OLG Bremen – Az.: 1 VA 4/21 – Beschluss vom 05.04.2022
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird auf EUR 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Gewährung von Einsichtnahme in die Akten eines Zivilprozesses an einen nicht an diesem Prozess beteiligten Dritten.
Die Beteiligte zu 1. führte vor dem Landgericht Bremen mehrere Verfahren gegen … (nachfolgend: Erblasserin). Die Erblasserin ist zwischenzeitlich verstorben und die Beteiligte zu 2. ist als Rechtsnachfolgerin in die noch laufenden Verfahren eingetreten. Im Verfahren zu dem Az. 6 O 538/19 hatte die Beteiligte zu 1. gegen die Erblasserin den dinglichen Arrest zur Sicherung einer eigenen Forderung begehrt; der Antrag wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 08.04.2019 zurückgewiesen und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen mit Beschluss vom 11.07.2019 zurückgewiesen worden.
Der Antragsteller macht geltend, dass ihm als Insolvenzverwalter über das Vermögen der … Ansprüche gegen die Erblasserin in Höhe von insgesamt rund 8,8 Millionen Euro zustünden. Diese Ansprüche sind nicht tituliert und werden von der Beteiligten zu 2. bestritten, ein noch gegen die Erblasserin gerichtetes Klagverfahren zur Durchsetzung dieser Ansprüche vor dem Landgericht Berlin ist ausgesetzt.
Mit Antrag vom 01.06.2021 hat der Antragsteller bei dem Landgericht Bremen Akteneinsicht in alle Verfahren begehrt, in denen die Beteiligte zu 1. oder andere Personen aus dem Kreis der … als Kläger oder Antragsteller gegen Vermögensübertragungen der Erblasserin auf die Beteiligte zu 2. vorgehen.
Mit Verfügung vom 10.08.2021 hat der Vorsitzende Richter der 6. Zivilkammer im Auftrag der Präsidentin des Landgerichts Bremen die begehrte Akteneinsicht abgelehnt. Da die Erblasserin durch die Beteiligte zu 2. beerbt worden sei, fehle es an einem Interesse des Antragstellers, Informationen über Vermögensübertragungen von der Erblasserin an die Beteiligte zu 2. zu erlangen.
Gegen diese Verfügung wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.08.2021, mit dem er die Aufhebung der Verfügung vom 10.08.2021 und die Bewilligung von Akteneinsicht begehrt. Zur Begründung führt der Antragsteller aus, dass er ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO habe. Er benötige die Akteneinsicht, um über die weitere Verfolgung der von ihm geltend gemachten Ansprüche gegen die Erblasserin bzw. deren Nachlass entscheiden zu können und um rechtzeitig innerhalb der Fristen des §§ 3 f. AnfG eine Anfechtung etwaiger Vermögensübertragungen seitens der Erblasserin erklären zu können. Das Interesse an der Akteneinsicht sei auch nicht dadurch entfallen, dass die Beteiligte zu 2., wie sie geltend mache, die Erblasserin beerbt habe: Sofern die Beteiligte zu 2. eine Beschränkung der Haftung für Ansprüche gegen die Erblasserin auf den Nachlass geltend mache, könne der Antragsteller auf solche Vermögensgegenstände, die der Beteiligten zu 2. zu Lebzeiten übertragen worden seien, nur zugreifen, wenn er eine Anfechtung nach §§ 2, 11 AnfG geltend machen könne. Dieses Interesse gelte auch, soweit Akteneinsicht in Verfahren begehrt würde, die die etwaige Vereinnahmung von Nachlassvermögen nach dem Ehemann der Erblasserin durch die Erblasserin beträfen. Der Antragsteller meint, dass es für ein Interesse an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO genüge, dass er eine Klageerhebung beabsichtige und dafür wissen müsse, ob das noch vorhandene vollstreckbare Vermögen eine Klageerhebung rechtfertige oder ob die Erblasserin versucht habe, durch Übertragung ihres Vermögens auf die Beteiligte zu 2. sich einer späteren Vollstreckung zu entziehen, so dass der Antragsteller die betreffenden Übertragungen binnen der laufenden Fristen des §§ 3 f. AnfG anfechten müsse. Es bedürfe insoweit auch keines bereits vorhandenen vollstreckbaren Titels des Antragstellers, wie auch dadurch bestätigt werde, dass die fristwahrende Anfechtung nach § 7 Abs. 2 AnfG nicht das Vorliegen eines Titels voraussetze. Ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse der Beteiligten zu 2. bestehe nicht und die Beteiligte zu 1. habe ihr Einverständnis mit der Akteneinsicht erklärt.
