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Verkehrsunfall – Versetzung des Geschädigten in Ruhestand aufgrund der Unfallfolgen

OLG Oldenburg – Az.: 6 U 30/16 – Urteil vom 22.07.2016

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.12.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.140,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2012 zu zahlen sowie die Klägerin von der Gebührenrechnung ihrer Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten …, … Oldenburg, für deren außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 273,70 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (einschließlich des Berufungsverfahrens) werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls vom 22.10.2009 geltend. Für diesen steht die volle Haftung der Beklagten für die der Klägerin aus dem Unfallereignis entstandenen Schäden dem Grunde nach außer Streit.

Wegen des Sachverhalts sowie wegen der erstinstanzlichen Klageanträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

 

Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.640,- € nebst Zinsen zu zahlen, nämlich entgangenen Gewinn (d.h. Ersatz des entgangenen Honorars aus ihrer Vortragstätigkeit für den Monat November 2009) in Höhe von 2.010,- € infolge unfallbedingter eingeschränkter Erwerbstätigkeit sowie entstandenen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 630,- € für den Zeitraum vom 22.10.2009 bis zum 02.12.2009 unter Zugrundelegung einer von ihr angeführten 30 %-igen Minderung in ihrer Haushaltsführung sowie Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2012. Ein (weiteres) Schmerzensgeld hat das Landgericht der Klägerin nicht zuerkannt, da es das bereits vorprozessual von den Beklagten gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,- € für die unfallbedingten Verletzungen der Gesundheit und des Körpers der Klägerin als angemessen und ausreichend erachtet hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung und ihrer Begründung wird ebenfalls gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin unter Weiterverfolgung ihres Klagebegehrens mit der Berufung.

Die Klägerin rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen, das Landgericht sei ihren Beweisangeboten in großem Umfang nicht nachgegangen, sei deshalb zu unrichtigen und unvollständigen Tatsachenfeststellungen gekommen, es habe ihre körperlichen Verletzungen nicht hinreichend gewürdigt und infolgedessen ein wesentlich zu niedriges Schmerzensgeld, nämlich nur den bereits vorgerichtlich gezahlten Betrag von 1.500,- €, zugesprochen. Sie macht weitergehende Unfallfolgen und -verletzungen geltend. Wegen der Einzelheiten der klägerischen Berufungsangriffe wird darüber hinaus auf die Berufungsbegründung vom 31.03.2016 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 29.12.2015 verkündeten Urteils des Einzelrichters des Landgerichts

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 40.000,- € abzüglich bereits gezahlter 1.500,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2012 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag von 35.212,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2012 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle materiellen Schäden, welche ihr in Zukunft aus dem Unfallereignis vom 22.10.2009 entstehen werden, zu ersetzen, soweit die entsprechenden Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von der Gebührenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten …, … Oldenburg, für deren außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 2.879,80 € freizustellen, und

5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 55.711,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2012 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und treten den klägerischen Berufungsangriffen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien – insbesondere auch im Berufungsverfahren – wird im Übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur geringfügig Erfolg.

Der Senat stimmt den Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil im Wesentlichen zu und nimmt insoweit darauf Bezug und begründet im Übrigen in Ansehung der Berufungsangriffe die Abänderung und die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO wie folgt:

Die Berufungsangriffe der Klägerin, das Landgericht sei zu fehlerhaften tatsächlichen Feststellungen gekommen, weil es ohne hinreichende Begründung ihren Beweisangeboten nicht nachgegangen sei, nämlich die von ihr benannten Zeugen – sie begutachtende Amtsärztinnen und behandelnde Fachärzte – nicht vernommen habe, obwohl dies zur Substantiierung ihres Vortrags und zur umfassenden Sachaufklärung unerlässlich gewesen wäre, verfangen nicht.

Die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts erster Instanz sind nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch im Berufungsverfahren zugrunde zu legen, es sei denn, diese beruhen auf Verfahrensfehlern oder es werden konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt oder sonst erkennbar, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen.

Beides ist hier nicht anzunehmen.

Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte für Verfahrensfehler, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts – auch in Bezug auf Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage der Sachverständigengutachten getroffen worden sind (vgl. BGH NJW 2014, 74) – unterlaufen sind, weil – wie die Klägerin rügt – die erstinstanzliche Beweiswürdigung den Anforderungen des § 286 ZPO nicht genüge, weil entscheidungserhebliches Vorbringen nicht oder nur unvollständig berücksichtigt worden sei oder weil Fehler im Verfahren der Beweisaufnahme gemacht worden seien.

Beweisaufnahme und Beweiswürdigung des Landgerichts sind insgesamt nicht zu beanstanden. Der Senat sieht keinen Anlass vom Ergebnis der Beweiswürdigung des Landgerichts abzuweichen; dieses ist zutreffend, zumindest aber vertretbar.

Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien und des gesamten Inhalts der Verhandlung nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine behauptete Tatsache für wahr oder nicht für wahr hält und einen Beweis als geführt ansieht, wobei in dem Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Insofern hat sich das Gericht mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen und ist lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze gebunden (vgl. BGH NJW 2008, 2845 m.w.N); sonst aber darf es die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten.

