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Erdgaslieferungsvertrag – Preiserhöhungen aufgrund von Kostensteigerungen

LG Oldenburg – Az.: 9 S 561/16 – Urteil vom 19.02.2018

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 04.11.2016 – Geschäftsnummer 45 C 5158/10 (VI) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Bezahlung einer noch offenen Rechnung vom 10.05.2006 für die Lieferung von Erdgas und Wasser.

In der streitigen Rechnung berechnete die Klägerin für den Verbrauchszeitraum vom 07.05.2015 bis zum 05.05.2006 einen offen stehenden Restbetrag für die Erdgaslieferung von 703,26 € und für Wasser 55,70 €. Der Abrechnung der Erdgaslieferung lag ein Arbeitspreis von zunächst 3,58 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh), ab dem 01.10.2015 von 4,13 ct/kWh und ab dem 01.01.2006 von 4,52 ct/kWh zugrunde. Gegen diese Gaspreiserhöhungen wandte sich der Beklagte wie eine größere Anzahl von Gaskunden.

In den Jahren ab 2003 kam es auf Seiten der Klägerin zu einer erheblichen Gewinnsteigerung. Dieser betrug 2003 2.730.439,92 €, 2004 4.438.000,00 €, 2005 3.671.821,01 € und 2006 5.140.213,81 €.

Bereits im Jahre 2005 hatten etliche Kunden der Klägerin Klagen erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass die Preiserhöhungen zum 01.10.2005 und 01.01.2006 unzulässig waren. Daraufhin wurde vor dem Amtsgericht Delmenhorst ein Musterverfahren geführt (…). Im Hinblick auf dieses Musterverfahren haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits am 14.10.2010 einen Teilvergleich geschlossen, in dem es unter anderem hieß:

Die Beklagtenseite verzichtet für alle auf Gaspreiserhöhungen beruhenden Forderungen auf die Einrede der Verjährung bis 6 Monate nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beim Landgericht Oldenburg Az.: 9 S 574/06, soweit nicht schon Verjährung eingetreten sein sollte.

In dem Musterverfahren gab das Amtsgericht Delmenhorst der Klage der dortigen Kunden der hiesigen Klägerin durch Urteil vom 04.08.2006 statt. Das Landgericht Oldenburg wies die durch Urteil vom 29.11.2007 (Geschäftsnummer 9 S 574/06) ab. Auf die zugelassene Revision hob der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 08.07.2019 (Geschäftsnummer VIII ZR 314/07) auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme wies das Landgericht die Klage durch Urteil vom 14.02.3013 erneut ab. Auf die wiederum zugelassene Revision setzte der Bundesgerichtshof das Verfahren durch Beschluss vom 03.09.2013 (Geschäftsnummer VIII ZR 76/13) im Hinblick auf ein beim Europäischen Gerichtshof anhängiges Verfahren aus. Nachdem der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 23.10.2014 (Aktenzeichen C-359/11 und C-400/11) entschieden hatte, erließ der Bundesgerichtshof am 15.12.2015 ein Beschluss, in dem er mitteilte, er beabsichtige die Revision der dortigen Kläger zurückzuweisen. Schließlich wies der Bundesgerichtshof in dem Musterverfahren die Revision der dortigen Kläger durch Beschluss vom 26.04.2016 zurück.

Durch Beschluss vom 09.06.2016 ist das amtsgerichtliche Verfahren fortgesetzt worden.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Preiserhöhungen seien zulässig gewesen, da sie lediglich eigene gestiegene Kosten weitergegeben habe und das noch nicht einmal in vollem Umfang.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 758,96 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise hat der Beklagte angeregt, die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof zwecks Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorzulegen.

Er hat vorgetragen, die Preiserhöhungen seien auch unter Berücksichtigung des europäischen Rechts unzulässig gewesen. Gründe hierfür hätten nicht vorgelegen. Zudem hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Durch Urteil vom 04.11.2016 hat das Amtsgericht der Kläger im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich hinsichtlich der restlichen Forderung wegen der Wasserlieferungen hat es die Forderung der Klägerin als verjährt angesehen und die Klage abgewiesen. Die Gaspreiserhöhungen der Klägerin hat das Amtsgericht für zulässig erachtet und ausgeführt, dass diese nicht verjährt seien.