Die Beteiligte zu 2. hält dem mit Schriftsatz vom 23.11.2021 entgegen, dass der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO habe. Die bloße Erlangung von Kenntnissen über Vollstreckungsaussichten begründe kein solches berechtigtes Interesse, zumal auch die vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche gegen die Erblasserin bzw. deren Nachlass bestritten und nicht tituliert seien. Zudem bestünde auch ein schützenswertes Interesse an der Geheimhaltung, da das Verfahren Informationen zum Gesundheitszustand der Erblasserin sowie zu Steuerfragen betreffe. Mit weiterer Stellungnahme hat die Beteiligte zu 2. darauf verwiesen, dass der. 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen am 13.01.2022 in einem Rechtsstreit zwischen der Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 2. entschieden habe, dass Ansprüche nach dem AnfG auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur aufgrund eines vollstreckbaren Titels geltend gemacht werden könnten.
Die Präsidentin des Landgerichts Bremen hat mit Stellungnahme vom 25.11.2021 ausgeführt, dass sie nach nochmaliger Prüfung dem Akteneinsichtsgesuch stattgeben würde. Das rechtliche Interesse des Antragstellers nach § 299 Abs. 2 ZPO ergebe sich daraus, dass er für die Entscheidung über die weitere Verfolgung der geltend gemachten Ansprüche gegen die Erblasserin bzw. deren Nachlass Anhaltspunkte zu dem noch vorhandenen vollstreckbaren Vermögen benötige. Dieses Interesse sei auch nicht dadurch weggefallen, dass die Erblasserin durch die Beteiligte zu 2. beerbt wurde, da die Beteiligte zu 2. in diesem Fall eine auf den Nachlass beschränkte Haftung geltend machen könne, so dass der Antragsteller auf eine Anfechtung entsprechender Vermögensverschiebungen angewiesen wäre. Das Fehlen eines Titels des Antragstellers stehe dem nicht entgegen. Dieses Interesse überwiege auch ein Geheimhaltungsinteresse der Parteien des Ausgangsverfahrens, zumal der Antragsteller als Insolvenzverwalter die Interessen einer Vielzahl von zu befriedigenden Gläubigern zu wahren habe.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig (siehe unter 1.), aber nicht begründet (siehe unter 2.).
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft gemäß § 23 EGGVG. Die Entscheidung über die Gewährung von Einsicht in die Akten eines Zivilrechtsstreits ist eine Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Maßnahme auf dem Gebiet des Zivilprozesses, gegen die der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG statthaft ist (siehe BGH, Beschluss vom 29.04.2015 – XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827). Auch das Begründungserfordernis ist gewahrt (zu diesem Erfordernis siehe Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 12.01.2021 – 1 VA 7/19, MDR 2021, 509).
