Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 2 OLG 53 Ss 86/22 – Beschluss vom 18.10.2022
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 18. Mai 2022 aufgehoben.
Die Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Zusammenfassung
Gericht verurteilt Angeklagten wegen falscher eidesstattlicher Versicherung in Inkassofall.
Das Amtsgericht Strausberg hat eine Angeklagte verurteilt, in einem gegen sie geführten Zwangsvollstreckungsverfahren fahrlässig falsche Angaben an Eides statt gemacht zu haben, indem sie ein falsches Ergänzungsblatt II zu einer Immobilie abgegeben hat. Das Gericht stellte fest, dass die Angeklagte die Frage 11 des Vordrucks in Bezug auf ihren Miteigentumsanteil an dem Grundstück falsch beantwortet hatte. Das Gericht verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 1.600 € (1.905 $) bei 40 Tagessätzen zu 40 € (48 $) für die Tat. Nach Ansicht des Gerichts war die Angeklagte verpflichtet, korrekte und vollständige Angaben zu machen, um den Gläubigern den Zugriff auf ihr Vermögen zu ermöglichen und sie nicht zu falschen Schritten zu verleiten. Dazu gehört auch die Auskunft, ob eine Immobilie, die zum Vermögen eines Schuldners gehört, bereits durch staatliche Maßnahmen wie Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung gesichert worden ist. Der Beschuldigte hatte die Frage, ob die Immobilie zwangsversteigert worden sei, mit „ja“ beantwortet und zudem erklärt, dass die Zwangsversteigerung der Immobilie seit dem 6. Juli 2018 angeordnet worden sei. Tatsächlich hatte das Gericht das Zwangsversteigerungsverfahren aber bereits am 30. Oktober 2020 aufgehoben. Der Beschuldigte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Die Angeklagte wird freigesprochen, da sie sich unter keinem Gesichtspunkt strafbar gemacht hat. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Der Umfang der Wahrheitspflicht im Sinne der §§ 156, 163 StGB bei der eidesstattlichen Versicherung des § 802c ZPO richtet sich maßgeblich nach deren Zweck, nämlich dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben. Die Pflicht des Schuldners zur Auskunftserteilung bezieht sich nur auf alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände, und nicht auf sonstige Angaben, die nicht unmittelbar auf die Werthaltigkeit des Vermögens greifbar sind. Der Senat spricht die Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1 StPO frei.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Strausberg hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. In den getroffenen Feststellungen ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagte am 3. Februar 2021 bei Abgabe der sog. eidesstattlichen Versicherung in einer Zwangsvollstreckungssache gegen sie die Frage 11 des Ergänzungsblatts II zum Vermögensverzeichnis gegenüber der Gerichtsvollzieherin falsch beantwortet habe. Die Angeklagte habe die in dem Formular gestellten Frage bezüglich ihres hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück („Ist die Zwangsvollstreckung und /oder Zwangsverwaltung angeordnet“) mit „ja“ beantwortet und dazu ergänzend erklärt, seit dem 6. Juli 2018 sei die Zwangsversteigerung bezüglich dieses Grundstücks angeordnet. Tatsächlich habe das Amtsgericht Strausberg das Zwangsversteigerungsverfahren bereits zuvor mit Beschluss vom 30. Oktober 2020 aufgehoben und der Angeklagten sei diese Entscheidung am 22. Oktober 2020 per Zustellungsurkunde zugestellt worden, so dass sie die Unrichtigkeit ihrer Angaben im Protokoll über die Abnahme der Vermögensauskunft habe zumindest erkennen können und müssen. Die Angaben eines Schuldners im Rahmen einer Vermögensauskunft müssten so richtig und vollständig sein, dass sie dem Gläubiger einen etwaigen Zugriff ermöglichen und ihn nicht zu verfehlten Maßnahmen verleiten, denn für einen Gläubiger sei gerade auch von Bedeutung, ob ein im Vermögensbestand des Schuldners vorhandenes Grundstück bereits durch staatliche Maßnahmen wie die Anordnung der Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung als Vermögenswert gesichert sei, also nicht mehr frei am Markt verkäuflich und damit, ob er sofort Vollstreckungsmaßnahmen einleiten müsse und/oder Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf eine von ihm künftig beabsichtigte Zwangsvollstreckung.
