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Verkehrsunfall – Ersatz des merkantilen Minderwerts bei fiktiver Schadensabrechnung

LG Regensburg, Az.: 22 S 90/18, Endurteil vom 26.02.2019

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Cham vom 20.04.2018, Az. 8 C 690/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Cham ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 75,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Zur Darstellung des Tatbestands wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Cham vom 20.04.2018 Bezug genommen (§ 540 I ZPO).

Verkehrsunfall - Ersatz des merkantilen Minderwerts bei fiktiver Schadensabrechnung
Symbolfoto: Von Jamesboy Nuchaikong /Shutterstock.com

Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das der Klage stattgebende Teil- End- und Schlussurteil des Amtsgerichts Cham vom 20.04.2018 insoweit, als darin dem Kläger auch der Ersatz des merkantilen Minderwerts in Höhe von 75 € zugesprochen wurde. Die Beklagten tragen hierzu im Wesentlichen vor, dass kein Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts eines unfallgeschädigten Pkws bestehe, wenn keine Reparatur erfolgt sei und die Abrechnung der Reparaturkosten daher lediglich fiktiv auf Gutachterbasis erfolge.

Die Beklagten beantragen daher: Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 646,54 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 592,93 € seit dem 31.08.2017, aus einem Betrag von 121,93 € seit 31.08.2017 bis 01.11.2017, aus einem Betrag von 147,56 € vom 05.10.2017 bis 01.11.2017 und aus 54,15 € seit dem 05.10.2017.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger meint, der Schaden in Form der merkantilen Wertminderung trete bereits im Zeitpunkt des Unfalls ein. Es handle sich um einen unmittelbaren Sachschaden, dessen Ersatzfähigkeit nicht davon abhänge, ob der Pkw tatsächlich repariert werde oder der Eigentümer den Pkw anschließend veräußere. Die Dispositionsbefugnis des Eigentümers solle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade keine Einschränkung erfahren.

II.

Die gemäß § 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Erstgericht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz des merkantilen Minderwerts in Höhe von 75 € bejaht. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger den Unfallschaden fiktiv auf Gutachterbasis geltend macht und eine Reparatur des unfallgeschädigten Wagens nicht erfolgt ist. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Beklagten dringen nicht durch.

Auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts im Urteil vom 20.04.2018 wird Bezug genommen. Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:

1. Ausgangspunkt für die Frage, ob dem Anspruchssteller ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist, ist nach allgemeinen Grundsätzen die Differenzhypothese (Palandt/Grüneberg, BGB 78. Auflage 2019, Vorb v § 249 Rn. 10). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Schaden ist dabei grundsätzlich jede nachteilige Beeinflussung eines rechtlich geschützten Interesses. Erfasst werden dabei einerseits unmittelbar durch die haftungsbegründende Rechtsgutsverletzung verursachte Nachteile. Andererseits kommen grundsätzlich aber auch mittelbare negative Folgen in Betracht, welche nicht unmittelbar am verletzten Rechtsgut selbst eintreten, sondern andere Rechtsgüter betreffen oder sich sonst nachteilig im Vermögen des Geschädigten niederschlagen (Palandt/Grüneberg, a.a.O. Rn. 15).

Auf dieser Grundlage stellt der sogenannte merkantile Minderwert zunächst bei natürlicher Betrachtung einen Schaden dar. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht (BGH Urt. v. 03.10.1961 – VI ZR 238/60; Urt. v. 03.10.1961 – VI ZR 238/60 – zitiert nach juris). Ausgangspunkt hierfür ist, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht. Bei der sodann ermittelten Werteinbuße handelt es sich um einen unmittelbaren, echten Sachschaden (BGH Urt. v. 23.11.2004 – Az. VI ZR 357/03 – zitiert nach juris; Palandt/Grüneberg, a.a.O. Rn. 15): Dass es sich bei der merkantilen Wertminderung um einen unmittelbaren Sachschaden handelt, wird bestätigt durch dessen Einordnung im Rahmen des Quotenvorrechts in der Kaskoversicherung. Danach handelt es sich beim merkantilen Minderwert ebenso wie beim technischen Minderwert um eine kongruente und damit quotenbevorrechtigte Schadensposition (vgl. nur Roth/Janeczek, Verkehrsrecht, 4. Auflage 2016 § 3 Rn. 86).

