hat der Klage auf der Grundlage einer hälftigen Schadensverursachung teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Hätte die Fahrerin des Klägers nach rechts geschaut, hätte sie das Beklagtenfahrzeug sehen können. Zulasten des Klägers sei ein Verstoß gegen § 8 I StVO zu berücksichtigen, weil seine Fahrerin mit Radfahrern hätte rechnen und diesen Vorfahrt gewähren müssen. Auf der anderen Seite sei zulasten der Beklagten ein Verstoß gegen § 41 I i.V.m. Zeichen 220 der Anl. 2 zur StVO zu berücksichtigen. Die Verursachungsbeiträge würden sich gleichwertig gegenüberstehen.Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.Hinsichtlich der Unvermeidbarkeit überspanne das Gericht die Anforderungen an den sogenannten Idealfahrer, da es unnatürlich sei, beim Linksabbiegen nach rechts zu schauen, wenn aus dieser Richtung nicht mit einem Kfz gerechnet werden müsse. Darüber hinaus habe die als Zeugin vernommene Fahrerin des Klägers, Frau F, die Frage bejaht, nach rechts geschaut zu haben. Zudem habe das Amtsgericht Feststellungen dahingehend, wann das Fahrzeug der Beklagten erkennbar gewesen sei, nicht bzw. nur unzureichend begründet. Vielmehr wäre ein verbleibender Anhalteweg von 4 m zur Vermeidung einer Kollision unzureichend gewesen. Des Weiteren habe das Amtsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte zu 2) ein Vorfahrtsrecht gehabt habe. Ein Recht zur Vorfahrt sei begrifflich ausgeschlossen, wenn es schon an einem Recht zum Fahren mangele.Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a, 544 II Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO. Die Beklagten haften nicht zu mehr als ½ gesamtschuldnerisch für die bei dem Unfall eingetretenen Schäden des Klägers (§§ 7 I, 17 I und II, 18 I, III StVG, 823 I, II BGB i. V. m. 8 I 1 StVO, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 426, 249 BGB).1.a) § 17 II StVG ist anwendbar.Denn der Unfall ist für keine der Parteien durch höhere Gewalt – von außen wirkende betriebsfremde Ereignisse aufgrund elementarer Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen – verursacht oder auch bei Wahrung äußerst möglicher Sorgfalt nicht abzuwenden gewesen (unabwendbares Ereignis), so dass die Ersatzpflicht der einen oder anderen Seite nicht von vornherein gemäß §§ 7 II, 17 III StVG, 115 I 1 Nr.1 VVG ausgeschlossen ist. Vielmehr haben beide Seiten den Unfall schuldhaft verursacht.Gemäß §§ 17 I, II, 18 I, III StVG hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz, wie auch der Umfang der Ersatzpflicht von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Halter und Fahrer der beteiligten Fahrzeuge und unter Berücksichtigung der von beiden Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nach §§ 17 I, II, 18 I, III StVG, 254 BGB sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden.Danach ist es vorliegend gerechtfertigt, dass der Kläger nicht mehr als ½ seines unfallbedingten Schadens ersetzt erhält.

a)

Auf Seiten der Beklagten ist ein schuldhafter Verstoß gegen Zeichen 220 zu § 41 II Nr. 2 StVO in die Abwägung einzustellen, wobei dahinstehen kann (und mangels entsprechenden Parteivortrags dahinstehen muss), ob die Beklagte zu 2) auch gegen Zeichen 267 zu § 41 II Nr. 2 StVO (Verbot der Einfahrt) verstoßen hat. Denn bei der ursprünglichen Einfahrt in die Straße ### war sie an dem Zeichen 220, das allen Verkehrsteilnehmern auf der Fahrbahn die Richtung vorschreibt, vorbeigekommen. Sollte sie es dabei nicht wahrgenommen oder, als sie später und damit zur Unfallzeit dieselbe Straße in Gegenrichtung befuhr, vergessen haben, würde dies zumindest einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.Dieser Verkehrsverstoß war auch unfallursächlich. Er kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass es nicht zum Unfall gekommen wäre. Die Einrichtung von Einbahnstraßen soll auch die Unfallgefahr an Kreuzungen und Einmündungen verringern. Davon abgesehen läge ein unfallursächliches Verschulden jedenfalls darin, dass gegen § 1 II StVO verstoßen worden ist. Denn die Beklagte zu 2) hat informatorisch angehört angegeben, auf den Verkehr von links nicht geachtet zu haben. Dabei hätte sie in der konkreten Situation mit Auswirkungen auf die Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit berücksichtigen müssen, dass aus ihrer Sicht von links kommender Verkehr seinerseits nicht damit rechnen würde, dass ein Auto die Einbahnstraße in Gegenrichtung befahren würde.

b)

Aber auch auf Seiten des Klägers ist ein unfallursächliches Verschulden zu berücksichtigen. Zumindest nach dem Beweis des ersten Anscheins hat die Fahrerin seines Pkw‘s gegen das aus § 8 I 1 StVO resultierende Gebot „rechts vor links“ unfallursächlich verstoßen.

