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Unterlassungsanspruch hinsichtlich Benutzung eines Privatweges

Zu Unrecht genutzter Privatweg muss geräumt werden

Das Amtsgericht Bergisch Gladbach hat in einem Rechtsstreit zwischen zwei Nachbarn entschieden, dass der von den Beklagten unberechtigt als Zufahrt genutzte Privatweg der Kläger geräumt werden muss (Urteil vom 17.05.2013, Az. 63 C 298/12).

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das über den Privatweg „X2“ an das öffentliche Straßennetz angebunden ist. Der Weg verläuft über mehrere Grundstücke im Eigentum der Kläger. Die Beklagten sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks und nutzen den Privatweg der Kläger seit Jahren unberechtigt als Zufahrt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: Az.: 63 C 298/12   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Kläger sind Eigentümer eines Privatwegs, Beklagte nutzen ihn unberechtigt
  • Kläger machen Eigentumsbeeinträchtigung und Wegerechtsverletzung geltend
  • Beklagte berufen sich auf Notwegerecht und Verwirkung
  • Gericht sieht weder Duldungspflicht noch Notwegerecht
  • Bestehende Fußweg-Verbindung ist ausreichend
  • Kein Anspruch auf direkte Zufahrt mit Auto bis zum Haus
  • Notwegrecht nur bei Nachweis objektiver Notwendigkeit
  • Verwirkung scheidet aus, da Nutzung immer neuen Anspruch auslöst
  • Beklagten wird weitere Nutzung untersagt
  • Hohe Ordnungsgelder bei Zuwiderhandlung angekündigt
  • Rechte von Grundeigentümern werden geschützt
  • Unberechtigte Nutzung von Privatwegen ist unzulässig

Die Kläger machten Eigentumsbeeinträchtigungen sowie Beeinträchtigungen ihrer Wegerechte geltend. Durch die Nutzung würde der Weg beschädigt und sie müssten ständig Sanierungskosten tragen. Der Weg sei sogar schon durch Lieferwagen blockiert worden. Sie beantragten daher die Unterlassung der Nutzung.

Unterlassung Privatweg
(Symbolfoto: konzeptm /Shutterstock.com)

Die Beklagten widersprachen dem und beriefen sich auf ein Notwegerecht. Die bestehende Zufahrt über einen anderen Weg sei wegen der Hanglage technisch nicht durchführbar. Zudem sei der Anspruch durch jahrzehntelange unbeanstandete Nutzung verwirkt.

Das Gericht gab jedoch den Klägern Recht. Es sah weder eine Duldungspflicht noch ein Notwegerecht der Beklagten als gegeben an. Die vorhandene Anbindung über einen Fußweg von der anderen Straße aus sei zur Benutzung des Wohngrundstücks ausreichend. Die Beklagten könnten problemlos in zumutbarer Entfernung parken und ihr Grundstück fußläufig erreichen. Eine Notwendigkeit der Nutzung des Privatwegs der Kläger bestehe nicht.

Auch der Einwand der Verwirkung greife nicht, da durch die wiederholte Nutzung die Abwehransprüche jeweils von Neuem entstünden.

Das Gericht hat den Beklagten daher die weitere Nutzung untersagt. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Ordnungsgelder.

Das Urteil macht deutlich, dass die Rechte von Grundstückseigentümern geschützt werden. Eine unberechtigte Nutzung von Privatwegen ist unzulässig. Eigentümer können Unterlassung verlangen. Ein Notwegerecht besteht nur in engen Grenzen, wenn keine zumutbare Alternative vorhanden ist.

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Begriffe – kurz erklärt


  1. Wegerecht: Das Wegerecht ist eine Form der Dienstbarkeit und gibt dem Berechtigten das Recht, ein fremdes Grundstück zu betreten und zu nutzen, um zu einem anderen Grundstück zu gelangen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn ein Grundstück sonst keinen direkten Zugang zu einer öffentlichen Straße hätte. Das Wegerecht kann vertraglich vereinbart oder im Grundbuch eingetragen sein und ist in der Regel an das Grundstück gebunden, nicht an die Person, die das Recht ausübt.