Folgerichtig wird die Ersatzfähigkeit des Schadens durch die höchstrichterliche Rechtsprechung auch von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht oder Beschränkungen unterworfen. Insbesondere hängt der Eintritt des Schadens nicht davon ab, ob der Geschädigte die Sache in der Folge tatsächlich veräußert und sich die Verkaufswertminderung damit konkret realisiert (BGH Urt. v. 03.10.1961 – VI ZR 238/60 – zitiert nach juris). Vielmehr hat der Schädiger den merkantilen Minderwert unabhängig davon zu ersetzen, welche Dispositionen der Eigentümer über den Wagen trifft (BGH Urt. v. 02.12.1966 – VI ZR 72/65). Die Einschränkung der Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts bei unfallbeschädigten Kraftfahrzeugen würde dagegen im Rahmen des allgemeinen Schadensrechts eine Anomalie darstellen (BGH Urt. v. 03.10.1961 – VI ZR 238/60, Rz. 4 – zitiert nach juris).

Dies zugrunde gelegt, sind keinerlei tragfähige Gründe dafür erkennbar, die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte den unfallbeschädigten Pkw tatsächlich reparieren lässt (vgl. i.E. so auch OLG Hamburg, Urteil vom 06.10.2018 – 7 U 105/80 = VersR 1981, 1186; Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2019, § 249 Rn. 53; Vuia, NJW 2012, 3057; in der Tendenz auch BGH Urteil vom 05.03.1985 – VI ZR 204/83; OLG Düsseldorf Urteil vom 07.04.2004 – I-1 U 12/04; OLG Düsseldorf Urteil vom 27.11.2000 – 1 U 2/00; a.A. LG Berlin, VersR 1957)

a) Festzustellen ist zunächst, dass der Schaden in Form des merkantilen Minderwerts bereits unmittelbar durch den Unfall als solchen entstanden ist (vgl. auch Vuia NJW 2012, 3057). Zwar handelt es sich bei dem merkantilen Minderwert nach der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Definition um eine Minderung des Verkaufswerts, die „trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung“ eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeug aufgrund der Minderbewertung am Markt verbleibt. Mit dieser Umschreibung soll jedoch lediglich der Umfang der Wertdifferenz begründet und zugleich begrenzt werden. Eine verständige Auslegung dieser Definition ergibt jedoch nicht, dass zugleich erforderlich wäre, dass der Geschädigte die Reparatur konkret vornehmen lässt. Hierfür spricht zweierlei: Würde man verlangen, dass sich die Werteinbuße tatsächlich konkret und sichtbar im Vermögen des Geschädigten realisiert, so würde es nicht genügen, von diesem eine tatsächliche Reparatur des Fahrzeugs zu fordern. Vielmehr müsste ebenso verlangt werden, dass der Geschädigte den Wagen anschließend verkauft und dabei einen geringeren Verkaufswert erzielt, als wenn der Wagen nicht verunfallt wäre. Dies ist aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht Voraussetzung (vgl. oben). Andererseits hat eine tatsächliche Reparatur auf die ersatzfähige Höhe der Wertdifferenz keinen Einfluss. Denn bei dem merkantilen Minderwert handelt es sich qua definitionem um die Werteinbuße, die trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Reparatur verbleibt. Bei der Schätzung des merkantilen Minderwerts wird also die bestmögliche Instandsetzung bereits zugrunde gelegt. Einen Einfluss auf die Höhe des merkantilen Minderwerts kann die Vornahme der Reparatur deshalb nicht haben. Insbesondere würde die erfolgte Instandsetzung gerade nicht dazu führen, dass die Schadensposition der Wertminderung entfällt.