Gegen die Verurteilung wendet sich die Angeklagte mit der Sprungrevision und führt mit der Sachrüge näher aus, dass sie sich mit Blick auf das Schutzgut der strafrechtlichen Regelungen der §§ 156, 161 StGB (staatliche Rechtspflege; kein Schutz von Individualinteressen) nicht strafbar gemacht habe; zumal sie sich bei der eidesstattlichen Versicherung nach § 802c ZPO nach dessen Wortlaut lediglich zu den ihr gehörenden Vermögensgegenständen habe erklären müssen, nicht aber zu den Umständen eines (bereits beendeten) Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Angeklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und sie freizusprechen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist mit ihrer Zuschrift vom 8. August 2022 der Revision der Angeklagten beigetreten und beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 18. Mai 2022 aufzuheben und die Angeklagte auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Kosten zu tragen habe, freizusprechen. Zur Begründung hat die Generalstaatsanwaltschaft folgendes ausgeführt:
„Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte mit der allein erhobenen Sachrüge, das ihr zur Last gelegte Verhalten erfülle keinen Straftatbestand. Bei Abgabe der Vermögensauskunft gegenüber der Gerichtsvollzieherin sei sie nicht verpflichtet gewesen, die aktuelle Vollstreckungssituation hinsichtlich ihres Grundstücks anzugeben, so dass die Fehlerhaftigkeit ihrer Angaben insoweit nicht der Strafbarkeit des § 156 StGB unterliege. Diese Norm schütze zudem nicht die Individualinteressen von Personen, die ihre privaten Rechte geltend machen wollten, sondern Rechtsgut sei nur die staatliche Rechtspflege.
Die gemäß § 335 StPO zulässige Sprungrevision hat in der Sache Erfolg. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
Die wahrheitsgemäße Abgabe einer Vermögensauskunft nach § 802c Abs. 3 ZPO, wonach der Schuldner zur Auskunftserteilung alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben hat, ist eine von § 156 StGB erfasste Versicherung.
Die Pflicht zur Vermögensauskunft setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlagen (BeckOK ZPO/Fleck, § 802c Rdnr. 1).
Dazu verhalten sich die amtsgerichtlichen Urteilsgründe nicht. Da aber der Gerichtsvollzieher diese von Amts wegen zu prüfen hat (Paulus in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 802c Rdnr. 9), konnte das Amtsgericht wohl davon ausgehen, dass sie entsprechend vorlagen. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen wie die im Urteil nicht erörterte Frage, ob die Angeklagte ihre falschen Angaben möglicherweise rechtzeitig berichtigt hat (§161 Abs. 2 StGB).
Denn es fehlt an der Verletzung einer strafbewehrten Auskunftspflicht der Angeklagten. Zu der Frage, ob die ihr gehörende Immobilie einer Zwangsverwaltung unterlag oder ob insoweit ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig war, musste sie keine Angaben machen, so dass es für die Strafbarkeit nach § 156 StGB nicht darauf ankommt, dass ihre diesbezügliche Angabe gegenüber der Obergerichtsvollzieherin falsch war.
Die gegenteilige, der amtsgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Ansicht, dass die verpflichtende Auskunftserteilung über die Nennung und eindeutige Bezeichnung der Gegenstände hinaus auch alle die Informationen umfassen soll, die für den Gläubiger im Rahmen einer Vollstreckung von Bedeutung sein können, ist abzulehnen.
Die Vermögensgegenstände sollen nach der Gegenmeinung im Vermögensverzeichnis so bezeichnet werden müssen, dass der Gläubiger allein anhand dieser Angaben prüfen könne, ob die Zwangsvollstreckung in einzelne Vermögensgegenstände zulässig ist (MüKo- ZPO/Forbriger, ZPO, § 802c Rdnr. 24; Ruß in: Laufhütte u. a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 156 Rdnr. 22, 23). Zum Teil wird gefordert, der Schuldner müsse bei Gegenständen, welche er sicherungsübereignet bzw. unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, jeweils den Rechtsgrund angeben, damit der Gläubiger die Pfändungsaussichten besser beurteilen könne (LG Krefeld RPfleger 1979, 146). Angaben über den Stand einer Erbauseinandersetzung dürften nicht unvollständig oder irreführend sein, wenn sie dem betreibenden Gläubiger die Zwangsvollstreckung erschwerten und seine Befriedigung erheblich verzögern könnten (BGHSt 10, 283). Hypotheken müssten mit ihrer Valuta benannt werden (Ruß in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 156, Rdnr. 23).
Diese weite Auslegung der Erklärungspflichten des Schuldners findet nach der hier vertretenen Auffassung im Gesetz hingegen keine Stütze. Rechtsgut der Vorschrift des § 156 StGB ist – wie zutreffend von der Verteidigung angemerkt – die staatliche Rechtspflege. Diese dient im Bereich der Vollstreckungsregelungen in der Zivilprozessordnung der Durchsetzung von gerichtlich zugesprochenen Individualinteressen, bei denen jedoch der Gläubiger nach wie vor das Vollstreckungsrisiko trägt.
