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Fahrzeugkaufvertrag – Offenbarungspflicht bei Fahrzeugkauf von „fliegenden Zwischenhändler“

Käuferin bekommt Geld zurück: Fliegender Zwischenhändler täuschte sie über Unfallschaden

Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied in einem Fall über Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf. Der Beklagte wurde wegen arglistiger Täuschung verurteilt, da er den Kaufpreis eines Audi A6 zurückzahlen musste. Er hatte verschwiegen, dass das Fahrzeug von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben wurde und bereits einen erheblichen Unfallschaden erlitten hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 U 50/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Arglistige Täuschung: Der Beklagte hat arglistig gehandelt, indem er wichtige Informationen über den vorherigen Kauf und den Zustand des Fahrzeugs verschwieg.
  2. Kaufpreisrückzahlung: Der Beklagte wurde zur Rückzahlung des Kaufpreises von 16.928,63 € an die Klägerin verurteilt.
  3. Zinsen und weitere Kosten: Zusätzlich zur Kaufpreisrückzahlung muss der Beklagte Zinsen und weitere Kosten, wie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, zahlen.
  4. Annahmeverzug: Es wurde festgestellt, dass sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet.
  5. Unfallschaden und Fahrzeughistorie: Der Beklagte erwarb das Fahrzeug mit einem bereits vorhandenen, erheblichen Unfallschaden, was er der Klägerin nicht offenbarte.
  6. Import des Fahrzeugs: Der Wagen wurde ursprünglich in den USA zugelassen, erlitt dort einen Unfallschaden und wurde dann nach Deutschland importiert.
  7. Klageabweisung in anderen Punkten: Einige Ansprüche der Klägerin, insbesondere bezüglich weiterer Kosten, wurden abgewiesen.
  8. Keine Revisionszulassung: Das Urteil ist spezifisch auf den Einzelfall bezogen und enthält keine grundsätzlichen Rechtsfragen, die eine Revision rechtfertigen würden.

Offenbarungspflichten im Fahrzeugkauf: Rechtliche Rahmenbedingungen und Gerichtspraxis

Autohändler
(Symbolfoto: Nestor Rizhniak /Shutterstock.com)

Beim Erwerb eines Fahrzeugs von einem „fliegenden Zwischenhändler“ tauchen häufig Fragen bezüglich der Offenbarungspflichten auf. Die rechtlichen Grundlagen für solche Transaktionen sind komplex und werden oft in höheren Instanzen, wie dem Oberlandesgericht, behandelt. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Frage, inwieweit Verkäufer verpflichtet sind, Informationen über die Herkunft und den Zustand des Fahrzeugs offen zu legen. Insbesondere der Kauf von Gebrauchtwagen birgt Risiken, die durch unzureichende Information seitens des Verkäufers verschärft werden können.

Diese Thematik ist nicht nur für Käufer und Verkäufer von Belang, sondern auch für die Rechtsprechung. Sie muss klären, inwieweit die Offenbarungspflichten verletzt wurden und welche rechtlichen Konsequenzen dies nach sich zieht. Dabei geht es um Fragen der Arglist, der Anfechtung des Kaufvertrages und der daraus resultierenden Schadenersatzansprüche. Die Rechtsprechung, exemplarisch am Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg, verdeutlicht, wie die Gerichte mit solchen Fällen umgehen und welche Grundsätze dabei Anwendung finden.

Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten ein konkretes Urteil zu diesem Thema und geben Einblick in die juristische Bewertung und Entscheidungsfindung. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in einem spezifischen Fall geurteilt hat und welche Lehren daraus für ähnliche Fälle gezogen werden können.

Rechtliche Fallstricke beim Autokauf von „fliegenden Zwischenhändlern“

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil wichtige Aspekte zum Fahrzeugkaufvertrag und zur Offenbarungspflicht bei Geschäften mit „fliegenden Zwischenhändlern“ geklärt. Im Zentrum des Verfahrens stand ein Audi A6 Quattro, der unter verdächtigen Umständen vom Beklagten an die Klägerin verkauft wurde. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexen juristischen Herausforderungen, die beim Kauf eines Gebrauchtwagens von privaten Verkäufern entstehen können.

Hintergründe des Streits: Ein Audi A6 mit verborgener Vergangenheit

Die Klägerin erwarb den Audi im Oktober 2018 vom Beklagten, ohne Kenntnis von dessen problematischer Historie. Erst nach einem Wildunfall im November 2020 entdeckte sie, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit einen erheblichen Unfallschaden erlitten hatte. Die Klägerin fühlte sich getäuscht und sah sich arglistig hintergangen, da sie annahm, der Beklagte habe von dem Schaden gewusst, ihn jedoch verschwiegen. Daraufhin forderte sie die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Die juristische Auseinandersetzung und das Urteil des OLG Brandenburg

Das Landgericht Frankfurt (Oder) wies die Klage zunächst ab, da es nicht überzeugt war, dass der Beklagte vom Unfallschaden wusste. Die Klägerin legte Berufung ein, woraufhin das Oberlandesgericht Brandenburg den Fall neu bewertete. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Beklagte tatsächlich die Klägerin über wesentliche Fakten im Unklaren gelassen hatte, insbesondere über die Herkunft des Fahrzeugs und den Erwerb von einem „fliegenden Zwischenhändler“. Dies führte zur erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrags durch die Klägerin aufgrund arglistiger Täuschung.

Relevanz der Offenbarungspflicht und Konsequenzen für den Fahrzeugmarkt

Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für den Gebrauchtwagenmarkt. Es unterstreicht die Verantwortung von Verkäufern, potenzielle Käufer über wichtige Aspekte der Fahrzeughistorie aufzuklären, insbesondere wenn das Fahrzeug unter Umständen erworben wurde, die auf verdeckte Mängel oder Vorschäden hindeuten könnten. Der Fall zeigt, dass die Offenlegungspflicht eine entscheidende Rolle spielt und deren Missachtung gravierende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Fazit: Wachsamkeit und Transparenz beim Autokauf geboten

Für Käufer von Gebrauchtwagen ist es essentiell, sich umfassend über die Historie des Fahrzeugs zu informieren und auf Transparenz seitens des Verkäufers zu bestehen. Verkäufer wiederum müssen sich ihrer Offenbarungspflichten bewusst sein, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg setzt hier ein klares Zeichen und stärkt den Verbraucherschutz im Gebrauchtwagenhandel.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter einem „fliegenden Zwischenhändler“ und welche rechtlichen Konsequenzen können sich daraus ergeben?

Ein „fliegender Zwischenhändler“ bezieht sich auf einen Händler, der seine Waren an wechselnden Orten mit temporärer Nachfrageballung verkauft, ohne ein stationäres Geschäftslokal zu haben. Dieser Begriff wird oft im Kontext des Gebrauchtwagenhandels verwendet.

Rechtliche Konsequenzen können sich insbesondere im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht ergeben. Wenn ein Verkäufer ein Fahrzeug von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat, besteht eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Käufer. Der Käufer geht in der Regel davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter im Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. Wenn der Verkäufer das Fahrzeug jedoch von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat, kann dies den Verdacht nahelegen, dass es während der Besitzzeit des Voreigentümers zur unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet.

