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Versorgungsausgleich und betriebliche Altersversorgung wegen voller Erwerbsminderung

BGH

Az: XII ZB 238/04

Beschluss vom 13.04.2005


Leitsatz:

Während eine, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits bezieht, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, wenn sonst kein höheres Anrecht aus der Zusatzversorgung besteht, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Fall endgültig feststeht, daß die Rente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werden wird, kann eine aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Altersgrenze gezahlte Erwerbsminderungsrente nur berücksichtigt werden, wenn im konkreten Fall feststeht, daß sie sich auf die Rente wegen Alters auswirken wird (Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 24. September 1997 – XII ZB 63/95 – FamRZ 1997, 1535).


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2005 beschlossen:

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.

Gründe:

I.
Die Parteien haben am 22. Februar 1981 geheiratet. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller; geboren am 29. Juni 1961) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin; geboren am 9. Februar 1959) am 12. September 2002 zugestellt worden. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat durch Urteil die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich, der im Urteil abgetrennt worden war, nachfolgend dahin geregelt, daß es im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen (LVA; weitere Beteiligte zu 3) auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 155,09 ¤, bezogen auf den 31. August 2002, übertragen hat. Ferner hat es im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL; weitere Beteiligte zu 1) auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 9,39 ¤, bezogen auf den 31. August 2002, begründet. Auf die Beschwerde der VBL hat das Oberlandesgericht die Entscheidung dahin abgeändert, daß der Ausgleichsbetrag im Wege des Quasi-Splittings 154,99 ¤ beträgt.

Dabei ist das Oberlandesgericht nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1 bis 4 von ehezeitlichen (1. Februar 1981 bis 31. August 2002; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften – jeweils monatlich und bezogen auf den 31. August 2002 – der Antragsgegnerin bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW; weitere Beteiligte zu 4) in Höhe von 14,90 ¤ und bei der BfA in Höhe von 320,39 ¤ sowie des Antragstellers bei der LVA in Höhe von 630,56 ¤ und der VBL in Höhe von 314,75 ¤ ausgegangen.

II.
Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde verspricht keine Aussicht auf Erfolg, da das Oberlandesgericht die Anwartschaften der Parteien im Einklang mit der Senatsrechtsprechung bewertet und den Versorgungsausgleich rechnerisch zutreffend durchgeführt hat.

1. Das Oberlandesgericht hat die Anwartschaften der Antragsgegnerin bei der ZKW unter Hinweis auf den Senatsbeschluß vom 7. Juli 2004 – XII ZB 277/03 – FamRZ 2004, 1474 (VBL) als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium volldynamisch bewertet. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Kommunale Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe hat – wie die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden und die Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. September 2004 – XII ZB 144/04 – FamRZ 2004, 1706 und vom 6. Oktober 2004 – XII ZB 133/04 – FamRZ 2004, 1959) sowie die Zusatzversorgungskasse des kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (Senatsbeschluß vom 23. März 2005 – XII ZB 255/03) das sogenannte „Punktemodell“ nach der von einer Arbeitsgruppe der gemeindlichen Zusatzversorgungskassen erarbeiteten Mustersatzung eingeführt. Berechnungsfehler bei der Dynamisierung, die anhand der Barwertverordnung durchgeführt wurde, sind nicht ersichtlich.

Die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin sind unproblematisch.

2. Der Antragsteller ist seit 1. August 2002 voll erwerbsgemindert, allerdings zunächst befristet bis zum 30. April 2006. Wie sich die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers danach entwickeln wird, ist zur Zeit noch nicht bekannt.

a) Ausweislich des Rentenbescheids der LVA vom 17. Juni 2003 erhält er rückwirkend ab 1. August 2002 eine Rente in Höhe von monatlich 1.062,94 ¤. Die Rente ist bis zum 30. April 2006 befristet. Ob die Rente über den genannten Zeitraum hinaus weiterzuzahlen sein wird, kann im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden.

Das Oberlandesgericht hat die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht berücksichtigt, sondern dem Versorgungsausgleich den Ehezeitanteil der (fiktiven) Altersversorgung des Antragstellers zugrunde gelegt. Dies ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, da eine am Ende der Ehezeit bereits bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die das fiktiv errechnete Altersruhegeld übersteigt, nur dann im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen ist, wenn im konkreten Einzelfall mit ihrer Entziehung vor Erreichen der Altersgrenze nicht mehr zu rechnen ist (vgl. Senatsbeschluß vom 24. September 1997 – XII ZB 63/95 – FamRZ 1997, 1535, 1536). Davon kann indessen vorliegend nicht ausgegangen werden, da der Antragsteller am 30. April 2006 erst 44 Jahre alt sein wird und zur Zeit nicht bekannt ist, ob er auf Dauer erwerbsunfähig sein wird.

b) Nach den Auskünften der VBL beträgt der Ehezeitanteil der Betriebsrente des Antragstellers 120,06 ¤. Aus dem Versicherungsverlauf ergibt sich, daß der Antragsteller ab 1. Mai 1991 bei der VBL versichert war, so daß die gesamte Betriebsrente, die der Antragsteller bis zum Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 1. August 2002 erworben hat, in die Ehezeit fällt. Die VBL hat weiter mitgeteilt, daß die Betriebsrente ab 1. August 2002 gezahlt worden wäre, wenn nicht für die Zeit vom 1. August 2002 bis 31. Mai 2003 infolge Bezugs von Krankengeld nach § 41 Abs. 4 der Satzung der VBL die Rente vollständig geruht hätte. Ausweislich der Rentenmitteilung der VBL vom 11. November 2003 beträgt die maßgebende Betriebsrente 314,75 ¤. Diesen Betrag hat das Oberlandesgericht dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegt.

