Skip to content

Seniorin verklagt Bank nach Betrugsfall mit Enkeltrick

Seniorin verliert 25.000 EUR durch Enkel-Trick: Bank entlastet und Schuldfrage geklärt

Eine Seniorin verklagte ihre Bank auf Schadensersatz, nachdem sie Opfer des sogenannten „Enkel-Tricks“ wurde und 25.000,00 EUR an Betrüger verlor. Die Bank wies jegliche Schuld von sich, indem sie argumentierte, ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen zu sein, ohne Verdacht schöpfen zu müssen. Das Gericht wies die Klage ab, mit der Begründung, dass die Bank keine Verletzung ihrer Prüf-, Warn- und Schutzpflichten begangen hat, da keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, die eine solche Verletzung nahelegen würden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 340/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Klage der Seniorin gegen die Bank wurde abgewiesen.
  2. Die Seniorin trug die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Die Bank erfüllte ihre gesetzliche Verpflichtung zur Ausführung des Zahlungsauftrags ohne Verdachtsmomente für Betrug.
  4. Warn- und Hinweispflichten der Bank sind auf Ausnahmefälle beschränkt, die hier nicht gegeben waren.
  5. Die Motivation für die Bargeldabhebung musste von der Bank ohne zusätzliche Verdachtsmomente nicht hinterfragt werden.
  6. Die Verantwortung für den Verlust des Geldes durch den Enkel-Trick lag nicht bei der Bank.
  7. Es gab keine Pflichtverletzung der Bank im Sinne der §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 1 BGB.
  8. Die Entscheidung unterstreicht die Grenzen der Verantwortlichkeit von Banken bei Betrugsfällen ohne eindeutige Verdachtsmomente.

Bank haftet nicht für Schäden durch Enkeltrick

Enkeltrick Betrug - Haftung Bank
(Symbolfoto: Pusteflower9024 /Shutterstock.com)

Eine Seniorin verklagte ihre Bank auf Schadensersatz, nachdem sie Opfer des sogenannten „Enkel-Tricks“ wurde und 25.000,00 EUR an Betrüger verlor. Die Bank wies jegliche Schuld von sich, indem sie argumentierte, ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen zu sein, ohne Verdacht schöpfen zu müssen. Das Gericht wies die Klage ab, mit der Begründung, dass die Bank keine Verletzung ihrer Prüf-, Warn- und Schutzpflichten begangen hat, da keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, die eine solche Verletzung nahelegen würden.

Die Seniorin hatte die Bank verklagt, da sie der Meinung war, dass die Bankmitarbeiter hätten erkennen müssen, dass sie Opfer eines Betrugs geworden war. Sie argumentierte, dass die Bank aufgrund ihrer Erfahrung mit derartigen betrügerischen Phänomenen verpflichtet gewesen sei, sie auf die Gefahren hinzuweisen und ihre Transaktion zu überprüfen. Die Bank hingegen betonte, dass sie lediglich ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Ausführung des Zahlungsauftrags nachgekommen sei und keine Verdachtsmomente für Betrug gehabt habe.

Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die Grenzen der Verantwortlichkeit von Banken bei Betrugsfällen ohne eindeutige Verdachtsmomente. Banken sind nicht verpflichtet, die Motivation ihrer Kunden für Geldabhebungen zu hinterfragen, es sei denn, es gibt offensichtliche Anzeichen für einen Betrug. In diesem Fall sah das Gericht keine Verletzung der Pflichten der Bank und wies die Klage ab.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, bei dem es um die Haftung von Banken bei Betrugsfällen geht, fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Zentrum eines aufsehenerregenden Rechtsstreits stand eine Seniorin, die nach einem Betrugsfall, bekannt als Enkeltrick, gegen ihre Bank vor Gericht zog. Die Klägerin, eine 66- oder 67-jährige Frau, verlangte die Erstattung eines hohen Geldbetrags, den sie unter dem Einfluss eines Betrügers abgehoben und übergeben hatte. Der Fall, der vor dem Landgericht Dortmund verhandelt wurde, stellte eine rechtliche Zerreißprobe hinsichtlich der Verantwortung und der Schutzpflichten von Banken gegenüber ihren Kunden dar.