(1)

Das Beklagtenfahrzeug kam aus ihrer Sicht von rechts im Sinne von § 8 I 1 StVO. Dem Vorfahrtsrecht der Beklagten steht im Entscheidungsfall nicht entgegen, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahren haben. Der Wortlaut des § 8 I 1 StVO macht nämlich keine entsprechende Einschränkung. Zwar hat der BGH unter anderem für diese Fallgestaltung früher die plakativ begründete Auffassung vertreten: Ein Recht zur Vorfahrt ist dann begrifflich ausgeschlossen, wenn es schon an einem Recht zum Fahren mangelt (BGH, VI ZR 296/79, NJW 1982, 334, beck-online).Doch kann dieser Auffassung jedenfalls inzwischen für die vorliegende Fallgestaltung nicht gefolgt werden.Zum einen ist sie nämlich inkonsequent. Auch derjenige, der unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot auf der linken Fahrbahnseite fährt, wozu er kein „Recht“ hat, behält nämlich nach ständiger Rechtsprechung des BGH sein Vorfahrtsrecht (BGH, III ZR 73/72, juris; ebenso: Spelz in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 8 StVO (Stand: 01.12.2021), Rn. 66; s. auch für § 10 StVO: BGH, VI ZR 282/10, juris). Zum anderen hatte der Bundesgerichtshof (VI ZR 296/79, a.a.O.) selbst konzediert, dass verkehrswidriges Verhalten des Berechtigten dessen Vorfahrt nicht beseitigt. Unschädlich sollte z.B. sein, dass der Berechtigte eine für ihn, jedoch nicht allgemein, gesperrte Straße benutzen würde. Das entspricht auch, soweit ersichtlich, der mindestens herrschenden Meinung (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVO § 8 Rn. 53, 54, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung: Dem von rechts Kommenden steht die Vorfahrt auch zu, wenn er eine für ihn, jedoch nicht allgemein gesperrte Straße unbefugt befährt, zB eine für den Durchgangsverkehr verbotene, nur dem Anliegerverkehr oder für bestimmte Personenkreise freigegebene; OLG Karlsruhe VRS 7, 436: LKW befährt für Lastkraftwagen gesperrte Straße).Zu beachten ist im gegebenen Zusammenhang vor allem, dass seit 1997 Einbahnstraßen für den Radverkehr geöffnet werden dürfen. Nach 5-jähriger Testphase wurde diese Regelung 2001 in die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) durch ein Zusatzzeichen zu Zeichen 220 und 353 bzw. zu Zeichen 267 übernommen. Entsprechendes galt unstreitig hier. D.h., ein Fahrradfahrer, der die Einbahnstraße erlaubtermaßen in Gegenrichtung befahren hätte, hätte auch ein Vorfahrtsrecht gehabt. Mithin stellt sich die Situation so dar, dass die Beklagte zu 2) eine für sie, nicht jedoch allgemein gesperrte Straße (vgl. BGH, VI ZR 296/79, a.a.O.), befahren hat.Dem lässt sich auch nicht mit Erfolg entgegen halten, es handele sich nicht um eine mit den schon bisher gemachten „Ausnahmen“ vergleichbare Fallgestaltung, da es sich bei einem Fahrrad um ein einspuriges Fahrzeug handele. Abgesehen davon, dass es auch Straßen gibt, die nur für Motorräder gesperrt sind, sind Fahrräder nicht zwingend einspurig. Die Straßenverkehrsordnung definiert das Fahrrad zwar nicht. § 63 a I StVZO beschreibt das Fahrrad aber nunmehr als ein Fahrzeug mit mindestens zwei Rädern, das ausschließlich durch die Muskelkraft (vgl. BVerwG, 3 B 183/00, juris) auf ihm befindlicher Personen mit Hilfe von Pedalen oder Handkurbeln angetrieben wird. Mindestens zwei Räder haben aber auch Fahrräder mit Anhänger und sonstige mehrspurige Fahrzeuge der im Gesetz genannten speziellen Antriebsart, sodass auch Rikschas (Huppertz: Verkehrsrechtliche Einordnung von Rikschas; NZV 2006, 299ff.), Dreiräder (Rebler, Fahrräder im öffentlichen Straßenverkehr, DAR 2009, 12) und selbst sogenannte Bierbikes oder Partybikes (rollende Theken) darunter fallen (Ternig in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 63a StVZO (Stand: 01.12.2021), Rn. 9). Davon abgesehen darf der nach § 8 I 1 StVO Wartepflichtige ohnehin nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug kommt; eine solche Annahme könnte allenfalls bei einer völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straße vertretbar sein. Sonst muss schon mit Rücksicht auf etwaige Anlieger oder Vorrechtsfahrzeuge (§ 35 Abs. 1) die Fahrbahn in beiden Richtungen beobachtet werden (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVO § 8 Rn. 55).

