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Wildunfall und spätere Kollision eines weiteren Fahrzeug – Haftungsverteilung

LG Lübeck, Az.: 6 O 22/13

Urteil vom 22.11.2013

Die Beklagten zu 1. und 2. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.218,05 € nebst Jahreszinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.01.2013 zu zahlen.

Die Beklagten zu 1. und 2. werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von dem Zahlungsanspruch des Sachverständigenbüros … GmbH aus dem zwischen ihr und dem Kläger geschlossenen Gutachtervertrag vom 22.10.2012 in Höhe von 252,81 € zuzüglich Jahreszinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.03.2013 freizustellen.

Die Beklagten zu 1. und 2. werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 232,69 € nebst Jahreszinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.03.2013 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt dieser 83 % und tragen die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner 17 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 2. trägt der Kläger zu 74 %; im Übrigen tragen die Beklagten zu 1. und 2. diese selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3. trägt der Kläger.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, für die Beklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Wildunfall und spätere Kollision eines weiteren Fahrzeug - Haftungsverteilung
Symbolfoto: : Lillian Tveit/Bigstock

Der Kläger macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 21.10.2012 zwischen 03.15 Uhr und 03.30 Uhr auf der Bundesautobahn A 1 , Kilometer 92, Richtungsfahrbahn Puttgarden, ereignete.

Zu dem angegebenen Zeitpunkt führte der Beklagte zu 3. den von der Beklagten zu 2. gehaltenen Pkw Mercedes C 220, der bei der Beklagten zu 1. zu diesem Zeitpunkt haftpflichtversichert war, auf der Bundesautobahn A 1 Richtung Puttgarden. Es herrschte tageszeitenbedingt Dunkelheit. Am angegebenen Streckenkilometer ist die Richtungsfahrbahn zweispurig und weist keinen Standstreifen auf. Die Leitplanke ist nicht durchgängig, am Rand der Fahrbahn schließt sich ein mehrere Meter breiter Grünstreifen an. Das Beklagtenfahrzeug kollidierte mit einem kreuzenden Stück Damwild. Der Beklagte zu 3. schaltete daraufhin die Warnblinkanlage an und fuhr auf die rechte Fahrbahnspur. Im Rückspiegel konnte er das Tier nicht erblicken. Er sah aber einen Lkw auf der rechten Fahrspur und einen Pkw auf der linken Fahrspur. Streitig ist zwischen den Parteien geblieben, ob es sich dabei um den Pkw des Klägers handelte. Der Beklagte zu 3. verständigte über das Mobiltelefon die Polizei. Mit dieser sprach er ab, den nächsten für ihn erreichbaren Parkplatz anzufahren. Den ca. 100 m hinter der Unfallstelle befindlichen Parkplatz hatte er bereits passiert.

Kurz nach dem Beklagtenfahrzeug folgte der Pkw Audi A 6 des Klägers auf derselben Richtungsfahrbahn. Wie groß der zeitliche Abstand zwischen den Fahrzeugen betrug, ist nicht aufklärbar. Er betrug höchstens einige Minuten. Der Kläger war Beifahrer, das Fahrzeug wurde von Frau ….gelenkt. Es fuhr mit Abblendlicht mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 110 km/h. Das Fahrzeug des Klägers schloss auf der rechten Fahrspur auf einen Lkw auf, den die Fahrerin …..überholen wollte. Sie wechselte deswegen auf die linke Fahrspur. Kurz danach überrollte das klägerische Fahrzeug das dort liegen gebliebene Stück Damwild. Danach verständigte auch die Fahrerin … die Polizei. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.