Dass die Anerkennung der Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts die Durchführung der Reparatur des Unfallfahrzeugs voraussetzt, folgt auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 02.12.1966 (BGH Urteil vom 02.12.1966 – VI ZR 72/65, zitiert nach juris). Soweit der BGH für die Bemessung des merkantilen Minderwerts auf den Zeitpunkt der Wiederinbetriebnahme nach der Reparatur abstellt, hat er damit lediglich zu Gunsten des Geschädigten den Zeitpunkt für die Schadensberechnung vorverlagert. Während grundsätzlich für die Beurteilung der Vermögenslage des Geschädigten im Rahmen der Differenzhyptothese der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. BGH NJW 2004, 445; Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, R 249 Rn. 317), kann sich der Geschädigte zur Berechnung des merkantilen Minderwerts bereits auf die Wertverhältnisse nach erfolgter Reparatur stützen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der merkantile Minderwert abschmilzt, je älter der Unfallwagen ist, und der Schädiger somit die Möglichkeit hätte, durch Hinauszögern der mündlichen Verhandlung den Schadensersatzanspruch des Geschädigten zu schmälern (vgl. BGH Urteil vom 02.12.1966 – VI ZR 72/65, zitiert nach juris). Eine Aussage dahingehend, dass der BGH die Durchführung der Reparatur als zwingende Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit des Schadens ansieht, ist der Entscheidung – bereits mangels Erheblichkeit jener Rechtsfrage – nicht zu entnehmen.

b) Wird die Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts ohne Einschränkung anerkannt, führt dies auch nicht zu einer unangemessenen Bereicherung des Geschädigten. Dies gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits für den Fall, dass der Geschädigte den Wagen nicht veräußert, sondern weiter gebraucht. Denn der Geschädigte begnügt sich in diesem Fall mit der Benutzung eines Pkws, dessen Wert nach allgemeiner Verkehrsauffassung geringer ist als der eines unfallfrei gefahrenen Wagens (BGH Urt. v. 03.10.1961 – VI ZR 238/60, Rz. 5 – zitiert nach juris). Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass der Wagen bereits nicht repariert wird. Auch in diesem Fall begnügt sich der Geschädigte mit der Weiterbenutzung eines unfallbeschädigten Wagens, dessen Wert der Markt geringer bewertet, als ohne einen Unfall. Diese „Minderung des Verkaufswerts“ berechnet sich aber gerade nicht nur aufgrund der erforderlichen Reparaturkosten, sondern zieht – jedenfalls bei einem erheblich beschädigten Pkw – einen weiteren Abschlag infolge der nunmehr vorliegenden Eigenschaft als Unfallwagen mit sich.

c) Eine Bereicherung des Geschädigten ist auch unter folgendem Gesichtspunkt ausgeschlossen: Bei Beschädigung einer Sache kann die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB in zwei Formen geschehen – durch Reparatur oder Anschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache (Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 249 Rn. 21, BGH NJW 2005, 1108; 2010, 2121). Der Geschädigte hat dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich die Alternative zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert (BGH NJW 2005, 1108; NJW 2003, 2086; NJW 2005, 2541). Auf der einen Seite steht dabei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Reparaturaufwand, der sich aus Instandsetzungskosten und dem merkantilen Minderwert zusammensetzt (Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 251 Rn. 4). Auf der anderen Seite ist zunächst – jedenfalls auf „erster Stufe“ – der Wiederbeschaffungsaufwand anzusetzen, welcher sich aus der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert berechnet (4-Stufen-Modell des BGH, Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 249 Rn. 24). Da der merkantile Minderwert daher stets in die Vergleichsbetrachtung einfließt, können dem Geschädigten auch bei fiktiver Abrechnung durch die Beanspruchung des merkantilen Minderwerts keine Vorteile entstehen, die andernfalls nicht vom Schädiger zu ersetzen gewesen wären. Im Übrigen legt die Einbeziehung des merkantilen Minderwerts in den sog. Reparaturaufwand nahe, dass der merkantile Minderwert auch bei fiktiver Abrechnung zu ersetzen ist.

