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Vertragspartner Stromlieferungsvertrag in Mehrfamilienhaus

AG Wedding – Az.: 9 C 62/19 – Urteil vom 06.01.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 290,- € abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks …, das mit einem Mehrfamilienhaus mit 12 Wohnungen bebaut ist, die vom Beklagten an Dritte vermietet werden. Der Beklagte wohnte und wohnt dort nicht. Die Klägerin belieferte eine Wohnung in diesem Haus mit Strom. Diese Wohnung war seit dem 1. Juli 2012 an … vermietet. Die Klägerin legte dem Beklagten die Schlussrechnung vom 16. März 2015 (Bl. 14-17 d.A.) über den Verbrauchszeitraum vom 2. Februar bis zum 31. März 2014 in Höhe von 792,77 €. Der Beklagte sandte die Rechnung mit handschriftlichen Anmerkungen (wie Bl. 25 d.A.) an die Klägerin zurück, mit denen er den Namen und die neue Anschrift von … als der Mieterin nannte. Die Klägerin sandte an … das Schreiben vom 10. Juni 2015 (Bl. 36 d.A.) mit einer Mahnung hinsichtlich entstandener Kosten in Höhe von 932,56 € und verwies darin auf eine Kopie der o.g. Schlussrechnung vom 16. März 2015 und ein Mahnschreiben vom 13. April 2015. Auf den Rechnungsbetrag wurden Teilzahlungen geleistet.

Die Klägerin meint, es sei zwischen ihr und dem Beklagten ein Vertrag über die Versorgung mit elektrischem Strom über eine Verbrauchsstelle in dem genannten Haus zustande gekommen, indem ihre Realofferte vom Beklagten durch die Entnahme von Strom angenommen worden sei. Sie meint, durch das Unbundling sei ihr das Eigentum an Netzen und Verbrauchsstellen entzogen worden. Sie sei reine Lieferantin und Vertriebsgesellschaft, die nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur die Verbrauchswerte des Netzbetreibers aus den Netzrechnungen generiere. Der Beklagte habe als Eigentümer der Lieferstelle in der Wohnung die Verfügungsgewalt darüber. Dementsprechend sei durch die Entnahme von Strom aus dem Netz ein Grundversorgungsvertrag zustande gekommen, eine persönliche Entnahme von Strom durch den Beklagten sei nicht erforderlich, wenn er die Entnahme gestatte. Wenn der jeweilige Mieter sich nicht beim Versorger anmelde, komme der Vertrag mit dem Vermieter bzw. Eigentümer zustande.

Mit der Klage fordert sie die Bezahlung des Betrages gem. der genannten Rechnung.

Die Klägerin stellt den Antrag, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 731,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2015 zu zahlen.

Der Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er meint, er sei nicht Vertragspartner der Klägerin geworden. Der Strom sei vielmehr ohne seine Mitwirkung von einer der 12 Mietparteien in dem Haus entnommen worden, die dadurch selbst Vertragspartnerin geworden sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Anspruch ergibt sich keiner denkbaren Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Belieferung mit Strom. Denn der Abschluss eines solchen Vertrages ist von der Klägerin nicht dargetan.

Vertragspartner eines Stromlieferungsvertrags in einem Mehrfamilienhaus
(Symbolfoto: Von Oleksandr_Delyk/Shutterstock.com)

Im Regelfall kommt ein Versorgungsvertrag dadurch zu Stande, dass jemand aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität entnimmt und damit die Realofferte des Unternehmens durch sozialtypisches Verhalten annimmt (vgl. Palandt – Ellenberger, 75. Aufl., 2013, vor § 145, Rzi. 27). Im vorliegenden Rechtsstreit behauptet auch die Klägerin nicht, dass der Beklagte seinerseits Strom aus dem Netz entnahm. Vielmehr hatte er die Wohnung mit der streitgegenständlichen Verbrauchsstelle an eine Mieterin vermietet, die – offenbar ohne sich bei der Klägerin zu melden – Strom entnahm. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Beklagte als Vermieter als Vertragspartner anzusehen und deshalb zur Zahlung der Entgelte verpflichtet wäre. Die Realofferte richtete sich nicht an den Beklagten, sondern an den, der die Verfügungsgewalt über die Wohnung und damit den Anschluss hatte, somit an den Mieter (vgl. BGH zu den Az. VIII ZR 316/13 und VIII ZR 391/12 – zitiert nach juris.de). Denn Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist hiernach typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt hat.

Dies ist zwar grundsätzlich der Eigentümer. Es kommt dabei jedoch nicht auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt an (vgl. a.a.O. m.w.N.). Auf die Kenntnis der Klägerin, wer die Verfügungsgewalt hatte, kommt es nicht an. Auch hinsichtlich des Beklagten trägt die Klägerin nicht vor, dass er ihr als Verfügungsberechtigter bekannt gewesen wäre.

Jede andere Sichtweise würde dem in § 2 Abs. der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie (StromGVV) zum Ausdruck gekommenen, an den beiderseitigen Interessen orientierten Verkehrsverständnis zuwiderlaufen, zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands einen Vertrag mit demjenigen zu Stande zu bringen, der die angelieferte Energie entnimmt (vgl. BGH in NJW a. a. O.). Der Beklagte war dies nicht.

Dem angeblichen Vertragsschluss mit dem Beklagten steht der durch die Stromentnahme seitens der Mieterin und damit der Annahme der Realofferte der Klägerin zustande gekommene Vertrag entgegen. Ein auf die Annahme der Realofferte gerichtetes schlüssiges Verhalten des Beklagten liegt nicht vor. Umstände, die darauf hindeuten, liegen nicht schon darin, dass der Beklagte die Wohnung mit dem Zähler der Mieterin zur Verfügung gestellt hatte. Eine Verpflichtung des Beklagten, der Mieterin Strom zur Verfügung zu stellen, bestand durch die bloße Überlassung der Wohnung nicht, auch die Klägerin trägt dazu nichts vor. Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ist grundsätzlich derjenige, dem besitzrechtlich die Letztentscheidungsbefugnis darüber, wer über den betreffenden Zwischenzähler in welchem Umfang Strom entnimmt, ausschließlich zugeordnet ist (vgl. Landgericht Köln zum Az. 18 O 18/17 – zitiert nach juris.de, dort Rzi. 40). Dies ist vorliegend die Mieterin der Wohnung und nicht der Beklagte.

Ein Zahlungsanspruch der Beklagten für die geltend gemachte Hauptforderung besteht danach nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 sowie 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

 

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