2. Der Antrag ist aber nicht begründet, da die Entscheidung zur Versagung der begehrten Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO mit Verfügung vom 10.08.2021 sowohl formell wie auch in der Sache zu Recht ergangen ist, da der Antragsteller als nicht am betroffenen Verfahren beteiligter Dritter kein im Rahmen des § 299 Abs. 2 ZPO relevantes rechtliches Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht hat. Es fehlt damit bereits an der notwendigen Voraussetzung für die Einräumung eines Ermessens zur Gewährung von Aktenansicht nach § 299 Abs. 2 ZPO.
a. Allgemein gilt, dass das rechtliche Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraussetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.1952 – IV ZB 82/51, BGHZ 4, 323; Beschluss vom 21.09.1993 – X ZB 31/92, NJW-RR 1994, 381; Beschluss vom 05.04.2006 – IV AR (VZ) 1/06, WM 2006, 1453). Ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt hierfür nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.1952 – IV ZB 82/51, BGHZ 4, 323). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der vom Gesetz in verschiedenen Zusammenhängen verwendete Begriff des rechtlichen Interesses unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der betreffenden Vorschrift zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.1952 – IV ZB 82/51, BGHZ 4, 323), d.h. vorliegend unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 299 Abs. 2 ZPO. Diese Bestimmung dient nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung der Obergerichte dem Interesse der Verfahrensbeteiligten an der Geheimhaltung der in den Akten befindlichen Angaben und dem Interesse der Rechtspflege an einem ungestörten Geschäftsablauf. Diesem Geheimhaltungsinteresse kann zwar nicht von vornherein der Vorrang vor jedem auf eine umfassende und sachgerechte Interessenabwägung gerichteten Informationsrecht eines Dritten zukommen, es sind an dieses Recht des Dritten jedoch hohe Anforderungen zu stellen (siehe OLG Hamm, Beschluss vom 28.08.1996 – 15 VA 5/96, NJW-RR 1997, 1489; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 19.05.2008 – 2 Va 3/08, ZIP 2008, 1834). Eine nur mittelbare Berührung zwischen dem Verfahrensgegenstand und dem eigenen Rechtskreis des Dritten reicht daher für die Annahme eines relevanten rechtlichen Interesses nicht aus (siehe Hanseatisches OLG Hamburg, a.a.O.) und es bedarf vielmehr eines konkreten rechtlichen Bezuges zwischen dem Verfahrensgegenstand und einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis des Dritten zu anderen Personen oder einer Sache (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24.10.2019 – 1 VA 92/19, NZI 2020, 44; KG Berlin, Beschluss vom 09.02.1988 – 1 VA 5/87, NJW 1988, 1738; OLG Braunschweig, Beschluss vom 26.11.2014 – 2 VA 3/14; OLG Dresden, Beschluss vom 03.11.2003 – 6 VA 8/03, ZInsO 2003, 1148; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2021 – I-3 VA 14/19, NZG 2021, 1410; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.06.2005 – 20 VA 2/04, ZInsO 2005, 1327; Beschluss vom 21.06.2016 – 20 VA 20/15, ZInsO 2016, 1698; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.01.2019 – 6 VA 89/18, Justiz 2019, 132; OLG Naumburg, Beschluss vom 27.05.2010 – 5 VA 11/10, NZI 2010, 766; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.01.2014 – 4 VA 2218/13, ZIP 2014, 700 (Ls.); OLG Schleswig, Beschluss vom 20.01.2009 – 12 Va 11/08, DGUV-Forum 2009, Nr 7/8, 45).
b. Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist im vorliegenden Fall ein hinreichendes rechtliches Interesse des Antragstellers an der Akteneinsicht nicht dargetan.