Es ist hierbei nicht erforderlich, auf jedes Parteivorbringen und alle Beweismittel einzeln und ausführlich einzugehen; es genügt, wenn nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (vgl. Heßler in Zoller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rn. 21). Es muss einerseits erkennbar werden, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine individuelle und argumentative Auseinandersetzung mit dem Beweiswert eines Beweismittels erfolgt ist (vgl. OLG München, Urteil vom 11.09.2015 -10 U 4282/14 -, juris m.v.w.N.). Das Gericht hat die grundlegende Verpflichtung, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (vgl. OLG München, Urteil vom 11.09.2015 – 10 U 4282/14 -, juris unter Verweis auf BGH, NJW-RR 2011, 428; BGH, VersR 2008, 1265; BGH, VersR 2004, 790, jeweils m.w.N.). Insoweit besteht – wie die Klägerin in der Berufungsbegründung zutreffend ausführt – nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung u.a. die Pflicht, sich mit Widersprüchen zwischen mehreren Gutachten – auch wenn es sich um Privatgutachten handelt – auseinanderzusetzen; wird ein medizinisches Gutachten vorgelegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so darf das Gericht den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass es ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (vgl. BGH NJW 2015, 411; Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rn. 21).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil. Das Landgericht hat umfassend Beweis erhoben durch Einholung diverser schriftlicher Sachverständigengutachten und durch Einholung eines schriftlichen Obergutachtens sowie durch mündliche Erläuterung und Ergänzung der Gutachten durch die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Auch die Begründung des Landgerichts ist vorliegend ausreichend, zumal die sachverständigen Ergebnisse eindeutig sind. Das Landgericht ist danach ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin aufgrund des Dienstunfalls (Wegeunfall) am 22.10.2009 ein HWS – Beschleunigungstrauma, Prellungen im Gurtverlauf, eine Distorsion der linken Schulter und eine leichte bis mittelgradige Anpassungsstörung, hingegen keine posttraumatische Belastungsstörung (im Folgenden: PTBS), keinen Hörverlust mit einer Schwerhörigkeit und keine Quetschung des Fußes erlitten hat, dass das Beschleunigungstrauma Anfang November 2010 und die Distorsion der linken Schulter innerhalb von Tagen ausgeheilt waren, dass sie aufgrund des Beschleunigungstraumas, der Prellungen im Gurtverlauf und der Distorsion der linken Schulter maximal 6 Wochen und im Übrigen trotz der Anpassungsstörung mindestens 6 Stunden und mehr am Tag arbeitsfähig (gewesen) ist.

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1. Soweit die Klägerin als Lehrerin für Fachpraxis durch Urkunde der Landesschulbehörde vom 20.08.2010 (Anlage K 21) wegen Dienstunfähigkeit aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens des Fachbereichs Gesundheit des Landkreises Emsland durch die Medizinaloberrätin S. vom 22.06.2010 (Anlage K 7) wonach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenberechtigenden Ausmaß von 50 % aufgrund der Unfallfolgen, nämlich eines eingesteiften Schultergelenks, einer Schwerhörigkeit und Tinnitus sowie einer PTBS derzeit bestehe und voraussichtlich dauerhaft zu erwarten sei, in den Ruhestand versetzt worden ist, sind sowohl das Landgericht wie auch der Senat an die Feststellung der Dienstunfähigkeit gebunden. Es bedarf deshalb weder der beantragten Vernehmung der (sachverständigen) Zeuginnen Dr. L. und Dr. F.-G. noch der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin nach wie vor unfallbedingt dienstunfähig ist und seit dem Unfallereignis fortwährend dienstunfähig gewesen ist.

a) Die Entscheidung, die von der Landesschulbehörde als der hierfür zuständigen Behörde im Verwaltungsweg getroffen worden ist, ist von den ordentlichen Gerichten nicht nachzuprüfen, sondern als rechtswirksam anzuerkennen (vgl. BGH VersR 1963, 1207 m.w.N.). Ist die Versetzung in den Ruhestand ausschließlich wegen des gesundheitlichen Zustandes des Beamten ausgesprochen worden, der sich aus dem erlittenen Verkehrsunfall entwickelt hat, so endet damit die Nachprüfbarkeit des Verwaltungsakts durch die ordentlichen Gerichte; es kann nicht geltend gemacht werden, die Pensionierung sei wegen der Unfallfolgen nicht sachlich geboten gewesen (vgl. OLG München, Urteil vom 11.09.2015 – 10 U 4282/14 -, juris unter Verweis auf die st. Rspr. des BGH m.v.w.N.; OLG Celle, Urteil vom 30.05.2007 – 14 U 277/01 -, juris). Das gilt selbst dann, wenn die Beurteilung zur Dienstunfähigkeit objektiv unrichtig gewesen sein sollte (vgl. OLG Celle, Urteil vom 30.05.2007 – 14 U 277/01 -, juris).

b) Ob Ersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 22.10.2009 bestehen, was davon abhängt, ob bei den unfallbedingten Gesundheitsschäden die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit eine adäquate Folge des Unfalls war, haben die Zivilgerichte indes selbständig zu entscheiden, ohne an eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde gebunden zu sein (vgl. BGH VersR 1963, 1207).

Bei der Bewertung der adäquaten Ursächlichkeit des Unfalls für die Pensionierung kommt es hierbei nicht darauf an, ob die Zurruhesetzung aufgrund der unfallbedingten Verletzungen sachlich geboten war, denn dies betrifft die der Beurteilung der Zivilgerichte entzogene Richtigkeit des Pensionierungsbescheides (vgl. OLG Celle, Urteil vom 30.05.2007 – 14 U 277/01 -, juris). Das Zivilgericht hat in diesem Zusammenhang nur zu prüfen, ob die Frühpensionierung eine adäquate Folge des Unfalls ist (vgl. OLG München, Urteil vom 11.09.2015 – 10 U 4282/14 -, juris).

Denn die Tatbestandswirkung, die dem Verwaltungsakt der Pensionierung zukommt, erstreckt sich nicht darauf, dass die zur vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand führende Dienstunfähigkeit des Beamten eine Folge seines Verkehrsunfalls sei, sondern ist allenfalls ein Element der von der Behörde getroffenen Entscheidung, das von der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes selbst nicht erfasst wird (vgl. BGH VersR 1963, 1207). Insofern haben die Zivilgerichte den Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall und einer Pensionierung bzw. Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit eigenständig zu beurteilen; sie müssen selbständig, z.B. unter Zugrundelegung ärztlicher Gutachten, die Überzeugung gewinnen, dass eine Dienstunfähigkeit auf bei einem Unfall erlittene Verletzungen zurückzuführen ist, ob sich also der der Frühpensionierung zugrunde liegende gesundheitliche Zustand aus dem Verkehrsunfall entwickelt hat oder nicht (vgl. BGH VersR 1963, 1207).

c) Den Beweis, dass sie infolge des Unfalls eine PTBS als psychische Primärverletzung, eine Schwerhörigkeit und eine Quetschung des rechten Fußes erlitten hat und dass sie aufgrund unfallbedingt erlittener Verletzungen einen weitergehenden als den vom Landgericht zuerkannten Verdienstausfall– und Haushaltsführungsschaden erlitten hat, hat die danach beweispflichtige Klägerin nach der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht geführt.