Diese Aufklärungspflicht gilt als vorvertragliche Pflicht, die Autohändler erfüllen müssen. Wenn diese Pflicht verletzt wird, kann dies zu rechtlichen Konsequenzen führen, wie zum Beispiel Schadensersatzansprüchen.

Was bedeutet die Offenbarungspflicht beim Fahrzeugkauf und welchen Umfang hat diese?

Die Offenbarungspflicht beim Fahrzeugkauf bezieht sich auf die Pflicht des Verkäufers, den Käufer über alle relevanten Informationen, die die Kaufentscheidung beeinflussen könnten, zu informieren. Dies umfasst insbesondere Informationen über Unfallschäden und andere Mängel des Fahrzeugs.

Im Falle eines erheblichen Unfallschadens muss der Verkäufer den Käufer vollständig und korrekt über den Umfang des Schadens informieren, insbesondere wenn tragende Teile betroffen waren. Dies gilt auch, wenn der Verkäufer ein Gebrauchtwagenhändler ist. Die Offenbarungspflicht besteht auch dann, wenn der Käufer nicht explizit nach Unfallschäden fragt.

Die Offenbarungspflicht umfasst auch die Vorlage aller Prüfberichte, Dokumente und Rechnungen, die die Vollständigkeit und Richtigkeit der Fahrzeughistorie belegen können. Dies ermöglicht es dem Käufer, zu überprüfen, ob das Fahrzeug regelmäßig gewartet wurde und ob eine lückenlose Fahrzeugpflege erfolgte.

Eine Verletzung der Offenbarungspflicht kann als arglistige Täuschung angesehen werden und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, einschließlich der Möglichkeit für den Käufer, den Kaufvertrag anzufechten.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 10 U 50/22 – Urteil vom 20.04.2023

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Februar 2022, Az. 13 O 126/21, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und aus Klarstellungsgründen insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.928,63 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Audi A6 – Fahrgestellnr. … zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des o.g. Audi A6 – Fahrgestellnr. … in Verzug befindet.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen aus einem Betrag von 16.928,63 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24. März 2021 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 316,48 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 24. März 2021 zu zahlen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 24. März 2021 zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu 36% und der Beklagte zu 64%.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und die Beklagte dürfen die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

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IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 27.204,88 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf über einen Audi A6 Quattro mit der Fahrgestellnummer: … .

Das Fahrzeug wurde am 1. Juli 2012 in den USA erstmals zugelassen und am 4. Oktober 2013 von New York nach Litauen verschifft. Der Beklagte bot im Oktober 2018 das streitgegenständliche Fahrzeug im Internet zum Kauf an. Die Klägerin besichtigte das Fahrzeug am 31. Oktober 2018 beim Beklagten, der 263 km von ihrem Wohnort entfernt lebt, im Beisein der Zeugen Ha. (der Ehefrau des Beklagten) und He. (dem Ehemann der Klägerin). Die Klägerin und ihr Ehemann führten außerdem eine Probefahrt durch, für die der Beklagte das Fahrzeug startete und aus der Einfahrt seines Grundstücks herausfuhr. Die Parteien sprachen über einen Kratzer in der Tür und kleinere Kratzer; der weitere Inhalt des Gesprächs über Schäden ist streitig. Der Beklagte besprach mit der Klägerin außerdem, dass das Fahrzeug für den amerikanischen Markt produziert und von dort re-importiert worden sei.

Am 3. November 2018 schlossen die Parteien sodann – wiederum beim Beklagten – einen schriftlichen Vertrag über den Kauf des genannten Fahrzeugs zum Preis von 21.500 €.

Der Kaufpreis wurde gezahlt und das Fahrzeug übergeben. Das Fahrzeug hatte bei Kauf einen Kilometerstand von 78.108 km.

Ende November 2020 erlitt die Klägerin mit dem Fahrzeug einen Wildschaden. Die von der Klägerin mit der Behebung des Schadens beauftragte Werkstatt teilte ihr mit, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit bereits einen massiven Unfallschaden erlitten habe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. März 2021 erklärte die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag, und forderte den Beklagten zur Rücknahme des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises bis 23. März 2021 auf.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann habe den Beklagten unter anderem auch zu Unfallvorschäden befragt. Der Beklagte habe ohne Beschränkung auf seine eigene Besitzzeit erklärt, das Fahrzeug sei bis auf die unstreitig erwähnten Kratzer an der Fahrertür sowie kleinere Kratzer unfallfrei.

Sie hat weiter unter Vorlage der Fahrzeughistorie und eines Berichts der Firma C. behauptet, das Fahrzeug habe im Jahr 2013 in den USA einen massiven Unfallschaden mit Auslösen des Airbags erlitten. Sie hat behauptet, der Beklagte habe das Fahrzeug von einem Händler erworben, der ehemals als wirtschaftlichen Totalschaden verunfallte und in Osteuropa instandgesetzte Fahrzeuge in Deutschland verkaufe. Der Beklagte habe entweder unmittelbar aus dem Ankaufsgeschäft, jedenfalls aber aus den Umständen des Ankaufs gewusst, dass es sich um ein Unfallfahrzeug gehandelt habe.

Schon bei Übergabe hätten zudem Bremslichter beim Starten des Motors und gleichzeitiger Betätigung der Bremse nicht funktioniert; die Rückleuchten seien aufgeschnitten und mit Silikon zusammengeklebt gewesen; die Einklappfunktion der Seitenspiegel habe nur an der Beifahrerseite funktioniert. Weiterhin sei am 10. November 2018 die Fehlfunktion „P049100 Sekundärluftsystem Bank1 Durchlauf zu gering“ angezeigt worden. Nach Löschen des Fehlers sei die Funktion regelmäßig nach fünf weiteren Fahrzyklen wieder aufgetreten.

Kenntnis von einem massiven Unfallschaden in der Vergangenheit habe sie vor der Mitteilung der Werkstatt im November 2020 nicht gehabt. Die Klägerin hat weiter behauptet, der Beklagte habe einen Unfallschaden bewusst verschwiegen. Er habe das Fahrzeug sowohl bei der Besichtigung als auch bei der Abholung durch die Klägerin selbst gestartet, um die Entdeckung der behaupteten Fehlermeldungen und damit die Erkennbarkeit eines Unfallschadens zu vermeiden. Außerdem habe er die Fehlermeldung „P049100 Sekundärluftsystem Bank 1 Durchlauf zu gering“ vor den Verkaufsverhandlungen und vor der Übergabe gelöscht. Die behaupteten Fehlfunktionen hätten ihre Ursache sämtlich in einer mangelhaften Unfallinstandsetzung. Dies sei dem Beklagten bekannt gewesen.

Die Klägerin hat weiter schriftsätzlich behauptet, das Fahrzeug habe am 16. September 2021 einen Kilometerstand von 107.612 km gehabt. In der erstinstanzlichen Verhandlung hat sie ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils behauptet, das Fahrzeug weise nunmehr einen Kilometerstand von 195.017 km auf.