Nach einem vom Kläger in Auftrag gegebenen Gutachten … GmbH Sachverständigen- und Ingenieurbüro betrug der Aufwand zur ordnungsgemäßen Beseitigung des an seinem Fahrzeug eingetretenen Sachschadens 6.973,50 € netto bzw. 8.298,47 € inklusive 19 % Umsatzsteuer. Für die notwendige Reparatur kalkulierte der Sachverständige eine Dauer von 5 Arbeitstagen. Das klägerische Fahrzeug wurde von ihm in die Fahrzeuggruppe J der Tabelle von Sanden/Danner eingeordnet, so dass für die Dauer der Reparatur eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von (5 x 79,00 € =) 395,00 € kalkuliert wurde. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die Anlage K1, Blatt 8 bis 19 d. A., Bezug genommen. Das Sachverständigenbüro stellte für das Gutachten dem Kläger eine Rechnung über 842,69 € (Anlage K2, Blatt 20 d. A.). Als weitere materielle Schadensposition begehrt der Kläger die allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €. Für ihre vorgerichtliche Tätigkeit stellten die Prozessbevollmächtigten des Klägers diesem Kosten in Höhe von 775,64 € in Rechnung (Anlage K3, Blatt 21 d. A.). Der Kläger ließ seinen Pkw reparieren, was das Sachverständigenbüro mit Schreiben vom 30.11.2012 bestätigte (Anlage K5, Blatt 23 bis 25 d. A.). Eine Rechnung hat der Kläger nicht vorgelegt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.01.2013 forderte der Kläger die Beklagte zu 1. auf, den mit 9.812,89 € bezifferten Gesamtschaden bis zum 21.01.2013 zu zahlen (vgl. Anlage K6, Blatt 26 bis 28 d. A.).

Der Kläger behauptet, die Fahrerin … sei mit an ihre Sichtweite angepasster Geschwindigkeit gefahren, so dass sie, die Erkennbarkeit des Stücks Damwild vorausgesetzt, noch hätte rechtzeitig anhalten können. Dieses sei aber nicht erkennbar gewesen. Abgesehen von dem Lkw auf der rechten Fahrspur seien vor ihnen keine anderen Verkehrsteilnehmer in Sichtweite gewesen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 8.718,47 € (Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer, Nutzungsausfallentschädigung und Kostenpauschale) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.01.2013 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von dem sich auf 842,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.01.2013 belaufenden Zahlungsanspruch des Sachverständigenbüros … GmbH aus dem zwischen dieser und dem Kläger geschlossenen Gutachterauftrag vom 22.10.2012 freizustellen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Fahrerin … ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot zur Last zu legen sei. Weiter meinen sie, dass dem Beklagten zu 3. eine Unfallsicherung aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der herrschenden Dunkelheit nicht habe zugemutet werden können. Außerdem behaupten sie, dass eine Unfallsicherung, die ihrerseits 5 bis 10 Minuten gedauert hätte, aufgrund des engen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs den Unfall des klägerischen Fahrzeugs nicht hätte verhindern können.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 31.10.2013 (Blatt 76 bis 78 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2. einen Anspruch auf Zahlung von 2.218,05 € aus § 7 Abs. 1 StVG. Danach gilt: Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Das klägerische Fahrzeug ist bei dem Betrieb des von der Beklagten zu 2. gehaltenen Kraftfahrzeugs beschädigt worden. Denn es zählt zur Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs, wenn ein anderes Kraftfahrzeug infolge einer geschaffenen und fortbestehenden Gefahrenlage, die gerade auch in einem auf der Fahrbahn liegen gelassenen Wildtier liegen kann, beschädigt wird (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. Rn. 10 zu § 7 StVG). Der unstreitige Wildunfall des Beklagtenfahrzeugs begründet keine haftungsausschließende höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG (vgl. derselbe a.a.O., Rn. 35 zu § 7 StVG).

Die nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden am Schadenseintritt beteiligten Kraftfahrzeuge führt dazu, dass die Beklagte zu 2. lediglich 30 % des dem Kläger entstandenen Schadens zu ersetzen hat. Nach der genannten Vorschrift gilt: Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Weder der Kläger noch die Beklagte zu 2. hat geltend gemacht, dass die Kollision mit dem Damwild ein die Haftung der Fahrzeughalter untereinander ausschließendes unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gewesen sei.

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Bei der anzustellenden Abwägung dürfen nur solche Umstände Berücksichtigung finden, deren Unfallursächlichkeit feststeht, d. h. unstreitig oder zur Überzeugung des Gerichts bewiesen sind. Dabei müssen sich die beteiligten Fahrzeughalter etwaiges Fehlverhalten ihrer Fahrzeugführer zurechnen lassen, da durch dieses Verhalten die Betriebsgefahr ihrer Kraftfahrzeuge erhöht wird.