Der Senat folgt dem Landgericht dahin, dass eine Kausalität zwischen dem Unfall und den von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und körperlichen Beeinträchtigungen nicht festgestellt werden kann.

 

Ob die von der Klägerin behaupteten körperlichen und psychischen Verletzungen auf den Unfall zurückzuführen sind und sich als unmittelbare Unfallfolgen darstellen, unterliegt dabei den strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO, da die Frage, ob sich die Klägerin überhaupt Verletzungen zugezogen hat und diese unfallursächlich sind, den nach dieser Vorschrift zu führenden Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität betrifft (vgl. BGH VersR 2008, 1133 m.w.N.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 287 Rn. 3). Der Beweismaßstab des § 287 ZPO ist dagegen anzuwenden für die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, d.h. welche Folgeschäden, also durch die Gesundheitsbeschädigung entstandenen Schadensfolgen, vorhanden sind (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 287 Rn. 3; OLG München, Urteil vom 11.09.2015 – 10 U 4282/14 -, juris). Dieser Beweismaßstab ist für die Frage, ob die Klägerin durch die unfallbedingt erlittenen (Primär-) Verletzungen dienst- bzw. erwerbsunfähig geworden ist, anzuwenden (vgl. OLG München, Urteil vom 11.09.2015 – 10 U 4282/14 -, juris).

2. Soweit die Klägerin auf das Urteil des VG Münster vom 07.01.2016, Az. 5 K 3342/13 hinweist, wonach einem amtsärztlichen Gutachten gegenüber einem privatärztlichen Gutachten bzw. bei einem Privatarzt eingeholten Gutachten grundsätzlich Vorrang zu gewähren ist, weil der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vornimmt, insbesondere er unabhängig ist und nicht im Lager des – zu begutachtenden – Beamten steht, im Gegensatz zu einem bei einem Privatarzt eingeholten Gutachten, der gegebenenfalls bestrebt sein mag, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, ist dies unbehelflich.

Denn vorliegend hat das Landgericht seine Entscheidung nicht auf Privatgutachten, sondern auf die schriftlichen Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. M. F. H. vom 12.03.2013, Dr. T. B. vom 08.08.2013, Prof. Dr. G. He. vom 07.03.2014 und 25.07.2014 und Dr. P. S. vom 16.02.2015 sowie die mündlichen Erläuterungen und Ergänzungen des Dr. H., Dr. B. und Dr. S. in dem landgerichtlichen Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.11.2015 gestützt.

3. Soweit die Klägerin eine unzureichende Sachaufklärung durch das Landgericht rügt und beanstandet, dass das Landgericht seine Beurteilung, die Ursächlichkeit des Unfalls für die von der Klägerin geltend gemachte PTBS, die Quetschung des Fußes und für den akuten Hörverlust mit einer mittel- bis hochgradigen cochleären Schwerhörigkeit sei nicht nachgewiesen, allein auf die Bewertung der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. H., Dr. B., Prof. Dr. He. und Dr. S. gestützt habe und von einer weiteren Sachaufklärung durch Vernehmung der die Dienstunfähigkeit attestierenden Amtsärztinnen und der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte als sachverständige Zeugen abgesehen habe sowie dass das Landgericht die in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Gutachten, Berichten und Attesten dokumentierten Diagnosen nicht in ausreichendem Maße gewürdigt habe, verhilft dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg.

a) Zum einen stellen die amtsärztlichen Gutachten vom 22.06.2010 (Anlage K 7), 11.11.2010 (Anlage K 18) und 07.12.2015 sowie die (fach-)ärztlichen Berichte der …-Klinik vom 15.11.2011 (Anlage K 16) und 01.09.2015, die zu anderen Diagnosen und Ergebnissen als die gerichtlich bestellten Sachverständigen kommen, prozessrechtlich „lediglich“ einen substantiierten Parteivortrag dar, der urkundlichen Beweis dafür erbringt, dass die jeweiligen Ärzte sich in der in den Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen niedergelegten Weise geäußert haben, nicht aber für die Richtigkeit des Inhalts (vgl. BGH NJW 1993, 2382; Greger in Zoller, ZPO, 30, Aufl. 2014, § 402 Rn. 2 f m.w.N.). Die Beklagten haben einer Verwertung dieser ärztlichen Unterlagen als Sachverständigengutachten nicht zugestimmt, so dass das Gericht diese insoweit nicht verwerten durfte (vgl. BGH NJW-RR 1993, 898) und es bei der zuvor dargestellten urkundsbeweislichen Verwertung bleiben muss.

b) Zum anderen betrachtet ein Arzt, der einen Unfallgeschädigten bzw. seinen Patienten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters, sondern behandelt ihn als Therapeut, d.h. für ihn steht die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche und ihre Ursache für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. BGH VersR 2008, 1133). Die Ursache der Verletzungen und der Verletzungsfolgen spielt für den behandelnden Arzt keine Rolle. Deshalb sind für einen medizinischen Sachverständigen und damit auch das erkennende Gericht ärztliche Atteste, u.ä. eher von untergeordneter Bedeutung. Darin enthaltenen Diagnosen ist eine ausschlaggebende Bedeutung im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen, sondern im Regelfall ist das Ergebnis solcher Untersuchungen nur eines unter mehreren Indizien, die im Zusammenhang mit den übrigen Ergebnissen (eigene Untersuchung des Sachverständigen, Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse, Berücksichtigung des genauen Unfallgeschehens) zu bewerten sind, und kann für den Zustand des Geschädigten nach einem Unfall Berücksichtigung finden (vgl. BGH VersR 2008, 1133). Eine gerichtliche Vernehmung der behandelnden Ärzte als (sachverständige) Zeugen ist demzufolge entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist. Denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an (vgl. BGH NJW 2008, 1133 m.w.N.).