aa. Ein konkreter rechtlicher Bezug eines Interesses des Antragstellers zum Verfahrensgegenstand des betroffenen Rechtsstreits könnte sich insbesondere daraus ergeben, dass dieses Interesse denselben Lebenssachverhalt betrifft (siehe Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2021 – I-3 VA 14/19, NZG 2021, 1410; Beschluss vom 18.05.2021 – 3 Va 16/19, BeckRS 2021, 15984 Rn. 11; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 14.07.1987 – 2 VA 1/87, OLGZ 1988, 51; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.06.2016 – 20 VA 20/15, ZInsO 2016, 1698; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.01.2019 – 6 VA 89/18, Justiz 2019, 132; OLG Köln, Beschluss vom 23.07.2007 – 7 VA 1/07, OLGR 2008, 191; Beschluss vom 03.06.2019 – 7 VA 7/19; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.01.2014 – 4 VA 2218/13, ZIP 2014, 700 (Ls.); OLG Oldenburg, Beschluss vom 23.01.2015 – 4 AR 1/15, NJW 2015, 1255; OLG Schleswig, Beschluss vom 20.01.2009 – 12 Va 11/08). Dies ist vorliegend aber nicht vorgetragen: Der Antragsteller hat den Bezug zum Gegenstand des betroffenen Rechtsstreits lediglich dadurch beschrieben, dass er Einsicht in sämtliche Verfahren begehrt, in denen die Beteiligte zu 1. oder andere Personen aus dem Kreis der … als Kläger oder Antragsteller gegen Vermögensübertragungen der Erblasserin auf die Beteiligte zu 2. vorgehen. Das Vorbringen des Antragstellers enthält aber keinerlei konkrete Angaben dazu, dass im vorliegend betroffenen Rechtsstreit tatsächlich eine Vermögensübertragung der Erblasserin auf die Beteiligte zu 2. gegenständlich wäre, hinsichtlich derer für den Antragsteller möglicherweise die Voraussetzungen einer Anfechtung nach dem AnfG gegeben sein könnten. Damit ist nichts konkret dafür ersichtlich, dass der Verfahrensgegenstand des vorliegend betroffenen Rechtsstreits einen Lebenssachverhalt betreffen würde, der auch einem geltend gemachten Anfechtungsanspruch des Antragstellers zugrunde liegen könnte. Ein bloßes Ausforschungsinteresse, ob sich möglicherweise aus dem Gegenstand des betroffenen Rechtsstreits Umstände ersehen lassen könnten, die ihrem Gegenstand nach möglicherweise für den Antragsteller relevant sein könnten, begründet dagegen keinen konkreten rechtlichen Bezug und kein hinreichendes rechtliches Interesse an der Akteneinsicht.
bb. Soweit ein Interesse des Antragstellers daran geltend gemacht wird, zur Vorbereitung einer möglichen Rechtsverfolgung gegen die Beteiligte zu 2. Kenntnis über das vorhandene Haftungsvermögen, insbesondere den Nachlassumfang nach der Erblasserin zu erlangen, genügt dieses bloße Interesse an einer Kenntniserlangung über mögliche Vollstreckungsaussichten nicht für die Annahme eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO, zumal wenn – wie im vorliegenden Fall – die geltend gemachten Ansprüche des Antragstellers bestritten und nicht tituliert sind. Es entspricht einheitlicher Rechtsprechung der Obergerichte, dass das Vorliegen eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO zu verneinen ist, wenn ein Gläubiger, der (noch) nicht über einen Vollstreckungstitel verfügt, mit der begehrten Akteneinsicht lediglich das Ziel verfolgt zu klären, ob eine spätere mögliche Zwangsvollstreckung Aussicht auf Erfolg hat (so auch KG Berlin, Beschluss vom 12.04.1988 – 1 VA 1/88, NJW 1988, 534; Beschluss vom 19.03.2008 – 1 VA 12-25/07, NJW 2008, 583; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.04.2005 – 11 VA 5/04, JurBüro 2005, 434; siehe auch BayObLG, Beschluss vom 24.10.2019 – 1 VA 92/19, NZI 2020, 44; OLG Hamm, Beschluss vom 09.05.1988 – 15 VA 2/88, BeckRS 1988, 1511, NJW 1989, 533). Es fehlt in diesem Fall an einem konkreten rechtlichen Bezug eines Interesses des Antragstellers zum Verfahrensgegenstand des betroffenen Rechtsstreits, da letztlich lediglich die bloße Behauptung des Antragstellers im Raum steht, dass