Der Klägerin hat behauptet, sie sei zur Besichtigung und zur Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs jeweils von ihrem Wohnsitz zum Beklagten gefahren und macht insoweit Kosten in Höhe von 315,60 € geltend. Ihr seien für das Fahrzeug außerdem Kosten für Kennzeichen, PCD-Sensor, Kabelbaum PCD-Sensor, Zündkerze, Außenspiegel, Abdeckung Türgriff, LED Rückleuchte und die Hauptuntersuchung in Höhe von 817,11 € entstanden. Wegen der Aufstellung der Kosten im Einzelnen wird auf die Klageschrift (Bl. 9, 10 LGA.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Laufleistung hat die Klägerin behauptet, diese betrage bei vergleichbaren Fahrzeugen 300.000 km.

Der Beklagte hat behauptet, er habe das Fahrzeug 2014 von einer Privatperson zum Preis von ca. 35.000 € gekauft. Er habe weder beim Kauf noch später von einem Unfallschaden erfahren.

Er habe bei der Besichtigung das Fahrzeug selbst gestartet, weil die Klägerin bzw. der Zeuge He. den Startvorgang am Motor begutachten wollten. Er habe dadurch keine – ihm unbekannten – Mängel verschleiern wollen. Die generelle Unfallfreiheit sei bei Vertragsverhandlungen nie angesprochen und auch nicht behauptet worden. Er habe lediglich seinen eigenen Wissensstand aus seiner eigenen Besitzzeit des Fahrzeugs mitgeteilt.

Er ist der Ansicht, die Klägerin habe nicht innerhalb der Frist des § 124 BGB die Anfechtung erklärt. Er erhebt außerdem die Einrede der Verjährung und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Nutzungsersatz, den er mit 4.571,37 € beziffert.

Die Klage ist dem Beklagten am 1. Juli 2020 zugestellt worden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen He. und Ha. und die Klage abgewiesen. Es sei nicht mit dem nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichem Maß davon überzeugt, dass der Beklagte von einem etwaigen Unfallschaden Kenntnis gehabt habe. Der Unfallschaden sei äußerlich nicht erkennbar und auch vom Ehemann der Klägerin, der KFZ-Mechatroniker sei, bei der Besichtigung und auch in der nachfolgenden Nutzungszeit nicht erkannt worden. Soweit die Klägerin behaupte, die Kenntnis des Unfallschadens ergebe sich aus den Umständen des Vorkaufs, so sei dieser Vortrag willkürlich „ins Blaue hinein“ aufgestellt und damit unbeachtlich.

Das Gericht sei auch nicht davon überzeugt, dass der Beklagte eine Zusicherung über die Unfallfreiheit gegeben habe, obwohl er insoweit keine tatsächliche Kenntnis gehabt habe. Der Klägerin sei klar gewesen, dass sie ein Fahrzeug erwerbe, welches bereits 2012 in den USA zugelassen worden sei und damit mindestens einen weiteren Vorbesitzer gehabt habe. Ihr sei daher klar gewesen, dass auch der Beklagte im Hinblick auf Kenntnisse über etwaige Unfallvorschäden auf Informationen des Verkäufers angewiesen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr Klagebegehren weiter verfolgt. Sie macht insbesondere geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Beklagten verneint. Der Vortrag sei entgegen der Annahme des Landgerichts nicht ins Blaue hinein erfolgt. Vielmehr sei der Vortrag des Beklagten zum Erwerb widersprüchlich. Wenn er es von einem privaten Vorbesitzer erworben hätte, so hätte dieser das Fahrzeug zulassen müssen, dies müsste sich dann aus der Zulassungsbescheinigung ergeben. Die Tatsache, dass das Fahrzeug vor dem Erwerb durch den Beklagten in Deutschland nicht zugelassen gewesen sei, spreche dafür, dass er es nicht von einem privaten Vorbesitzer erworben habe, was er bei dem Verkauf gegenüber der Klägerin hätte offenbaren müssen.

Sie behauptet, der Kilometerstand betrage 107.612 km, das Fahrzeug sei nach Rücksprache mit ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr bewegt worden.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils:

1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag in Höhe von 21.500,00 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Audi A6 – Fahrgestellnr.: … .

2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des im Antrag zu 1. bezeichneten Audi A6 – Fahrgestellnr.: …, seit dem 24. März 2021 in Verzug befindet.

3. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus 21.500,00 € seit dem 24. März 2021 zu zahlen.

4. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.132,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 24. März 2021 zu zahlen.

5. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin nicht streitwerterhöhende vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.375,88 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 24. März 2021 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf seine erstinstanzlichen Ausführungen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat überwiegend Erfolg. Sie führt unter Aufrechterhaltung der Klageabweisung im Übrigen zur teilweisen Abänderung der Entscheidung. Die bis auf einen Teil des Feststellungsantrags zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 16.928,63 €. Ein solcher Anspruch ist aufgrund des § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB entstanden. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe verpflichtet. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB steht ausweislich § 325 BGB neben dem Rücktritt. Da die Klägerin nur diese beiden Rechte geltend macht, kann die umstrittene Frage, ob Gewährleistungsansprüche und Anfechtungsrecht aus § 123 BGB wahlweise nebeneinander stehen, offenbleiben (vgl. hierzu verneinend Reinking/Eggert, Der Autokauf, Rn. 3859; bejahend Staudinger/Singer/vFinckenstein (2021) BGB § 123, Rn. 103 mwN).

a) Der Beklagte hat von der Klägerin den Kaufpreis von 21.500 € erlangt.

b) Die Übereignung des Kaufpreises erfolgte ohne rechtlichen Grund, weil die Klägerin den zugrundeliegenden Kaufvertrag erfolgreich gemäß § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB angefochten hat. Nach dieser Vorschrift kann derjenige, der zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, die Erklärung anfechten.

aa) Eine Täuschung liegt im Streitfall vor. Eine Täuschung kann durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen oder durch ihr Verschweigen begangen werden. Verschweigen von Tatsachen stellt eine Täuschungshandlung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht (BGH, Urteil vom 18. März 2003 – X ZR 19/01).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Vertragsverhandlungen für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann (BGH, Urteil vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/003, Rn. 18, juris; Urteil vom 13. Juni 2007 – VIII ZR 236/06 –, Rn. 35, juris; Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 38/09 –, Rn. 15, juris). Ein Verkäufer verschweigt einen offenbarungspflichtigen Mangel bereits dann arglistig, wenn er ihn mindestens für möglich hält und gleichzeitig damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Kenntnis den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urteile vom 11. Februar 2004 – VIII ZR 386/02, NJW 2004, 1032 unter II 1; vom 30. April 2003 – V ZR 100/02, NJW 2003, 2380 unter II 2 b mwN; st. Rspr.).

Der Beklagte hat die Klägerin vorliegend darüber getäuscht, dass er das Fahrzeug nicht von einem privaten Vorbesitzer erworben hat, sondern von einem „fliegenden Zwischenhändler“, also einem Verkäufer, der das Fahrzeug selbst nicht auf sich zugelassen hatte, es nur kurze Zeit in Besitz hatte und der für den Beklagten nach dem Kauf nicht mehr greifbar ist.

