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Radfahrer durch herabfallende Baumkrone verletzt – Schadensersatzansprüche gegen Gemeinde

Rechtsstreit um verletzten Radfahrer: Schadensersatzansprüche gegen Gemeinde wegen Baumkronen-Unfall

Ein Radfahrer, der durch eine herabfallende Baumkrone verletzt wurde, steht im Mittelpunkt eines rechtlichen Falles, der die Frage der Schadensersatzansprüche gegen eine Gemeinde aufwirft. Dieser Fall wirft nicht nur Fragen zur Verkehrssicherungspflicht auf, sondern auch zur Haftung und zur Definition von öffentlichen Wegen und Waldwegen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 U 51/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass die Gemeinde trotz der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht für einen Rad-/Wanderweg, der durch ein Waldgrundstück führt, nicht für Verletzungen eines Radfahrers durch eine herabfallende Baumkrone haftbar ist, da sich die Verkehrssicherungspflicht auf nichtwaldtypische Gefahren beschränkte.

  • Ein Radfahrer wurde durch eine herabfallende Baumkrone erheblich verletzt, während er auf einem Rad-/Wanderweg fuhr.
  • Der betroffene Abschnitt des Weges liegt auf einem Privatgrundstück.
  • Es gab Diskussionen darüber, ob der Weg als öffentlich gewidmete Verkehrsfläche betrachtet werden sollte und ob die Gemeinde regelmäßige Kontrollen des Baumes hätte durchführen müssen.
  • Die Gemeinde hatte die Verkehrssicherungspflicht für den Weg vom Grundstückseigentümer übernommen.
  • Das Gericht stellte fest, dass der Weg durch ein Waldgrundstück führt.
  • Die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde beschränkte sich auf den Schutz vor nichtwaldtypischen Gefahren.
  • Die Gemeinde bewarb den Weg im Internet für touristische Zwecke, was jedoch keine gesteigerten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht begründete.
  • Trotz der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht durch die Gemeinde wurde entschieden, dass sie nicht für das Unfallgeschehen haftbar gemacht werden kann.

Rechtliche Grundlagen und Zuständigkeiten

Verkehrssicherungspflicht Waldweg
(Symbolfoto: Mikhail Kadochnikov /Shutterstock.com)

Der Vorfall ereignete sich auf einem Rad-/Wanderweg, der als öffentlicher Weg in einer öffentlichen Grünfläche festgelegt wurde. Ein Teil dieses Weges verläuft jedoch über Privatgrundstücke. Nach einer Beschlussfassung wurde den privaten Grundstückseigentümern von der beklagten Gemeinde bestätigt, dass die Wegebau-, Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten auf die Gemeinde übergehen würden.

Kern des rechtlichen Disputs

Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall drehten sich um die Frage, ob der Rad-/Wanderweg als eine öffentlich gewidmete Verkehrsfläche betrachtet werden sollte. Dies hätte bedeutet, dass die Gemeinde regelmäßige Kontrollen des schadensverursachenden Baumes durchführen müsste. Es wurde auch diskutiert, ob die Gemeinde zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens Kenntnis vom schlechten Zustand der Bäume am Wegesrand hatte.

Die Rolle der Gemeinde und die Natur des Weges

Die Zusammenhänge sind komplex. Obwohl die Gemeinde nicht selbst Waldbesitzerin im Sinne des § 4 BWaldG ist, wurde argumentiert, dass sie durch die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers gleichgestellt werden sollte. Es gab jedoch Zweifel, ob der betreffende Weg tatsächlich durch einen Wald führt oder ob er lediglich von Bäumen begleitet wird. Dies ist relevant, da die Verkehrssicherungspflicht für Waldwege anders ist als für an öffentliche Straßen angrenzende Wälder.

Urteilsfazit und dessen Auswirkungen

Das Gericht entschied, dass die Gemeinde in Bezug auf den schadensverursachenden Baum keine privatrechtliche Verkehrssicherungspflichtverletzung zu verantworten hat. Obwohl die Gemeinde die Verkehrssicherungspflicht für den Weg übernommen hatte, beschränkte sich diese Pflicht auf den Schutz des Wegebenutzers vor nichtwaldtypischen Gefahren. Es wurde festgestellt, dass der Abbruch der Baumkrone aufgrund einer im Laufe der Zeit im Inneren des Baumes entstandenen Braunfäule geschah, was als waldtypische Gefahr betrachtet wurde.

