VG Berlin – Az.: 5 K 129.15 – Urteil vom 08.10.2015
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine bevorstehende Zurruhesetzung wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze.
Der am 1… Januar 1955 geborene Kläger steht als Polizeioberkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er erwarb zunächst die Laufbahnbefähigung für den mittleren Polizeivollzugsdienst und war bis 2010 im Amt eines Polizeihauptmeisters (BesGr A 9 mit Amtszulage) tätig. Mit Wirkung vom 30. Juli 2010 wurde der Kläger in den gehobenen Dienst und in das Amt eines Polizeioberkommissars (BesGr A 10) übergeleitet. Gleichzeitig erwarb er die Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst bis zum Amt eines Polizeioberkommissars.
Im Januar 2016 wird der Kläger das 61. Lebensjahr vollenden. Unter dem 26. Februar 2015 beantragte er die Verlängerung seiner Lebensarbeitszeit über das 61. Lebensjahr hinaus. Mit Bescheid vom 24. März 2015 lehnte der Polizeipräsident in Berlin dies im Wesentlichen mit der Begründung ab, ein dienstliches Interesse an der Weiterbeschäftigung könne nicht festgestellt werden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den der Polizeipräsident mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2015 zurückwies. Zur Begründung heißt es darin, für ein Hinausschieben des Ruhestandseintritts sei ein dienstliches Interesse nur in besonderen Fällen anzunehmen. Ein personeller Engpass, der zu Qualitätseinbußen und einer Einschränkung des Dienstbetriebes führen würde, sei nach seiner Einschätzung nicht gegeben.
Mit der am 18. Mai 2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, der angegriffene Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Personalrat nicht beteiligt worden sei. Darüber hinaus stelle die gesetzliche Regelung der Altersgrenzen eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar. Denn eine Rechtfertigung für die Differenzierung nach der Art des Erwerbs der Laufbahnbefähigung – unmittelbar oder durch Laufbahnaufstieg – sei nicht erkennbar und auch nicht dargelegt. Ein dienstliches Interesse am Hinausschieben seines Ruhestandseintritts liege vor, weil es im Funkwageneinsatzdienst Personalengpässe gebe. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liege ein übergeordnetes dienstliches Interesse vor, nachdem der Senat die Einrichtung eines landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement beschlossen habe; mit einer Abordnung in den Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sei er einverstanden.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 28. April 2015 zu verpflichten, den Kläger bis zum Ablauf des Monats, in welchem dieser das 62. Lebensjahr vollendet, dem 31. Januar 2017, zu beschäftigen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend im Wesentlichen wie folgt aus: Es sei kein dienstliches Interesse an der weiteren Verwendung des Klägers über den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand hinaus erkennbar. Unabhängig davon, dass weder in Zukunft noch in der Gegenwart ein personeller Engpass bestehe, lägen auch in der Person des Klägers keine Gründe vor, den Eintritt in den Ruhestand hinauszuschieben. Insbesondere verfüge dieser nicht über spezielle Fachkenntnisse, die es erforderlich machten, ihn im Dienst zu behalten. Die Entscheidung, den Kläger nicht über die für ihn geltende Altersgrenze hinaus zu beschäftigen, verstoße nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Auch im Hinblick auf den Senatsbeschluss zur Einrichtung eines landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement fehle es an einem dienstlichen Interesse daran, den Eintritt des Klägers in den Ruhestand hinauszuschieben, weil dessen Stelle dann besetzt bleibe und der Kläger zu Dienstleistung im Bereich des Polizeipräsidenten nicht zur Verfügung stehe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (5 Bände) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung über das 61. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres im Januar 2017. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid vom 24. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2015 ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die fehlende Personalratsbeteiligung macht den Bescheid nicht formell rechtswidrig. Gemäß § 88 Nr. 9 Personalvertretungsgesetz Berlin (PersVG) bestimmt der Personalrat mit „bei Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze“. Das Gesetz sieht eine Mitbestimmung des Personalrates mithin nur bei positiven Entscheidungen über das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand vor. Wenn der Eintritt in den Ruhestand nicht hinausgeschoben wird und es bei der gesetzlichen Regelaltersgrenze bleibt, ist eine Mitbestimmung des Personalrates nicht vorgesehen und auch nicht aus anderen Gründen notwendig (vgl. Germelmann/Binkert/Germelmann, PersVG Berlin, 3. Auflage 2010, § 88 Rn. 56).