Zwar kann der Käufer eines Gebrauchtwagens nicht grundsätzlich die Mitteilung erwarten, wie, wann und von wem das zum Verkauf stehende Fahrzeug beschafft wurde (OLG München, Urteil vom 14. März 2018 – 20 U 2499/17, Rn. 34, juris). Von diesem Grundsatz wird aber eine Ausnahme gemacht, wenn die Umstände des Erwerbs den Verdacht nahelegen, dass es während der Besitzzeit des Voreigentümers zur unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Solche Umstände sind zum Beispiel gegeben, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst kurz zuvor von einem „fliegenden Zwischenhändler” erworben hat. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet, weil der Verdacht naheliegt, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 38/09 –, Rn. 16, juris). Vergleichbar wird eine Aufklärungspflicht beim Privatverkauf angenommen, wenn der Verkäufer einen im Autokino nur per Handschlag erworbenen älteren Gebrauchtwagen nach kurzer Zeit wieder verkauft (OLG Frankfurt, n.v., zitiert z.B. von Eggert, Reinking/Eggert, Autokauf, Rn. 3229a).

Bei dem Erwerb von einem privaten Vorbesitzer, der das Fahrzeug selbst zugelassen und gefahren hat, kann der Erwerber davon ausgehen, dass der Verkäufer Kenntnis von Vorschäden hat und diese offenbart. Ein privater Verkäufer muss neben Schadensersatzansprüchen auch strafrechtliche Verfolgung fürchten, wenn er Unfallschäden nicht offenlegt. Anders ist es bei dem Erwerb von einem fliegenden Zwischenhändler; es liegt auf der Hand, dass dieser keine eigene Kenntnis von Vorschäden haben kann, gleichfalls sind Nachforschungen in einem solchen Fall erschwert.

Der Beklagte hat den substantiierten Vortrag der Klägerin, dass er das Fahrzeug nicht von einem privaten Vorbesitzer, sondern unter Umständen, die dem Erwerb von einem „fliegenden Zwischenhändler“ gleichkommen, erworben hat, nicht ausreichend substantiiert bestritten. Dass der Verkäufer für den Beklagten nicht greifbar ist, ergibt sich schon aus dem Vortrag des Beklagten selbst. So will der Beklagte keine Kenntnis mehr davon haben, von wem er das Fahrzeug erworben hat. Im Rahmen der persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO hat sich der Beklagte weder an den Ort noch die Gegend, in der er das Fahrzeug erworben haben will, erinnern können, nicht einmal auf eine Himmelsrichtung hat er sich zunächst festlegen wollen. In Anbetracht der Höhe des Kaufpreises und der Erklärung des Beklagten, dass er nicht regelmäßig Fahrzeuge kauft, ist das komplette Fehlen einer Erinnerung schwer nachzuvollziehen. Sein Vortrag ist darüber hinaus widersprüchlich, wenn er zunächst schriftsätzlich vorträgt, er habe den Ankaufvertrag mit allen weiteren Unterlagen zum Fahrzeug der Klägerin übergeben, in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2021 jedoch erklärt, er habe den Ankaufvertrag aus dem Jahre 2014 nicht an die Klägerin übergeben und wisse auch nicht, wo der Vertrag sei.

Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte als erster Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II vermerkt ist. Denn wenn er das Fahrzeug von einem privaten Vorbesitzer, der selbst Halter des Fahrzeugs war, in Deutschland erworben hätte, müsste dieser Vorbesitzer ebenfalls in der Zulassungsbescheinigung vermerkt sein und sich die Zahl der Vorhalter auf (mindestens) zwei belaufen. Gegen den Erwerb von einem privaten Verkäufer spricht darüber hinaus die Tatsache, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung davon sprach, dass das Fahrzeug bei seiner Besichtigung im Jahre 2014 ein rotes Überführungskennzeichen trug. Zudem hat der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat auf die Frage des Senats nach der Zulassungsbescheinigung Teil II und dem dort ersichtlichen Umstand, dass der Beklagte darin als erster Halter eingetragen ist, erklärt, er sei einfach mit den Papieren aus den USA zur Zulassungsstelle gegangen und habe dann diese Zulassungsbescheinigung bekommen. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug vorher nicht in Deutschland zugelassen war, denn sonst hätte das Fahrzeug bereits eine Konformitätsbescheinigung gehabt und der Beklagte nicht mit den „Papieren aus den USA“ zur Zulassungsstelle gehen müssen. Dass das Fahrzeug außer dem Beklagten und dem Erstnutzer in den USA keine weiteren Halter, insbesondere in Litauen, hatte, ergibt sich daraus, dass der Verkäufer als erster namentlich benannter Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen und bei der Zahl der vorherigen Halter die Zahl 1 steht. Denn aus der Eintragung des Beklagten als einzigem Halter folgt, dass er die erste Person war, die das Fahrzeug in Deutschland zugelassen hat. Aus der Angabe der Zahl 1 bei den Vorhaltern folgt, dass der Beklagte gegenüber der Zulassungsbehörde angegeben hatte, dass es nur einen Vorhalter im Ausland gab, da die Behörde einen Strich ( – ) eintragen müsste, wenn die Anzahl der Vorhalter nicht ermittelt werden kann. Dies stellt einen gewichtigen Umstand dafür dar, dass eine Pflicht bestand, auch ungefragt über die Erwerbsumstände bzw. die Herkunft des Fahrzeugs aufzuklären. Ohne einen entsprechenden Hinweis geht ein Käufer nämlich davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug neu oder gebraucht vom vorherigen Halter unmittelbar aus den USA erworben hat, jedenfalls nicht, dass es bereits mindestens zwei Vorbesitzer gab und das Fahrzeug über Litauen importiert wurde.

Die sich so ergebende Aufklärungspflicht hat der Beklagte verletzt. Dass der Beklagte darüber aufgeklärt hat, dass das Fahrzeug aus den USA „re“-importiert worden ist, erfüllt die Aufklärungspflicht nicht, weil die ausschlaggebende Tatsache fehlt, dass das Fahrzeug nicht von den USA nach Deutschland verbracht wurde, sondern es dazwischen noch einen Aufenthalt in Litauen hatte.

bb) Der Beklagte handelte auch arglistig. Der erforderliche Täuschungswille liegt vor. Sofern eine Täuschungshandlung – bei Bestehen einer Aufklärungspflicht durch Verschweigen – geeignet ist, den entstandenen Irrtum hervorzurufen und hierdurch den Entschluss zur Abgabe der Willenserklärung zu beeinflussen, reicht es hierfür, wenn der Handelnde sich der Eignung bewusst ist oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnet, der Gegner werde bei Kenntnis die Willenserklärung nicht oder nicht mit dem gewünschten Inhalt abgeben, und er gleichwohl die Handlung mit dem Willen vornimmt, den Irrtum hervorzurufen und den Gegner zur Abgabe der Willenserklärung zu veranlassen. Denn dann ist der – bereits bei bedingtem Vorsatz gegebene – Täuschungswille vorhanden, der die Arglist im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB kennzeichnet (BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 – X ZR 123/03 –, Rn. 11, juris). Der Verkäufer braucht keine betrügerische Absicht haben, sondern es reicht schon bedingter Vorsatz – im Sinne eines (bloßen) „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ – und mit dem kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1993 – III ZR 156/92 –, BGHZ 123, 363-368, Rn. 9).