Das Oberlandesgericht hat dazu ausgeführt, die Voraussetzungen für den Rentenbezug wegen voller Erwerbsminderung hätten ab dem 1. August 2002, und damit vor dem Ehezeitende, vorgelegen. Daß die Rente der VBL zeitlich begrenzt sei, spiele im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung keine Rolle. Unerheblich sei auch, daß der ab 1. August 2002 begründete Rentenanspruch zunächst wegen Bezugs von Krankengeld geruht habe. Nach dem Versicherungsverlauf falle die gesamte Rente in die Ehezeit. Daran ändere sich auch nichts dadurch, daß nach der Satzungsänderung der VBL im Falle der Erwerbsminderung gemäß § 37 Abs. 2 der Satzung der VBL für die Berechnung der Rente wegen Erwerbsminderung auch (fiktiv) Versorgungspunkte für die Zeit bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres eingerechnet würden. Im übrigen sei der Bruttobetrag der Rente dem Versorgungsausgleich zugrunde zu legen; Abzüge wegen Krankenversicherung und ähnliches seien nicht vorzunehmen. Schließlich sei die laufende Rente der VBL nach dem Senatsbeschluß vom 7. Juli 2004 aaO als volldynamisch zu bewerten. Auch dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß eine Versorgungsrente der VBL wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits bezieht, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, wenn sonst kein höheres Anrecht aus der Zusatzversorgung besteht, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Fall endgültig feststeht, daß die Versorgungsrente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werden wird (Senatsbeschluß vom 24. September 1997 – XII ZB 63/95 – FamRZ 1997, 1535, 1536 m.w.N.). Denn die Berücksichtigung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist im Gesetz anders geregelt als die Erwerbsunfähigkeitsrente der VBL, die zur betrieblichen Altersversorgung gezählt wird. Für die gesetzliche Rentenversicherung bestimmt § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, daß die auf die Ehezeit entfallende Rente oder Rentenanwartschaft grundsätzlich auf der Grundlage einer Vollrente wegen Alters zu berechnen ist. Daraus ergibt sich, daß eine aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Altersgrenze gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente nur berücksichtigt werden kann, wenn im konkreten Einzelfall feststeht, daß sie sich auf die Rente wegen Alters auswirken wird. Bei der betrieblichen Altersversorgung sind dagegen nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB Leistungen, Anwartschaften oder Aussichten auf Leistungen grundsätzlich auszugleichen. Lediglich Anwartschaften oder Aussichten auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (nicht: Leistungen der betrieblichen Altersversorgung), die zur Zeit der Entscheidung noch nicht unverfallbar sind, verweist § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Eine wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist aber eine Leistung (ein Vollrecht), nicht lediglich eine Anwartschaft oder eine Aussicht auf eine Leistung. Nach der insofern eindeutigen gesetzlichen Regelung stellt sich deshalb bei einer wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente aus der betrieblichen Altersversorgung die Frage der Unverfallbarkeit nicht (Senatsbeschluß vom 24. September 1997 aaO 1536). An dieser Unterscheidung zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und Betriebsrente ist festzuhalten, da sich die Voraussetzungen nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB nicht geändert haben. Geändert hat sich lediglich die Satzung der VBL und damit die Berechnungsmethode der Betriebsrente. Zwar sieht § 37 Abs. 2 der Satzung der VBL vor, daß dem Rentenberechtigten für die Zeit ab Eintritt der Erwerbsminderung bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres gewisse Versorgungspunkte noch gewährt werden. Indessen handelt es sich dabei nicht um echte Zeitfaktoren, da der Rentenberechtigte tatsächlich keine Beiträge zur VBL erbringt, sondern lediglich um Bewertungsfaktoren zur Berechnung der Höhe der Rente. Fällt wie hier der gesamte Versicherungsverlauf bis zum Eintritt der Erwerbsminderung in die Ehezeit, so sind auch diese Versorgungspunkte für die Ehezeit gewährt und damit dem Versorgungsausgleich zugrunde zu legen. Ob diese (fiktiven) Versorgungspunkte gegebenenfalls für den Fall, daß die Versicherungszeit bei der VBL bis zum Eintritt der Erwerbsminderung teilweise vor und teilweise während der Ehezeit lag, zeitratierlich aufzuteilen wären, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Daß der Bruttobetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegt wurde, ohne individuelle Abzüge für Krankenversicherung und ähnliches zu berücksichtigen, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluß vom 23. September 1998 – XII ZB 123/94 – FamRZ 1999, 218, 220 m.w.N.). Schließlich hat das Oberlandesgericht die bereits laufende Rente des Antragstellers bei der VBL zu Recht als volldynamisch bewertet (Senatsbeschluß vom 7. Juli 2004 aaO).

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