Auch materiell ist der Bescheid rechtmäßig. Der Kläger tritt nach den landesrechtlichen Vorschriften mit Vollendung des 61. Lebensjahres im Januar 2016 in den Ruhestand (1.). Diese Vorschriften verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht (2.). Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass sein Eintritt in den Ruhestand hinausgeschoben wird (3.).
1. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG) bildet für Beamte grundsätzlich das vollendete 65. Lebensjahr die Altersgrenze. Für Polizeivollzugskräfte hat der Gesetzgeber jedoch in § 104 Abs. 1 LBG eine abweichende Regelung getroffen: Für Polizeivollzugskräfte des mittleren Dienstes bildet danach das vollende 61. Lebensjahr, für Polizeivollzugskräfte des gehobenen Dienstes das vollendete 62. Lebensjahr die Altersgrenze (Satz 1). Ist die Laufbahnbefähigung im Aufstieg erworben worden ist, bildet für Polizeivollzugskräfte des gehobenen Dienstes das vollendete 61. Lebensjahr die Altersgrenze (Satz 2).
Danach bildet für den Kläger, obwohl er jetzt dem gehobenen Dienst angehört, nicht das vollendete 62. Lebensjahr die Altersgrenze, sondern das vollendete 61. Lebensjahr. Auch wenn der Kläger keinen regulären Laufbahnaufstieg im Sinne eines Aufstiegsverfahrens absolviert, sondern im Rahmen der Überleitung gemäß Art. II der Achten Verordnung zur Änderung der Schutzpolizei-Laufbahnverordnung vom 6. Juli 2010 (GVBl. Seite 410) die eingeschränkte Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst bis zum Amt eines Polizeioberkommissars erworben hat, findet § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG auch auf ihn Anwendung. Nach Sinn und Zweck der Regelung sollen in den Fällen eines Laufbahnwechsels in die nächsthöhere Laufbahn die Belastungsmomente der jeweiligen Herkunftslaufbahn berücksichtigt werden (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin Drucksache 15/3514, Seite 6). Nur für diejenigen Polizeivollzugsbeamten, die unmittelbar in der Laufbahn des gehobenen Dienstes eingestellt worden sind, gilt die Altersgrenze des vollendeten 62. Lebensjahres. Damit kommt es aber nicht darauf an, wie der Wechsel in die nächsthöhere Laufbahn erfolgt, sondern, welche Laufbahnbefähigung der Beamte zuerst erworben hat.
2. § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG).
a. Die Richtlinie bezweckt nach ihrem Art. 1 im Bereich von Beschäftigung und Beruf, wozu auch der öffentliche Dienst zählt (vgl. Art. 3 Abs. 1 RL 2000/78/EG), bestimmten Arten der Diskriminierung, darunter auch der wegen des Alters, im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten entgegenzuwirken. Regelungen, die den Eintritt in den Ruhestand mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters zum Gegenstand haben, lassen den Beschäftigten unmittelbar eine weniger günstige Behandlung zuteil werden als anderen Erwerbstätigen. Sie führen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union daher zu einer unmittelbar auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG (vgl. EuGH, Urteile vom 21. Juli 2011 – C-159/10 und C-160/10 – Fuchs und Köhler, juris 33 f., und vom 16. Oktober 2007 – C-411/05 – Palacios de la Villa, juris Rn. 51). Zwar berührt die Richtlinie 2000/78/EG nach ihrem 14. Erwägungsgrund nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Dieser Erwägungsgrund beschränkt sich jedoch auf die Klarstellung, dass die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tangiert, das Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen, und steht der Anwendung der Richtlinie auf nationale Maßnahmen nicht entgegen, mit denen die Bedingungen geregelt werden, unter denen ein Beschäftigungsverhältnis endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte Ruhestandsalter erreicht wird (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2007, a.a.O., Rn. 44).