(1) Nach diesen Maßstäben liegt Arglist auf Seiten des Beklagten vor.

Den Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe das verunfallte Fahrzeug im Vergleich zu vergleichbaren nicht unfallvorgeschädigten Fahrzeugen besonders günstig und von einem dafür spezialisierten Verkäufer erworben, hat der Beklagte nicht ausreichend bestritten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Vortrag der Klägerin nicht als willkürlich ins Blaue hinein unberücksichtigt gelassen werden. Falls die darlegungspflichtige Partei keinen Einblick in die Geschehensabläufe hat und ihr die Beweisführung deshalb erschwert ist, darf sie auch vermutete Tatsachen vortragen und unter Beweis stellen. Sie ist grundsätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (BGH, Beschluss vom 27. April 2022 – XII ZR 37/21 –, Rn. 10, juris; Beschluss vom 21. April 2022 – I ZR 129/21 –, Rn. 15, juris). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 – VIII ZR 33/20). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist jedoch Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt sein können (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 – VIII ZR 33/20 – Rn. 18 mwN). Im Streitfall hatte die Klägerin vorgetragen und durch Vorlage von Auskünften von Recherchediensten samt Fotos des streitgegenständlichen Fahrzeugs substantiiert, dass das gegenständliche Fahrzeug im Juni 2013 den USA einen schweren Unfallschaden erlitten habe und im Oktober 2013 mit einem geschätzten Wert von 10.000 € in aus den USA nach Litauen gebracht worden ist. Diesen Vortrag hat der Beklagte nur pauschal und damit nicht ausreichend bestritten. Angesichts des konkreten Vortrags der Klägerin, der auch die Vorlage eines Berichts mit Fahrzeuggeschichte einer Auskunftei (Anlage K5) sowie eines weiteren Berichts der Firma C. (Anlage K6) umfasst, einschließlich Fotos des erheblich beschädigten Fahrzeugs, hätte der Beklagte für ein wirksames Bestreiten konkrete Punkte angreifen müssen, z.B. durch Erhebung von Einwendungen gegen den Inhalt und die Richtigkeit der vorgelegten Berichte. Damit liegen ohne weiteres greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erwerb unter Umständen, die auf einen Unfallschaden hindeuten, erfolgt sein und die Beklagte arglistig gehandelt haben könnte.

Den Vortrag der Klägerin hat der Beklagte nicht ausreichend bestritten, er gilt daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Den Beklagten trifft nämlich eine sog. sekundäre Darlegungslast. Er kann sich daher, um rechtlich wirksam bestreiten zu können, nicht auf das bloße Bestreiten des klägerischen Vortrags zurückziehen, sondern hätte konkret zu den Umständen des Fahrzeugerwerbs vortragen müssen, insbesondere von welcher Person und unter welchen Bedingungen er das Fahrzeug erwarb.

Den Prozessgegner trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (BGH, Urteil vom 23. September 2022 – V ZR 148/21 –, Rn. 24, juris).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Klägerin am Erwerb des Fahrzeugs durch den Beklagten nicht beteiligt war und daher auch keine Kenntnis hierüber haben kann. Sie kann sich eine solche Kenntnis auch nicht verschaffen, insbesondere nicht durch die Einholung einer Auskunft aus dem Zentralen Fahrzeugregister. Denn darin werden gem. § 33 StVG Daten über die Person gespeichert, welche das Fahrzeug erstmals in Deutschland zulassen lässt, nicht aber die Daten des Veräußerers. Da ausweislich der von der Klägerin im Berufungszug vorgelegten Zulassungsbescheinigung Teil II der Beklagte das Fahrzeug am 30. Januar 2014 zugelassen hatte und die Bescheinigung für die erstmalige Zulassung des Fahrzeugs ausgegeben wurde, spricht nichts dafür, dass in dem Register Daten über andere Personen, als den Beklagten, gespeichert sind.

Dem Beklagten als Prozessgegner sind auch nähere Angaben zu der relevanten Tatsache ohne weiteres möglich und zumutbar. Dies ist für eine Prozesspartei in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (BGH, Urteil vom 15. August 2019 – III ZR 205/17 –, Rn. 23, juris; Urteil vom 22. Oktober 2014 – VIII ZR 41/14 –, Rn. 17, juris). Zwar darf sich eine Partei auf Nichtwissen berufen, wenn sie sich an einen lange zurückliegenden (Alltags-)Vorgang – nach der Lebenserfahrung glaubhaft – nicht mehr zu erinnern vermag (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 238/98 –, Rn. 28, juris). Die bloße Behauptung, sich nicht zu erinnern, reicht indessen nicht aus (BGH, Beschluss vom 17. August 2015 – IV ZR 140/15 –, Rn. 13, juris).

Nach diesen Grundsätzen war dem Beklagten näherer Vortrag zu den genauen Umständen des Erwerbs zumutbar. Der Senat hält seine Einlassung, sich nicht mehr an die Details des Ankaufs des Fahrzeugs durch ihn zu erinnern, für nicht hinreichend nachvollziehbar. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Ankauf im Jahr 2014, also vor fast acht Jahren erfolgt ist und damit lange zurückliegt, so muss es sich für den Beklagten angesichts des hohen Preises von 35.000 € für das Fahrzeug sowie der Tatsache, dass er das Fahrzeug dann etwa vier Jahre in seinem Besitz hatte und auch nicht vorträgt, regelmäßig mit einer großen Anzahl von Fahrzeugen zu handeln, um einen besonderen und außergewöhnlichen Vorgang gehandelt haben, zu dem konkrete Erinnerungen noch erwartet werden können.

Das ergibt sich auch daraus, dass der Beklagte, in der Berufungsverhandlung persönlich angehört, einzelne Details durchaus erinnern konnte, etwa dass er das Fahrzeug durch eine Internetanzeige bemerkt hatte, dass er zum Verkäufer „heruntergefahren“ sei, dass er sich für den Kauf der Hilfe einer weiteren Person bedient und ein Überführungskennzeichen benutzt hatte, der Verkäufer ein Mann war, der Beklagte keine Probefahrt gemacht hatte, er nicht über die Herkunft des Fahrzeugs gesprochen haben und auch nicht über den vom Verkäufer verlangten Preis weiter verhandelt haben will, das Fahrzeug in einer Siedlung an der Straße vorne bei dem Grundstück gestanden und er keine weiteren Fahrzeuge zum Verkauf gesehen habe.