ihm möglicherweise ein Anspruch zustehe, zu dessen möglichen Vollstreckungsaussichten dem betroffenen Verfahren möglicherweise relevante Angaben zu entnehmen sein könnten. Dies lässt kein hinreichendes konkretes Interesse des Antragsstellers als eines Dritten im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO erkennen, welches gegenüber berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Parteien des betroffenen Rechtsstreits den Vorzug verdienen könnte. Es ist hier auch ein Vergleich zur Wertung des § 882f Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu ziehen, wonach die ebenfalls der Klärung von Vollstreckungsaussichten dienende Einsicht in das Schuldnerverzeichnis demjenigen zu gestatten ist, der darlegt, diese Angaben für Zwecke der Zwangsvollstreckung zu benötigen. Ein solches vollstreckungsbedingtes Einsichtsinteresse kann auch dann angenommen werden, wenn noch keine Vollstreckung unternommen wurde, sondern erst die Entscheidung über einen Vollstreckungsversuch zu treffen ist (siehe die Begründung des Regierungsentwurfs für das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 30.07.2008, BT-Drucks. 16/10069, S. 41). Es liegt dagegen nicht bei solchen Personen vor, die sich eines Anspruchs gegen den Schuldner lediglich berühmen, ohne dass sie bereits über einen Titel als Voraussetzung für die Einleitung einer solchen Zwangsvollstreckung verfügten (so auch KG Berlin, Beschluss vom 12.04.1988 – 1 VA 1/88, NJW 1988, 534).
cc. Etwas anderes, insbesondere die grundsätzliche Zulassung der Akteneinsicht von Dritten, die über keinen titulierten Anspruch verfügen und die die Akteneinsicht zum Zwecke der Erlangung von Kenntnissen zur Entscheidung über eine mögliche Rechtsverfolgung begehren, ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller zitierten jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe BGH, Beschluss vom 05.04.2006 – IV AR (VZ) 1/06, WM 2006, 1453), mit der dem Gläubiger einer nicht titulierten Forderung gegen die Schuldnerin nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Akteneinsicht in die Insolvenzakte gewährt wurde, wobei der Gläubiger mit seinem Akteneinsichtsgesuch zumindest auch das Ziel verfolgt hat, festzustellen, ob ihm Durchgriffs- und Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter der Schuldnerin zustehen, etwa wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags. Die diesem Beschluss zugrunde liegende Fallkonstellation weist damit in zweifacher Hinsicht Besonderheiten auf, die gegen ein generelles Absehen vom Erfordernis eines Titels in Fällen der Akteneinsicht zum Zwecke der Erlangung von Kenntnissen zur Entscheidung über eine mögliche Rechtsverfolgung sprechen: Zum ersten hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin bereits aufgrund dieser Gläubigerstellung ein ausreichendes rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in die Insolvenzakte nach den §§ 299 Abs. 2 ZPO i.V.m. 4 InsO habe, weil ihm bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in diesem auf gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger gerichteten Verfahren als Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO ein solches Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 1 ZPO zugestanden hätte. Auch nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe er dasselbe Interesse an der Akteneinsicht, um dadurch Aussichten auf eine erfolgreiche Beitreibung seiner Forderungen feststellen zu können (siehe BGH, a.a.O.). Dass seine Forderung nicht tituliert sei, könne daher dem rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht nicht entgegenstehen (siehe BGH, a.a.O.), was deswegen unmittelbar einleuchtend ist, weil ein solches Erfordernis auch nicht für den Fall der Geltendmachung eines Akteneinsichtsrechts nach § 299 Abs. 1 ZPO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen würde. Soweit die