So verhält es sich hier. Die Stellungnahmen der Amtsärztinnen und der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte haben sowohl dem Gericht als auch den gerichtlich bestellten Sachverständigen als urkundliche Beweise vorgelegen. Das Landgericht hat die Sachverständigen mit Beweisbeschluss vom 13.08.2012 gerade damit beauftragt, die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen/Berichte, die amtsärztlichen Gutachten des Landkreises Emsland vom 22.06.2010 und 11.11.2010, das behördliche Krankheitsregister sowie die Krankenakte der Krankenkasse zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen. Die Gerichtsgutachter haben sich entsprechend dieses Beweisbeschlusses bei ihrer schriftlichen wie mündlichen Gutachtenerstattung auch mit den Ausführungen der Ärzte sowie mit den Ausführungen in der beratungsärztlichen Stellungnahme bzw. in dem Privatgutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. A. S. vom 19.06.2012 auseinandergesetzt. Es wird insoweit auf die Gutachten der Sachverständigen verwiesen.

Die Stellungnahmen der Amtsärztinnen und der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte sind außerdem auch Gegenstand der umfassenden mündlichen Vernehmung der Sachverständigen durch das Landgericht gewesen.

Daher bedurfte es der Wiederholung der Erklärungen der Ärzte in Form eines zeugenschaftlichen Beweises und somit ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung nicht. Allein der Umstand, dass sie zu abweichenden Ergebnisse gekommen sind, ist kein zwingender Grund für ihre Zeugenvernehmung, da ihre Äußerungen schon als Urkundsbeweis in das Verfahren eingeführt worden sind.

c) Dagegen, dass dem Landgericht die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen überzeugender erschienen als die Beurteilungen der Amtsärztinnen und der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nichts einzuwenden. Denn mit den Gutachten der Sachverständigen Dr. H., Dr. B., Prof. Dr. He. und Dr. S. stehen kompetente und in sich geschlossene aussagekräftige Bewertungen der entscheidungsrelevanten Tatsachen zur Verfügung. Auch der Senat schließt sich den detaillierten Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen in vollem Umfang an.

aa) Zweifel an den Fachkenntnissen und der besonderen fachlichen Kunde des Sachverständigen Dr. H., der Arzt für Orthopädie und leitender Arzt des Orthopädischen Forschungsinstituts M. ist, des Sachverständigen Dr. B., der Oberarzt der Hals-Nasen-Ohrenklinik des … klinikums M. ist, des Sachverständigen Prof. Dr. He., der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie – Psychoanalyse – Klinische Geriatrie der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des … klinikums M. ist, und des Sachverständigen Dr. S., der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie – Psychoanalyse, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen – und ärztlicher Direktor des … Therapiezentrums B. E. ist, bestehen nicht. Auch die Klägerin hat deren Sachkunde nicht angezweifelt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Sachverständigen nicht die nötige Kompetenz für die Gutachtenerstattung aufbringen.

bb) Die Gutachten und mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen Dr. H., Dr. B., Prof. Dr. He. und Dr. S. sind auch überzeugend. Die qualifizierten Feststellungen und Wertungen der Sachverständigen lassen – wie gleichfalls das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat – keine Anhaltspunkte zu Tage treten, die Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ergebnisse zulassen würden. Ihre Ausführungen sind schlüssig und in sich nachvollziehbar.

Dem steht vor allem nicht entgegen, dass die Amtsärztinnen und die die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte, insbesondere auch die Ärzte in der …-Klinik, zu abweichenden Beurteilungen gekommen sind.

Den Beurteilungen durch letztere kommt – wie bereits ausgeführt worden ist – einerseits im Vergleich zu solchen medizinischer Sachverständiger eher untergeordnete Bedeutung zu. Andererseits kann sich das Gericht (selbst bei Widersprüchen zwischen einem gerichtlichen Gutachten zu einem – hier allerdings nicht vorliegenden – Privatgutachten) in freier Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO einem bzw. mehreren durch das Gericht eingeholten Gutachten (Gerichtsgutachten) anschließen, wenn diese vollständig, überzeugend und in sich widerspruchsfrei sind sowie die Beurteilung nicht von einem Mangel an Sachkunde beeinflusst ist (vgl. Huber in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 402 Rn. 12; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 402 Rn. 7a).

(1) Soweit die Klägerin darauf Bezug nimmt, dass die ärztlichen Zeugnisse der Amtsärztinnen und der die Klägerin behandelnden (Fach-)Ärzte zu abweichenden und widersprüchlichen Diagnosen gelangt sind, schmälert dies nicht die Aussagekraft der vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten.

Zutreffend ist, dass das Gericht vorhandenen Widersprüchen bzw. abweichenden Beurteilungen nachzugehen hat, da erkennbar widersprüchliche Gutachten bzw. fachliche Beurteilungen keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts sind (vgl. BGH NJW 2014, 71 m.v.w.N.). Der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung kann jedoch in diesen Fällen dadurch nachgekommen werden, dass die Aufklärung des Widerspruchs durch Einholung einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen und durch dessen nachfolgende mündliche Anhörung geschieht, im Rahmen derer sich der Sachverständige mit den widersprüchlichen Ausführungen auseinandersetzt (vgl. BGH NJW 2014, 71 m.w.N.).

Vorliegend hat das Landgericht – wie bereits ausgeführt worden ist – die gerichtlichen Sachverständigen mit Beweisbeschluss vom 13.08.2012 gerade damit beauftragt, die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen/Berichte, die amtsärztlichen Gutachten des Landkreises Emsland vom 22.06.2010 und 11.11.2010, das behördliche Krankheitsregister sowie die Krankenakte der Krankenkasse zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen. Dem sind die gerichtlichen Gutachter in ihren Gutachten nachgekommen; sie haben den Akteninhalt umfassend berücksichtigt und gewürdigt sowie die vorgelegten ärztlichen Unterlagen ausgewertet und in ihre Gutachten einfließen lassen. Insoweit wird auf die Gutachten verwiesen. Es ist nicht ersichtlich und besteht kein Grund für die Annahme, dass die Sachverständigen diesen bei ihrer Begutachtung kein ausreichendes Gewicht beigemessen haben. Darüber hinaus haben die Gerichtssachverständigen in ihrer mündlichen Anhörung vordem Landgericht am 17.11.2015 ihre Gutachten zusätzlich mündlich erläutert und sich auch dabei mit den abweichenden ärztlichen Beurteilungen auseinandergesetzt.