Der Betrugsfall und die Reaktion der Seniorin

Am 17. Juli 2023 wurde die Klägerin Opfer des so genannten Enkeltricks. Ein Betrüger gab sich am Telefon als Polizeibeamter aus und überzeugte sie, dass ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe und nun eine Kaution für ihre Freilassung benötigt werde. In der Annahme, ihrer Tochter helfen zu müssen, hob die Seniorin 25.000 EUR von ihrem Girokonto bei der beklagten Bank ab. Dieser Vorgang war für die Klägerin ungewöhnlich, da sie zuvor nur kleinere Beträge abgehoben hatte. Trotz der außergewöhnlichen Höhe des abgehobenen Betrags wurden vonseiten der Bank keine Sicherheitsbedenken geäußert oder Rückfragen gestellt.

Die Schuldfrage vor Gericht

Die Klägerin warf der Bank vor, ihre Prüf-, Warn- und Schutzpflichten verletzt zu haben. Sie argumentierte, dass die Mitarbeiter der Bank hätten misstrauisch werden müssen, insbesondere wegen der Dringlichkeit und Höhe der Abhebung. Die Bank verteidigte sich mit dem Hinweis auf die Erfüllung des ihr erteilten Zahlungsauftrags und dem Fehlen jeglicher Verdachtsmomente, die eine Überprüfung oder Warnung gerechtfertigt hätten.

Rechtliche Bewertung und Urteilsbegründung

Das Landgericht Dortmund wies die Klage ab und folgte der Argumentation der Bank. In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass die Bank mit der Auszahlung des Geldes keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Es wurde betont, dass Zahlungsdienstleister sich in der Regel auf eine formale Prüfung beschränken dürfen und nur in seltenen Ausnahmefällen, die hier nicht vorlagen, zusätzliche Warn- und Schutzpflichten bestehen. Das Gericht führte weiter aus, dass ohne das Hinzutreten weiterer, außergewöhnlicher Umstände die Bank nicht verpflichtet sei, die Motivation für die Geldabhebung zu hinterfragen.

Die Rolle von Banken im Fokus

Dieses Urteil beleuchtet die Grenzen der Verantwortlichkeit von Banken im Umgang mit Betrugsfällen. Es unterstreicht, dass Banken zwar eine grundlegende Verantwortung zum Schutz ihrer Kunden haben, jedoch nicht in jedem Fall zur Überprüfung der Beweggründe für Transaktionen verpflichtet sind. Die Entscheidung zeigt auf, wie schwierig die Abwägung zwischen Kundenschutz und der Wahrung der Kundenautonomie sein kann.

Fazit: Das Gericht entschied, dass die Bank ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt hat, da keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, die eine Warnung oder Verhinderung der Transaktion gerechtfertigt hätten. Die Seniorin blieb somit auf dem Verlust sitzen, und das Urteil betonte die begrenzte Rolle der Banken bei der Prävention von Betrugsfällen, sofern keine offensichtlichen Verdachtsmomente vorliegen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Pflichten haben Banken beim Umgang mit Geldabhebungen ihrer Kunden?

Banken haben verschiedene Pflichten im Umgang mit Geldabhebungen ihrer Kunden. Diese Pflichten sind hauptsächlich durch das Geldwäschegesetz und andere regulatorische Anforderungen festgelegt.

  • Identifizierung der Kunden: Banken sind verpflichtet, ihre Kunden einwandfrei zu identifizieren. Dies ist besonders relevant, wenn Kunden hohe Geldbeträge abheben. Bei Barabhebungen ab 15.000 Euro besteht sogar eine Identifizierungspflicht.
  • Herkunftsnachweis: Banken verlangen ab einer bestimmten Summe einen Herkunftsnachweis für das Geld. Bei der Hausbank betrifft das in der Regel Einzahlungen ab einem Betrag von 10.000 Euro, bei anderen Banken bereits Summen ab 2.500 Euro.
  • Meldepflicht: Banken sind nach dem Kapitalabfluss-Meldegesetz verpflichtet, private Abhebungen ab zumindest 50.000 Euro von Konten und Depots natürlicher Personen an das Finanzamt zu melden.
  • Tageslimits: Um das Vermögen ihrer Kunden zu schützen, richten Banken Limits für das Geldabheben am Automaten ein. Das Tageslimit wird von dem jeweiligen Finanzdienstleister festgelegt.
  • Prävention von Geldwäsche: Banken sind verpflichtet, aktiv bei der Prävention von Geldwäsche mitzuwirken. Sie müssen Transaktionen überprüfen und bei Verdacht auf Geldwäsche entsprechende Maßnahmen ergreifen.
  • Gebühren: Banken können Gebühren für das Abheben von Geld erheben. Die Höhe dieser Gebühren kann variieren.