Es gibt jedoch einige Besonderheiten in diesem Fall. Die Gemeinde hatte den Weg nicht nur übernommen, sondern auch im Internet für touristische Zwecke beworben. Trotzdem wurde argumentiert, dass die Gemeinde keine gesteigerten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht hat, nur weil der Weg stärker frequentiert wird.

Das Fazit des Urteils ist, dass die Gemeinde nicht für das Unfallgeschehen haftbar gemacht werden kann. Die Entscheidung beruht auf der Tatsache, dass der Weg durch ein Waldgrundstück führt und die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde sich auf nichtwaldtypische Gefahren beschränkte. Dieser Fall zeigt die Komplexität der Verkehrssicherungspflicht und die Notwendigkeit, die genaue Natur und Nutzung eines Weges zu berücksichtigen, bevor Entscheidungen über die Haftung getroffen werden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


  • Verkehrssicherungspflicht: Die Verkehrssicherungspflicht ist eine gesetzliche Pflicht, die dazu dient, die Sicherheit auf einem bestimmten Gelände oder bei bestimmten Aktivitäten zu gewährleisten. Diese Pflicht erfordert, dass eine Person oder Organisation, die die Kontrolle über ein Grundstück oder eine Anlage hat, notwendige und zumutbare Maßnahmen ergreift, um Schäden zu verhindern, die aufgrund von Gefahren entstehen könnten, die von diesem Grundstück oder dieser Anlage ausgehen. Im vorliegenden Fall könnte die Beklagte haftbar sein, wenn sie die Kontrolle über den Wander- und Radweg übernommen hat und nicht ausreichende Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit ergriffen hat, beispielsweise durch regelmäßige Prüfung und Wartung der Bäume entlang des Weges. Die Verkehrssicherungspflicht kann sich auf öffentliche und private Grundstücke erstrecken, aber die spezifischen Pflichten können je nach Art des Grundstücks und der damit verbundenen potenziellen Gefahren variieren.
  • Faktische bzw. konkludente Widmung: Eine faktische oder konkludente Widmung tritt auf, wenn ein Weg oder eine Straße faktisch öffentlich zugänglich ist, auch wenn keine formelle Widmung oder öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist. Dies kann aufgrund langjähriger Nutzung durch die Öffentlichkeit oder aufgrund bestimmter Zeichen oder Maßnahmen des Grundstückseigentümers geschehen, die darauf hindeuten, dass der Zugang zur Öffentlichkeit gestattet ist. Im vorliegenden Fall könnte der Rad-/Wanderweg als öffentlich zugänglich angesehen werden, wenn er beispielsweise regelmäßig von der Öffentlichkeit genutzt wird und die Beklagte diese Nutzung zugelassen oder gefördert hat. Die konkludente Widmung ist ein rechtliches Konzept, das auf der Annahme beruht, dass die Handlungen einer Person eine stillschweigende Zustimmung oder Genehmigung darstellen können.
  • Allgemeinheit in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit: Dieser Begriff bezieht sich auf die Vorstellung, dass die Allgemeinheit davon überzeugt ist, dass ein bestimmter Weg oder eine Straße rechtmäßig genutzt werden kann, auch wenn keine formelle Widmung vorliegt. Dies kann durch eine lange und ungestörte Nutzung, durch die Existenz von Verkehrszeichen oder durch andere Faktoren, die auf eine öffentliche Nutzung hindeuten, erzeugt werden. Im vorliegenden Fall könnte die Allgemeinheit der Meinung sein, dass der Radweg rechtmäßig genutzt werden kann, wenn er regelmäßig und ohne Einschränkungen genutzt wird, wenn er durch Verkehrszeichen gekennzeichnet ist oder wenn er in touristischen Informationen als öffentlicher Weg aufgeführt ist. Diese Überzeugung kann rechtliche Auswirkungen haben und dazu führen, dass der Weg als faktisch öffentlich zugänglich angesehen wird.

