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Autowaschstraße – Betreiberhaftung für Schäden

AG Marl – Az.: 24 C 63/17 – Urteil vom 02.07.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger fuhr am … … zu der Autowaschstraße des Beklagten in N, um dort den PKW der Marke C, den der Kläger am 20.04.2016 unter Eigentumsvorbehalt der C1 GmbH gekauft hatte, reinigen zu lassen. Der Kläger fuhr nach Anweisungen der Mitarbeiter des Beklagten bis zur Schleppkette vor und verließ sodann das Fahrzeug. Vor der Waschstraße befindet sich ein Schild, welches die jeweiligen Nutzer der Autowaschanlage u.a. darauf hinweist, dass der Gang heraus zu nehmen ist, die Bremsen zu lösen sind, das Lenkradschloss nicht eingerastet sein darf, ein Automatikgetriebe auf „N“ zu stellen ist, die Wegfahrsperre zu lösen ist und der Schlüssel im Zündschloss stecken gelassen werden muss.

Der Waschvorgang wurde sodann durch einen Mitarbeiter des Beklagten gestartet und das Fahrzeug durch die Schleppkette in die Waschanlage gezogen. Im Anschluss daran wurde das nächste Fahrzeug eines Herrn L in gleicher Art in die Waschstraße hineingezogen. Das Transportführungssystem der Anlage des Herstellers I besteht aus einer Transportführungsschiene, die links neben der Fahrbahn angebracht ist. Die Schiene, welche 8 cm hoch ist, hat die Aufgabe, den Geradeauslauf der Fahrzeuge durch die Waschstraße zu gewährleisten. Unterhalb der Schiene befindet sich eine endlos laufende Unterflurkette, in die in bestimmten Abständen sog. Mitnehmerrollen eingelassen sind.

Als sich der PKW des Klägers etwa in der Mitte der Waschanlage befand, geriet das Fahrzeug aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, aus den Führungsschienen. Anschließend wurde das nachfolgende Fahrzeug des Herrn L auf den C gezogen. Während dieses Geschehensablaufs stieß der PKW des Klägers mit der rechten Seitenwand gegen einen Stützpfeiler der Anlage.

Der Kläger ließ durch die C2 AG Niederlassung L1 eine „Reparatur-Kalkulation“ vom 29.12.2016 erstellen, wonach sich die Nettoreparaturkosten auf 1.765,85 EUR belaufen. Aus der Kalkulation ergibt sich u.a., dass die Seitenwand vorne rechts sowie der Stoßfänger hinten lackiert werden muss.

Der Kläger ließ den Beklagten durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2017 – im Ergebnis erfolglos – zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.960,85 EUR auffordern (Nettoreparaturkosten zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 EUR und eines Minderwerts in Höhe von 170,00 EUR).

Die C1 GmbH hat mit Schreiben vom 09.08.2017 ihre Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Vorfall an den Kläger abgetreten.

Der Kläger behauptet, dass nach seinem Aussteigen ein Mitarbeiter des Beklagten am Lenkrad seines Fahrzeuges gedreht habe. Die Schleppkette habe sein Fahrzeug aus der Führungsspur gedrückt. Der Beklagte habe seine Schadensersatzpflicht anerkannt. Sein Fahrzeug sei vor dem Waschvorgang insgesamt unbeschädigt gewesen. Die durch den Defekt der Autowaschanlage des Beklagten entstandenen Reparaturkosten beliefen sich auf 1.765,85 EUR, zusätzlich sei ein Minderwert in Höhe von 170,00 EUR verblieben.