Gegen das dem Beklagten am 10.11.2016 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 05.12.2016 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach einer entsprechend verlängerten Berufungsbegründungsfrist durch einen am 10.02.107 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Zur Begründung trägt der Beklagte vor, die Klägerin habe vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht ausreichend zu den behaupteten Kostensteigerungen vorgetragen, gerade auch vor dem Hintergrund der enormen Gewinnsteigerungen der Klägerin. Im Übrigen habe das Amtsgericht übersehen, dass es sich vorliegend bei der Klägerin um ein zu 100 % kommunales Unternehmen handele. Die vom BGH zugelassene Preisänderung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung verstoße gegen EU-Recht. Vorliegend verstoße die Gaspreiserhöhung zudem gegen die Transparenzanforderungen der EG-Gasrichtlinie. Denn keine der Gaspreiserhöhungen sei ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Hierauf könne er sich als Verbraucher berufen, da der Gesetzgeber einer fristgerechten Umsetzung der EU-Gasrichtlinie nicht nachgekommen sei.

Der Beklagte beantragt,

1. unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Delmenhorst vom 04.11.2016 – Az. 45 C 5158/19 (VI) die Klage abzuweisen,

sowie

2. diesen Rechtsstreit dem Gerichtshof der europäischen Union zum Zwecke der Vorabentscheidung gem. § 267 AEUV vorzulegen mit der zu entscheidenden Frage, ob die in den jüngsten Urteilen und Beschlüssen des BGH gefundene Lösung einer „Ausfüllung einer planwidrigen Regelungslücke – ergänzende Vertragsauslegung“ eine „normale Regelung“ darstellt, die vom EuGH in der Entscheidung vom 23.11.2014 – C 359/11 bereits als europarechtswidrig bezeichnet wurde, weil sie den Vorschriften der Richtlinie 55/2003/EG gegenstehen, indem sie (die ergänzende Vertragsauslegung) den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.

3. im Falle der Zurückweisung der Berufung die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

sowie

2. diesen Rechtsstreit dem Gerichtshof der europäischen Union zum Zwecke der Vorabentscheidung gem. § 267 AEUV vorzulegen mit der zu entscheidenden Frage, ob die in den jüngsten Urteilen und Beschlüssen des BGH gefundene Lösung einer „Ausfüllung einer planwidrigen Regelungslücke – ergänzende Vertragsauslegung“ eine „normale Regelung“ darstellt, die vom EuGH in der Entscheidung vom 23.11.2014 – C 359/11 bereits als europarechtswidrig bezeichnet wurde, weil sie den Vorschriften der Richtlinie 55/2003/EG gegenstehen, indem sie (die ergänzende Vertragsauslegung) den Inhalt von unter die allgemeine Versorgungspflicht fallenden Verbraucherverträgen über Strom- und Gaslieferungen bestimmt und die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.

3. im Falle der Stattgabe der Berufung die Revision zuzulassen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere verweist sie darauf, dass die Gleichbehandlung der Tarifkunden für den Verbraucherschutz das höherrangige Ziel sei. Diese sei nicht mehr gewährleistet, wenn sich die Höhe des Gaspreises danach richte, wann der Verbraucher Gaskunde der Klägerin geworden sei. Im Übrigen sei die EU-Gasrichtlinie ihres Erachtens nicht hinreichend bestimmt, um daraus unmittelbare Ansprüche herleiten zu können. Die Kostenentwicklung der Klägerin sei im Übrigen aufgrund der vorangegangenen Verfahren offenkundig und bedürfe keines Beweises.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zu einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die dem Grunde nach unstreitigen Gaslieferungen nicht zu, da die zugrunde liegenden Preiserhöhungen nicht wirksam sind. Die Preiserhöhungen entsprechen nicht den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie (2003/55/EG) (nachfolgend „Gas-Richtlinie 2003“). Zudem hat die Klägerin nicht ausreichend zu den Kostensteigerungen vorgetragen.