§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil:


  • Bundeswaldgesetz (BWaldG): Das Bundeswaldgesetz regelt die Definition von Wald, seine Schutzfunktion und die Nutzung. In diesem Fall wird diskutiert, ob der betroffene Weg durch einen Wald führt und ob die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf nicht waldtypische Gefahren beschränkt ist.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 823 Abs. 1: Dieser Paragraph regelt die Haftung bei Schädigung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder einem sonstigen Recht eines anderen. In diesem Fall geht es um die Frage, ob die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und daher haftbar ist.
  • Landesforstgesetz (LFoG) NRW: Dieses Gesetz regelt die Nutzung und den Schutz von Wäldern auf Landesebene. Hier wird diskutiert, ob die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf waldtypische oder nicht waldtypische Gefahren beschränkt ist und wie diese Regelung im Kontext des Falles interpretiert wird.

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Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: 1 U 51/22 – Urteil vom 30.06.2023

Die Berufung des Klägers gegen das am 03.07.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (Az.: 6 O 30/21) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Unfalls, den er am 00.00.2018 gegen 11.10 Uhr als Radfahrer auf dem entlang des Baches A verlaufenden Rad-Wanderweges infolge einer herabstürzenden Baumkrone erlitten hat, auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus dem Unfallgeschehen entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

Der vorgenannte Rad-/Wanderweg verläuft zwischen B und C. Mit Ratsbeschluss vom 21.02.1975 hatte die Beklagte beschlossen, den zwischen der D Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01 „E“ in Höhe des F Weges gelegenen Teil des Rad-/Wanderweges als öffentlichen Weg in einer öffentlichen Grünfläche festzusetzen. Für den westlich davon gelegenen Teilabschnitt des Rad-/Wanderweges bis zur G Straße, der über Privatgrundstücke verläuft, wurde beschlossen, dass der Weg in einer privaten Grünfläche als öffentliche Wanderwegfläche nachrichtlich dargestellt wird. Im Anschluss an die Beschlussfassung wurde den privaten Grundstückseigentümern von der Beklagten bestätigt, dass die Wegebau-, Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten auf die Beklagte übergehen.

Zum Unfallzeitpunkt waren von der Beklagten an dem an der G straße gelegenen Einmündungsbereich des Rad-/Wanderweges das Verkehrszeichen Nr. 240 StVO (gemeinsamer Geh- und Radweg), ein Verbotszeichen für Reiter sowie Pfeilwegweiser für den Fußgänger– und Radverkehr aufgestellt.

Der Kläger befuhr zum Unfallzeitpunkt den Rad-/Wanderweg von B kommend in Richtung C. Als er sich mit seinem Fahrrad ca. 150 m vor der G Straße befand, brach plötzlich aus einer am Wegesrand stehenden Eiche in ca. 6 bis 7 Meter Höhe die Baumkrone ab und stürzte auf den Kläger, wodurch dieser erhebliche Verletzungen erlitt. Der betreffende Abschnitt des Wanderweges ist auf einem im Eigentum des Herrn H stehenden Privatgrundstück gelegen.

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In erster Instanz haben die Parteien unter anderem darüber gestritten, ob es sich bei dem Rad-/Wanderweg um eine öffentlich gewidmete Verkehrsfläche handelt, die Beklagte aufgrund der von ihr vom Grundstückseigentümer übernommenen Verkehrssicherungspflicht zu regelmäßigen Kontrollen des schadensverursachenden Baumes verpflichtet war, sie bei diesen Kontrollen den nicht verkehrssicheren Zustand des schadensverursachenden Baumes hätte erkennen können und müssen, und ob die Beklagte unabhängig hiervon zum Unfallzeitpunkt positive Kenntnis von dem schlechten Zustand der am Wegesrand stehenden Bäume hatte. Außerdem hat man über den Umfang der vom Kläger durch den Unfall erlittenen Verletzungen, Verletzungsfolgen und materiellen Schäden gestritten.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem Kläger mangels Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten weder Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zustünden. Der Unfall habe sich auf einem durch einen Wald i.S.v. § 2 LFoG NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 BWaldG führenden Waldweg ereignet. Es handele sich nicht um bloße Baumgruppen, sondern eine mit Forstpflanzen bestückte Grünfläche. Der 2,5 km lange Weg sei beidseitig mit einer Vielzahl von Bäumen und Baumreihen bestückt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf die Sicherung gegen nicht waldtypische Gefahren beschränkt. Eine Haftung für waldtypische Gefahren bestehe grundsätzlich nicht. Die Beklagte sei zwar nicht selbst Waldbesitzerin i.S.v. § 4 BWaldG, sei diesem aber durch die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers insoweit gleichzustellen. Eine Verpflichtung zur Durchführung regelmäßiger Kontrollen der Bäume, wie sie für an öffentlich gewidmeten Straßen stehende Bäume angenommen werde, habe vorliegend für die Beklagte nicht bestanden, weil der insoweit darlegungs- und beweislastete Kläger eine förmliche Widmung des Weges als öffentlichen Straße durch öffentliche Bekanntmachung einer dahingehenden Allgemeinverfügung nicht dargetan habe. Auch eine konkludente Widmung des Weges zur öffentlichen Straße, etwa durch Übernahme der Wegebau-, Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte, durch die Zugänglichmachung des Weges für die Bürger und Bürgerinnen oder durch das Aufstellen des Verkehrszeichen, komme nicht in Betracht. Mit dem Abbruch des Astes habe sich vorliegend auch eine waldtypische, nämlich dem Baum innewohnende Gefahr