d) Für die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts auch bei fiktiver Abrechnung spricht zudem, dass andernfalls die aus § 249 Abs. 2 BGB folgende Dispositionsfreiheit des Geschädigten in nicht zu rechtfertigender Weise eingeschränkt würde. Aus § 249 Abs. 2 BGB folgt das Recht des Geschädigten, den zur Wiederherstellung der Sache erforderlichen Geldbetrag – mithin die objektiven Reparaturkosten – zu verlangen, ohne dass auf dessen konkrete Verwendung abgestellt wird (Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 249 Rn. 6 m.w.N.). Dem Geschädigten steht es deshalb frei, den Pkw reparieren zu lassen und konkret anhand der entstandenen Instandsetzungskosten abzurechnen oder fiktiv auf Gutachtensbasis. Diese Dispositionsbefugnis des Geschädigten würde aber in erheblichem Maße eingeschränkt, würde man dem auf Gutachterbasis abrechnenden Eigentümer die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts absprechen. Denn um den vollen vermögensmäßig bezifferbaren Schaden geltend zu machen, müsste der Geschädigte dann seinen Pkw reparieren lassen. Umgekehrt würde der Schädiger besser gestellt, wenn der Geschädigte den Pkw weiter benutzt ohne sein Fahrzeug zu reparieren und sich deshalb mit der Benutzung eines unreparierten und darüber hinaus im Wert geminderten Pkws begnügt. Dies erscheint nicht sachgerecht und ist mit dem auch aus dem Grundsatz der Dispositionsbefugnis folgenden Postulat der Gleichbehandlung von konkreter und fiktiver Abrechnung nicht vereinbar.

e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den in jüngster Zeit ergangenen Entscheidungen des BGH zu Fragen der Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung. Mit Urteil vom 02.10.2018 – Az. VI ZR 40/18 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die im Rahmen einer Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer nicht ersatzfähig ist, wenn der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung wählt. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung sei insoweit unzulässig. Damit konkretisiert der Senat eine bereits in früheren Entscheidungen zu findende Linie, wonach eine Vermischung der Abrechnungsmodalitäten nicht möglich ist (vgl. BGH Urt. v. 30.05.2006 – VI R 174/05; Urt. v. 13.09.2016 – VI ZR 654/15; Urt. v. 24.01.2017 – VI ZR 146/16). Hieraus folgt jedoch nicht, dass eine Kombination von fiktiver Abrechnung mit einem Ersatz des merkantilen Minderwerts ebenso unzulässig wäre. Bei dem merkantilen Minderwert handelt es sich um einen unmittelbaren Sachschaden, der gemäß § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen ist, da insoweit eine Wiederherstellung der Sache unmöglich bzw. ungenügend ist. Die Frage der Abrechnung auf konkreter oder fiktiver Basis hat ihre Grundlage jedoch in § 249 Abs. 2 BGB. Bereits deshalb kommt den zitierten Entscheidungen keine maßgebliche Bedeutung für die streitgegenständliche Rechtsfrage zu. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob den jüngsten Entscheidungen eine Rechtssprechungswende hin zu einer Einschränkung der bzw. Abstandnahme von der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung anzunehmen ist. Denn bei der Schadensposition des merkantilen Minderwert handelt es sich – im Gegensatz etwa zur Umsatzsteuer – nicht um eine Schadensposition, die unmittelbar zu den Reparaturkosten gehört. Nur im Hinblick auf letztere stellt sich jedoch die Frage der konketen oder fiktiven Abrechnung.

Soweit sich der Berufungsführer im Übrigen auf die Entscheidung des BGH vom 25.09.2018 – Az. VI ZR 65/18 stützt, kann auch daraus keine für den konkreten Streitfall entscheidungserhebliche Aussage des BGH entnommen werden. Gegenstand jener Entscheidung waren Aspekte der Schadensminderungsobliegenheit gem. § 254 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die vom Sachverständigen aufgestellte Reparaturkostenkalkulation und die Möglichkeit des Anspruchsgegners, den Geschädigten auf günstigere Stundenverrechnungssätze zu verweisen. Eine Relevanz für die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts, welcher nicht aus § 249 Abs. 2 BGB, sondern aus § 251 Abs. 1 BGB folgt, ergibt sich hieraus jedoch nicht.

f) Auch der Einwand des Berufungsführers, die Höhe des merkantilen Minderwerts lasse sich ohne tatsächlich erfolgte Reparatur nicht feststellen, verfängt nicht. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Höhe des eingetretenen Schadens ist § 287 ZPO. Nachdem es nicht erforderlich ist, dass der Eigentümer den (reparierten) Pkw tatsächlich veräußert, kann eine Bemessung des merkantilen Minderwerts, also des geminderten Verkaufswerts, nur auf Grundlage einer Schätzung erfolgen. Hierfür haben sich diverse Schätzungsmethoden herausgebildet, welche allein oder unter anderem auf die Reparaturkosten oder den Zeitwert des Pkws vor Eintritt des Schadens abstellen (vgl. Oetker a.a.O. § 249 Rn. 5; Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 34; BGH NJW 1980, 281). Hieraus folgt, dass der Bemessung des merkantilen Minderwerts stets maßgeblich ein Schätzungselement innewohnt. Soweit eine tatsächliche Reparatur nicht erfolgt ist, sind in diesem Fall – neben weiteren Faktoren – die fiktiven Reparaturkosten zugrunde zu legen. Dass die nach § 287 ZPO zulässige Schätzung in diesem Fall die Grenzen des Zulässigen überschreitet, ist dabei jedoch nicht festzustellen.

g) Dies zugrunde gelegt folgt das Berufungsgericht nicht mehr der bislang vertretenen Rechtsauffassung, wonach die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts bei fiktiver Abrechnung abzulehnen sei (vgl. etwa LG Regensburg Beschluss v. 27.12.2017 sowie Beschluss v. 11.01.2018 – Az. 21 S 185/17). Insbesondere sind für die Frage der Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts nicht dieselben Maßstäbe anzusetzen wie für die Nutzungsausfallentschädigung. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob es sich beim merkantilen Minderwert hinsichtlich eines Pkws, welcher nicht repariert wurde, um einen fühlbaren Schaden handelt.

Maßgeblich ist insoweit, dass das im Rahmen der Rechtsprechung für die Ersatzfähigkeit einer Nutzungsausfallentschädigung aufgestellten Kriterium der „Fühlbarkeit“ des Schadens den Umstand kompensiert, dass es sich bei dem Verlust der Gebrauchsmöglichkeit um einen lediglich mittelbaren Schaden handelt (vgl. Nur Palandt/Grüneberg, a.a.O. Vor § 249 Rn. 15). Um eine Bereicherung des Geschädigten einerseits und eine übermäßige Belastung des Schädigers andererseits zu vermeiden, ist es angezeigt, eine Nutzungsausfallentschädigung nur bei hypothetisch vorliegener Nutzungsmöglichkeit sowie Nutzungswillen zuzusprechen (vgl. BGH NJW 1966, 1260; NJW 1985, 2471). Auf diese Erwägungen kommt es jedoch für den merkantilen Minderwert nicht an, da es sich hierbei nicht um einen bloß mittelbaren Folgeschaden, sondern vielmehr um einen unmittelbaren Sachschaden handelt (vgl. BGH Urt. v. 23.11.2004 – Az. VI ZR 357/03 – zitiert nach juris). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Anerkennung von verlorenen Gebrauchsmöglichkeiten als Schaden der Natur nach nahe an die Begründung eines immateriellen Schadens heranreicht. Aus § 253 Abs. 1, Abs. 2 BGB folgt jedoch, dass das Gesetz eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden nur in engen Grenzen anerkennt. Auch vor diesem Hintergrund erscheint eine restriktive Handhabung für den Bereich Nutzungsausfallentschädigung angemessen, nicht jedoch in Bezug auf den merkantilen Minderwert eines unfallgeschädigten Pkws. Denn bei letzterem handelt es sich nicht um einen im Ausgangspunkt immateriellen Schaden handelt (BGH Urt. v. 03.10.1961 – VI ZR 238/60 – zitiert nach juris), sondern vielmehr um einen unmittelbaren Sachschaden (BGH Urt. v. 23.11.2004 – Az. VI ZR 357/03 – zitiert nach juris). Eine Einschränkung über das Kriterium der Fühlbarkeit des Schadens ist daher nicht veranlasst.