Der Gesetzestext des § 802c Abs. 1 ZPO beschränkt sich auf die Pflicht des Schuldners, Auskunft über das Vermögen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu erteilen. Die Norm muss wegen der damit verbundenen strafbewehrten Wahrheitspflicht unter Beachtung des Bestimmtheitsgebots für Strafgesetze die Auskunftspflicht klar umreißen. Die Verpflichtung zur Erklärung an Eides statt nach § 802c ZPO dient allein der vollständigen Benennung der Gegenstände, nicht aber der Darlegung aller Umstände, die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Zwangsvollstreckung von Bedeutung sein können.
Erfasst werden von der Wahrheitspflicht nur die Angaben, zu denen der Schuldner im Rahmen der zivilrechtlichen Auskunftspflicht nach § 802c ZPO gesetzlich verpflichtet ist, dagegen nicht darüber hinausgehende Angaben in dem von dem Gerichtsvollzieher verwendeten Formular oder sonstige Angaben des Schuldners (BGH NJW 1960, 2200, 2201).
Dem Gläubiger soll Kenntnis von den Vermögensgegenständen des Schuldners gegeben werden, die möglicherweise dem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen. Diese Regelungen tragen dem öffentlichen Interesse daran Rechnung, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen (BVerfG NJW 1983, 559).
Die Offenbarungspflicht beschränkt sich dabei zwar nicht auf die bloße Angabe der Vermögensgegenstände, sondern umfasst auch die Umstände, die für die Ermöglichung eines Zugriffs des Gläubigers unerlässlich sind (vgl. BGH GA 1966 243; OLG Hamm GA 1975 181). Dafür muss der Schuldner aber nicht alles, woran der Gläubiger ein Interesse haben könnte, angeben (vgl. BGHSt 14, 345, 346 f.), sondern nur das, was der Gläubiger wissen muss, um anhand des Vermögensverzeichnisses sofort die möglichen Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen zu können (BGH NJW 2004, 2452). Es spielt hinsichtlich der Angaben keine Rolle, ob bzw. wie sich der Vermögensgegenstand verwerten lässt (Paulus in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 802c, Rdnr. 19).
Ob das Grundstück, deren (Mit-)Eigentümerin die Angeklagte war, der Zwangsverwaltung unterlag oder ob aktuell ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig war, ist keine Angabe, die im Rahmen der Vermögensauskunft von der Angeklagten verlangt werden konnte. Eine Darstellung in Übereinstimmung mit dem Grundbuch ist nach dem Gesetzestext ebenso wenig erforderlich wie die Nennung von Miteigentümern und Belastungen zugunsten Dritter (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, ZPO § 802c Rn. 27; FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.10.2020 – 10 K 10080/20 – beckonline).
Denn Sinn und Zweck der dem Schuldner auferlegten Pflicht zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Beeidung der Richtigkeit und Vollständigkeit der in der Aufstellung gemachten Angaben ist die Aufdeckung bisher nicht bekannter Vermögenswerte, mit der dem Gläubiger weitere Vollstreckungsmöglichkeiten eröffnet werden sollen. Die Angaben des Schuldners müssen daher so beschaffen sein, dass sich der Gläubiger anhand des Vermögensverzeichnisses einen vollständigen Überblick über das vorhandene bewegliche und unbewegliche Aktivvermögen sowie über bestehende Einkunftsquellen verschaffen kann (FG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Hingegen sind Belastungen des Grundstücks des Schuldners zugunsten Dritter nicht anzugeben, denn sie sind nicht Schuldnervermögen (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, ZPO § 802c Rn. 27; (FG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Aus rechtlichen Gründen scheidet eine Verurteilung der Angeklagten danach aus. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO).“
II.
Die zulässige Revision der Angeklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Angeklagte freizusprechen, denn sie hat sich unter keinem Gesichtspunkt strafbar gemacht.
Der Senat merkt mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung zum Umfang der Erklärungs- und Wahrheitspflicht im Falle des § 802c ZPO folgendes ergänzend an:
Die Wahrheitspflicht im Sinne der §§ 156, 163 StGB richtet sich bei der eidesstattlichen Versicherung des § 802c ZPO maßgeblich nach deren Zweck, namentlich dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben (vgl. Bayerisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. März 2003 – 5 St RR 18/03, NJW 2003, 2181 f., m. w. N.). Dem Gläubiger soll Kenntnis derjenigen Vermögensstücke verschafft werden, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (Bayerisches Oberlandesgericht, a. a. O.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Januar 2008 – 1 Ss 144/07, NStZ-RR 2008, 173). Die dem Schuldner obliegenden Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass der Gläubiger anhand des Vermögensverzeichnisses sofort die seinem Zugriff erschwerenden Umstände erkennen und Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen kann (vgl. Bayerisches Oberlandesgericht, a. a. O.; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 156 Rn. 13). So können Angaben in einer eidesstattlichen Versicherung nach § 802c ZPO unrichtig sein, wenn sie geeignet waren, die Vollstreckung durch Gläubiger zu erschweren (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 36/15, BeckRS 2016, 9445, Rn. 44).