Es ist zu erwähnen, dass die genauen Pflichten und Prozesse von Bank zu Bank variieren können und es immer ratsam ist, sich direkt an die eigene Bank zu wenden, um spezifische Informationen zu erhalten.

Was versteht man unter dem Enkeltrick im Kontext von Betrugsfällen?

Unter dem Enkeltrick versteht man eine Betrugsmasche, bei der sich Kriminelle am Telefon als nahe Verwandte, meist als Enkel oder Neffen, ausgeben, um von älteren Menschen Geld oder Wertgegenstände zu erschleichen. Die Täter nutzen dabei die Hilfsbereitschaft und manchmal auch die Einsamkeit ihrer Opfer aus. Sie rufen unter dem Vorwand an, in einer finanziellen Notlage zu sein, und bitten um schnelle finanzielle Hilfe. Typische Szenarien, die vorgegeben werden, sind Unfälle, dringende Wohnungskäufe oder andere Notlagen, die eine sofortige Geldüberweisung erfordern. Durch geschickte Gesprächsführung und das Ausnutzen der emotionalen Verbundenheit zu vermeintlichen Familienmitgliedern versuchen die Betrüger, ihre Opfer zur Herausgabe von Geld oder zur Überweisung von Beträgen zu bewegen. In einigen Fällen wird sogar ein Bote angekündigt, der das Geld direkt abholen soll. Die Betrüger setzen ihre Opfer dabei oft unter Zeitdruck und nutzen auch moderne Kommunikationsmittel wie Messengerdienste, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen.

Diese Form des Betrugs zielt insbesondere auf ältere Menschen ab, die möglicherweise weniger misstrauisch gegenüber solchen Anrufen sind oder die Stimme des Anrufers nicht eindeutig identifizieren können. Die Polizei und andere Präventionsstellen raten daher zu besonderer Vorsicht bei Telefonanrufen, in denen Geld von vermeintlichen Verwandten gefordert wird, und empfehlen, sich den Namen des Anrufers nennen zu lassen und durch gezielte Fragen die Identität des Anrufers zu überprüfen.

Welche Rolle spielt die formale Prüfung bei Bargeldauszahlungen durch Banken?

Bei der formalen Prüfung von Bargeldauszahlungen durch Banken geht es um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und interner Richtlinien, um die Sicherheit des Zahlungsverkehrs zu gewährleisten und Geldwäsche sowie andere illegale Aktivitäten zu verhindern. Die formale Prüfung umfasst mehrere Aspekte:

Identifizierung des Kunden

Banken sind verpflichtet, die Identität ihrer Kunden zu überprüfen, insbesondere bei hohen Bargeldabhebungen. Dies dient dazu, die Kunden und ihre Transaktionen eindeutig zuordnen zu können und ist ein wesentlicher Bestandteil der Geldwäscheprävention.

Überprüfung der Transaktion

Die Bank muss sicherstellen, dass die Transaktion legitim ist und keine Anzeichen von Geldwäsche oder Betrug vorliegen. Dies beinhaltet die Überprüfung der Transaktionshöhe und -häufigkeit sowie die Herkunft der Mittel.

Einhaltung von Meldepflichten

Banken sind nach dem Geldwäschegesetz dazu verpflichtet, bestimmte Transaktionen, wie zum Beispiel private Abhebungen über bestimmte Betragsgrenzen, den zuständigen Behörden zu melden.

Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen

Die Banken müssen sich an die Vorgaben des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) und anderer relevanter Gesetze halten. Das ZAG regelt unter anderem, welche Dienstleistungen ohne Erlaubnis angeboten werden dürfen und welche einer Erlaubnispflicht unterliegen.

Schulung der Mitarbeiter

Mitarbeiter müssen im Erkennen von Geldwäscherisiken geschult werden und wissen, wie sie in Verdachtsfällen zu handeln haben. Sie müssen mit den Grundsätzen und Verfahren vertraut sein, die bei der Abwicklung von Bargeldtransaktionen anzuwenden sind.

Die formale Prüfung ist somit ein wichtiger Bestandteil des Risikomanagements von Banken und dient dem Schutz des Finanzsystems sowie der Kunden vor finanziellen Verlusten und rechtlichen Konsequenzen.


Das vorliegende Urteil

LG Dortmund – Az.: 3 O 340/23 – Urteil vom 24.01.2024

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 25.000,00 EUR trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die beklagte E1-Bank auf Erstattung eines von der Klägerin im Juli 2023 in bar abgehobenen Betrages in Höhe von 25.000,00 EUR wegen vermeintlich schuldhafter Verletzung von Prüf-, Warn- und Schutzpflichten in Anspruch.

Die heute 66- oder 67-jährige, in Ort-01 wohnhafte Klägerin unterhält bei der Beklagten ein privates Girokonto. In der Vergangenheit, d.h. vor dem hier in Rede stehenden Vorfall vom 17.07.2023, hat sie üblicherweise kleinere Bargeldbeträge zwischen 30,00 EUR und 300,00 EUR von diesem Konto abgehoben.

Können wir Ihnen in einem ähnlichen Fall behilflich sein? Vereinbaren Sie einen Termin unter 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Am 17.07.2023 (einem Montag) gegen 15:55 Uhr rief die Klägerin im KundenDialogCenter der Beklagten an und erkundigte sich danach, ob sie am selben Tag noch 25.000,00 EUR in bar abheben könne. Die Mitarbeiterin vom KundenDialogCenter der Beklagten, Frau M1, versuchte daraufhin die für die Klägerin nächstgelegene Filiale in Ort-02 zu kontaktieren. Weil in der dortigen Filiale aber niemand erreicht werden konnte und Bargeldabhebungen in kleineren Filialen der Beklagten vorab angemeldet werden müssen, schlug Frau M1 der Klägerin vor, dass der Barbetrag für sie zur Abholung am Folgetag in der Filiale in Ort-02 vorbereitet werden könne. Dies lehnte die Klägerin indes ab. Frau M1 nahm sodann telefonische Rücksprache mit der Hauptstelle der Beklagten in Ort-03 und erklärte sodann der Klägerin, dass das Bargeld für sie in der Hauptstelle für eine Auszahlung reserviert sei, die Hauptstelle jedoch bereits um 16:30 Uhr schließe.

Kurz nach 16:30 Uhr erschien die Klägerin in der Hauptstelle. Sie konnte die Hauptstelle gerade noch „auf den letzten Drücker“ betreten; der rechte Flügel der Eingangstür war bereits geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war das für die Klägerin reservierte Geld in der Erwartung, die Klägerin würde nicht mehr kommen, bereits in den Tresor zurückgelegt worden. Der zuständige Mitarbeiter in der Hauptstelle, Herr W1, händigte der Klägerin sodann – nach erfolgter Legitimationsprüfung – die 25.000,00 EUR aus.