Die Mitgliedstaaten können jedoch nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG eine Ungleichbehandlung wegen eines bestimmten Merkmals vorsehen, wenn es aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist hiernach zulässig, wenn die Berufsausübung besondere Fähigkeiten erfordert und diese altersabhängig sind (vgl. EuGH, Urteile vom 13. September 2011 – C-447/09 – Prigge, juris Rn. 67, und vom 12. Januar 2010 – C-229/08- Wolf, juris Rn. 35, 40; BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2012 – BVerwG 2 B 136.11, juris Rn. 9). Der nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG erforderliche rechtmäßige Zweck für die Ungleichbehandlung liegt insbesondere vor, wenn dadurch die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren eines Notfalldienstes gewährleistet werden soll (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010, a.a.O.; BVerwG, a.a.O.). Schließlich muss die Ungleichbehandlung angemessen, das heißt bei Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen verhältnismäßig sein.
An diesen Kriterien gemessen haben die in Rede stehenden Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung des betroffenen Personenkreises, dem auch der Kläger angehört, zum Inhalt.
b. Dies gilt zum einen für die Bestimmungen, die für alle Polizeivollzugsbeamten des mittleren und gehobenen Dienstes eine niedrigere als die allgemeine Altersgrenze vorsehen. Die damit verbundene ungleiche Behandlung von Polizeivollzugsbeamten ist nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Polizeivollzugsbeamte sind gegenüber in der allgemeinen Verwaltung tätigen Beamten erhöhten physischen Anforderungen ausgesetzt. Sie müssen, anders als Beamte, für die die reguläre Altersgrenze gilt, unter anderem in der Lage sein, Außen- und Schichtdienste zu absolvieren, unmittelbaren Zwang – insbesondere in ausgesprochen stressbeladenen Konflikt- und Gefährdungssituationen – auch unter Anwendung körperlicher Gewalt auszuüben und Waffen, einschließlich Schusswaffen, verantwortungsvoll einzusetzen. Diese Fähigkeiten müssen im Dienst jederzeit einsetzbar sein. Mit zunehmendem Alter nimmt die hierfür notwendige körperliche Leistungsfähigkeit regelmäßig ab. Dass aus diesen Gründen eine Zurruhesetzung von Polizeivollzugsbeamten, sobald sie ein Alter erreicht haben, in dem die erforderlichen körperlichen Fähigkeiten nicht mehr im notwendigen Maß vorhanden sind, die Einsatzbereitschaft des Polizeivollzugsdienstes sicherstellen soll, damit einem legitimen Zweck dient und eine angemessene Maßnahme darstellt, liegt auf der Hand. Diese Würdigung liegt im Übrigen auch dem Erwägungsgrund Nr. 18 der Richtlinie zugrunde. Danach darf unter anderem der Polizei, um ihre Einsatzbereitschaft zu wahren, nicht zur Auflage gemacht werden, Personen weiter zu beschäftigen, die nicht mehr den Anforderungen entsprechen, um sämtliche ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 4.15 -, juris Rn. 21).
Da die Richtlinie keine konkreten Vorgaben zu nach Art. 4 Abs. 1 zulässigen Altersgrenzen enthält, verbleibt insoweit ein Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten. Es liegt innerhalb des dem Berliner Gesetzgeber zustehenden Spielraums, anzunehmen, dass ab einem bestimmten Lebensalter typischerweise die für den Polizeivollzugsdienst notwendigen besonderen physischen Fähigkeiten nicht mehr im ausreichenden Maß vorhanden sind. Insbesondere bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Gesetz grundsätzlich feste Altersgrenzen vorsieht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 22 m.w.N. aus Rechtsprechung des EuGH).
c. Aber auch die Regelung in § 104 Abs. 1 LBG, die nach Laufbahnzugehörigkeit unterschiedliche (feste) Altersgrenzen festsetzt und innerhalb der Laufbahnen nach der Art ihres Erwerbs differenziert, ist unionsrechtlich zulässig. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung verschiedener Beamtengruppen ist aufgrund der mit der jeweiligen Laufbahn typischerweise verbundenen unterschiedlichen beruflichen Anforderungen nach Art. 4 RL gerechtfertigt. Sie bewegt sich innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Spielraums.