  2. Notwegrecht: Das Notwegerecht ist eine Sonderform des Wegerechts und kommt zum Tragen, wenn ein Grundstück ohne einen solchen Weg überhaupt nicht genutzt werden könnte. Dieses Recht ist gesetzlich in § 917 BGB geregelt. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

  3. Verwirkung: Die Verwirkung ist ein Rechtsprinzip, nach dem ein Recht nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn es über einen längeren Zeitraum hinweg nicht ausgeübt wurde und die betroffene Gegenseite darauf vertrauen durfte, dass das Recht auch in Zukunft nicht mehr ausgeübt wird. Im Gegensatz zur Verjährung, die gesetzlich genau geregelt ist, hängt die Verwirkung von den Umständen des Einzelfalls ab.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:


  • [Zivilrecht]: Dieses Urteil betrifft vorrangig das Zivilrecht, insbesondere Eigentumsrechte, Unterlassungsansprüche und Wegerechte. Es geht um zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Privatpersonen.
  • [Verwaltungsrecht]: In dem Urteil werden auch Aspekte des Verwaltungsrechts angesprochen, wie Baugenehmigungen und Baurecht.
  • [Sachenrecht]: Relevante Normen des Sachenrechts, wie Eigentum und grundstücksbezogene Rechte, spielen eine zentrale Rolle.
  • [Prozessrecht]: Für das Verfahren sind prozessuale Fragen nach der Zivilprozessordnung entscheidend.


Das vorliegende Urteil

Amtsgericht Bergisch Gladbach – Az.: 63 C 298/12 – Urteil vom 17.05.2013

Die Beklagten werden verurteilt, jede Benutzung der Grundstücke der Kläger G1, Flur 1, Flurstücke X, und   X  als Zuwegung zu ihrem Grundstück G4, Flur 1, Flurstück X zu unterlassen und gegenüber Dritten, die zu den Beklagten bzw. dem Grundstück G4, Flur 1, Flurstück X gelangen wollen, alle ihnen rechtlich, wirtschaftlich und tatsächlich gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um sie davon abzuhalten, hierfür die vorgenannten Grundstücke der Kläger G4, Flur 1, Flurstücke X, zu benutzen.

Den Beklagten wird im Fall der Zuwiderhandlung angedroht:

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft

oder die Anordnung unmittelbarer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, bei mehreren oder wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist wegen des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar. Wegen der Kosten ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Unterlassung der Benutzung des Privatweges „X2“ in Anspruch.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks G4, Flur 1, Flurstück X. Dieses Grundstück ist durch den Privatweg „X2“ an das öffentliche Straßennetz angebunden. Der Weg führt über die Grundstücke der Kläger G4, Flur 1, Flurstücke X.. Die letztgenannten Grundstücke erwarben die Kläger im Jahr 2004, um die Anbindung an das öffentliche Straßennetz sicher zu stellen, da die erforderlichen Wegerechte nicht zu erlangen waren. Im Übrigen bestehen zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks G4, Flur 1, Flurstück X die erforderlichen Wegerechte zur Nutzung des Privatweges.

Der Beklagte zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks G4, Flur 1, Flurstück X, neben dem der Privatweg teilweise verläuft.

Wegen der Örtlichkeiten im Einzelnen und dem Verlauf des Weges wird auf den Lageplan vom 19.11.2001 (Anlage K1, Bl. 11 d.A.) verwiesen.

Im Jahr 1965 beabsichtigten der Beklagte zu 1) und seine mittlerweile verstorbene Ehefrau ein Haus auf dem Grundstück zu bauen. Im Zuge des beabsichtigten Bauvorhabens und der Beantragung der erforderlichen Baugenehmigung wurde angedacht, die Anbindung an das öffentliche Straßennetz über den Privatweg „X2“ zu erreichen. Zu diesem Zweck sollten die betroffenen Anlieger eine Erklärung unterzeichnen, dass sie sich mit der Vermessung des Weges einverstanden erklären und ein Wegerecht eingeräumt wird. Diese Erklärung wurde nicht von allen betroffenen Anliegern unterzeichnet. Eine notarielle Beurkundung des X unterblieb. Eine Eintragung eines Wegerechts zugunsten des Beklagten zu 1) fand nicht statt.