Auf Seiten der Beklagten zu 2. kommt neben der Betriebsgefahr des von ihr gehaltenen Kraftfahrzeugs entgegen der Auffassung des Klägers kein Verstoß des Beklagten zu 3. gegen straßenverkehrsrechtliche Pflichten zur Berücksichtigung. Der Beklagte zu 3. hat nämlich durch sein unstreitiges Verhalten nach dem Wildunfall nicht gegen straßenverkehrsrechtliche Pflichten verstoßen. Einschlägige Norm für die Pflichten, die er zu beachten hatte, ist § 32 Abs. 1 StVO. Danach ist es verboten, Gegenstände auf die Straße zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Wer für solche verkehrswidrigen Zustände verantwortlich ist, hat diese unverzüglich zu beseitigen und diese bis dahin ausreichend kenntlich zu machen. Zwar trifft diese Pflicht auch denjenigen Kraftfahrzeugführer, dessen Fahrzeug mit einem Wildtier kollidiert, wenn dieses Wildtier danach auf der Fahrbahn liegen bleibt und dadurch den Verkehr gefährdet (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., Rn. 12 zu § 42 StVO). Das ist hier nach dem unstreitigen Sachverhalt zunächst eingetreten, weil das vom Beklagten zu 3. angefahrene Stück Damwild auf der linken Fahrspur der Bundesautobahn liegen blieb und dort für den nachfolgenden Verkehr eine Gefahr darstellte, wie sie sich in dem Zweitunfall des klägerischen Fahrzeugs verwirklicht hat. Allerdings steht sowohl die Beseitigungs- als auch die Kenntlichmachungspflicht unter dem Vorbehalt des Möglichen und Zumutbaren (derselbe a.a.O., Rnrn., 22, 23 zu § 32 StVO). Im vorliegenden Fall war es dem Beklagten zu 3. indes nicht zuzumuten, auf der Fahrbahn der Bundesautobahn bei Dunkelheit nach dem Wildstück zu suchen und es gegebenenfalls von der Fahrbahn zu ziehen. Zunächst war es dem Beklagten zu 3. aufgrund des fehlenden Standstreifens schon nicht möglich, sein Kraftfahrzeug gefahrlos abzustellen. Er war nicht verpflichtet, den unbefestigten Grünstreifen zu befahren, von dem er bei der Dunkelheit überhaupt nicht beurteilen konnte, ob dieser zum Befahren und Abstellen des Fahrzeugs geeignet war. Außerdem wäre die Beseitigung des Wildstücks nur nach einer sicherlich mehrere Minuten dauernden Suche möglich gewesen. Dazu hätte sich der Beklagte zu 3. bei nächtlicher Dunkelheit auf die Fahrbahn der Bundesautobahn begeben müssen. Dies hätte ihn einer lebensgefährlichen Situation ausgesetzt. Es liegt auf der Hand, dass ihm das nicht zur Pflicht gemacht werden konnte.