Sowohl die Differenzierung nach Laufbahnzugehörigkeit als auch die nach der Art des Erwerbs der Laufbahnbefähigung dient einem rechtmäßigen Zweck, nämlich der Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Polizeivollzugsdienstes. Polizeibeamte in der Großstadt Berlin sind – über die allgemeine Belastung des Polizeivollzugsdienstes hinaus – nach der Einschätzung des Gesetzgebers mit vielfach belastenden Einsätzen besonders gefordert. Von daher ist es gerechtfertigt, belastungsadäquat und unter Einbeziehung des Umstandes allgemein erhöhter Leistungsfähigkeit die besondere Altersgrenze für die Angehörigen der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes, die typischerweise diesen Belastungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausgesetzt sind, auf das vollendete 61. Lebensjahr festzusetzen (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 15/3514, Seite 5 f.).
Dass Polizeivollzugsbeamte des gehobenen Dienstes nach dem gesetzlichen Regelfall erst mit dem vollendeten 62. Lebensjahr zur Ruhe gesetzt werden und dass bei einem Laufbahnaufstieg die jeweilige Herkunftslaufbahn für die Altersgrenze maßgebend ist, macht die Regelung nicht europarechtswidrig. Zwar mag es jedenfalls teilweise zutreffend sein, dass auch Polizeivollzugsbeamte des gehobenen Dienstes den beschriebenen Belastungen ausgesetzt sind, da mit Einführung der zweigeteilten Laufbahn im gehobenen Dienst auch Funktionen des Straßenaufsichtsdienstes und nicht ausschließlich mittlere Führungsaufgaben wahrgenommen werden. Jedoch bleibt der Umstand zu berücksichtigen, dass die Berufsaufnahme im gehobenen Polizeivollzugsdienst mit einem dreijährigen Studium verbunden ist. Aufgrund des damit typischerweise verbundenen früheren Diensteintritts geht für Polizeivollzugsbeamte des mittleren Dienstes auch typischerweise ein längeres Dienstalter einher, so dass die auf das Dienstalter bezogene berufliche Belastung für einen Beamten aus dem mittleren Dienst jedenfalls in der Regel größer ist. Dies lässt es als gerechtfertigt erscheinen, für die Angehörigen des gehobenen Polizeivollzugsdienstes, die unmittelbar in den gehobenen Dienst eingestellt worden sind, die besondere Altersgrenze auf das vollendete 62. Lebensjahr anzuheben (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 15/3514, Seite 5 f.).
Dass mit der Differenzierung anhand der Herkunftslaufbahnen eine Typisierung verbunden ist und beispielsweise auch solche Fälle gleichbehandelt werden, in denen ein Polizeivollzugsbeamter verhältnismäßig früh und ein anderer verhältnismäßig spät die Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst erwirbt, ist unionsrechtlich unbedenklich. Eine solche Pauschalierung ist mit (starren) Fristenregelungen stets verbunden und auch zulässig.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sein Eintritt in den Ruhestand hinausgeschoben wird. Nach § 104 Abs. 2 LBG kann der Eintritt in den Ruhestand auf Antrag der Polizeivollzugskraft, wenn es im dienstlichen Interesse liegt, um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, um insgesamt drei Jahre hinausgeschoben werden.