Die zur Erteilung der Baugenehmigung erforderliche Sicherung der der Anbindung des Grundstücks des Beklagten zu 1) erfolgte dann über die Planung einer Verlängerung des Weges „W“, an den das Grundstück des Beklagten zu 1) nicht unmittelbar angrenzt, bis zum Grundstück des Beklagten zu 1).  Mit Erklärung vom 14.07.1966 verpflichteten sich die von der Verlängerung des Weges „W“ bis zum Grundstück des Beklagten zu 1) betroffenen Eigentümer gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, die erforderliche Baulast auf ihre Grundstücke zu übernehmen. Aufgrund dieser Baulast für die Verlängerung des Weges „W“ wurde die Baugenehmigung erteilt. Die Wegerechte für den zu verlängernden Weg „W“ wurden zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks des Beklagten zu 1) (damals bezeichnet als Parzellen X und Y ) mit notarieller Urkunde vom 30.03.1967 (UR-Nr. X) bestellt und anschließend ins Grundbuch eingetragen. Wegen des Verlaufs der Baulast wird auf den Lageplan Anlage K9 (Bl. 102 d.A.) verwiesen. Eine Verlängerung des Weges „W“ bis zum Grundstück des Beklagten zu 1) erfolgte indessen nicht. Der Beklagte zu 1) nutzte in der Folge den Privatweg „X2“ als Zuwegung zu seinem Grundstück.

Die Kläger machen Eigentumsbeeinträchtigungen und Beeinträchtigungen zu ihren Gunsten bestehender Wegerechte geltend. Hierzu behaupten sie, die Beklagten würden durch die Nutzung des Privatweges die zu ihren Gunsten bestehenden Dienstbarkeiten beeinträchtigen. Durch die permanente Benutzung des Weges durch die Beklagten und durch Dritte, die den Weg nutzen um zum Grundstück der Beklagten zu gelangen, würde der Weg massiv in Mitleidenschaft gezogen und beschädigt, so dass ihnen ständig Sanierungskosten entstünden. Der Weg sei sogar schon durch Lieferwagen komplett blockiert worden, so dass die Kläger den Weg nicht hätten befahren können. Außerdem werde durch die Nutzung das Eigentum der Kläger an dem Privatweg beeinträchtigt, soweit er in ihrem Eigentum stehe.

Sie beantragen die Beklagten zu verurteilen, jede Benutzung des Privatweges „X2“, dessen Verlauf aus dem als Anlage K1 beigefügten Lageplan vom 19.11.2001 ersichtlich ist, zu unterlassen und gegenüber Dritten, die zu den Beklagten bzw. dem Grundstück G4, Flur 1, Flurstück X, gelangen wollen, alle ihnen rechtlich, wirtschaftlich und tatsächlich gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um sie davon abzuhalten, hierfür den genannten Privatweg „X2“ zu benutzen, hilfsweise, jede Benutzung der Grundstücke der Kläger G4, Flur 1, Flurstücke X, als Zuwegung zu ihrem Grundstück G4, Flur 1, Flurstück X zu unterlassen und gegenüber Dritten, die zu den Beklagten bzw. dem Grundstück G4, Flur 1, Flurstück X gelangen wollen, alle ihnen rechtlich, wirtschaftlich und tatsächlich gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um sie davon abzuhalten, hierfür die vorgenannten Grundstücke der Kläger G4, Flur 1, Flurstücke X zu benutzen; den Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen den oder die zuwiderhandelnden Beklagten festgesetzt wird.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, sie seien zur Nutzung des Weges berechtigt.

Dies ergebe sich bereits daraus, dass ein Notwegerecht bestehe. Hierzu behaupten sie, dass die Anlage eines Weges als Verlängerung des Weges W über den Verlauf der Baulast, technisch nicht durchführbar sei, da das Gelände in diesem Bereich zu steil ansteige. Ansprüche auf Untersagung der Nutzung seien darüber hinaus verwirkt. Der Beklagte zu 1) bewohne das Haus seit 1968. Bis zu einem anwaltlichen Aufforderungsschreiben der Kläger im Jahr 2012 sei die Benutzung des Weges durch den Beklagten zu 1) jahrzehntelang unbeanstandet geblieben. Der Beklagte zu 1) habe sich damals mit den damaligen Nachbarn, darunter den Großeltern des Klägers zu 1) mündlich über eine einvernehmliche Nutzung des Weges X2 verständigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Örtlichkeiten in einem Ortstermin am 26.04.2013 in Augenschein genommen.

Die Akte des einstweiligen Verfügungsverfahrens 63 C 572/12 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt (vgl. Palandt, § 1004 Rn. 33 mwN.).

Den Klägern steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung des Weges soweit es die im Eigentum der Kläger stehenden Parzellen G4, Flur 1, Flurstücke X, betrifft gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zu.

Hiernach kann der Eigentümer Unterlassung beanspruchen, wenn Beeinträchtigungen seines Eigentums zu besorgen sind. Dabei erfasst der Begriff der Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB unter anderem auch die tatsächliche Benutzung durch Betreten und Befahren, unabhängig davon, ob davon im Einzelfall Beschädigungen verursacht werden.

Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Hiernach ist ein Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Eine solche Duldungsverpflichtung der Kläger hinsichtlich der Benutzung des Privatweges besteht indessen nicht.

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Zwischen den Klägern und den Beklagten besteht unstreitig weder ein dinglich gesichertes, noch ein rein schuldrechtlich vereinbartes Wegerecht oder Nutzungsverhältnis.

Soweit zwischen dem Beklagten zu 1) und den früheren Nachbarn in den 60er Jahren eine mündliche Vereinbarung hinsichtlich der Nutzung des Weges als Zugang zum Grundstück des Beklagten zu 1) bestanden haben mag, was zwischen den Parteien streitig ist, begründet dieses, auch wenn man eine entsprechende mündliche Vereinbarung zugunsten der Beklagten unterstellt, keine Duldungspflicht für die Kläger. Auf ein aus einem mündlichen Leihvertrag abgeleitetes Recht zum Gebrauch können sie sich nicht berufen, weil die Kläger als Einzelrechtsnachfolger der früheren Eigentümer dadurch nicht gebunden wären. Anders lägen die Dinge zwar bei einem Mietverhältnis, da dann der Grundsatz: „Kauf bricht nicht Miete“ eingreifen würde. Dass eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung vereinbart worden ist, wurde nicht dargelegt.

Die Beklagten können sich auch nicht auf ein Notwegrecht nach § 917 BGB berufen. Die Zufahrt über den Weg X2 ist zur ordnungsgemäßen Nutzung des Wohngrundstücks des Beklagten zu 1) nicht notwendig und die bestehende Verbindung gemessen an den objektiv zu bestimmenden Bedürfnissen ihres Grundstücks zu Versorgungszwecken ausreichend.

Nach § 917 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks, dem die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, von den Nachbarn die Duldung der Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung verlangen. Die Pflicht zur Duldung der Benutzung durch den Nachbarn stellt für den Eigentümer des Verbindungsgrundstücks eine Beschränkung seines Eigentums dar, die kraft Gesetzes mit dem Vorliegen der Zugangsnot entsteht. Diese Eigentumsbeschränkung muss der Verpflichtete im Interesse einer wirtschaftlichen Ausnutzung des Grund und Bodens hinnehmen (BGHZ 31, 159, 161). Auf Seiten des Berechtigten führt der Notweganspruch zu einer Erweiterung des Inhalts seines Grundstückseigentums. Wegen des schwerwiegenden Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, hat die Rechtsprechung an die tatbestandlichen Erfordernisse des § 917 Abs. 1 BGB für ein Überfahrtsrecht stets einen strengen Maßstab angelegt und besonders sorgfältig geprüft, ob nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls die beanspruchte Zufahrtsmöglichkeit tatsächlich für eine bedürfnisgerechte Benutzung des betreffenden Grundstücks unerlässlich und damit im Sinne der gesetzlichen Regelung notwendig ist (BGHZ 75, 315, 319). Wird die Notwendigkeit bejaht, so besteht das geforderte Notwegrecht kraft Gesetzes. In dem damit verbundenen Eingriff in das Grundstückseigentum des Nachbarn liegt der Grund für die Anlegung des strengen Maßstabes. Dessen Interessen finden § 917 Abs. 1 BGB bei der Feststellung der Entstehungsvoraussetzungen keine Berücksichtigung (Staudinger/Roth (2009) § 917 Rn. 19). Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und Berücksichtigung des Ausmaßes der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks findet nicht statt (BGH NJW 1964, 1321, OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042).

Dem Grundstück des Beklagten zu 1) fehlt es schon nicht an einer Verbindung zu einem öffentlichen Weg. Das Grundstück des Beklagten zu 1) kann vielmehr über einen Fußweg abgehend von dem Weg W entlang des Verlaufes der Baulast und der eingetragenen Wegerechte zwischen dem Ende des Weges W und dem Grundstück des Beklagten zu 1) erreicht werden. Zwar steht eine vorhandene Verbindung der Zubilligung eines Notwegrechts nach § 917 Abs1. BGB dann nicht entgegen, wenn diese für die ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks nicht ausreicht (BGH NJW-RR 2009, 515). Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist die bestehende Verbindung, insbesondere der Weg von der Straße W aus zum Grundstück des Beklagten zu 1) zur Benutzung des Wohngrundstücks des Beklagten zu 1) ausreichend.