2. Soweit das Erstgericht auf dieser Grundlage der Höhe nach einen Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts in Höhe von 75 € angenommen hat, ist dies aus berufungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Rechtsfehler im Hinblick auf die Bemessung der Höhe des merkantilen Minderwerts wurden mit der Berufung nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Entscheidung der Kammer waren daher die nach § 529 Abs. 1 ZPO im Urteil des Amtsgerichts Chams festgestellten Tatsachen augrunde zu legen. Zutreffend hat das Erstgericht auf dieser Grundlage zunächst einen merkantilen Minderwert in Höhe von 100 € angenommen und dem Kläger sodann unter Berücksichtigung einer quotalen Eigenhaftung von 25 % einen Betrag von 75 € zugesprochen.

III.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die im gegenständlichen Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob der Eigentümer eines unfallgeschädigten Pkws den Ersatz des merkantilen Minderwerts auch dann verlangen kann, wenn er den Pkw nicht reparieren lässt, kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen.

Im Übrigen war die Revision zur Fortbildung des Rechts gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Die Frage der Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwerts bei fiktiver Abrechnung auf Gutachterbasis ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Eine eindeutige Aussage lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit von Schäden an Pkws nicht entnehmen.

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.03.1985 – VI ZR 204/83 lag eine Konstellation zugrunde, in der der unfallbeschädigte Pkw durch den Geschädigten unrepariert verkauft wurde und sodann die fiktiven Reparaturkosten nebst merkantilem Minderwert, letzterer in Höhe von 1.450 DM, durch diesen geltend gemacht wurden. Inhaltlich beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung lediglich mit der Frage nach der korrekten Berechnungsmethode im Rahmen des Vergleichs zwischen Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungsaufwand. Da die Feststellungen des Berufungsgerichts auf Basis der dargestellten Grundsätze unzureichend waren, war die Sache zurückzuverweisen. Eine weitergehende Einschränkung dahingehend, dass der merkantile Minderwert bei fiktiver Abrechnung von vornherein nicht ersatzfähig gewesen wäre, nahm der Senat jedoch nicht vor.

Auch in der Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 07.04.2004 – Az. I-1 U 12/04 machte der Kläger die fiktiven Reparaturkosten nebst merkantilem Minderwert geltend, ohne dass eine Reparatur tatsächlich erfolgt war. Eine Problematisierung der Frage, ob der merkantile Minderwert bei fiktiver Abrechnung ohne tatsächlich erfolgte (Teil-)Reparatur ersatzfähig ist, erfolgte nicht und hatte nicht zu erfolgen, da die Berufung aus anderen Gründen keinen Erfolg hatte. Mit Urteil vom 27.11.2000 – 1 U 2/00 sprach das OLG Düsseldorf jedoch die fiktiven Reparaturkosten zuzüglich des merkantilen Minderwerts in einem Fall zu, in dem der Geschädigte das Fahrzeug lediglich notdürftig, aber nicht fachgerecht reparieren ließ. Das OLG Hamburg wiederum bejahte mit Urteil vom 06.10.1981 – 7 U 105/80 die Ersatzfähigkeit des merkantilen Minderwert bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtensbasis, ohne dass eine Reparatur erfolgt war, und setzte sich in der Entscheidung inhaltlich mit den diversen Methoden der Berechnung des merkantilen Minderwerts auseinander. Dass bereits eine gleichlautende Entscheidung eines anderen Berufungsgerichts existiert, steht der Zulassung unter dem Aspekt der Fortbildung des Rechts jedoch nicht entgegen, da durch höchstrichterliche Rechtsprechung eine Festigung der Rechtsansicht erreicht werden kann.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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