1. Die hier streitigen Preiserhöhungen genügen nicht den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie.

Der Bundesgerichtshof hat den Gasversorgungsunternehmen unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung das Recht eingeräumt, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weiterzugeben (BGH, Urteil vom 28.10.2015 – VIII ZR 158/11, Tz. 21 – zitiert nach juris). Wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt hat, wird dieses Preisänderungsrecht vom Beklagten nicht grundsätzlich in Frage gestellt, die Preisänderungen müssten jedoch den Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003 entsprechen, was vorliegend nicht gegeben sei. Dem schließt sich die Kammer an.

Nach Art. 3 Satz 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der Gas-Richtlinie 2003 hatten die Mitgliedsstaaten geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden zu treffen und einen hohen Verbraucherschutz zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich der Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeiner Informationen und Streitbeilegungsverfahren. Aus dem Anhang A lit b) folgt dabei eine Verpflichtung der Gasversorger zu einer rechtzeitigen Unterrichtung über die beabsichtigte Preisänderung und über das bestehende Rücktrittsrecht. Art. 33 Abs. 1 der Gas-Richtlinie 2003 sah dabei eine Umsetzung ihrer Bestimmungen in nationales Recht bis zum 01.07.2004 vor. Dem kam der deutsche Gesetzgeber unstreitig nicht nach. Daher kann sich der Beklagte vorliegend unmittelbar auf die Gas-Richtlinie 2003 berufen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgerecht oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat; dies gilt unabhängig von deren Rechtsform auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen (vgl. die Rechtsprechungshinweise auf Entscheidungen des EuGH in dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28.10.2015, a. a. O., Tz. 63). Da die Klägerin unstreitig im Alleineigentum der Stadt Delmenhorst und damit zu 100 % unter staatlicher Aufsicht steht, kann sich der Beklagte somit gegenüber der Klägerin grundsätzlich auf die mangelnde Umsetzung der Gas-Richtlinie 2003 in nationales Recht berufen.

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Die weitere Voraussetzung für die unmittelbare Bindungswirkung der Gas-Richtlinie 2003 – die inhaltliche Unbedingtheit und die hinreichende Bestimmtheit – ist nach Ansicht der Kammer ebenfalls gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass man der Gasrichtlinie 2003 eine Verpflichtung von Angaben zu Anlass, Umfang und Voraussetzungen der Preisänderungen nicht entnehmen kann. Diese Angaben werden erst nach der Gas-Richtlinie 2009/73/EG gefordert, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 28.10.2015 (a. a. O, Tz. 59 f.) im Einzelnen ausgeführt hat. Gleichwohl war die Gas-Richtlinie 2003 auf ohne weiteren staatlichen Umsetzungsakt anwendungsfähig. Denn daraus folgt unbedingt und hinreichend genau, dass der Kunde rechtzeitig vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Abrechnung folgt, über die beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und über das bestehende Rücktrittsrecht zu informieren ist. Eines weiteren stattlichen Umsetzungsaktes bedurfte es insoweit nicht.

Den vorgenannten Vorgaben genügte die Klägerin im Zuge der hier streitigen Preisänderungen nicht. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob eine ordnungsgemäße Information über die beabsichtigten Preisänderungen erfolgte. Denn diese Informationen enthielten unstreitig keinerlei Hinweis auf das bestehende Sonderkündigungsrecht der Kunden. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Transparenzanforderungen der Gas-Richtlinie 2003.

2. Zudem hat die Klägerin die von ihr behaupteten Preissteigerungen bislang nicht hinreichend konkret dargelegt und entsprechend unter Beweis gestellt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Gasversorger im Wege ergänzender Vertragsauslegung lediglich dann zu einer Preiserhöhung berechtigt, wenn die Preiserhöhung auf die Steigerung der ihm zur Last fallenden Bezugskosten zurückzuführen ist, wobei Kostensenkungen in anderen Bereichen zu berücksichtigen sind; Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe einer Bezugskostensteigerung hinausgehen und der Erzielung eines zusätzlichen Gewinns dienen, werden vom Preisänderungsrecht nicht erfasst (Urteil vom 09.11.2016 – VIII ZR 246/15, NJW-RR 2017, 432, Tz. 20). Diesen Anforderungen zur Begründung der hier streitigen Preissteigerungen wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht.

Zur Begründung der Preissteigerungen verweist die Klägerin auf die Anlagen 2 und 3 zur Klageschrift. Die Anlage 2 ist als solche nicht aussagekräftig. Zudem bezieht sie sich allein auf die Änderung des Bezugspreises und lässt das sonstige Kostengefüge der Klägerin unberücksichtigt. Die Anlage 3 enthält lediglich Angaben zu den Gesamtkosten ohne Bezug auf die diesen zugrunde liegenden Mengen.

Auf den unzureichenden Vortrag zu den Voraussetzungen der Preisänderungen ist die Klägerin bereits mit der Ladungsverfügung vom 28.11.2017 hingewiesen worden. Inhaltlich hat sie ihren Vortrag nicht ergänzt und zudem auch keinen Beweis angetreten. Mit Schriftsatz vom 21.01.2018 hat sie lediglich vorgetragen, dass die Kostenentwicklung der Beklagten aufgrund des von der Kammer eingeholten Gutachtens offenkundig sei und daher keines Beweises bedürfe. Aus dem bezeichneten Gutachten aus dem Verfahren 9 S 574/06 ergibt sich aber keineswegs eine Kostensituation, die den Vorgaben der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Voraussetzungen des Preisänderungsrechts gerecht wird. Zudem ist die Frage der Offenkundigkeit (§ 291 ZPO) eine Frage des Beweises. Sie hebt den Beibringungsgrundsatz nicht auf, so dass die Kammer selbst bei offenkundigen Tatsachen nicht befugt wäre, diese von Amts wegen einzuführen; selbst gerichtskundige Tatsachen dürfen lediglich bei Bezug zu entsprechend substantiiertem Vorbringen eingeführt werden (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 291, Rn. 2a m. w. N.).

Der vorstehend geschilderten Darlegungslast genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Das sonstige Kostengefüge findet im gesamten Vortrag der Klägerin keine Erwähnung. Zudem kann die Behauptung der Klägerin, sie habe lediglich die gestiegenen Bezugskosten weitergegeben und dies noch nicht einmal in vollem Umfang, so nicht stimmen. Denn es ist nicht plausibel, weshalb es dennoch zu einer erhebliche Gewinnsteigerung auf Seiten der Klägerin kommen konnte. Hierzu verhält sich ihr Vortrag nicht, obwohl der Beklagte bereits mit der Klageerwiderung auf diesen Umstand hingewiesen hat.

Der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 139 Abs. 5 ZPO liegen nicht vor, da die Klägerin bereits aufgrund des Hinweises in der Ladungsverfügung hätte ersehen müssen, dass der bisherige Vortrag zu den Voraussetzungen des Preisänderungsrechtes nicht ausreichend gewesen ist. Dementsprechend hätte sie ihren Vortrag bereits rechtzeitig vor dem Termin entsprechend ergänzen und unter Beweis stellen können.

3. Der Einwand der Klägerin, sie sei dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet und müsse daher von sämtlichen Kunden den gleichen Preis fordern, vermag eine abweichende Entscheidung in der Sache nicht zu rechtfertigen. Sicherlich gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz. Ebenso ist es zutreffend, dass sich die Gaspreise bei Neukunden oder Kunden, die sich den Preisänderungen der Klägerin nicht widersetzt haben, von den Kunden unterscheiden können, die Widerspruch gegen die jeweiligen Gaspreisänderungen erhoben haben. Hieraus lässt sich indes kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz herleiten. Denn dieses gilt lediglich unter Beachtung der sonstigen rechtlichen Bestimmungen; ein Grundsatz der „Gleichheit im Unrecht“ besteht nicht. Daher hätte die Klägerin im Zuge der Umsetzung der Preisänderungen auf eine Beachtung des Transparenzgebotes achten müssen. Wäre dies geschehen, ergäbe sich in der Folge keine Gefahr eines divergierenden Preisgefüges.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Einer Vorlage zum Europäischen Gerichtshof bedarf es vorliegend nicht.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 23.10.2014 (Rechtssache C-359/11 und C-400/11) festgestellt, dass die Gasversorger sich im Rahmen der Grundversorgung bei einer Preisanpassung nicht auf § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV berufen können, da diese Regelung dem Transparentgebot nicht entspricht. Dem folgt der Bundesgerichtshof. In seinem Urteil vom 28.10.2015 (a. a. O.) hat der Bundesgerichtshof allerdings die Ansicht vertreten, dass es einem Energieversorger im Hinblick auf eine gebotene ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gestattet ist, Preisänderungen vorzunehmen und dabei Kostensteigerungen ihrer eigenen Bezugs- und sonstigen Kosten an den Kunden weiterzugeben, wobei allerdings die Verpflichtung besteht, Kostensenkungen und Kostensteigerungen gleichermaßen zu berücksichtigen (Rn. 70 ff., insb. Rn. 80). Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in seinen Beschlüssen vom 15.12.2015 und 26.04.2016 (Aktenzeichen VIII ZR 76/13) bezogen auf Preisänderungen der Klägerin nochmals bestätigt. Diese Grundsätze stehen nach Ansicht der Kammer in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der bereits in seinem Urteil vom 21.03.2013 (Rechtssache C-92/11, NJW 2013, 2253) ausgeführt hat, „dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen von unbefristeten Verträgen wie Gaslieferungsverträgen das Bestehen eines berechtigten Interesses des Versorgungsunternehmens an der Möglichkeit einer Änderung der Entgelte für seine Leistung anerkannt habe.“