Akteneinsicht in der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fallkonstellation der Feststellung des möglichen Bestehens von Durchgriffs- und Schadensersatzansprüchen des Gläubigers gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter der Schuldnerin dienen sollte, wobei es sich ebenfalls um nicht titulierte Forderungen handeln würde, hat der Bundesgerichtshof zudem darauf abgestellt, dass sich das Interesse an der Akteneinsicht nicht aufspalten ließe in ein hier nach § 299 Abs. 2 InsO geschütztes Interesse an der Feststellung, ob trotz der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Vermögen bei der Schuldnerin vorhanden ist, und ein von dieser Norm nicht geschütztes wirtschaftliches Interesse an der Prüfung der Erfolgsaussichten von Schadensersatzansprüchen gegen Dritte, insbesondere Organe der Schuldnerin. Vielmehr stünden solche Schadensersatzansprüche meist in einem rechtlich untrennbaren Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Forderung des Gläubigers gegen die Schuldnerin (siehe BGH, a.a.O.), hinsichtlich derer dem Gläubiger ein Einsichtsrecht in die Insolvenzakte nach den vorstehenden Ausführungen zuzuerkennen ist. Dass ein Gläubiger durch Einsicht in die Insolvenzakte sowohl Informationen über die Schuldnerin als auch über sonstige Dritte gewinnen könne, sei hinzunehmen, weil anderenfalls dem schutzwürdigen rechtlichen Interesse des Gläubigers im Verhältnis zur Schuldnerin nicht entsprochen und der Gläubiger dadurch im Verhältnis zu dieser in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt würde (siehe BGH, a.a.O.). Diese Besonderheiten unterscheiden die vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Fallkonstellation auch vom vorliegenden Fall, in dem es weder um die Einsichtnahme in eine Insolvenzakte geht, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahren jedem Insolvenzgläubiger auch ohne das Erfordernis einer Titulierung seiner Forderung zustehen würde, noch um die Prüfung des Bestehens von Ansprüchen und Vollstreckungsaussichten gegen einen Dritten, die in einem rechtlich untrennbaren Zusammenhang zu einem Rechtsverhältnis stünden, aus welchem dem Gläubiger bereits ein anderweitiges schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Akteneinsicht zusteht, welches nicht wegen der Betroffenheit von Informationen über Dritte zu beschränken wäre. Ein solches rechtliches Interesse an der Akteneinsicht ist vielmehr weder gegenüber der Erblasserin begründet gewesen noch besteht es gegenüber der Beteiligten zu 2.
dd. Etwas anderes ergibt sich im Ergebnis auch nicht daraus, dass der Antragsteller geltend macht, die Kenntnisse über etwaige Vermögensübertragungen für die Geltendmachung von Anfechtungen nach dem AnfG zu benötigen, wofür er insbesondere die Fristen nach den §§ 3 f. AnfG wahren müsse.
Dabei ist allerdings im Ausgangspunkt zutreffend, dass der Umstand einer Beerbung der Erblasserin durch die Beteiligte zu 2. nicht jegliches Interesse des Antragstellers an einer Kenntniserlangung von möglichen Vermögensübertragungen an die Beteiligte zu 2. ausschließt, da sich die Beteiligte zu 2., wenn der Antragsteller sie wegen ursprünglich gegen die Erblasserin gerichteten Forderungen in Anspruch nehmen sollte, auf eine beschränkte Erbenhaftung berufen könnte, so dass die Haftung auf den Nachlass beschränkt wäre und etwaige Anfechtungen von (lebzeitigen) Vermögensübertragungen der Erblasserin an die Beteiligte zu 2. zu einer Erweiterung der Haftungsmasse führen könnten. Diese Anfechtungen wären binnen der Frist der §§ 3 f. AnfG zu erklären, wofür der Antragsteller allerdings Kenntnisse über derartige Vermögensübertragungen benötigen würde; zutreffend ist auch, dass nach § 7 Abs. 2 AnfG für eine zur Fristwahrung erfolgende Mitteilung der Absicht, die Anfechtung zu erklären, das Vorhandensein eines vollstreckbaren Titels nicht vorausgesetzt wird.