Die Klägerin behauptet, Opfer eines sog. „Enkel-Tricks“ geworden zu sein. An jenem Tag, dem 17.07.2023, habe sich ein Anrufer der Klägerin gegenüber am Telefon mit einer unterdrückten Rufnummer als Polizeibeamter („Herr D1“) vorgestellt und angegeben, dass ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe. Für die Entlassung aus dem Polizeigewahrsam müsse beim Ort-03 Landgericht eine Kaution hinterlegt werden. Sie, die Klägerin, habe dem angeblichen Polizisten dann ihre Mobiltelefonnummer genannt. Diese habe der Unbekannte für mehrere Anrufe genutzt, um das Verhalten der Klägerin zu kontrollieren. Schließlich sei sie für die Geldübergabe zum Landgericht gefahren. Zwischenzeitlich hätten sich auch eine „Frau S1“ von der Polizei und eine weitere weinende Frau, die sich als die Tochter der Klägerin ausgegeben habe, bei der Klägerin gemeldet. Auf Nachfrage habe die Klägerin den Anrufern ihr Kfz-Kennzeichen mitgeteilt. Als sie vor dem Landgerichtsgebäude geparkt habe, habe hinter ihr ein mit zwei Männern besetzter silberner Kleintransporter gehalten. Schließlich habe die Klägerin um 17:30 Uhr am Telefon den Hinweis erhalten, dass ein Mitarbeiter der (inzwischen geschlossenen) Gerichtskasse kurz nach draußen kommen werde, um das Geld zu übernehmen. Der „Herr D1“ von der Polizei habe dabei weiter den telefonischen Kontakt zu ihr gehalten. Nach der Übergabe des Geldes sei das Gespräch dann beendet worden.

Die Klägerin behauptet, bei der Abholung des Bargeldbetrages in der Hauptstelle sehr nervös gewesen zu sein, Herr T1 habe sie erst einmal beruhigen müssen. Nach Auffassung der Klägerin habe sich für Frau M1 und auch für Herrn W1 anhand der gesamten Umstände – Wunsch einer Seniorin „mit altmodischem Vornamen“ nach sofortiger Abhebung eines nach ihrem bisherigen Abhebeverhalten ungewöhnlich hohen Geldbetrages – förmlich aufdrängen müssen, dass die Klägerin Opfer eines „Enkel-Tricks“ sein könnte. Als mit derartigen betrügerischen Phänomenen vertraute Bankmitarbeiter hätten sie nachfragen und die Klägerin auf die Gefahren hinweisen müssen. Insoweit bestünden Prüf-, Warn- und Schutzpflichten, die die Beklagte schuldhaft verletzt habe, weshalb sie der Klägerin auf Schadensersatz hafte.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1. 25.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszins der Deutschen Bundesbank hieraus seit dem 05.08.2023 zu bezahlen;

2. vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.687,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszins der Deutschen Bundesbank hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt ihrer Inanspruchnahme entgegen und vertritt die Ansicht, dass sie mit der von der Klägerin gewünschten Auszahlung ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Ausführung des ihr erteilten Zahlungsauftrages nachgekommen sei. Bei der Auszahlung hätten sich für die Beklagte keinerlei Verdachtsmomente dafür ergeben, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.

Das Gericht hat in der Sache am 24.01.2024 mündlich verhandelt, wobei der Klägerinvertreter – anders als der stellvertretende Leiter der Rechtsabteilung der Beklagten und ihr anwaltlicher Vertreter, die im Termin körperlich anwesend waren – nach entsprechender Gestattung durch Beschluss vom 03.11.2023 (Bl. 55 d.A.) gemäß § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung teilgenommen hat. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll von 24.01.2024 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 1 BGB – andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht ernsthaft in Betracht und werden auch von der Klägerin nicht angeführt – ist mangels Verletzung einer (Neben-)Pflicht aus dem Girovertrag nicht gegeben.

Die Beklagte hat mit der Auszahlung der 25.000,00 EUR am 17.07.2023 in bar an die Klägerin keine dieser gegenüber bestehende (neben-)vertragliche Pflicht verletzt. Sie war vielmehr nach § 675o Abs. 2 BGB zur Ausführung des ihr erteilten Zahlungsauftrages gesetzlich verpflichtet.