Der Kläger beantragt mit der dem Beklagten am 01.04.2017 zugestellten Klageschrift, den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn 1.960,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.02.2017 zu zahlen,

2. an ihn 255,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Autowaschstraße – Betreiberhaftung für Schäden
(Symbolfoto: Von chuyuss/Shutterstock.com)

Er behauptet, dass seine Waschanlage ordnungsgemäß funktioniert habe. Diese werde regelmäßig gewartet, zudem fänden täglich Sichtprüfungen der Anlage statt. An dem streitgegenständlichen Tag seien insgesamt 356 Fahrzeuge beanstandungsfrei gewaschen worden. Die gesamte Anlage entspreche dem Stand der Technik. Es werde von keinem Hersteller einer Autowaschstraße ein automatisches Kontrollsystem angeboten, welches erkennen könne, dass ein Fahrzeug aus den Führungsschienen gesprungen sei und die Anlage dann zum Halten bringe. Eine optische Überwachung des gesamten Waschvorgangs sei ungeeignet und vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Ausbruch eines Fahrzeugs lediglich um ein singuläres Ereignis handele (ca. 3 Fälle pro Jahr bei ca. 60.000 gewaschenen Fahrzeugen pro Jahr), unverhältnismäßig und im Übrigen mit einer automatischen (und deswegen preiswerten) Fahrzeugwäsche nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die Tatsache, dass der streitgegenständliche C aus der Führungsschiene gekommen sei, hänge nicht mit einer fehlerhaften Funktion der Waschanlage zusammen. Die Ursache liege vielmehr in der Sphäre des Klägers. Ein Überfahren der Zwangsführungsschiene sei nur möglich bei einer Missachtung der Benutzungshinweise durch den Fahrer oder einem Mangel des Fahrzeugs. So sei es denkbar, dass die Spur des PKW verstellt gewesen sei, ein Fehler an der Lenkung und/oder der Achsgeometrie, ein zu niedriger Reifendruck, ein Defekt der Bremsanlage des Fahrzeugs und/oder des Getriebes sowie ein Defekt des Lenkradschlosses des Fahrzeugs vorgelegen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit dessen Erstattung Herr T. beauftragt worden ist. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 20.02.2018 (Bl. 170 ff. d.A.) sowie auf die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2018 (Bl. 250 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

1.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.960,85 EUR wegen einer Verletzung seiner Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag über die Autowäsche des streitgegenständlichen C gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

a)

Es ist bereits sehr fraglich, ob festgestellt werden kann, dass der Beklagte eine Nebenpflicht aus dem Werkvertrag verletzt hat.

Soweit der Kläger behauptet, dass der Beklagte seine Schadensersatzpflicht anerkannt habe, wurde dieses bestritten, ohne dass der Kläger für seinen Vortrag Beweis angeboten hätte.

Nach einer Auffassung ergibt sich in vergleichbaren Fällen eine objektive Pflichtverletzung eines Betreibers einer Autowaschanlage im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB schon dadurch, dass ein Kunde bei der Durchführung des Vertrags ein Schaden erlitten hat, da der PKW beim Durchlaufen der Waschanlage beschädigt wurde und der Betreiber nach den Reinigungsvertrag die erfolgsbezogene Pflicht hatte, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2003, 21 U 97/03, juris, Rn. 13 m.w.N.; AG Braunschweig, Urteil vom 04.02.2014, 116 C 2943/13, juris, Rn. 25). Nach dieser Rechtsansicht wäre eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten zu bejahen, da nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens feststeht, dass die von dem Kläger geltend gemachten Schäden an der rechten Seite des Fahrzeugs sowie am Heck im Rahmen des streitgegenständlichen Waschvorgangs entstanden sind.

Nach der aus hiesiger Sicht vorzugswürdigen Ansicht kann eine objektive Pflichtverletzung eines Betreibers einer Waschanlage nur dann festgestellt werden, wenn der Fahrzeugeigentümer darlegt und nachweist, dass die Schadensursache alleine aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrührt (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2017, 11 U 43/17, juris; OLG Hamm, Urteil vom 12.04.2002, 12 U 170/01, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 30.06.1994, 5 U 1939/93, juris; LG Itzehoe, Urteil vom 26.01.2017, 6 O 279/16, juris; LG Wuppertal, Urteil vom 13.03.2013, 5 O 172/11, juris). Denn grundsätzlich trägt nach der Konzeption von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner objektiv eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage 2016, § 280 Rn. 34 m.w.N.). In Abweichung von der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten ist anerkannt, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden geschlossen werden kann, wenn der Gläubiger dartut und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann (BGH, Urteil vom 18.02.1993, III ZR 23/92, juris). Dem Kläger ist es jedenfalls in Bezug auf den Schaden an der rechten Seite des Fahrzeugs nicht gelungen, nachzuweisen, dass die Schadensursache alleine aus dem Verantwortungsbereich des Beklagten stammt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen kann die Ursache, aufgrund derer der PKW aus der Führungsschiene geraten ist, nicht mit einer erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. So hat der Sachverständige auf ausdrückliche Frage des Dezernenten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.06.2018 erklärt, dass er nicht ausschließen könne, dass der PKW z.B. aufgrund eines eingerasteten Lenkradschlosses, eines Defektes an der Bremsanlage oder am Getriebe oder einer verstellten Spur ausgebrochen ist. Da der Sachverständige ebenfalls nicht sicher feststellen konnte, dass der Schaden an der rechten Seite nur dadurch verursacht worden ist, dass das nachfolgende Fahrzeug auf den PKW des Klägers aufgeschleppt wurde und dieses erst dadurch gegen den Stützpfeiler der Anlage gedrückt wurde, hat der Kläger eine Pflichtverletzung des Beklagten im Hinblick auf den Schaden an der rechten Seite, folgt man der zweitgenannten Auffassung in der Rechtsprechung, nicht nachgewiesen.

Nach Auffassung des Dezernenten kann auch eine Pflichtverletzung des Beklagten im Hinblick auf den Heckschaden nicht bejaht werden.

Im Grundsatz gilt, dass derjenige, der einen Verkehr eröffnet, alle Vorkehrungen treffen muss, um Schäden Dritter tunlichst zu vermeiden. Allerdings ist eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht zu erreichen. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Vielmehr genügen solche Vorkehrungen, die zur Beseitigung der Gefahren erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind solche Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der Verkehrskreise für notwendig und ausreichend erachtet, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 01.10.2013, VI ZR 369/12, juris; Urteil vom 02.03.2010, VI ZR 223/09, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.03.2013, 4 U 26/12, Rn. 50, juris). Weiterhin fließt in die Beurteilung auch das in den entsprechenden Verkehrskreisen branchenübliche Schutzniveau ein: Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist im Regelfall genügt, wenn der erreichte Sicherheitsstandard der in dem entsprechenden Bereich herrschenden Verkehrserwartung entspricht (BGH, Urteil vom 02.03.2010, a.a.O; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Schließlich sind Ausmaß und Größe der Gefahr sowie die Schadenswahrscheinlichkeit in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Diese Kriterien stehen miteinander in Wechselwirkung: Je größer die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung und je schwerer der drohende Schaden, desto weitgehendere Sicherungsmaßnahmen sind zu ergreifen (BGH, Urteil vom 31.10.2006, VI ZR 223/06, juris; OLG Saarbrücken, a.a.O. m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (BGH, Urteil vom 01.10.2013, a.a.O., juris, Rn. 15).

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte seine Pflichten aus dem Werkvertrag nicht deswegen verletzt, weil er es nicht verhindert hat, dass der PKW des Herrn L durch die automatische Schleppvorrichtung auf das Fahrzeug des Klägers aufgezogen wurde. Dieser Vorgang hätte – theoretisch – dadurch verhindert werden können, wenn die Anlage vollautomatisch gestoppt hätte, als der PKW des Klägers aus der Führungsschiene geraten ist, oder wenn durch ein schnelles menschliches Eingreifen, z.B. aufgrund einer Videoüberwachung, die Anlage zum Halten gebracht worden wäre. Nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war der Beklagte jedoch weder verpflichtet, eine automatisierte, ggf. durch Sensoren gesteuerte Überwachung in seiner Anlage zu installieren, noch einen oder gar mehrere Mitarbeiter mit einer steten, kontinuierlichen Überprüfung der Anlage zu betrauen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.07.2017 (Bl. 125 ff. d.A.) substantiiert dargelegt, dass die führenden Hersteller von Autowaschanlagen einen automatisierten „Auffahrschutz“ nicht anböten. So habe im Rahmen einer aktuellen Befragung der Leiter des Produktmanagements der Firma X erklärt, dass in den von seiner Firma hergestellten Waschstraßen ein Auffahrschutz durch eine Lichtschranke lediglich am Ende des Förderbandes vorgehalten werden könne. Der Hersteller I1 GmbH habe mitgeteilt, dass eine über Sensoren gesteuerte Auffahrsicherung im gesamten Waschstraßenbereich – mit Ausnahme des Ausfahrtbereiches – technisch nicht möglich sei. Die Firma H GmbH & Co. KG, die u.a. auch exklusiver Vertriebspartner für Deutschland des US-amerikanischen Waschanlagenherstellers I2 sei, habe darüber informiert, dass Stand der Technik lediglich der an der Ausfahrt installierte Auffahrschutz sei, welcher verhindere, dass ein Fahrzeug auf das vorherige aufgeschoben werde, falls dieses nicht aus der Waschstraße herausfahre. Die Auffahrsicherung beschränke sich aber immer auf den Bereich der Ausfahrt. Eine Erweiterung einer solchen Auffahrsicherung für die gesamte Waschstraßenlänge sei nicht möglich. Schließlich habe die Firma P AG über deren Vertriebsleiter mitgeteilt, dass es ein System zur permanenten Überwachung des Fahrzeugs innerhalb einer Waschstraße, welches einen Auffahrunfall auf der Schleppkette verhindere, leider nicht gebe. Als Sicherungsmaßnahme in PKW-Waschstraßen mit Schleppkette werde serienmäßig nur am Ende der Waschstraße eine Ausfahrsicherung angeboten. Dies sei aktueller Stand der Technik im Waschstraßenbereich. Der Kläger hat diesen Vortrag nicht, schon gar nicht substantiiert, bestritten. Im Übrigen hat auch der Sachverständige erklärt, dass er wisse, dass kein Hersteller einer Autowaschanlage eine automatische Überwachung des Waschvorgangs anbiete. Auch wenn dieses aus seiner Sicht technisch zu realisieren sei, bleibe es dabei, dass es auf dem Markt schlichtweg nicht zu kaufen sei. Wenn eine solche automatische Überwachung seitens der Industrie den Betreibern von Waschstraßen nicht zur Verfügung gestellt wird, kann es dem Beklagten offenkundig nicht als Pflichtverletzung vorgeworfen werden, dass er eine solche in seine Anlage nicht installiert hat. Dies verkennen die Gerichte, die meinen, dass die Behauptung des Waschanlagenbetreibers nicht überzeuge, dass es keine technischen Möglichkeiten gebe, ein sofortiges automatisches Abschalten der Anlage für den Fall zu erreichen, da sich dieses aus Sicht des Gerichts technisch durchaus realisieren lasse (so z.B. LG Wuppertal, Urteil vom 23.10.2014, a.a.O.; AG Braunschweig, Urteil vom 04.02.2014, a.a.O.). Wie oben bereits dargestellt, ist der Verkehrssicherungspflichtige nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur verpflichtet, den Schutz zu gewährleisten, der branchenüblich ist, da der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Regelfall genügt wird, wenn der erreichte Sicherheitsstandard der in dem entsprechenden Bereich herrschenden Verkehrserwartung entspricht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss der Dezernent davon ausgehen, dass eine automatische Überwachung des gesamten Waschvorgangs nicht nur nicht branchenüblich ist, sondern es diese vielmehr auf dem Markt nicht gibt. Vor diesem Hintergrund kann dem Beklagten eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch das Unterlassen eines Einbaus von Sensoren o.ä. zur automatischen Abschaltung der Anlage offensichtlich nicht zur Last gelegt werden.

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Der Beklagte war ebenfalls nicht verpflichtet, den gesamten Waschvorgang kontinuierlich durch Mitarbeiter, z.B. mithilfe von zu installierenden Videokameras, zu überwachen. Nach den Angaben des Sachverständigen, an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, zumal dieser sich auf die Begutachtung von Autowaschanlagen spezialisiert hat und eine große Erfahrung besitzt, gibt es bei den derzeit vorhandenen Autowaschanlagen eine kontinuierliche „Live-Kontrolle“ des Waschvorgangs nicht. Es seien zwar in diversen Waschanlagen Kameras eingebaut, die jedoch nur den Waschvorgang aufzeichnen würden. Vor diesem Hintergrund ist eine solche stetige Videoüberwachung offensichtlich nicht „branchenüblich“. Im Übrigen ist der Dezernent davon überzeugt, dass auch eine kontinuierliche Überwachung des gesamten Waschvorgangs die vereinzelt auftretenden Fälle, dass ein PKW die Führungsschiene verlässt und das sich hinter diesem befindliche Fahrzeug auf diesen aufgeschleppt wird, alleine schon aufgrund der regelmäßig nur eingeschränkten Aufmerksamkeit einer Überwachungsperson nicht in jedem Fall verhindern kann (so auch OLG Hamm, Urteil vom 12.04.2002, a.a.O., Rn. 17). Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Vorgang, dass ein PKW aus der Führungsschiene gerät, im Verhältnis zu der Gesamtzahl der gewaschenen Fahrzeuge tatsächlich nur um ein sehr, sehr selten auftretendes Ereignis handelt, was auch der Sachverständige bestätigte. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2018 unwidersprochen erklärt, dass es durchschnittlich drei Fälle im Jahr gebe, in denen – aus welchen Gründen auch immer – ein PKW aus der Führungsschiene springe. Anhand der in den letzten Jahren beim Amtsgericht Marl verhandelten Rechtsstreitigkeiten, denen ein vergleichbarer Schadensfall zugrunde lag, können die Angaben als zutreffend verifiziert werden. Bei der von dem Beklagten ebenfalls unwidersprochen angegebenen Anzahl von 60.000 Autowäschen pro Jahr beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein PKW aus der Führungsschiene herausgerät, 0,0005 %. Diese Prozentzahl verdeutlicht, dass eine Videoüberwachung zum einen nur sehr wenig Aussichten auf Erfolg verspricht, weil nicht damit gerechnet werden kann, dass eine Aufsichtsperson gerade in diesen höchst seltenen Fällen schnell reagiert, und zum anderen dem Beklagten auch nicht zugemutet werden kann. Wie bereits dargestellt sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Frage, wie weit die Verkehrssicherungspflicht reicht, Ausmaß und Größe der Gefahr sowie die Schadenswahrscheinlichkeit in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Die Schadenswahrscheinlichkeit ist letztlich verschwindend gering, wenn auch nicht bei Null. Der drohende Schaden ist ebenfalls überschaubar. Die Gefährdung von Menschen ist ausgeschlossen, da die Fahrzeuge in der Waschanlage ohne Insassen befördert werden. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit, mit denen die Fahrzeuge durch die Anlage gezogen werden, sind demnach Lack- bzw. Blechschäden zu erwarten, für deren Beseitigung je nach Schaden und Wert des Fahrzeugs Reparaturkosten im Bereich von einigen Hundert Euro bis vielleicht auch in seltenen Fällen 3.000,00 EUR aufzuwenden sind, wobei sich der Streitwert der bei dem Amtsgericht Marl zuletzt verhandelten Rechtsstreitigkeiten eher um die 1.000,00 EUR oder noch darunter bewegte. Selbstredend ist es für den jeweils betroffenen Eigentümer eines Fahrzeugs ärgerlich, wenn der PKW in der Anlage beschädigt wird. Dies kann aber eine Pflicht zur kontinuierlichen Überwachung der Anlage im Ergebnis nicht begründen. Eine so weitgehende Versicherungspflicht überspannt die berechtigten Verkehrserwartungen eines Benutzers einer Selbstwaschanlage (OLG Saarbrücken, a.a.O.), sie ist – wie der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zutreffend ausführt – mit einer automatischen (und deswegen preiswerten) Fahrzeugwäsche nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Der Dezernent verkennt nicht, dass er sich mit dieser Entscheidung im Widerspruch zu dem Urteil des Amtsgerichts Marl vom 02.12.2016 (16 C 59/16) und den diese Entscheidung bestätigenden Beschlüsse des Landgerichts Essen vom 04.05.2017 und 27.06.2017 (7 S 188/16) setzt. Der dortigen Feststellung, dass die Anlage nicht über ein ausreichendes Sicherungssystem verfügt, kann jedenfalls nach der Beweisaufnahme im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr gefolgt werden. Auf die Auffassung, der Beklagte habe sich nicht entlastet, da er nicht ausreichend zu den Wartungsarbeiten und einer regelmäßigen technischen Überprüfung vorgetragen habe, kommt es jedenfalls bei der hier zu treffenden Entscheidung nicht an. Zum einen hat der Beklagte – wenn auch vom Kläger pauschal bestritten – bereits in der Klageerwiderungsschrift vom 23.05.2017 im Einzelnen dargelegt, dass die Anlage regelmäßig gewartet werde und er die Waschstraße täglich vor Beginn des Waschens von Kundenfahrzeugen mittels Sichtprüfung überprüfen sowie zusätzlich einen PKW zur Probe waschen lasse. Ferner werde seine Anlage jährlich einem Anlagen-Check durch die Firma H GmbH & Co. KG unterzogen. Letzteres hat er durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung (Anlage B 2) nachgewiesen. Die Richtigkeit dieses Vortrags kann aber im Ergebnis sogar dahingestellt bleiben, da ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden durch eine unzureichende Wartung o.ä. verursacht worden ist. Das Ausbrechen des PKW aus der Führungsschiene beruht nach den Feststellungen des Sachverständigen entweder auf einer Ursache im Verantwortungsbereich des Klägers (eingerastetes Lenkradschloss etc.) und / oder darauf, dass sich das grobstollige Profil der Winterreifen des klägerischen C aufgrund ungünstiger Umstände mit der Führungsschiene verhakt haben. Nach den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung kommen sehr häufig mehrere Ursachen zusammen, die dazu führen, dass das Fahrzeug aus der Schiene gerät. Selbst wenn alleine das Verhaken des Profils der Winterreifen ursächlich gewesen wäre, würde der Beklagte hierfür nicht haften. Dessen Waschstraße entspricht nach der überzeugenden Feststellung des Sachverständigen dem „Stand der Technik“, d.h. der derzeit besten verfügbaren Technik, und nicht nur lediglich den „allgemeinen Regeln der Technik“, wie es das Oberlandesgericht Hamm im Jahre 2002 für den Betreiber einer Waschanlage noch hat ausreichen lassen (OLG Hamm, Urteil vom 12.04.2002, a.a.O., Rn. 16). Mehr kann von dem Beklagten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangt werden.

b)

Für den Fall, dass der oben dargestellten Auffassung gefolgt wird, dass sich eine Pflichtverletzung des Beklagten bereits aus dem Schadenseintritt als solches ergibt, bleibt festzuhalten, dass es dem Beklagten gelungen ist, sich im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu exkulpieren. Der Beklagte betreibt eine Waschanlage, die dem Stand der Technik entspricht, und er ist weder in der Lage, ein automatisches Überwachungssystem in diese einbauen zu lassen, noch ist es erforderlich und ihm zuzumuten, die Anlage durch Mitarbeiter optisch ständig kontrollieren zu lassen. Den Beklagten trifft daher kein Verschulden an der Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs. Eine Auffassung, die dem Beklagten ein Mehr an Verkehrssicherungspflichten auferlegen möchte, führt letztlich zu der Annahme einer Gefährdungshaftung. Eine solche ist aber weder vom Gesetzgeber noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für grundsätzlich gefahrträchtige Anlagen anerkannt.

2.

Jedenfalls mangels Verschuldens hat der Kläger gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB.

3.

Mangels Bestehens der Hauptforderung hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen bzw. außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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