verwirklicht, für deren Verhinderung der Beklagten keine Verkehrssicherungspflicht oblegen habe und sie damit auch nicht hafte. Der Beklagten habe schließlich auch keine Verkehrssicherungspflicht aus § 242 BGB wegen etwaiger positiver Kenntnis von dem schlechten Zustand der Bäume in dem hier betroffenen Wald oblegen. Denn eine dahingehende Haftung würde dem Sinn und Zweck des Haftungsausschlusses für waldtypische Gefahren widersprechen. Ansonsten könnte durch jedwede Mitteilung einer Gefahr eine Haftung begründet werden, die nach dem gesetzgeberischen Willen ausgeschlossen sein solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlichen Anträge und den weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 03.07.2022 (Blatt 204 bis 214 LG-Akten Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter. Er bezweifelt, dass der betreffende Weg tatsächlich durch einen Wald führt, weil er eher von Bäumen begleitet werde, ohne ein zusammenhängendes Waldgebiet zu begründen. Doch selbst wenn es sich bei dem Weg um einen Waldweg handele, diene dieser nicht Naherholungszwecken, sondern sei ein Radweg von überregionaler Bedeutung, so dass vorliegend nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verkehrssicherungspflicht auf einem Waldweg, sondern diejenige zu einem an eine öffentliche Straße angrenzenden Wald Anwendung finde. Vorliegend sei auch die Interessenlage eine andere als diejenige, die der aus § 14 Abs. 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 BWaldG i.V.m. § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LFoG NRW hergeleiteten Haftungsbeschränkung des Waldbesitzers zugrunde liege. Die Beklagte habe auf dem Grundstück des Eigentümers H ein Rad- und Fußwegenetz ausgebaut und werbe damit sogar im Internet. Sie nutze damit fremdes Eigentum im eigenen Interesse. Aufgrund der Rechtsvorteile, die die Beklagte aus dieser Rechtssituation ziehe, habe sie auch höhere Pflichten, namentlich die Verkehrssicherungspflichten, die sie augenscheinlich verletzt habe. Seines Wissens sei der in Rede stehende Fuß- und Radweg zwar nicht durch einen hoheitlichen Verwaltungsakt gewidmet worden sei. Allerdings liege aufgrund der Tatsachen, dass der Radweg durch das Verkehrszeichen 240 beschildert sei, er für jedermann öffentlich zugänglich sei und die Beklagte mit dem Radweg als Teil eines großen Radwegenetzes touristische Interessen verfolgt habe, eine faktische bzw. konkludente Widmung vor. Darüber hinaus habe das Landgericht seine Ausführungen unberücksichtigt gelassen, dass nach wesentlichen Teilen der Literatur eine Verkehrssicherungspflichtverletzung dann anzunehmen sei, wenn augenscheinlich eine sogenannte Megagefährdung vorliege und der Verkehrssicherungspflichtige von dieser Kenntnis habe. Das sei hier der Fall gewesen. Spätestens durch die Mitteilung des von ihm benannten Zeugen I sei der Beklagten bekannt gewesen, dass durch den streitgegenständlichen Baum und ebenfalls umliegende Bäume eine erhebliche Gefahr ausgegangen sei. Insoweit hätte das Landgericht den von ihm benannten Zeugen I hören müssen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 07.03.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld (Az.: 6 O 30/21)