Beim dienstlichen Interesse im Sinne des § 104 Abs. 2 LBG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Vorliegen grundsätzlich der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Das dienstliche Interesse richtet sich nach dem gesetzlichen Auftrag der Behörde und den dort vorhandenen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten und bezeichnet das Interesse des Dienstherrn an einer sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung. Auch wenn der Dienstherr über das Vorliegen des dienstlichen Interesses ohne Beurteilungsspielraum befindet, ist der Begriff der dienstlichen Gründe maßgebend durch seine verwaltungspolitischen und -organisatorischen Entscheidungen vorgeprägt, die ihrerseits wiederum nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar sind. Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, in Ausübung seiner Personal- und Organisationsgewalt zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf die einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch bestmöglichen Einsatz von Personal sowie der zur Verfügung stehenden Sachmittel sicherzustellen. Bei den personalwirtschaftlichen Entscheidungen kommt dem Dienstherrn eine entsprechende Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit zu mit der Folge, dass die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidungen auf die Prüfung beschränkt ist, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 6 B 715.14 -, juris Rn. 4).
Gemessen daran hat der Beklagte mit tragfähiger Begründung angenommen, es bestehe kein dienstliches Interesse daran, den Eintritt des Klägers in den Ruhestand hinauszuschieben.
a. Diese Einschätzung beruht ausweislich des angefochtenen Bescheides auf der Erwägung, der Kläger habe keine speziellen Fachkenntnisse, die seine Weiterbeschäftigung notwendig machten; sein Ausscheiden verursache keinen personellen Engpass.
Den vom Kläger pauschal behaupteten Personalmangel im Funkwageneinsatzdienst bestreitet der Beklagte. Zu weiteren Ermittlungen sieht die Kammer insoweit keinen Anlass. Denn zum einen obliegt es der nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzung des Beklagten, ob ein (hinnehmbarer) Personalmangel in einem bestimmten Aufgabenbereich besteht; zum anderen hat der Beklagte verschiedene Möglichkeiten, einen (möglichen) Personalmangel zu beheben. So kann er einen Aufgabenbereich durch Umsetzungen oder andere organisatorische Maßnahmen stärken, aber auch Neueinstellungen vornehmen. Ein dienstliches Interesse, gerade den Eintritt des Klägers in den Ruhestand hinauszuschieben, besteht in beiden Fällen nicht.
b. Der Beklagte hält an seiner Einschätzung, es fehle an einem dienstlichen Interesse an der Weiterbeschäftigung des Klägers, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen aufgrund des starken Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge in Berlin fest. Auch dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Am 11. August 2015 beschloss der Senat von Berlin unter anderem die Einrichtung eines landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement (LKF) unter Federführung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Dieser solle, so die Ausführungen des Senats, das Landesamt für Gesundheit und Soziales bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben unterstützen, insbesondere bei der Erstaufnahme von Anträgen im Asylverfahren und der Unterbringung von Flüchtlingen. Zudem erkenne der Senat ein übergeordnetes dienstliches Interesse an der schnellstmöglichen Abordnung von Dienstkräften in den Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales an. Der Senat beauftragte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie die Senatsverwaltung für Finanzen, unverzüglich zu klären, wie der Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement in die Lage versetzt werden kann, gezielt Personal aus anderen Behörden zu rekrutieren (Senatsbeschluss Nr. S-483/2015 – unter I.1., I.2.a., I.2.c.). In dem daraufhin auf Staatssekretärsebene erstellten Arbeitspapier der Senatsverwaltungen für Finanzen und für Inneres und Sport vom 20. August 2015 finden sich (unter II. auf Seite 2) zunächst Ausführungen zur Möglichkeit der Abordnung von (aktiven) Beamten und Tarifbeschäftigten und dem dabei einzuhaltenden Verfahren. Danach geht es (unter II. auf Seite 8) um die Reaktivierung ausgeschiedener Dienstkräfte. Einleitend heißt es zu Beamten (unter II.1.a.): „Vor der Reaktivierung von bereits pensionierten Dienstkräften sollte die Möglichkeit eines Herausschiebens der Altersgrenze in Erwägung gezogen werden“.