(2) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die von ihr vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere den Bericht der …-Klinik vom 01.09.2015, die Auffassung vertritt, dass sie statt an einer leichten bis mittelgradigen Anpassungsstörung an einer PTBS leide sowie dass sowohl eine PTBS wie auch die von dem Landgericht angenommene Anpassungsstörungen zu einer dauerhaften Dienstunfähigkeit i.S.e. Erwerbsunfähigkeit führen und geführt haben, setzt sie ihre eigene Bewertung bzw. die Bewertung der sie begutachtenden Amtsärztinnen und der sie psychotherapeutisch behandelnden Ärzte an die Stelle der zu einem anderen Ergebnis kommenden fachkundigen Beurteilung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. He. und insbesondere des gerichtlich bestellten Obergutachters Dr. S. .

Nach den gutachterlichen Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S. denen das Landgericht gefolgt ist, ist bei der Klägerin mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund des Unfalls am 22.10.2009 eine leichte bis mittelgradige depressiv gefärbte Anpassungsstörung entstanden und chronisch geworden, sie hat infolge des Unfall indes keine PTBS erlitten.

(a) Zutreffend weist die Klägerin im Hinblick auf die Anpassungsstörung darauf hin, dass eine Fehlverarbeitung den Kausalzusammenhang zwischen der psychischen Symptomatik und dem Unfallgeschehen nicht ausschließen würde.

Denn im Hinblick auf psychische Beeinträchtigungen wird die Ursächlichkeit der Unfall-Einwirkung nicht dadurch beseitigt oder eingeschränkt, dass es erst durch Zusammenwirkung mit einer anderen Ursache zu psychischen Schäden gekommen ist; die Zurechnung von Schäden scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen; der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei; wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (vgl. BGH NJW 2015, 2246; BGH NJW 2012, 2964).

Dass auch das Landgericht insofern eine Ursächlichkeit zwischen der Anpassungsstörung und dem Unfallgeschehen angenommen hat, übersieht die Klägerin. Die Beklagte hat danach für die bei der Klägerin durch den Unfall ausgelöste depressive Anpassungsstörung einzustehen, auch wenn bereits bei der Klägerin vor dem Unfallereignis eine entsprechende Disposition bestanden hat. Auf die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung dazu, ob das Landgericht zu der Annahme einer Fehlverarbeitung hätte gelangen müssen und ob diese den Kausalzusammenhang ausschließt, kommt es daher nicht an.

(b) In dem ärztlichen Entlassungsbericht der …-Klinik über die dortige stationäre psychosomatische Behandlung der Klägerin vom 04.10.2011 bis zum 15.11.2011 (Anlage K 16) ist zwar eine PTBS diagnostiziert worden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. S. hat in seinen schriftlichen Gutachten vom 16.02.2015 dazu aber zutreffend darauf hingewiesen, dass dort ausgeführt wird, die Klägerin sei „durch den Unfall wohl erheblich traumatisiert“ worden, was für eine gewisse Unsicherheit bei der Beurteilung der Kausalität im Rahmen der beschriebenen psychischen Symptomatik spreche, sowie dass die erwähnte PTBS nicht testpsychologisch gesichert wurde, d.h. keine objektivierenden Verfahren eingesetzt worden sind, um die Diagnose zu verifizieren. Bei der mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens hat er wiederholend und ergänzend erklärt, dass der Bericht der …-Klinik an dem Mangel leide, dass nicht differenzial-diagnostisch objektivierende Testverfahren eingesetzt worden seien, was auch nicht die Aufgabe von behandelnden Ärzten, sondern von Gutachtern sei. Solche für die Aufklärung des Sachverhalts gebotenen objektivierenden Testverfahren sind hingegen von dem Gerichtsgutachter eingesetzt worden.

(c) Die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständige Dr. S. sind schlüssig und nachvollziehbar.

Der Sachverständige hat ihm Rahmen seiner Gutachtenerstattung bei der Klägerin eine umfassende Anamnese (vegetative, Familien- sowie Ehe- und Partnerschafts-, gynäkologische, biographische, Arbeits- und Berufsanamnese) durchgeführt, einen psychopathologischen und neurologischen Befund erhoben, eine orientierende allgemeinmedizinische Untersuchung sowie eine testpsychologische Untersuchung durchgeführt. Aus der gesamten testpsychologischen Untersuchung folgert er schlüssig und nachvollziehbar, die Klägerin übertreibe die Beschreibung ihres Erlebten, ihre Symptome und ihre Probleme bewusst, so dass auch bei den übrigen testpsychologischen Verfahren von einer Aggravationsneigung ausgegangen werden müsse. Die Ergebnisse der gesamten testpsychologischen Untersuchung würden mit diesen Einschränkungen in allen Tests auf das Vorliegen zahlreicher körperlichen Beschwerden, eines hohen subjektiven Belastungserlebens, einer Somatisierungsneigung und einer depressiven Symptomatik hinweisen. Trotz dieser Auffälligkeiten könnten aufgrund der bewussten Aggravation der Klägerin keine direkten Rückschlüsse im Hinblick auf entsprechende Diagnosen, z.B. einer klinisch relevanten depressiven Episode, einer Somatisierungsstörung oder manifesten Persönlichkeitsstörung, gezogen werden. Auch könne vor diesem Hintergrund eine PTBS testpsychologisch nicht untermauert werden.

Für die Diagnose einer PTBS fehle – wie der Sachverständige Dr. S. verständlich und einleuchtend dargestellt hat – die Kriterien A2 (erlebte Todesfurcht) sowie die Kernkriterien B und C (Wiedererleben und Vermeidungsverhalten).

Eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht gemäß ICD-10 F 43.1 als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (vgl. auch BGH NJW 2012, 2964; OLG München, Urteil vom 11.09.2015 – 10 U 4282/14 -, juris). Ein Unfallereignis ohne besonders belastende Umstände ist daher i.d.R. nicht geeignet, eine PTBS hervorzurufen (OLG Schleswig, Urt. v. 01.03.2012 – 7 U 95/11 -, juris). Allein auf die Angaben des Betroffenen kann insofern die Annahme einer PTBS nicht gestützt werden, vielmehr müssen spezifische Kennzeichen für das Vorliegen einer PTBS gegeben sein. Typische Merkmale einer PTBS sind nach ICD-10 F 43.1 das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träume oder Albträume, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten, die üblicherweise innerhalb von spätestens sechs Monaten nach dem Unfallereignis auftreten (vgl. auch LSG Bayern, Urteil vom 30.03.2011 – L 2 U 293/05-, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2011 – L 3 U 515/09-, juris; LSG Bayern, Urteil vom 09.12.2009 – L 2 U 16/07-, juris).

Der Sachverständige Dr. S. hat ausgeführt, dass eine Reaktion intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen bei der Klägerin nicht gesichert sei. Zwar habe die Klägerin geäußert – dies übersieht die Klägerin in der Berufungsbegründung -, dass sie das Unfallereignis in der konkreten Situation als lebensbedrohlich oder vernichtend empfunden habe, aber aufgrund der Aggravationstendenz würden Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Angaben bestehen.

Auch dieser Schluss des Sachverständige Dr. S. ist nachvollziehbar. Der Senat schließt sich dem an. Denn objektive und verifizierbare Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin das Unfallereignis zur damaligen Zeit so empfunden oder Flashbacks hat, sind nicht festzustellen. Wie der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. S. zutreffend ausgeführt hat, ist die Klägerin ausweislich des polizeilichen Unfallprotokolls ruhig gewesen und ist weder im Arztbrief des … krankenhauses Papenburg vom Unfalltag am 22.10.2009 (Anlage K 1) noch in dem Bericht der Neurologischen Klinik der … Klinik GmbH vom 01.03.2010 von einer psychiatrischen bzw. psychosomatischen Symptomatik die Rede.

Schließlich ist noch hervorzuheben, dass hinsichtlich der Verneinung einer PTBS das Gutachten des Sachverständigen Dr. S. im Ergebnis gestützt wird durch die beiden Gutachten des weiteren Gerichtssachverständigen Prof. Dr. He. vom 07.03.2014 und 27.07.2014, in denen ebenfalls eine durch den Unfall verursachte PTBS nachvollziehbar und plausibel verneint wird. Es ist danach nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den eingeholten, im Ergebnis übereinstimmenden und überzeugenden Gerichtsgutachten gefolgt ist. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO relevante Zweifel an den darauf gestützten Feststellungen des Landgerichts bestehen nach alledem nicht.

(3) Soweit die Klägerin die Feststellungen des Landgerichts als lückenhaft rügt, weil das Landgericht keine unfallbedingte Schwerhörigkeit und einen dauerhaften Hörverlust angenommen hat, sind Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennbar. Entsprechendes gilt für eine Quetschung des rechten Fußes.

Nach dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigen-Gutachten hat die Klägerin durch den Unfall derartige physische Verletzungen bzw. Schäden nicht erlitten. Der Senat folgt den diesbezüglichen Ausführungen der Sachverständigen.

(a) Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. B. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 08.08.2013 sowie der mündlichen Erläuterung und Ergänzung in der landgerichtlichen Sitzung vom 17.11.2015 sowohl unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Arztberichte als auch der Angabe der Klägerin bei der gutachterlichen Befragung, sie habe rechts eine Hörverschlechterung nach dem Unfall bemerkt, erklärt, dass die bei der Klägerin vorliegende Schwerhörigkeit nicht auf das streitgegenständliche Unfallgeschehen zurückgeführt, sondern einer degenerativen Genese zugeordnet werden kann und ein unfallbedingter Hörschaden nicht vorliege.

Er hat nachvollziehbar und schlüssig erläutert, der behandelnde HNO-Arzt – hier der Arzt für HNO-Heilkunde/Allergologie G. – überprüfe im Gegensatz zu einem Gutachter nicht, ob der von dem Patienten mitgeteilte Sachverhalt objektiv zutreffe oder nicht. Vorliegend sei der Verlauf der Hörschwellenkonfiguration tonaudiometrisch bzw. nach dem Békésky-Audiogramm nicht typisch für eine durch ein Knalltrauma hervorgerufene Hörminderung. Die Angaben in der Tonschwellenaudiometrie und Békésky-Audiometrie differierten zueinander und insbesondere sei die Plausibilitätsprüfung zwischen Sprach- und Tonaudiogramm für die rechte Seite nicht gegeben gewesen, welches für eine Verdeutlichungstendenz spreche. Überdies handele es sich bei einem Knalltrauma um eine vorübergehende Erscheinung, d.h. um eine Vertäubung, die regelmäßig nach einem Tag ausgeheilt sei. Bei der Klägerin habe ton- und impedanzaudiometrisch das Vorliegen einer geringgradigen kombinierten Schwerhörigkeit im Sinn einer Kombination aus einer Schalleiter- und einer Schallempfindungsstörung festgestellt werden können.

(b) Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. H. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 12.03.2013 sowie der mündlichen Erläuterung und Ergänzung in der landgerichtlichen Sitzung vom 17.11.2015 ausgeführt, es sei – auch unter Berücksichtigung des Berichts des … krankenhauses Papenburg vom 22.10.2009 (Anlage K 1), in dem „Prellungen am rechten Vorfuß“ diagnostiziert worden sind, des ärztlichen Berichts vom 08.04.2010 (Anlage K 3), in dem eine „Quetschung rechts Großzehe“ diagnostiziert worden ist, wie auch des Berichts vom 28.10.2009 (Anlage K 4), in dem eine „Prellung rechter Vorfuß“ diagnostiziert sowie eine „Schwellung und Druckschmerz in Großzehenballen, Grund- und Endglied“ beschrieben worden ist – nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall eine Quetschung der rechten Großzehe erlitten habe. Dazu hat er verständlich und einleuchtend erklärt, dass die Beschwerden relativ unspezifisch seien und z.B. bei einer aktivierten Vorfußproblematik oder auch einem aktivierten Verschleiß im Bereich des Großzehengrundgelenks oder einer Gichtproblematik auftreten könnten, so dass der Befund nicht abschließend als Unfallfolge bewertet werden könne. Insgesamt sei es aus orthopädischer Sicht unwahrscheinlich, dass eine definitive Verletzungsmöglichkeit des rechten Fußes bestanden habe, weil in vergleichbaren Unfallkonstellationen praktisch nie Vorderfußbeschwerden berichtet würden.