Diesem Erinnern an vereinzelte Details des Ankaufs steht jedoch gegenüber, dass der Beklagten angegeben hat, sich an ebenso oder deutlich einprägsamere Details des Ankaufs nicht zu erinnern. So hat er auch auf mehrfache und unterschiedliche Nachfragen des Senats nicht geschildert, in welcher Gegend er das Fahrzeug erworben hat. Er hat dazu zwar auf Nachfragen angegeben, der Ankauf sei im Süden Deutschlands erfolgt, er sei „runtergefahren“. Ob und welche größere Stadt in der Nähe gewesen und auf welchem Weg er zumindest ungefähr aus M. in den Süden gefahren sei, konnte er dagegen nicht schildern. Da er nach seinen Angaben nicht regelmäßig mit einer größeren Anzahl von Fahrzeugen handelt, erscheint das Fehlen jeglicher Erinnerung jedoch lebensnah nicht nachvollziehbar, zumal auch der Auskunft über den Ort des Ankaufs gebende Kaufvertrag nach Angaben des Beklagten nicht mehr auffindbar ist. Hinzu kommt, dass das Fahrzeug auch nach der Schilderung des Beklagten erstmals von ihm in Deutschland zugelassen worden ist. Da dem Beklagten als Kfz-Schlosser durchaus überdurchschnittliche Kenntnisse über Fahrzeuge unterstellt werden können, erscheint es nur wenig nachvollziehbar, wenn der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung angegeben hat, mit dem Verkäufer nicht über die Herkunft des Fahrzeuges gesprochen zu haben.

Dass der Beklagte auf der einen Seite Details des Ankaufs erinnert, auf der anderen Seite aber sich weder an Stadt noch Bundesland des Verkaufs oder weitere Details über den Verkäufer erinnern kann, ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um das Nichterinnern für den Senat nach der Lebenserfahrung nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Daher hat der Beklagte im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend vorgetragen, so dass das entgegenstehende Vorbringen der Klägerin unstreitig ist.

(2) Der Vorsatz des Beklagten erstreckte sich auch darauf, bei der Klägerin einen Irrtum hinsichtlich der Erwerbsumstände zu erregen und insoweit ihren Willen zum Vertragsschluss zu beeinflussen. Dass der Beklagte in den Verkaufsverhandlungen mitgeteilt hat, dass das Fahrzeug aus den USA „Re-importert“ worden sei, lässt für den Senat den Rückschluss zu, dass ihm die Relevanz der Herkunft des Fahrzeugs für den Kaufentschluss der Klägerin bewusst war und daher das Verschweigen der Tatsache, dass er das Fahrzeug nicht von einem privaten Vorbesitzer, sondern einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hatte, in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Klägerin den Vertrag bei Offenbarung sonst nicht schließen werden würde.

cc) Die Täuschung war auch für den Vertragsschluss kausal. Die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Willenserklärung ist im Rahmen der Anfechtung nach § 123 BGB schon dann gegeben, wenn die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre, es genügt also schon, wenn ohne die Täuschungshandlung das Geschäft erst später abgeschlossen worden wäre (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – III ZR 82/13 –, Rn. 12, juris; Urteil vom 22. Januar 1964 – VIII ZR 103/62 –, Rn. 14, juris). Dass die Klägerin den Vertrag nicht, jedenfalls nicht zu dem Preis oder nach Durchführung weiterer Recherchen und damit später abgeschlossen hätte, ergibt sich daraus, dass sie vor dem Vertragsschluss das Fahrzeug besichtigte, Probe fuhr, und dem Beklagten verschiedene Fragen zu dem Fahrzeug stellte, auch zu Unfallvorschäden und insoweit sogar zu Kratzern. Das reicht für den Rückschluss aus, dass sie bei der Offenbarung der genauen Umstände des Fahrzeugerwerbs durch den Beklagten den Vertrag nicht zu den tatsächlich erfolgten Bedingungen abgeschlossen hätte, sondern zunächst weiter nachgefragt hätte, zum Beispiel zum Preis, zur Person des Verkäufers oder zum – ihr nicht übergebenen – Kaufvertrag aus dem Jahr 2014.

c) Die Klägerin hat die Anfechtung auch erklärt. Insoweit hat sie unbestritten vorgetragen, mit vorgerichtlichem Schreiben vom 9. März 2021 wegen arglistiger Täuschung die Anfechtung erklärt zu haben, eine Erklärung des Rücktritts sei nur hilfsweise erklärt worden.

d) Die Klägerin hat auch die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB eingehalten. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung gemäß § 124 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Nicht ausreichend ist ein bloßes Kennenmüssen; auch ein bloßer Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2011 – IV ZR 38/09, NJW 2012, 296 Rn. 46). Darlegungs- und beweisbelastet für die Versäumung der Frist ist der Anfechtungsgegner (BGH, Urteil vom 11. März 1992 – VIII ZR 291/90 –, Rn. 18, juris), also der Beklagte. Dieser hat aber nicht ausreichend dargelegt, dass die Klägerin schon vor dem Wildschaden im November 2020 von dem Import des Fahrzeugs aus den USA nach Litauen und einem Unfallschaden wusste. Insoweit hat er nicht ausreichend dargelegt und es ist für den Senat auch nicht aus anderen Gründen ersichtlich, dass und warum die vom Beklagten – unter hilfsweiser Zueigenmachung des klägerischen Vortrags unterstellten – angeführten Mängel (Fehlfunktion Bremslichter, Außenspiegel, Spureinstellung, Fehlermeldung „P049100 Sekundärluftsystem Bank1 Durchlauf zu gering“) bei der Klägerin dazu geführt hätten, dass sie auf den Import des Fahrzeugs aus den USA nach Litauen oder einen schweren Unfallschaden geschlossen hatte.

e) Der Anspruch ist danach in Höhe des von der Klägerin gezahlten Kaufpreises entstanden. Im Rahmen des Anspruchs aus §§ 812 Abs. 1, 123, 142 BGB, ist die sog. Saldotheorie zugunsten der Klägerin dahingehend eingeschränkt, dass sie als Bereicherungsgläubigerin – etwaige – Zurückbehaltungsrechte bzw. Gegenansprüche der Beklagten nicht bereits – etwa im Rahmen eines Antrages auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung – zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1970 – VII ZR 130/68 –, BGHZ 53, 144-149, Rn. 17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2013 – I-22 U 62/13 –, Rn. 159, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. März 1992 – 15 U 260/91, NJW-RR 1992, 1144, beck-online). Gegenansprüche des Beklagten werden daher nur berücksichtigt, soweit dieser solche in den Prozess eingeführt hat.