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.065,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber mindestens 20.000,00 € betragen sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 01.09.2018 entstehen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.194,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise: die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als richtig. Auf die ihr vom Senat mit der Ladungsverfügung erteilten Auflagen hin hat die Beklagte nochmals bekräftigt, dass keine Widmung des Rad-/Wanderweges zur öffentlichen Straße erfolgt sei, und ergänzend vorgetragen, dass der im Bereich zwischen der G Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01 „E“ gelegene Abschnitt des Rad-Wanderweges in dem Bebauungsplan Nr. 02 „Wanderweg an der A“ als „öffentliche Wanderfläche in einer privaten Grünfläche“ nachrichtlich übernommen worden sei, diese Flächen aber im Privatbesitz geblieben seien. Der Wanderweg sei auch schon vor dem Ratsbeschluss vom 21.02.1975 als Wanderweg genutzt, aber nicht von der Beklagten gepflegt und unterhalten worden. Während der Offenlegung des Bebauungsplanes Nr. 02 hätten verschiedene Anwohner Anregungen eingebracht. Dabei habe unter anderen der Grundstückeigentümer H erklärt, den Wanderweg der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, er dafür aber erwarte, dass die Unterhaltspflicht und die Haftung von der Beklagten übernommen wird. Entsprechend sei den Grundstückseigentümern am Wanderweg im Anschluss an den Ratsbeschluss vom 21.02.1975 schriftlich der Übergang der Verkehrssicherungspflicht bestätigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Berufungsvorbringens beider Parteien wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat am 02.06.2023 den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 02.06.2023 (Blatt 305 OLG-Akten) Bezug genommen. Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft Bielefeld, Az. 901 UJs 240/18 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Kläger wegen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens vom 01.09.2018 keine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zustehen.

1. Ansprüche des Klägers aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG i.V.m. kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagten im Zusammenhang mit dem unfallverursachenden Baum keine Amtspflichtverletzung zur Last fällt.

Denn die Verkehrssicherungspflicht für Bäume ist in Nordrhein-Westfalen allein insoweit als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet, als es sich bei ihnen um Straßenbäume handelt. Die in § 9 StrWG NRW für die öffentlichen Straßen geregelte Verkehrssicherungspflicht obliegt den zuständigen Straßenbaulastträgern nach § 9a Abs. 1 StrWG NRW als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Sie umfasst die gesamte Straße bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist. Sie erstreckt sich damit auch auf den Schutz vor Gefahren durch Straßenbäume (BGH, Urteil vom 19.01.1989, III ZR 258/87 – Rz. 19 juris).

a) Vorliegend traf die Beklagte schon deshalb keine öffentlichrechtliche Verkehrssicherungspflicht für den unfallverursachenden Baum, weil dieser nicht an einer öffentlichen Straße steht.

Das Straßen- und Wegegesetz NRW gilt nur für öffentliche Straßen (§ 1 StrWG NRW). Hierunter fallen nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 StrWG NRW nur diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.

Dabei erfolgt gemäß § 6 Abs. 1 und 2 StrWG NRW die Widmung durch eine seitens der Straßenbaubehörde mit Rechtsmittelbelehrung öffentlich bekanntzumachende Allgemeinverfügung.

Eine dahingehende förmliche Widmung zur öffentlichen Straße lässt sich für den zwischen der G Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01, „E“ gelegenen Abschnitt des Rad-/Wanderweges, auf dem sich der streitgegenständliche Unfall ereignet hat, nicht feststellen. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat in der Berufungsinstanz zuletzt mit Schriftsatz vom 25.04.2023 selbst vorgetragen, nicht behaupten zu können, dass der in Rede stehende Fuß- und Radweg durch einen hoheitlichen Verwaltungsakt gewidmet worden ist.