Veranlassung zur Vorlage dieses Rechtsstreits an den EuGH besteht nicht. Ein gleichlautender Antrag ist bereits in dem zitierten Rechtsstreit gestellt worden, der beim Bundesgerichtshof zur Geschäftsnummer VIII ZR 76/13 abhängig war. Der BGH hat hierüber im Beschluss vom 26.04.2016 befunden und zutreffend ausgeführt, dass es Aufgabe des nationalen Rechts sei, die vom EuGH hervorgehobenen Interessen des Kunden nach ausreichender Transparenz auf der einen Seite und der besonderen Situation und wirtschaftlichen Interessen des Grundversorgers in eine angemessenen Ausgleich zu bringen. Somit ist die Auslegung von Unionsrecht für die vorliegende Frage nicht entscheidungserheblich. Zur weiteren Begründung wird auf den zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofes verwiesen.

6. Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zuzulassen.

Zwar hatte der Bundesgerichtshof bereits in dem genannten Musterverfahren über die Gaspreiserhöhungen der Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum zu befinden. In seinem Urteil vom 06.04.2016 (VIII ZR 324/12) hat er zu Tz. 28 ausgeführt, dass – wie bereits im Urteil vom 28.10.2015 ausgeführt – eine Anwendung der Transparenzanforderungen nicht in Betracht komme. Hintergrund dieser Ausführungen war jedoch der Umstand, dass das Landgericht in den Gründen seines damaligen Urteils nicht festgestellt hatte, dass es sich bei der Klägerin um eine staatliche bzw. der staatlichen Aufsicht unterstellte Organisation oder Einrichtung handelt (Tz. 17 des genannten BGH-Urteils). Dies ist zwischen den Parteien jedoch unstreitig, so dass auf der Grundlage der Ausführungen des BGH-Urteils vom 28.10.2015 eine unmittelbare Anwendung der Gas-Richtlinie 2003 in Betracht kommt. Da es in dem genannten Urteil nicht darauf angekommen ist, hatte der Bundesgerichtshof nicht darüber zu befinden, ob die Gas-Richtlinie 2003 inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist, um daraus direkte Ansprüche des Kunden des Gasversorgers herleiten zu können. Dies hat jedoch nicht nur für diesen Rechtsstreit, sondern auch für weitere Verfahren Bedeutung, die noch bei der Kammer bzw. erstinstanzlich beim Amtsgericht Delmenhorst anhängig sind.

In seinem Beschluss vom 15.12.2015 (VIII ZR 76/13) hat der Bundesgerichtshof weiter festgestellt, dass die Beurteilung des Berufungsgerichtes in der dort zu behandelnden Rechtssache nicht zu beanstanden sei, nach der die Preissteigerungen der Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum der Billigkeit entsprechen. Hiervon weicht die vorliegende Entscheidung ab, wenn auch aufgrund eines unzureichenden Vortrages zu den Voraussetzungen der Preisänderung.

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