Die ordnungsgemäße Benutzung eines Grundstücks ist nach objektiven Gesichtspunkten am Maßstab der Bedürfnisse einer praktischen Wirtschaft zu bestimmen, wobei es auf die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalles ankommt (BGH NJW 1964, 1321). Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und auch der Zweckmäßigkeit rechtfertigen nicht die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks (BGHZ 75, 315). Bei Wohngrundstücken ist nach der Rechtsprechung die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen zwar in der Regel notwendig, u. a. für die Versorgung mit Energie und die Entsorgung von Müll (BGH NJW-RR 2009, 515). Ebenfalls zur ordnungsgemäßen Benutzung gehört die Möglichkeit, ein Wohngrundstück zur Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs mit dem eigenen Kraftfahrzeug anfahren zu können. Das gilt jedenfalls dann, wenn es nicht lediglich um das – objektiv nicht erforderliche – Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit dem Fahrzeug geht (BGH NJW-RR 2009, 515). Allerdings kann daraus, dass es heute weitgehend üblich ist, mit dem Kraftfahrzeug direkt auf das eigene Grundstück zu fahren, nicht der rechtliche Schluss gezogen werden, dass eine ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken immer dann nicht mehr gewährleistet ist und es der Einräumung eines Notweges bedarf, wenn eine direkt Befahrbarkeit des eigenen Grundstücks mit Pkw aufgrund der Lage des Grundstücks nicht möglich ist. Denn die bloße Befriedigung des Interesses des Eigentümers, mit dem Fahrzeug möglichst nahe an sein Haus zu gelangen, ist zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks nicht notwendig (OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042; OLG Hamm, Urt. v. 31.5.2007 – Az. 5 U 21/07 – BeckRS 2007, 15777). Vielmehr sind gerade im innerstädtischen Bereich aber auch in dörflichen, historisch gewachsenen Ortskernlagen die Fälle nicht selten, in denen ein Wohngrundstück nicht direkt mit dem Pkw angefahren, sondern nur fußläufig erreicht werden kann (BGHZ 75, 315; OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042). Die Annahme einer Zugangsnot i. S. von § 917 BGB immer dann, wenn eine Anfahrt mit dem Pkw „bis vor die Haustür“ nicht gewährleistet ist, stellte eine Umkehrung des § 917 BGB zugrundeliegenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses dar, wonach bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs die Zubilligung des Notwegrechts auf die Fälle beschränkt bleiben soll, bei denen eine Notstandssituation auf dem abgeschnittenen Grundstück die Einrichtung des Notweges erfordert. Für die Beurteilung der Bedürfnisse des verbindungslosen Grundstücks, insbesondere Art und Umfang der Erreichbarkeit mit Kfz ist daher stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.

Ausgehend davon ist schon nach dem Vortrag der Beklagten nichts dafür ersichtlich, dass sie zur ordnungsgemäßen Wohnnutzung gerade auf die Haltung eines Personenkraftwagens auf ihrem Grundstück angewiesen sind und eine Zufahrtsmöglichkeit für Kraftfahrzeuge dafür unerlässlich wäre. Für die Beklagten ist eine Erreichbarkeit des Wohngrundstücks mit Kraftfahrzeugen vielmehr auch dann gegeben, wenn das Kraftfahrzeug in zumutbarer Nähe des Grundstücks abgestellt und das Grundstück über einen begehbaren W-Weg erreicht werden kann (OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1042; OLGR Saarbrücken 2004, 391). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagten haben die Möglichkeit, PKW im öffentlichen Straßenraum am Ende des Weges W abzustellen. Darüber hinaus ist unstreitig, dass eine unmittelbar am Ende des Wegs befindliche Garage im Eigentum des Beklagten zu 1) stand, die er nutzen konnte. Diese hat er indessen selbst veräußert, so dass er sich insoweit einer näheren Stellplatzmöglichkeit selbst entäußert hat. Die Beklagten können zu Versorgungszwecken das Grundstück fußläufig vom Ende der Straße W aus über einen Fußweg von ca. 40 Metern erreichen, im Endbereich über ca. 50 Treppenstufen, wovon sich das Gericht im Wege des Augenscheins überzeugen konnte. Eine Erreichbarkeit des Grundstücks des Beklagten zu 1) zur Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs ist daher gewährleistet.  Auch ohne unmittelbare Befahrbarkeit des eigenen Grundstücks ist über den bestehenden Verbindungsweg eine Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs gewährleistet und eine Erreichbarkeit für Einrichtungen der Daseinsfürsorge eröffnet. Auch Anlieferungen z.B. durch die Post etc. können insoweit über den Weg W aus erfolgen, ohne dass es der Nutzung des Privatweges X2 bedürfte. Soweit es um die Frage der Müllentsorgung geht, haben die Kläger vorgetragen, dass die Mülltonne der Beklagten zum Ende der Straße W hin steht, was die Beklagten nicht bestritten haben. Daraus ergibt sich unstreitig, dass auch für die Müllentsorgung eine Zufahrt zum Grundstück des Beklagten zu 1) über den Weg X2 nicht notwendig ist. Dass eine Zufahrt über den Weg X2 für die Anlieferung von Energie erforderlich wäre, haben die Beklagten nicht vorgetragen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit zu bejahen war.  Die Einrichtung eines Notweges würde im vorliegenden Fall daher lediglich dem nach § 917 BGB nicht geschützten Interesse der Beklagten dienen, möglichst nah an das Grundstück heranfahren und das Fahrzeug auf dem eigenen Grundstück abstellen zu können. Darauf dass die bestehende Verbindung für die Kläger umständlicher und weniger komfortabel ist, als der von ihnen beanspruchte Notweg über den Privatweg X2, lässt sich ein Notwegrecht nicht stützen. Auch soweit die Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren 63 C 572/12 geltend gemacht haben, der Beklagte zu 1) sei schwer Herzkrank und könne den Fußweg in der Hanglage praktisch nicht mehr schaffen, ist hierdurch kein Notwegerecht begründet, da es hierbei nicht auf subjektive Aspekte, sondern lediglich auf die objektive Notwendigkeit ankommt.