Auf Seiten des Klägers ist indes neben der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs ein Verstoß der Fahrzeugführerin J. Sch. gegen das Sichtfahrgebot bei der Abwägung zu berücksichtigen. Dieser Verstoß ergibt sich schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers. Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Ein Kraftfahrer hat auch bei Dunkelheit seine Geschwindigkeit auf unbeleuchtete Hindernisse einzurichten. Mit plötzlichen Hindernissen muss er auch auf Autobahnen des Tags und des Nachts rechnen (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., Rn 27 zu § 3 StVO) und darf bei Dunkelheit nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten kann (vgl. BGH NJW 1984, 2412, Rn. 10 bei juris; BGH NJW-RR 1987, 1235, Rn. 13 bei juris). Fährt ein Kraftfahrer gleichwohl auf ein Hindernis auf, besteht gegen ihn der sogenannte Beweis des ersten Anscheins dahingehend, dass entweder der Anhalteweg aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit länger als die Sichtweite oder seine Reaktion auf die rechtzeitig erkennbare Gefahr unzureichend war (vgl. BGH VersR 1965, 88; Landgericht Saarbrücken, NJW-RR 2010, 1115, Rnrn. 12 und 13 bei juris). Dieser Anscheinsbeweis wird nur dann entkräftet, wenn die Erkennbarkeit des Hindernisses in atypischer Weise besonders erschwert war. Der Kraftfahrer muss seine Geschwindigkeit nicht auf solche Hindernisse einrichten, deren Erkennbarkeit aufgrund eines fehlenden Kontrastes oder eine besonderen Lichtabsorption eingeschränkt ist (vgl. BGH NJW 1984, 2412, Rn. 12 bei juris; BGH NJW-RR 1987, 1235, Rn. 13 bei juris). Eine solche atypisch erschwerte Erkennbarkeit ist etwa bei einem schwarzen Reserverad (BGH NJW 1984, 2412) sowie einem nicht beleuchteten Splitthaufen (BGH VersR, 1960, 636) bejaht worden. Von einer solchen atypisch erschwerten Erkennbarkeit des toten Stücks Damwild kann im streitigen Fall indes nicht ausgegangen werden. So rechnet der BGH sogar ausdrücklich angefahrenes Wild zu typischen Hindernissen, mit denen ein Fahrer auf der Autobahn rechnen muss (vgl. BGH NJW 1984, 2412, Rn. 11 bei juris). Ein Damwild ist durch die Farbe seines Fells deutlich heller als der Fahrbahnbelag und vom Körperumfang her größer als ein Reserverad. Das Gericht sieht darin deswegen kein außergewöhnlich spät erkennbares Hindernis. Erschwerte Sichtbedingungen außer der Dunkelheit sind nicht vorgetragen (wie Regen oder Nebel). Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Einschränkung des Sichtfahrgebots berufen, weil sich der Unfall auf einer Bundesautobahn ereignet hat. Die für Bundesautobahnen geltenden Regelung des § 18 Abs. 6 StVO schränkt das Sichtfahrgebot nicht ein, sondern modifiziert es nur mit Rücksicht auf besondere Umstände, die sich auf Bundesautobahnen ergeben können. Danach gilt: Wer auf der Autobahn mit Abblendlicht fährt, braucht seine Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichts anzupassen, wenn 1. die Schlussleuchten des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs klar erkennbar sind und ein ausreichender Abstand von ihm eingehalten wird oder 2. der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen mit Rückstrahlern und, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse rechtzeitig erkennbar sind. Grundsätzlich gilt auch auf Autobahnen, dass der Kraftfahrer dort bei Dunkelheit nur so schnell fahren darf, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis auf seiner Fahrspur halten kann (vgl. BGH NJW 1984, 2412, Rnrn. 10 und 11 bei juris). Umstände, die es der Fahrerin Sch. möglich gemacht hätten, über die Leuchtweite des Abblendlichts hinaus die Fahrbahn übersehen zu können, hat der Kläger nicht vorgetragen. Im Gegenteil, er hat selbst in der mündlichen Verhandlung bei seiner Anhörung angegeben, dass ihnen bei dem Wechsel auf die linke Fahrspur kein weiteres Fahrzeug vorausgefahren sei.

Die Abwägung zwischen den genannten Verursachungsbeiträgen führt hier dazu, dass die Beklagte zu 2. lediglich für die Betriebsgefahr des von ihr gehaltenen Kraftfahrzeugs einzustehen hat, die das Gericht mit 30 % bewertet. Ein völliges Zurücktreten der Betriebsgefahr ist nicht angezeigt, da der Verstoß der Fahrerin ….gegen das Sichtfahrgebot nicht als Kardinalfehler anzusehen ist, der eine Mithaftung des anderen unfallbeteiligten Kraftfahrzeughalters als unbillig erscheinen ließe.

Der Höhe nach besteht der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2. lediglich zu einem Betrag von 2.218,05 €. Unstreitig ist der Reparaturnettoaufwand in Höhe von 6.973,50 €. Die diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigen hat die Beklagte zu 2. nicht angegriffen. Der Kläger hat nicht Anspruch darauf, dass der Reparaturaufwand inklusive der Mehrwertsteuer eingestellt wird, da er einen Nachweis dafür, dass die Mehrwertsteuer tatsächlich angefallen ist, nicht erbracht hat (vgl. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGG). Für einen solchen Nachweis ist die eingereichte Reparaturbestätigung des Sachverständigen nicht ausreichend. Dieser hat lediglich bestätigt, dass das Kraftfahrzeug dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß repariert worden ist. Da es sich dabei aber um eine Selbst- oder sogenannte Schwarzreparatur handeln kann, ist das Entstehen und die Höhe einer etwaigen Mehrwertsteuerpflicht offengeblieben. Darauf haben die Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 02.04.2013 unter Ziffer 6. hingewiesen.