Für die Annahme des Bestehens eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall genügt dies aber nicht. Die hier begehrte Kenntniserlangung darüber, welche Vermögensgegenstände bei der Beteiligten zu 2. vorhanden sind und – abhängig von der Frage, ob sie im Wege einer, gegebenenfalls anfechtbaren, Übertragung zu Lebzeiten oder als Teil des Nachlasses von der Erblasserin auf die Beteiligte zu 2. übergegangen sind – möglicherweise als Haftungsmasse für den Fall einer Vollstreckung durch den Antragsteller zur Verfügung stehen können, unterscheidet sich nicht von einer allgemeinen Konstellation, in der Akteneinsicht zu dem Zweck begehrt wird, einem Gläubiger Kenntnis über das bei einem Schuldner vorhandene Haftungsvermögen zu verschaffen (siehe oben unter bb.). Ohne das Vorhandensein eines Vollstreckungstitels fehlt es daher für ein auf ein derartiges Interesse gestütztes Begehren um Akteneinsicht am Vorliegen eines konkreten rechtlichen Bezugs des Interesses des Antragstellers zum Verfahrensgegenstand des betroffenen Rechtsstreits.
Daran ändert für den vorliegenden Fall auch nichts, dass der Antragsteller geltend macht, wegen des Fristenlaufs nach den §§ 3 f. AnfG auf eine möglichst zügige Erlangung von Kenntnissen über gegebenenfalls anfechtbare Vermögensübertragungen auf die Beteiligte zu 2. angewiesen zu sein, um nach § 7 Abs. 2 AnfG fristwahrend seine Absicht der Erklärung einer Anfechtung mitteilen zu können. Auch insoweit fehlt es an einem konkreten rechtlichen Bezug des Interesses des Antragstellers zum Verfahrensgegenstand des betroffenen Rechtsstreits, da nichts dazu ersichtlich ist, dass überhaupt im vorliegend betroffenen Rechtsstreit eine Vermögensübertragung von der Erblasserin an die Beteiligte zu 2. verfahrensgegenständlich ist und dass hinsichtlich dieser Vermögensübertragung die Voraussetzungen einer Anfechtung nach den §§ 3 f. AnfG erfüllt sein könnten. Die begehrte Akteneinsicht stellt sich in dieser Konstellation damit als bloße Ausforschung ohne konkreten rechtlichen Bezug dar (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 09.02.1988 – 1 VA 5/87, NJW 1988, 1738). Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keines weiteren Eingehens darauf, dass der Antragsteller auch im Übrigen zu den Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Interesses nicht hinreichend konkret vorgetragen hat, insbesondere dazu, dass anzunehmen wäre, dass eine Zwangsvollstreckung wegen der von ihm geltend gemachten Forderungen gegen die Beteiligte zu 2., gegebenenfalls beschränkt auf den Nachlass nach der Erblasserin, nicht zu einer vollständigen Befriedigung führen würde (siehe § 2 AnfG), geschweige denn dass dies glaubhaft gemacht worden wäre. Die begehrte Sicherung im Hinblick auf mögliche Ansprüche des Antragstellers ist statt durch eine Akteneinsicht in die Verfahren Dritter, für die es am erforderlichen rechtlichen Interesse nach § 299 Abs. 2 ZPO fehlt, im Wege eines geeigneten Vorgehens gegen die Beteiligte zu 2. selbst zu verwirklichen, gegebenenfalls auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, und dieses Verfahren wäre dann auch der geeignete Ort für eine Beurteilung der geltend gemachten Anspruchsberechtigung des Antragstellers gegenüber der Beteiligten zu 2.
3. Die Pflicht des Antragstellers, die Kosten des Verfahrens zu tragen, folgt aus § 22 Abs. 1 GNotKG. Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragstellers gemäß § 30 EGGVG kam bei dem vorliegenden erfolglosen Antrag nicht in Betracht, da diese Erstattung auf Fälle offensichtlicher oder grober Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Maßnahme zu beschränken ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.11.2017 – 2 VAs 52/17). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten im Verfahren nach § 23 EGGVG sieht das Gesetz nicht vor.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt mangels anderweitiger genügender Anhaltspunkte für das Interesse des Antragstellers an dem Akteneinsichtsgesuch aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
5. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch hier die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.