Insgesamt konnte sich das Landgericht nach all dem rechtsfehlerfrei in freier Beweiswürdigung den Gutachten der Sachverständigen anschließen ist. Das Ergebnis der Beweiswürdigung des Landgerichts ist mithin nicht zu beanstanden.

4. Zum Ausgleich der unfallursächlichen immateriellen Schäden war der Klägerin gemäß § 253 Abs. 2 BGB ein Schmerzensgeld von weiteren 1.500,- € zuzusprechen.

a) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist nach den vom Landgericht festgestellten und für den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen – wie dargestellt worden ist – davon auszugehen, dass die Klägerin durch den Unfall ein inzwischen lange ausgeheiltes HWS-Beschleunigungstrauma, Prellungen im Gurtverlauf, eine wenige Tage bestehende Distorsion der linken Schulter sowie eine dauerhaft bestehende leichte bis mittelgradige depressive Anpassungsstörung davon getragen hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H. die von der Klägerin beklagten Beschwerden im Zusammenhang mit der HWS-Distorsion spätestens ab Anfang November 2010 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr auf den Verkehrsunfall vom 22.10.2009 zurückgeführt werden können sowie die Distorsion der Schulter innerhalb von wenigen Tagen folgenlos ausgeheilt gewesen sein muss; nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H. hat aufgrund der genannten Verletzungen eine Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf den von der Klägerin ausgeübten Beruf als Lehrerin und Dozentin von maximal 6 Wochen bestanden und war die Klägerin in einem Zeitraum von ca. 6 Wochen gehindert, den Haushalt zu führen; ebenso kann die Klägerin nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. mit der leichten bis mittelgradigen Anpassungsstörung den Beruf als Lehrerin 6 Stunden oder mehr am Tag ausüben. Die Klägerin hat sich des Weiteren unfallbedingt nicht in stationärer Behandlung befunden.

b) Nach § 253 Abs. 2 BGB kann der Verletzte eine billige Entschädigung in Geld fordern.

Das Schmerzensgeld hat dabei eine Doppelfunktion: Es soll dem Verletzten einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden gewähren sowie ihm Genugtuung für das Verhalten des Schädigers verschaffen (vgl. BGH NJW 1995, 781; OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1112; Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 253 Rn. 10 f; Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 253 Rn. 4).

Die Bemessung der als angemessen erachteten Entschädigung in Geld steht gemäß § 287 ZPO im freien Ermessen des Gerichts, wobei es zur Erreichung einer „billigen“ Entschädigung alle dafür relevanten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen hat (vgl. Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 253 Rn. 36, 68).

Die Höhe eines zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt insofern von der Art, dem Gewicht und dem Maß der Lebensbeeinträchtigungen bei dem Verletzten ab, soweit diese bereits eingetreten oder als künftige Folge erkennbar und objektiv vorhersehbar ist, wobei die Schwere dieser Belastungen vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und physischen wie psychischen Beeinträchtigungen bestimmt ist, wobei diese wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlung, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und den Umfang eines eventuellen Dauerschadens bestimmt werden. Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Außerdem ist das Verschulden des Antragsgegners (vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln) bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu beachten (vgl. insgesamt OLG Hamm, Beschluss vom 28.03.2014 – 9 W 4/14 – juris unter Bezugnahme auf BGH VersR 1995, 471; OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1112; OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.02.2009, – 14 U 1786/08 -, juris; Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 253 Rn. 15 ff m.w.N.).

Hierbei verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise bei der Schmerzensgeldbemessung. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten „richtigen“ Schmerzensgeldhöhe zu führen (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1112 unter Bezugnahme auf BGH VersR 1976, 967 und BGH VersR 1986, 59).

Abgesehen davon, dass kein Fall mit dem anderen zur Gänze vergleichbar ist, kommt dem Heranziehen anderer gerichtlicher Entscheidungen demnach nur insoweit Bedeutung zu, als dass für vergleichbare Verletzungen ein annähernd gleiches Schmerzensgeld gewährt werden soll (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.09.2005 – 1 U 2640/05 -, juris; Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 253 Rn. 37 m.v.w.N.; Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015, § 253 Rn. 15 m.w.N.). Auch die in den Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfälle sind deshalb lediglich im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.09.2005 – 1 U 2640/05 -, juris m.w.N.; Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 253 Rn. 37). Eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile gibt es nicht, da diese nicht in Geld messbar sind (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.09.2005 – 1 U 2640/05 -, juris unter Bezugnahme auf BGH GrSZ 18, 149).

c) Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze erachtet der Senat in Anbetracht der Gesamtumstände unter Berücksichtigung der eingetretenen körperlichen und seelischen Verletzungen, ihrer Dauer und Auswirkungen auf das Leben der Klägerin sowie der vorbestehenden seelischen Dispositionen der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 3.000,- € als angemessen und erforderlich, aber auch ausreichend, um die bei ihr infolge des Unfalls eingetretenen immateriellen Beeinträchtigungen auszugleichen. Unter Zugrundelegung der vom Landgericht getroffenen und für den Senat nach § 529 ZPO bindenden Feststellungen ist „lediglich“ dieser Betrag von insgesamt 3.000,- € als ein angemessenes Schmerzensgeld anzusehen, ein höheres Schmerzensgeld rechtfertigen die festgestellten erlittenen Verletzungen der Klägerin nicht.