Zu dem Netto-Reparaturaufwand hinzuzählen ist die Nutzungsausfallentschädigung für 5 Arbeitstage á 79,00 €, das sind 395,00 €. Für deren Berechtigung reicht die Reparaturbestätigung des Sachverständigen aus. Eine Herabstufung in die nächst niedrigere Fahrzeuggruppe mit Rücksicht auf das Alter des klägerischen Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt (6 Jahre und 10 Monate) hat das Gericht nicht vorgenommen, da es sich um ein Fahrzeug der Oberklasse handelt, das sich durch eine besondere Durabilität auszeichnet, so dass bei diesem Fahrzeugalter mit einer eingeschränkten Nutzbarkeit noch nicht zu rechnen ist. Des Weiteren ist die Kostenpauschale mit 25,00 € einzustellen. Das ergibt einen materiellen Sachschaden von zusammen 7.393,50 €. Davon betragen 30 % 2.218,05 €.

II.

Nach derselben Quote kann der Kläger von der Beklagten zu 2. verlangen, von den Kosten für das Sachverständigengutachten in Höhe von 842,69 € freigehalten zu werden. Das Gutachten gehört zu den ersatzfähigen adäquat kausal verursachten Folgekosten des Unfalls, da es ermöglicht hat, Umfang und Höhe des Schadens nachzuweisen. 30 % von 842,69 € sind 252,81 €.

III.

Ebenso kann er von der Beklagten zu 2. verlangen, von den vorgerichtlich entstandenen und in richtiger Höhe berechneten Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten nach einer Quote von 30 % freigehalten zu werden. 30 % von 775,64 € betragen 232,69 €.

IV.

Im selben Umfang wie die Beklagte zu 2. als Halterin haftet dem Kläger die Beklagte zu 1. als Haftpflichtversicherer des Beklagtenfahrzeugs zum Unfallzeitpunkt aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG. Die gesamtschuldnerische Haftung mit der Beklagten zu 2. ergibt sich aus § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG.

V.

Keinen Anspruch auf Zahlung seines Schadens oder auf Freihaltung von Verbindlichkeiten hat der Kläger gegen den Beklagten zu 3. Eine Haftung des Beklagten zu 3. aus § 18 Abs. 1 StVG bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB, 32 StVO würde die Verletzung einer Pflicht voraussetzen, da es sich um verschuldensabhängige Haftungstatbestände handelt. Dem Beklagten zu 3. kann aber nach den obigen Ausführungen im Hinblick auf sein Verhalten nach dem Wildunfall keine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden.

VI.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges nach den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB bzw. unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit nach den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klageschrift ist den Beklagten am 21.03.2013 zugestellt worden.

VII.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Ihr liegen folgende Erwägungen zugrunde: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers, die sich auf drei Prozessrechtsverhältnisse verteilen, muss der Kläger vorab 1/3 jeweils selbst tragen, da er gegenüber dem Beklagten zu 3. unterlegen ist. Im Übrigen, d. h. hinsichtlich zweier Drittel der beiden genannten Kostengruppen, verteilen sich die Kosten zwischen ihm und den Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner nach dem Maß des Unterliegens, und zwar zu 74 % zu Lasten des Klägers und zu 26 % zu Lasten der Beklagten zu 1. und 2.. Diese Quote ergibt sich mit Rücksicht darauf, dass bei der Schadensbemessung die Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten nicht einbezogen worden sind. Die Summe der ihm zugesprochenen Schadensteile im Verhältnis zum Gesamtstreitwert von 10.336,80 € ergibt die Kostenquote 74 % zu 26 %. Nach dieser Quote verteilen sich auch die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und 2.. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3. hat der Kläger allein zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.

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