Es ist gemeinhin anerkannt, dass sich ein Zahlungsdienstleister in der Regel schon wegen der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge – auch bei Bargeldauszahlungen am Schalter – auf eine rein formale Prüfung des Inhalts, ob der ihm erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist, beschränken darf. Zwar ist ebenso anerkannt, dass Warn- und Hinweispflichten des Kreditinstituts bestehen können; diese sind jedoch auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, dass Treu und Glauben es nach den Umständen des Einzelfalls gebieten, vor Ausführung des Auftrags vorherige Rückfrage bei dem abhebewilligen Bankkunden zu halten, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren. Um die Banken nicht übermäßig zu belasten und auch um Bargeldabhebungen nicht übermäßig zu erschweren, beschränken sich die Warn- und Hinweispflichten auf objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente; zusätzliche Prüfungspflichten sollen gerade nicht begründet werden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.06.2022 – 18 U 8/21 – BeckRS 2022, 17622, Rn. 55 f. m.w.N.). Dies entspricht der von der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderungsschrift vom 02.11.2023 (Bl. 44 d.A.) zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2004 – XI ZR 90/03 – NJW-RR 2004, 1637, 1638; Urt. v. 06.05.2008 – XI ZR 56/07 – NJW 2008, 2245, 2246, Rn. 15 f.; außerdem: Urt. v. 19.09.2023 – XI ZR 343/22 – NJW 2023, 3719, 3721, Rn. 24 [Mitwirkung des Zahlungsdienstleisters bei unerlaubtem Glücksspiel]).

Wenn nun ein Bankkunde bzw. eine Bankkundin – mag er oder sie auch einen nervösen Eindruck vermitteln – am Schalter die Barauszahlung eines für ihn bzw. sie unüblich hohen Betrages verlangt, hat die Bank ohne Hinzutreten weiterer, außergewöhnlicher Umstände die Motivation für die Abhebung nicht zu hinterfragen. Im Gegenteil ist sie aus dem Girovertrag ihrem Kunden bzw. ihrer Kundin gegenüber zur Ausführung des Auftrags verpflichtet, § 675o Abs. 2 BGB.

Auch aus den von der Klägerin behaupteten Gesamtumständen – wobei dahingestellt bleiben kann, ob ihr Vorname N1 gemeinhin tatsächlich als „altmodisch“ wahrgenommen wird (diese Begrifflichkeit beruht offenbar auf dem von der Klägerin vorgelegten polizeilichen Informationsblatt zum sog. „Enkel-Trick“, Anlage K3 = Bl. 89 f. d.A.), und für das Gericht schwer nachvollziehbar (indes nicht entscheidungserheblich) ist, wie die Klägerin am Telefon die „weitere weinende Frau, die sich als die Tochter der Klägerin ausgegeben habe“ tatsächlich für ihre Tochter halten konnte – musste sich der Beklagten bzw. ihrem Mitarbeiter Herrn T1 nicht aufdrängen, dass die Abhebung des Geldbetrages nicht aus freien Stücken erfolgte. Es geht hier gerade nicht um die Barauszahlung an einen Nichtberechtigten (vgl. zum Pflichtenkreis der Bank, sich selbst und den Kunden durch – neben Prüfung der vorgelegten ec-Karte – zusätzliche Maßnahmen gegen Barauszahlungen an Nichtberechtigte zu schützen: OLG Köln, Urt. v. 25.10.1995 – 13 U 28/95 – NJW-RR 1996, 619; LG Bonn, Urt. v. 23.08.2005 – 3 O 126/05 – NJW-RR 2005, 1645, 1647 f.). Die Klägerin war vielmehr Kontoinhaberin und als solche berechtigt, Bargeld – auch in dieser Höhe – abzuheben. Der Schaden entstand hier auch nicht mit der eigentlichen Bargeldabhebung, sondern erst mit der Weitergabe des Geldes an den nichtberechtigten vermeintlichen Gerichtskassenmitarbeiter. Der innere Beweggrund der Klägerin für die Abhebung des Geldes ist gerade nicht nach außen hervorgetreten und war damit für die Beklagte auch nicht erkennbar. Es würde die oben näher beschriebenen Prüf-, Warn- und Schutzpflichten von Kreditinstituten bei weitem überspannen, wollte man ihnen abverlangen, jede – und sei es: erstmalige – Abhebung eines hohen Bargeldbetrages durch einen älteren – und sei es: nervös wirkenden – Menschen auf Plausibilität zu überprüfen.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist nach alledem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich, weshalb die Klage der Abweisung zu unterliegen hatte.

II.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos