OLG Frankfurt am Main
Az.: 1 UF 34/03
Urteil vom 30.10.2003
Vorinstanz: AG Hanau, Az.: 63 F 657/01
Orientierungssatz:
Zur Formbedürftigkeit einer Vereinbarung über die Zahlung von Ehegattenunterhalt bei gleichzeitiger Verpflichtung der (türkischen) Unterhaltsberechtigten, den Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht geltend zu machen.
In der Familiensache hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2003 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Hanau vom 24.01.2003 im Ausspruch zum Kindesunterhalt (Ziffer 3. des Urteilstenors) abgeändert.
Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin für die gemeinsame Tochter E…, geboren am 10.11.1987 folgenden Kindesunterhalt zu zahlen: für Juni 2002 269,00 EUR, für die Zeit von Juli 2002 bis einschließlich März 2003 monatlich 204,51 EUR, für die Zeit von April bis einschließlich Juli 2003 monatlich 269,00EUR, beginnend mit dem August 2003 monatlich 287,00 EUR sowie rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 1.345,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 04.06.2002.
Die Berufung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die Antragstellerin ist deutsche Staatsangehörige, der Antragsgegner ist türkischer Nationalität. Die Scheidung wurde durch Urteil des Familiengerichts vom 24.01.2003 ausgesprochen, das bezüglich der Scheidung seit dem 29.03.2003 rechtskräftig ist.
Mit seiner Berufung wendet sich der Antragsgegner gegen die in dem Scheidungsurteil ausgesprochene Feststellung, dass er der Antragstellerin ab Rechtskraft der Ehescheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1/3 des Verkaufspreises des Hauses X-Straße 19 in Y. schuldet, sowie gegen seine Verurteilung zu Kindesunterhalt für die gemeinsame Tochter F… . Mit der Anschlussberufung macht die Antragstellerin höheren Kindesunterhalt geltend. Die Parteien haben am 26.12.2000 privatschriftlich eine als Ehevertrag überschriebene Vereinbarung getroffen.
In § 1 dieses Vertrages heißt es: Falls unser Haus komplett verkauft wird, werde ich meiner Frau von dem Verkaufspreis 1/3 als Unterhalt zahlen. In § 2 wird die Zahlung eines Kindesunterhalts in Höhe von monatlich 400,00 DM bis zur Volljährigkeit vereinbart.
Weiter heißt es in dem Vertrag: Die obige Vereinbarung ist dann gültig, falls das Haus verkauft wird und die Eheleute sich scheiden lassen. Falls einer der Eheleute sich scheiden lassen will, dann hat sich der andere Partner an die Scheidung anzupassen. Außerdem, wenn außer den oben erwähnten Gründen und dem mir zugestandenen Recht das Haus verkauft ist und wir uns trennen, dann habe ich, E… K… kein Recht von meinem Ehemann Y… K… irgendein Sozialrecht zu verlangen.
Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf den übersetzten in Ablichtung zu den Akten gereichten Text Bezug genommen.
Der Antragsgegner begründet seine Berufung zum Ehegattenunterhalt damit, dass die gesamte Vereinbarung in dem Ehevertrag ungültig sei.
Soweit die Antragstellerin erklärt habe, für den Fall des Hausverkaufs kein „Sozialrecht“ zu verlangen, seien damit insbesondere die Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich gemeint gewesen. Ein solcher Verzicht sei jedoch nicht wirksam, er hätte notariell beurkundet werden müssen. Dies führe auch zur Unwirksamkeit der übrigen Vereinbarung. Nachdem auf Antrag der Antragstellerin der Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei, sei zudem die Bedingung dafür entfallen, dass sie aus dem Hausverkauf Rechte herleiten könne.
Hinsichtlich der Verurteilung zum Kindesunterhalt wendet der Antragsgegner ein, nicht leistungsfähig zu sein. Er beziehe lediglich Arbeitslosenhilfe, die Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes seien bislang erfolglos geblieben. Dies liege auch daran, dass er wegen dauerhafter Kreuzprobleme nicht für schwere körperliche Arbeiten vermittelbar sei und außerdem wegen einer Vorstrafe bislang von jedem Arbeitgeber abgelehnt worden sei.
Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, die Klage abzuweisen soweit die Verurteilung zu Ehegatten- und Kindesunterhalt betroffen sei.
Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie, in Abänderung des angefochtenen Urteils, den Antragsgegner zu verurteilen zu Händen der Antragstellerin monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 269,00 EUR beginnend ab Rechtskraft der Scheidung sowie ab August 2003 Kindesunterhalt für F… in Höhe von monatlich 284,00 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, die Vereinbarung im Ehevertrag sei nicht unwirksam. Bei dem als „Sozialrecht“ bezeichneten Recht habe es sich nicht um den Versorgungsausgleich gehandelt, sondern darum, dass eine Inanspruchnahme des Antragsgegners durch die Sozialhilfebehörden verhindert werden sollte.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO).
Die Berufung des Antragsgegners ist unbegründet, die Anschlussberufung der Antragstellerin führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Kindesunterhalt.
Der Antragsgegner hat sich durch den privatschriftlich abgeschlossenen Ehevertrag der Parteien wirksam dazu verpflichtet, an die Antragstellerin für den Fall der Veräußerung des gemeinsamen Hauses 1/3 des Kaufpreises als Unterhalt zu zahlen. Die Vereinbarung in dem Ehevertrag war formlos wirksam, insbesondere bedurfte sie nicht der notariellen Beurkundung. Dabei kann dahinstehen, um welchen Anspruch der Antragstellerin es sich bei dem im Vertragstext als „Sozialrecht“ bezeichneten nach der Vorstellung der Parteien handeln sollte. Auch wenn man die von dem Antragsgegner vorgenommene Auslegung übernimmt, es habe sich dabei um den Versorgungsausgleich gehandelt, führt dies nicht zur Formbedürftigkeit der Vereinbarung. Gegenstand des Ehevertrages wäre auch bei dieser Auslegung nicht eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, sondern lediglich eine Verpflichtung der Antragstellerin, ihren Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht geltend zu machen. Da die Ehe der Parteien nach türkischem Recht geschieden wurde, welches den Versorgungsausgleich nicht kennt, stand es ausschließlich im Belieben der Antragstellerin, den Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zu stellen (Artikel 17 Abs. 3 BGB). Da ihr somit die volle Dispositionsbefugnis über die Durchführung des Versorgungsausgleichs zustand, konnte sie die Antragstellung auch ohne weiteres von weiteren Bedingungen abhängig machen, ohne dass es dafür der Einhaltung irgendwelcher Formvorschriften bedurfte (vgl. zu der ähnlichen Problematik bei dem Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs OLG Karlsruhe, FamRZ 1989, Seite 762 f.).
Inwieweit die genannte Vereinbarung bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu beachten gewesen wäre, bedarf hier keiner Erörterung, denn die Durchführung des Versorgungsausgleichs in dem angefochtenen Urteil ist von keiner der Parteien angefochten worden. Einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Unterhaltsregelung in dem Ehevertrag hat dies nicht.
Der Antragstellerin steht somit ein Anspruch auf Unterhalt in der vereinbarten Form als Teilhabe an dem Verkaufspreis zu. Dies war auf ihren Antrag hin festzustellen.
Die Berufung des Antragsgegners war erfolglos, auch soweit es seine Verurteilung zur Zahlung von Kindesunterhalt betrifft. Das Familiengericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt, dass der Antragsgegner sowohl aus der privatschriftlichen Vereinbarung der Parteien, als auch nach dem hier anzuwendenden deutschen Recht zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet ist. Der Antragsgegner hat auch in der Berufungsinstanz keine ausreichenden Gründe dafür vorgetragen, warum es ihm trotz der von ihm behaupteten Bemühungen bislang nicht gelungen sei, eine Erwerbstätigkeit zu erlangen, die es ihm erlaubt, den titulierten Kindesunterhalt zu zahlen. Seine Meldung beim Arbeitsamt reicht dafür nicht aus, er ist vielmehr gehalten, sich stetig und ausdauernd um jegliche Art von Arbeit zu bemühen.
Auf die Anschlussberufung war das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als für die Zeit nach der Scheidung ein höherer Kindesunterhalt begehrt wird. Die Antragstellerin begehrt für die minderjährige Tochter der Parteien Unterhalt lediglich in Höhe der dem Alter entsprechenden niedrigsten Bedarfssätze nach der Düsseldorfer Tabelle (Regelbedarf). Sie ist somit nicht darlegungspflichtig dafür, dass der Antragsgegner in der Höhe dieses Bedarfs auch leistungsfähig ist (vgl. BGH FamRZ 2002, S. 536 ff, 540).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.