(2)

Die Beweisaufnahme hat nicht die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergeben.Das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten zugrunde gelegt ist es nicht ernsthaft möglich, dass sich der Unfall nicht durch eine ein Vorfahrtsrecht etwaiger von rechts kommender Verkehrsteilnehmer berücksichtigende Aufmerksamkeit hätte verhindern lassen. Die Sachverständige hat eindeutig, überzeugend und von den Parteien unangefochten ausgeführt, die Fahrerin des Kläger-Pkw‘s hätte den Unfall vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut … hätte. Für die Richtigkeit dieser Annahme sprechen auch die sachverständigenseits festgestellten näheren Umstände der Kollision, insbesondere die von dem Klägerfahrzeug gefahrene Annäherungsgeschwindigkeit von lediglich 10 km/h und die von dem Beklagtenfahrzeug nach dem Sachverständigengutachten gefahrene Kollisionsgeschwindigkeit von 15 km/h und maximale Annäherungsgeschwindigkeit von 30 km/h sowie die Anstoßkonstellation.

c)

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile wiegt der dem Kläger zuzurechnende Sorgfaltsverstoß jedenfalls nicht weniger als die Verkehrswidrigkeit der Beklagten zu 2). Kommt der Vorfahrtberechtigte aus einer für ihn gesperrten Straße (ohne deshalb sein Vorfahrtrecht verloren zu haben), unterliegt er zwar einer besonderen Sorgfaltspflicht, sodass bei einem Zusammenstoß in der Regel von seiner Mithaftung auszugehen sein wird, die nach den Umständen des Einzelfalles (z.B. Art der gesperrten Straße) zu bestimmen ist (Grüneberg Haftungsquoten, A. Unfälle zwischen Kfz und Kfz Rn. 49, beck-online). Der Verkehrsverstoß der Beklagtenseite wiegt ausweislich des Bußgeldkataloges (25 EUR ohne und 35 EUR mit Sachbeschädigung) objektiv nicht schwerer als der Vorfahrtverstoß auf Klägerseite. Vielmehr ist bei Verletzung der Rechts-vor-links-Regel mit Sachbeschädigung ein Bußgeld von 120 EUR sowie ein Punkt vorgesehen. Deshalb wird der Kläger durch eine Haftungsverteilung von 50/50 nach Auffassung der Kammer nicht benachteiligt. Sie wird von der Kammer auch letztlich als angemessen angesehen.2.Die Schadenshöhe als solche ist unstreitig. Rechnerisch ergibt sich damit der aus dem Tenor ersichtliche Betrag.Was die Zinsforderung anbelangt, wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts zum entsprechenden Verzugsschadenersatzanspruch dem Grunde nach verwiesen, die sich die Kammer zu eigen macht und die von keiner Partei angegriffen worden sind.Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten fußt der Höhe nach auf dem vom Kläger verlangten Umsatzsteuersatz.Der Feststellungsantrag war den Ausführungen zu II.1. entsprechend zu entscheiden.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 ZPO einerseits und §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO andererseits.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 1.500 EUR (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris). Anlass zur Fortbildung des Rechts durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze im Sinne von § 543 II 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, V ZR 291/02, bei juris).Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass ein entgegen der erlaubten Fahrtrichtung eine Einbahnstraße befahrende Fahrzeugführer keine Vorfahrt haben könne, berücksichtigt nicht die zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderung, dass Fahrradfahrern erlaubt werden kann, eine Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung zu befahren, und verlangt deshalb auch nicht die Zulassung der Revision.

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