Hierbei sind folgende Erwägungen maßgeblich: Die Klägerin hat sich aufgrund der bei dem anzusetzenden Schmerzensgeld zu berücksichtigenden Verletzungen nicht in stationärer Behandlung befunden. Ihre körperlichen Verletzungen sind folgenlos ausgeheilt. Die von ihr beklagten Beschwerden im Zusammenhang mit der HWS-Distorsion sind spätestens ab Anfang November 2010, also 1 Jahr nach dem Verkehrsunfall, nicht mehr unfallbedingt. Sie ist zwar wegen Dienstunfähigkeit 10 Monate nach dem Unfall in den Ruhestand versetzt worden, ist aber „lediglich“ maximal 6 Wochen unfallbedingt nicht berufs- bzw. erwerbsfähig sowie nicht in der Lage gewesen, den Haushalt zu führen. Die bei der Klägerin fortbestehende depressive Anpassungsstörung hat nicht zu einer Erwerbs- bzw. Arbeitsunfähigkeit geführt und basiert nicht nur auf dem Unfallereignis, sondern auch auf ihrer seelischen Disposition. Letzteres ist als das Schmerzensgeld mindernder Faktor bei der Schmerzensgeldzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 1997, 455).

Das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 03.06.2015 -17 U 216/14 -) hat in einem dem vorliegenden Fall im Wesentlichen vergleichbaren Fall ein Schmerzensgeld von 4.000,- € zugesprochen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in dem entschiedenen Fall eine durch den Verkehrsunfall mitverursachte depressive Anpassungsstörung berücksichtigt sowie, dass die erlittenen körperlichen – nämlich Schädelprellung, HWS-Distorsion sowie eine Handverletzung – und seelischen Verletzungen nur während der ersten 3 Monate zu 100 %, vom 4. bis 6. Monat nach dem Unfallereignis psychische Beeinträchtigungen nur noch zu 50 % und ab dem 6. bis 12. Monat nur noch zu 30 % auf dem Unfallereignis basierten, während seit dem 13. Monat die weiterhin bestehenden psychischen Beeinträchtigungen zu 80 % auf unfallunabhängigen Faktoren beruhen; dass die psychische Disposition der Klägerin in dem Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt vor dem Unfall ihr Leben nicht beeinträchtigt hat, wurde hierbei bei der Bemessung des Schmerzensgelds insofern als schadensmindernd angesetzt, als dass der Verkehrsunfall nur eine bereits vorhandene Schadensbereitschaft in der Konstitution der Klägerin ausgelöst hat und in abnehmendem Maße die fortbestehenden psychischen Beeinträchtigungen trägt.

In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall erscheinen die Verletzungsfolgen allerdings geringfügig schwerer als im vorliegenden Fall, so dass hier dem Senat das genannte geringere Schmerzensgeld von insgesamt 3.000,- € angemessen erscheint.

Soweit die Klägerin eine Reihe anderer gerichtlicher Schmerzensgeldentscheidungen aufzählt, denen jeweils Fallgestaltungen zugrunde liegen sollen, die mit ihrer vergleichbar seien, und in denen auf ein höheres Schmerzensgeld erkannt wurde, verhilft dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg. Die Urteile, auf die die Klägerin abstellt, sind vorliegend nur bedingt bei der Bestimmung des im Streitfall angemessenen Schmerzensgeldes heranzuziehen.

In den von der Klägerin zitierten Urteilen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 29.03.2011 – 10 U 106/10 -), des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 26.07.2001 – 7 U 188/99 -), des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 19.01.2012 – 13 U 91/10 -) und des Landesgerichts Hannover (Urteil vom 19.07.2006 – 11 O 16/05 -) erlitten die dortigen Geschädigten durchweg erheblichere körperliche Verletzungen als die Klägerin im vorliegenden Verfahren, befanden sich überwiegend in stationärer Krankenhausbehandlung bzw. es erfolgten unfallbedingt ambulante Behandlungen mit zahlreichen Arztbesuchen sowie Medikamenteneinnahme, zudem lag meist für längere Zeit eine Krankschreibung bzw. Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit vor und es kam mitunter zu massiven Auswirkungen des Verkehrsunfalls auf die Lebensführung. In den Entscheidungen sind mithin die Verletzungsbilder viel schwerwiegender als bei der Klägerin im vorliegenden Verfahren gewesen, der Heilbehandlungsverlauf und die Beeinträchtigung sind langwieriger gewesen und es sind erheblichere Folgen eingetreten, die allesamt höhere ausgeurteilte Schmerzensgeldbeträge rechtfertigten. Die von der Klägerin angeführten Vergleichsfälle geben insofern keinen Anlass zur Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in der von ihr für angemessen erachteten Höhe.

Unter Berücksichtigung des bereits vorprozessual geleisteten Schmerzensgeldes von 1.500,- € ist nach alledem noch ein weiterer, restlicher Schmerzensgeldanspruch der Klägerin in Höhe von 1.500,- € gerechtfertigt.

5. Da – wie ausgeführt worden ist – nur die vom Landgericht festgestellten Verletzungen und Verletzungsfolgen als unfallursächlich zugrundezulegen sind, muss es auch bei dem vom Landgericht ausgeurteilten entgangenen Gewinn in Höhe von 2.010,- € (für den Monat November 2009) und dem ausgeurteilten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 630,- € bleiben (für den Zeitraum vom 22.10.2009 bis 02.12.2009 unter Zugrundelegung einer 30-prozentigen Minderung in der Fähigkeit zur Haushaltsführung). Ergänzend wird hierzu auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

Es ergibt sich danach der nunmehr ausgeurteilte Betrag von 4.140,- €.

Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

6. Den auf einen Zukunftsschaden gerichteten Feststellungsantrag hat das Landgericht ebenfalls zu Recht abgewiesen, weil fortbestehende unfallbedingte Verletzungsfolgen, die in Zukunft weitere Schäden zur Folge haben könnten, nicht festzustellen sind.

7. Die Klägerin hat außerdem einen Anspruch auf Freistellung von ihren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, berechnet nach einem Geschäftswert in Höhe der berechtigten Forderung zuzüglich Pauschale sowie Mehrwertsteuer, in Höhe von 273,70 € gemäß §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB, 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG.

Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts für seine außergerichtliche Tätigkeit richtet sich hierbei gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG nach der zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geltenden Gebührenhöhe, also nach dem RVG in der Fassung vom 05.05.2004, gültig vom 01.07.2004 bis zum 31.07.2013.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

9. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).

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