f) Der Anspruch ist in Höhe von 4.571,37 € aufgrund der in den Prozess eingeführten Hilfsaufrechnung untergegangen, § 389 BGB. Dem Beklagten steht jedenfalls in dieser Höhe ein Anspruch gegen die Klägerin aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2; 818 Abs. 1, Abs. 2; 100 BGB zu. Die Klägerin ist durch die Nutzung des Fahrzeugs auf Kosten des Beklagten bereichert und muss hierfür Wertersatz leisten. Dieser ist rechnerisch auf der Grundlage einer linearen Abschreibung zu ermitteln. Auszugehen ist von der voraussichtlichen restlichen Laufleistung des Fahrzeuges bei Ankauf. Der Senat schätzt den Nutzungsvorteil gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf der Grundlage, dass das Fahrzeug bei Kauf eine Restlaufleistung von 221.892 km hatte. Bei Kauf betrug die Laufleistung von 78.108 km und der Senat geht im Wege der Schätzung von einer Laufleistung von vergleichbaren Oberklassefahrzeugen von 300.000 km aus. Auf der Grundlage des im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils angegeben Kilometerstandes von 195.017 km ergibt sich eine Nutzung von 116.909 km (also knapp der Hälfte der erwarteten Laufleistung) und damit auf Grundlage dieser Zahlen eine Nutzungsentschädigung von 11.327,78 €. Da dieser Betrag den im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Betrag erreicht, kann offenbleiben, ob der Vortrag des Beklagten zutrifft, dass das Fahrzeug eine höhere Laufleistung aufweisen müsse, als von der Beklagten schriftsätzlich zugestanden. Der Senat muss auch im Rahmen dieser Entscheidung von dem Kilometerstand von 195.017 km ausgehen. Denn diese Zahl ist im Tatbestand des angefochtenen Urteils als von der Klägerin behauptet ausgewiesen. Der Tatbestand erbringt gemäß § 314 ZPO Beweis dafür, dass in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung diese Zahl von der Klägerin vorgetragen worden ist. Tatbestandliche Feststellungen im angefochtenen Urteil, die nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen worden sind, sind für das Berufungsgericht bindend (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – I ZR 137/20 –, Rn. 27, juris). Dem Tatbestand kommt zwar keine Beweiskraft nach § 314 ZPO zu, wenn und soweit er Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist, die sich aus dem Urteil selbst ergeben (BGH, Urteil vom 17. April 2014 – II ZR 265/16, NJW-RR 2018, 873 Rn. 18, beck-online). Solche Widersprüche zum Kilometerstand enthält das Urteil aber nicht. Lassen sich die Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten dagegen nur durch Rückgriff auf – gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO allgemein in Bezug genommene – vorbereitende Schriftsätze darstellen, bleibt es bei der Beweiswirkung des § 314 ZPO und dem Grundsatz, dass der durch den Tatbestand des Urteils erbrachte Beweis nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann (BGH, Urteil vom 12. Mai 2015 – VI ZR 102/14, NZG 2015, 1432 Rn. 48, beck-online). Zwar muss das Berufungsgericht von einem in der Berufungsinstanz erfolgten vom Tatbestand abweichenden Vortrag ausgehen, wenn die Parteien diese Tatsache in der zweiten Instanz übereinstimmend anders darstellen. Denn der Tatbestand erbringt nach § 314 ZPO Beweis nur für das mündliche Parteivorbringen in der jeweiligen Instanz, schließt aber abweichenden Vortrag in einer höheren Instanz – in den Grenzen der §§ 530, 531 ZPO – nicht aus (BGH, Urteil vom 19. Juni 2021 – III ZR 38/20). Eine solche übereinstimmend andere Darstellung liegt im Streitfall aber nicht vor. Der Beklagte hat zwar auf den Vortrag der Klägerin in der zweitinstanzlichen Verhandlung, sie könne sich den im Tatbestand genannten Kilometerstand nicht erklären, in der mündlichen Verhandlung nicht reagiert. Da er aber schon in der ersten Instanz mit konkreter Begründung die von der Klägerin schriftsätzlich vorgetragene Kilometerangabe bestritten hatte, folgt aus einem solchen Schweigen nicht, dass er nunmehr von seinem erstinstanzlichen Vortrag abweichend den geringeren Kilometerstand gem. § 138 Abs. 3 ZPO zugestehen wollte.

g) Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Da Kaufvertrag und Übergabe im Jahr 2018 erfolgt sind, wäre die dreijährige Frist des § 195 BGB bei Klageerhebung im Jahr 2021 selbst dann noch nicht abgelaufen, wenn die Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB schon mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen begonnen hätte.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3; 288 Abs. 1 BGB, wobei in dem Schreiben der Beklagten vom 24. März 2021 eine endgültige und ernsthafte Zahlungsverweigerung liegt, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

3.

Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist aufgrund des schutzwürdigen Interesses des Klägers, den für die Vollstreckung nach den §§ 756, 765 ZPO erforderlichen Nachweis des Annahmeverzugs bereits im Erkenntnisverfahren erbringen zu können (BGH, Urteil vom 31. Mai 2000 – XII ZR 41/98 –, Rn. 22 – 24, juris ) mit Ausnahme des hierfür nicht maßgeblichen Beginns des Annahmeverzugs zulässig.

Der Annahmeverzug ergibt sich aus §§ 293, 295 BGB. Ein wörtliches Angebot liegt in dem Schreiben vom 9. März 2021. Der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin in diesem Schreiben zuviel gefordert habe und ein Annahmeverzug deswegen ausgeschlossen sei, bleibt ohne Erfolg. Zwar führt ein wörtliches Angebot auf Rückgabe des Fahrzeugs nicht zum Annahmeverzug, wenn es an eine unberechtigte Bedingung geknüpft ist, etwa an die Rückzahlung des Kaufpreises in einem Umfang, der die Schadensersatzpflicht der Beklagten erheblich übersteigt (BGH, Urteil vom 20. April 2021 – VI ZR 521/19 –, Rn. 7, juris), wobei sich dies auch daraus ergeben kann, dass eine Nutzungsentschädigung nicht von der Forderung abgezogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2020 – VI ZR 573/20 –, Rn. 4, juris). Hier liegt aber keine unberechtigte Zuvielforderung der Klägerin vor, weil ein bereicherungsrechtlicher Anspruch geltend gemacht wurde und bei einer arglistigen Täuschung aus den o.g. Gründen die sog. Saldotheorie dahingehend eingeschränkt ist, dass die Klägerin als Bereicherungsgläubigerin – etwaige – Zurückbehaltungsrechte bzw. Gegenansprüche der Beklagten nicht bereits – etwa durch Abzug von dem Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung – zu berücksichtigen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2013 – I-22 U 62/13 –, Rn. 159, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. März 1992 – 15 U 260/91, NJW-RR 1992, 1144, beck-online). Ihr stand daher vor der Aufrechnungserklärung im Prozess ein Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises zu.

4.

Der weitere Antrag, die Beklagte zur Zahlung von 1.132,71 € – zusammengesetzt aus 315,60 € Fahrtkosten und vergeblichen Aufwendungen in Höhe von 817,11 € für das Fahrzeug – zu verurteilen, ist nur in Höhe von 316,48 € begründet. Die Klägerin hat nur in dieser Höhe einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung für vergebliche Aufwendungen.

a) Der Anspruch ergibt sich aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien bestand aufgrund der Verhandlungen über den Kauf des Fahrzeugs ein vorvertragliches Schuldverhältnis. Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt darin, dass er bei den ersten Vertragsverhandlungen und der Probefahrt die Herkunft des Fahrzeugs und die Modalitäten seines eigenen Ankaufs nicht offengelegt hat.