Da die vorhandene Verbindung der Kläger zu einem öffentlichen Weg ausreichend und die Zufahrt der Beklagten über den Privatweg X2 nicht notwendig ist, scheidet ein Notwegerecht aus.

Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass die Beklagten aufgrund der Baulast und der eingetragenen Wegerechte zwischen dem Ende des Weges W und dem Grundstück des Beklagten zu 1), die zwischenzeitlich im Eigentum des Beklagten zu 1) standen, die er indessen veräußert hat, die Möglichkeit haben, eine befahrbare Zuwegung über den Verlauf der Baulast herzustellen. Soweit die Beklagten sich darauf berufen haben, dieses sei aufgrund einer steilen Hanglage technisch undurchführbar, war das Gericht nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten hiervon nicht überzeugt, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft hätte. Dabei ist es zwar zutreffend, dass die Baulast über eine steile Hanglage verläuft. Diese kann indessen dadurch abgemildert werden, dass durch entsprechende Baumaßnahmen im unteren Hangbereich eine Anhebung erfolgt und im oberen Bereich zum von den Beklagten derzeit genutzten Stellplatz hin eine Geländeabsenkung erfolgt, wodurch insgesamt ein mit einem PKW zu bewältigender Steigungsgrad erreicht werden kann. Weitere Anhaltspunkte für eine technische Undurchführbarkeit haben die Beklagten nicht vorgetragen.

Auf eine Duldungspflicht durch Verwirkung der Abwehransprüche können sich die Beklagten nicht berufen. Dabei konnte im Ergebnis für die Entscheidung dahinstehen, ob es bereits an dem für eine Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Denn jedenfalls fehlt es an dem ebenfalls erforderlichen Zeitmoment.

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt

Sollen wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus (Palandt, § 242 Rn. 107 mwN.). Die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es in der Regel – mit Ausnahme besonders langer Unterbrechungen – an dem Zeitmoment fehlt. Im Hinblick darauf, dass die Beklagten den Privatweg unstreitig wiederholt und häufig nutzen, wird der Unterlassungsanspruch somit durch jede Nutzung erneut ausgelöst. Die für eine Verwirkung des Abwehranspruchs erforderliche längere Nichtgeltendmachung liegt damit nicht vor.

Soweit die Kläger über den tenorierten Umfang hinaus die Unterlassung der Nutzung der Teile des Privatweges begehren, die nicht in ihrem Eigentum stehen, war die Klage abzuweisen.

Insoweit steht den Klägern gegen die Beklagten kein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 1027, 1004 BGB zu. Dabei kann zwar in den von den Klägern behaupteten Beschädigungen des Weges und in dem Blockieren des Weges eine Beeinträchtigung des den Klägern zustehenden Wegerechtes liegen. Die Kläger sind indessen für die behaupteten Beeinträchtigungen beweisfällig geblieben, so dass eine Beeinträchtigung ihrer Wegerechte nicht positiv festgestellt werden konnte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

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