Allerdings hat der Schuldner nach dem klaren Wortlaut des § 802c Abs. 2 Satz 1 StGB zur Auskunftserteilung nur alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben. Auf sonstige Angaben, mögen sie auch für den Gläubiger von Interesse sein und nach dem amtlichen Vordruck des Vermögensverzeichnisses verlangt werden, bezieht sich die Erklärungspflicht nicht; insbesondere dann nicht, wenn dadurch die Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers nicht gefährdet werden können (vgl. Bayrisches Oberlandesgericht, a. a. O.; Fischer, a. a. O., Rn. 13). Vor diesem Hintergrund verlangt insbesondere das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) eine einschränkende Auslegung des Umfangs der Wahrheitspflicht bei der Abnahme eidesstattlicher Versicherungen nach § 802c ZPO auf Gegenstände und Gegebenheiten mit zu diesem Zeitpunkt konkret greifbarem Vermögenswert (vgl. Bayrisches Oberlandesgericht,, a. a. O.; Beschluss vom 10. Mai 1999 – 5 St RR 89-99, NStZ 1999, 563 f.; Fischer, a. a. O.; umfassend Wolters/Ruß in Leipziger Kommentar, StGB, 13. Aufl., § 156 Rn. 19 f.), so dass bei Grundstücken grundsätzlich Belastungen (Hypotheken, Grundschulden) anzugeben sind, weil sie für die Werthaltigkeit der Immobilie und damit die Vollstreckungsaussichten von maßgeblicher Bedeutung sind (vgl. Fischer, a. a. O., Rn. 13a; Müller in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 156 Rn. 27; Nober in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 79. Aufl., § 802c Rn. 19; Rathmann in Saenger, ZPO, 9. Aufl., § 802c Rn. 13; a. A. Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl., § 802c Rn. 27). Zwar kann – wovon das Amtsgericht zutreffend ausgeht – der Umstand, dass ein Grundstück der Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung unterliegt, die Entscheidung des Gläubigers über die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beeinflussen. Der in Rede stehende Umstand wirkt sich aber – anders als Hypotheken oder Grundschulden – nicht unmittelbar auf die Werthaltigkeit des Grundstücks aus und hat auch für sich betrachtet keinen gegenwärtig konkret greifbaren Vermögenswert, so dass unter den gegebenen Umständen hierzu keine Angaben zu machen waren. Denn die durch Gerichtsbeschluss angeordnete Zwangsversteigerung gilt gemäß § 20 Abs. 1 ZVG lediglich zu Gunsten des betreibenden Gläubigers als Beschlagnahme des Grundstücks mit der Wirkung eines relativen Veräußerungsverbots zu seinen Gunsten; § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG, §§ 135 f. BGB. Sie verschafft dem Gläubiger kein Pfandrecht, sondern ein Recht auf Befriedigung aus dem Erlös mit dem Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG. Im Übrigen sind die Interessen der anderen Gläubiger nicht gefährdet, denn es ist ihnen möglich, dem Versteigerungsverfahren beizutreten, § 27 Abs. 1 ZVG. Der Gläubiger, dessen Beitritt zugelassen ist, hat dieselben Rechte, wie wenn auf seinen Antrag die Versteigerung angeordnet wäre, § 27 Abs. 2 ZVG. Ferner waren die falschen Angaben der Angeklagten über den Stand des Zwangsversteigerungsverfahrens auch nicht geeignet, die Vollstreckung durch Gläubiger zu erschweren, denn die Zwangsversteigerung hatte ihren Rechtsgrund in einer Grundschuld und diese hatte die Angeklagte in dem verfahrensgegenständlichen Vermögensverzeichnis angegeben.
Demnach hat das Amtsgericht auch vor dem Hintergrund der vorstehenden rechtlichen Erwägungen des Senats die Reichweite der Wahrheitspflicht im Sinne der §§ 156, 161 StGB verkannt, so dass die tatsächlichen Feststellungen die Verurteilung der Angeklagten nicht tragen und das angefochtene Urteil daher aufzuheben ist. Da mit Blick auf die angeklagte Tat (§ 264 StPO) auszuschließen ist, dass ein neues Tatgericht Feststellungen treffen könnte, die einen Schuldspruch gegen die Angeklagte tragen würden, entscheidet der Senat selbst und spricht die Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1 StPO frei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.