Das im Senatsbeschluss vom 11. August 2015 anerkannte übergeordnete dienstliche Interesse an der schnellstmöglichen Abordnung von Beamten in den Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist nicht gleichzusetzen mit dem im Rahmen von § 104 Abs. 2 LBG zu prüfenden dienstlichen Interesse am Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand. Dem zur Umsetzung des Senatsbeschlusses verfassten Arbeitspapier vom 20. August 2015 ist zu entnehmen, dass ein dienstliches Interesse am „Herausschieben der Altersgrenze“ nicht generell angenommen wird; vielmehr soll diese Maßnahme lediglich als gegenüber der Reaktivierung von Beamten vorrangiges Mittel zur Deckung des Personalbedarfes „in Erwägung gezogen“ werden.
Unabhängig davon, dass die rechtliche Bindungswirkung des Papiers vom 20. August 2015 unklar ist, bleibt den Dienstbehörden auch nach diesem Papier weiterhin ein Spielraum bei der Beurteilung des dienstlichen Interesses im Sinne von § 104 Abs. 2 LBG. Ein dienstliches Interesse liegt nicht schon deshalb vor, weil nach Auskunft des landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement dort ein Bedarf an Polizeioberkommissaren besteht. Denn dieser Bedarf ist – soweit nach Einschätzung des Polizeipräsidenten in Berlin vertretbar – durch Abordnungen befriedigt worden. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, zur Deckung des Personalbedarfs seien abordnungswillige Beamte in den Bereich der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales abgeordnet worden; Reaktivierungen von Beamten habe es nicht gegeben; auch sei der Eintritt in den Ruhestand bislang nicht hinausgeschoben worden. Aus Sicht des Polizeipräsidenten bestehe kein dienstliches Interesse daran, die Altersgrenze von Beamten hinauszuschieben, die vor dem Eintritt in den Ruhestand stünden, weil deren Stellen dann besetzt blieben und diese Dienstkräfte im Bereich des Polizeipräsidenten nicht zur Verfügung stünden. Es komme hinzu, dass die Beamten sich in die neue Tätigkeit einarbeiten müssten und dort nicht sofort zur Verfügung stünden; deshalb sei es nicht sinnvoll, Beamte abzuordnen, die vor dem Eintritt in den Ruhestand stünden, zumal der Eintritt in den Ruhestand auch immer nur um ein Jahr hinausgeschoben werden können.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht demgegenüber geltend, der Polizeipräsident habe nach seiner Kenntnis nur einen Teil der Beamten zum landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement abgeordnet, die sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hätte; die Ablehnungen habe er damit begründet, dass die betreffenden Personen nicht entbehrlich seien, weil sonst Personalengpässe entstünden. Ob diese Schilderung zutrifft, kann offen bleiben. Denn ihre Richtigkeit unterstellt, stützt sie die Erwägung des Beklagten, es fehle an einem dienstlichen Interesse, den Eintritt des Klägers in den Ruhestand hinauszuschieben:
Das durch den Senatsbeschluss dokumentierte öffentliche Interesse, für den landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement Personal zu rekrutieren, wird durch das öffentliche Interesse daran begrenzt, das nicht an anderen Stellen der Landesverwaltung ein Personalmangel entsteht. Sollte der Personalbedarf beim LKF durch (weitere) Abordnungen von aktiven Polizeivollzugsbeamten nur um den Preis eines Personalmangels beim Polizeipräsidenten gedeckt werden können, besteht auch kein dienstliches Interesse, den Eintritt des Klägers Ruhestand hinauszuschieben, um ihn danach zum LKF abzuordnen. Denn auch seine Stelle könnte danach nicht neu besetzt werden.
Unabhängig davon steht die Entscheidung, den Eintritt in den Ruhestand hinauszuschieben, gemäß § 104 Abs. 2 LBG auch dann im behördlichen Ermessen, wenn ein dienstliches Interesse vorliegt. Für eine Reduzierung des Ermessens dahingehend, dass nur die Entscheidung, den Eintritt des Klägers in den Ruhestand hinauszuschieben, rechtmäßig wäre, gibt es keine Anhaltspunkte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 154 Abs. 1 VwGO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.