Hat – wie hier – die Beklagte aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung die Unwirksamkeit des Vertrags zu vertreten, weil der Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist, so ist der Anfechtende so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ohne die Pflichtverletzung der Vertrag nicht zustande gekommen wäre. Die Klägerin kann dann im Rahmen des zu ersetzenden Vertrauensschadens auch Ersatz ihrer nutzlosen Aufwendungen verlangen. Hierzu zählen alle Aufwendungen, die sie im Hinblick auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages und die fortbestehende Nutzbarkeit des Fahrzeuges gemacht hat (OLG Braunschweig, Urteil vom 6. November 2014 – 8 U 163/13 –, Rn. 73, juris).

aa) Nach diesem Grundsatz kann die Klägerin 265,30 € für die Abholung und Überführung des Fahrzeugs verlangen. Der Senat schätzt im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO die Höhe der Kosten auf diesen Betrag. Insoweit legt er der Berechnung mindestens die geltend gemachten 30 cent pro Kilometer zugrunde (vgl.: OLG Celle, Urteil vom 19. Februar 2020 – 14 U 69/19 –, Rn. 43, juris; LG Hamburg, Urteil vom 16. November 2018 – 306 S 49/17 –, Rn. 39, juris in Anlehnung an § 5 Abs. 1 Nr. 2 JVEG). Soweit der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass die Klägerin tatsächlich von ihrem Wohnsitz aus angereist sei und geltend macht, er kenne den Wohnsitz auch nicht, so hält der Senat den entsprechenden Vortrag unter Berücksichtigung des Beweismaßes des § 287 Abs. 1 ZPO und der Tatsache, dass der Wohnsitz der Klägerin Eingang in die Kaufvertragsurkunde, vorgelegte Rechnungen an die Klägerin und die Zulassungsbescheinigung Teil II gefunden hat sowie, dass ein alternativer Ort, von dem die Anreise erfolgt sein soll, nicht konkret vorgetragen und die Anreise vom Wohnsitz grundsätzlich naheliegt, nach freier Überzeugung für wahr.

bb) Die Klägerin kann auch weitere Kosten in Höhe von insgesamt 51,18 € ersetzt verlangen. Der Anspruch ist in Höhe von 97,14 € enstanden, nämlich 35,00 € für Kennzeichen und insgesamt 62,14 € für einen PCD-Sensor (19,19 €) nebst Kabelbaum (42,95 €). Zum Umfang eines entstandenen Schadens bei ungewolltem Fahrzeugerwerb gehören grundsätzlich auch Kosten für Sonderausstattungen und fahrzeugtypspezifisches Zubehör (BGH, Urteil vom 16. November 2021 – VI ZR 291/20 Rn. 11, VersR 2022, 324; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – VII ZR 177/21 –, Rn. 16, juris). Soweit der Beklagte diese mit der Klageerwiderung bestreitet, wendet er sich ersichtlich gegen die Ersatzpflicht in rechtlicher Hinsicht und bestreitet nicht die tatsächlichen Grundlagen. Diese sind im Übrigen durch mit der Klageschrift vorgelegten Belege ausreichend nachgewiesen. Den so entstandenen Anspruch muss sich die Klägerin aber kürzen lassen. Im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung ein auf das Zubehör entfallender Nutzungsvorteil auf den Erstattungsanspruch des Klägers anzurechnen, ohne dass es einer entsprechenden Gestaltungserklärung oder Einrede der Beklagten bedarf (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – VII ZR 177/21 –, Rn. 17, juris). Der entstandene Schadensersatzanspruch wegen der Zubehörkosten in Höhe von 97,14 € ist daher ausgehend von der erwarteten Restlaufleistung und der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs um 45,96 € auf 51,18 € zu kürzen.

b) Keinen Ersatz kann die Klägerin dagegen für die Zündkerze, den Außenspiegel, die Abdeckung Türgriff und die LED Rückleuchte verlangen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Aufwendungen des Geschädigten, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten gehören wie Gebühren einer Hauptuntersuchung, Inspektionskosten, Verbrauchsmaterialien, Kosten des Austauschs von Verschleißteilen, Reparaturen oder Kosten einer Ersatzbatterie, nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte das Fahrzeug wie vorgesehen genutzt hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – VII ZR 177/21, Rn. 19, juris). Bei der Zündkerze handelt es sich offensichtlich um ein Verschleißteil. Beim Außenspiegel, Abdeckung für den Türgriff und die LED Rückleuchte ist zwar nicht offensichtlich, ob es sich um Kosten für Sonderausstattung oder Kosten für den Austausch von Verschleißteilen handelt. Dass nach den Belegen der Klägerin die Außenspiegel im August 2020, die Abdeckung für den Türgriff im Juni 2020, die LED Rückleuchten erst Mitte November 2020 beschafft wurden, also zwei Jahre nach dem Erwerb, spricht eher für den Austausch von verschlissenen Teilen, als für die Anschaffung von Sonderzubehör. Diese Unklarheit geht zu Lasten der Klägerin, die für den Umfang ihres Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweisbelastet ist, aber trotz Rüge des Beklagten in der Klageerwiderung zu diesen Punkten nicht weiter vorgetragen hat.

Ebenfalls nicht ersetzt werden müssen die Kosten für die erste Fahrt zur Besichtigung. Da die Pflichtverletzung des Beklagten darin zu sehen ist, dass er bei der ersten Besichtigung insbesondere auch aufgrund der Rückfragen der Klägerin zu etwaigen Unfallschäden nicht über die hier relevanten Punkte aufgeklärt hat, kann die erste Fahrt, zu der sich die Klägerin schon vorher entschlossen hatte, nicht auf diese Pflichtverletzung zurückgeführt werden.

5.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt ebenfalls aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Er besteht der Höhe nach aber nur aus einem Gegenstandswert von bis 22.000 €, da nur insoweit berechtigte Forderungen bestanden. Da die Klägerin nichts dazu vorträgt, wann sie ihre Prozessbevollmächtigten beauftragt hat, muss der Senat außerdem unterstellen, dass die Beauftragung noch auf Grundlage des bis Ende 2020 geltenden RVG erfolgt, so dass Gebühren nur in Höhe von 1.171,67 € berechtigt sind. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3; 288 Abs. 1 BGB. Insoweit spielt es auch keine Rolle, ob die Klägerin die Rechnung ihres Prozessbevollmächtigten bereits am 24. März 2021 gezahlt hatte und deswegen zunächst nur ein Freistellungsanspruch gegen den Beklagten bestand. Verweigert ein Schuldner die Freistellung ernsthaft und endgültig, geht der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch über (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 – VII ZR 154/10 –, Rn. 25, juris). Das Bestreiten des Bestehens der Hauptforderung ist zugleich als Verweigerung jeglichen Ersatzes von Rechtsanwaltsgebühren zu sehen (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 3. Februar 2010 – 4 U 17/09 –, Rn. 58, juris).

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Es handelt sich um eine Entscheidung, die anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall anwendet.

7.

Der Streitwert ist gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 45 Abs. 3 GKG auf 27.204,88 € festzusetzen.

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