Aber auch eine konkludente Widmung des vorgenannten Abschnitts des Rad-/Wanderweges, der über Privatgrundstücke verläuft, kann nicht festgestellt werden. Zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 02 „Wanderweg an der A“ durch die Beklagte galt noch das am 01.01.1962 in Kraft getretene Landesstraßengesetz vom 28.11.1961 (LStrG). Schon dieses sah vor, dass öffentliche Straßen nur die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze sind (§ 2 Abs. 1 LStrG), und forderte für die Widmung eine mit Rechtsmittelbelehrung versehene, öffentlich bekanntzumachende förmliche Widmungsverfügung des Straßenbaulastträgers, in der unter anderem die Straßengruppe, zu der die Straße gehört (§ 6 Abs. 1 und 3 LStrG) angegeben wird. Schon das Landesstraßengesetz von 28.11.1961 schloss damit – abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 6 Abs. 5 S. 1 LStrG – eine konkludente Widmung von Straßen, Wegen und Plätzen zu öffentlichen Straßen grundsätzlich aus (vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 18.09.2018, 11 A 2467/16 Rz. 9 ff.).

Dass der zwischen der G Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01 „E“ gelegene Abschnitts des Rad-Wanderweges schon nach dem vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes geltenden preußischen Wegerecht zur öffentlichen Straße gewidmet worden oder nach den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung öffentliche Straße gewesen ist, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts setzte das Entstehen eines öffentlichen Weges das rechtswirksame Zustandekommen der Widmung durch übereinstimmende Erklärungen des Eigentümers der Wegefläche, des Wegeunterhaltungspflichtigen und der Wegeaufsichts-/polizeibehörde voraus, dass der Weg fortan dem allgemeinen Verkehr dienen solle. Dass dahingehende übereinstimmende Erklärungen von den drei vorbezeichneten Rechtsbeteiligten betreffend den über das Grundstück des Eigentümers H entlang der A verlaufenden Weg vor dem 01.01.1962 ausdrücklich abgegeben worden sind, hat der Kläger nicht dargetan. Aber auch eine damals noch mögliche stillschweigende Widmung des Weges zur öffentlichen Straße durch die drei vorgenannten Rechtsbeteiligten kann nicht festgestellt werden. Denn auch diese würde tatsächliche Vorgänge voraussetzen, welche den zu ihrer Zeit vorhandenen Widmungswillen der drei vorgenannten Rechtsbeteiligten erkennen lassen (OVG NRW, Beschluss vom 18.09.2018, 11 A 2467/16 – Rz. 23 juris). Auch hierfür fehlt es an jedweden Darlegungen des Klägers. Dass der Weg nach dem Vortrag der Beklagten vor dem Ratsbeschluss vom 21.02.1975 als Wanderweg genutzt wurde, reicht für die Annahme einer konkludenten Widmung nicht. Allein aus dem Umstand, dass der Eigentümer über längere Zeit hinweg den allgemeinen Verkehr über sein Grundstück duldet, kann nicht ohne weitere Umstände der Schluss gezogen werden, dass er sich den besonderen Wirkungen der Widmung seines Grundstücksteils für den öffentlichen Verkehrs bewusst gewesen und im Bewusstsein der eigentumsbeschränkenden Wirkungen mit der faktischen Widmung einverstanden gewesen ist (OVG NRW, Beschluss vom 18.09.2018, 11 A 2467/16 – Rz. 31 und 33 juris, OVG NRW Urteil vom 26.11.2003, 11 A 251/01 – Rz. 92 juris).

Eine Öffentlichkeit des streitgegenständlichen Wegeabschnittes nach den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung würde hingegen voraussetzen, dass er seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- oder wegeunterhaltungspflichtigen Privateigentümers von der Allgemeinheit in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist. Dafür muss die Existenz des Weges bereits seit 1882 feststehen (OVG NRW, Urteil vom 29.04.2009, 11 A 3657/06 – Rz. 56 juris). Schon dafür hat der Kläger nichts vorgetragen. Darüber hinaus reicht die stillschweigende Duldung eines über einen Privatweg verlaufenden allgemeinen Verkehrs durch den Eigentümer des Privatweges auch nicht dazu aus, der Allgemeinheit ohne weiteres die Überzeugung zu vermitteln, dass der Weg rechtmäßiger Weise als öffentlicher Weg benutzt wird (OVG NRW, Urteil vom 19.06.2000 – 11 A 1045/97 – Rz. 88 juris).

b) Unabhängig davon scheitert eine Haftung der Beklagten aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG aber auch daran, dass es sich bei der schadensverursachenden Stieleiche um keinen dem Rad-/Wanderweg zuzuordnenden „Straßenbaum“ gehandelt hat.

Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Baum, der am Rand eines an einer öffentlichen Straße angrenzenden Waldstücks steht, nur dann der Straße zuzuordnen, wenn er Eigentümlichkeiten aufweist, die ihn vom Waldsaum abheben. Solange er unauffällig im Wald steht, erstreckt sich die öffentlich rechtliche Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers nicht auf ihn (BGH, 19.01.1989, III ZR 258/87 – Rz. 20 juris).

Das Landgericht ist auf der Grundlage vom Kläger mit dem Privatgutachten Achterberg zu den Akten gereichten Lichtbilder in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Überzeugung gelangt, dass der schadensverursachende Baum in einem Wald i.S.d. § 2 Abs. 1 BWaldG, nämlich einer mit Forstpflanzen bestückten Grünfläche gelegen ist. Soweit der Kläger mit der Berufung einwendet, dass der Weg eher von Bäumen „begleitet werde“, ohne dass diese ein zusammenhängendes Waldgebiet begründen würden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 BWaldG in der Flur oder im bebauten Gebiet gelegene kleinere Flächen, die mit einzelnen Baumgruppen, Baumreihen oder mit Hecken bestockt sind, kein Wald im Sinne von § 2 Abs. 1 BWaldG. Darüber geht aber der auf dem Grundstück des Eigentums H gelegene Baumbestand deutlich hinaus. Ausweislich der auf Seite 4 des Privatgutachtens Achterberg befindlichen Luftbildaufnahme sowie den auf den Seiten 5 bis 12 des Privatgutachtens befindlichen Lichtbildern ist der schadensverursachende Baum innerhalb des entlang der A verlaufenden Waldstreifens gelegen, der jedenfalls im Bereich des Grundstückseigentümers H aus einer Vielzahl von Baumreihen besteht. Letzteres ist auch auf den von der Beklagten im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 07.10.2022 zu den Akten gereichten Lichtbildern (Blatt 92 bis 93 OLG-Akten), die während der Aufräumarbeiten gefertigt wurden, eindeutig zu erkennen. Dass der Unfallort in einem Waldstück gelegen ist, entspricht im Übrigen selbst der Einschätzung des vom Kläger beauftragten Privatgutachters Achterberg, wenn er auf Seite 4 seines Gutachtens ausgeführt, dass der Radweg von „Wald“ umgeben sei. Der schadensverursachende Baum stand ausweislich des Lichtbildes Blatt 93 OLG-Akten inmitten des Waldstreifens, ohne dass er sich aufgrund irgendwelcher Eigentümlichkeiten von dem sonstigen Baumbestand abhob.

2. Dem Kläger stehen aber auch keine Ansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Denn der Beklagten fällt auch in Bezug auf den schadensverursachenden Baum keine privatrechtliche Verkehrssicherungspflichtverletzung zur Last. Zwar scheidet eine solche vorliegend nicht schon deshalb aus, weil das Grundstück, auf dem sich der schadensverursachende Baum befand, nicht im Eigentum der Beklagten steht und ihr damit keine eigene, originäre Verkehrssicherungspflicht für dieses oblag. Denn unstreitig hatte die Beklagte nach Erlass des Ratsbeschlusses vom 21.02.1975 auf Wunsch des Grundstückeigentümer H von diesem die Wegebau-, Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht für den Wanderweg übernommen. Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB scheitern aber daran, dass der Rad-/Wanderweg an der Unfallstelle durch ein Waldgrundstück führt und sich die von der Beklagten übernommene Verkehrssicherungspflicht damit auf den Schutz des Wegebenutzers vor nichtwaldtypischen Gefahren beschränkte.

a) Wie vorstehend bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem auf dem Grundstück des Eigentümers H entlang der A stehenden Baumbestand um einen Wald im Sinne von § 2 Abs. 1 BWaldG. Der vom Kläger am Unfalltag genutzte Rad-Wanderweg verläuft ausweislich der bei den Akten befindlichen Lichtbilder durch dieses Waldstück hindurch. Mangels Widmung zur öffentlichen Straße stellt er damit einen durch den Wald verlaufenden Waldweg i.S.v. § 2 Abs. 1 BWaldG dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haftet der Waldbesitzer dem Benutzer von Waldwegen aber nicht für Schäden, die er infolge waldtypischer Gefahren erleidet. Die Haftungsbeschränkung des Waldbesitzers auf atypische Waldgefahren wird vom Bundesgerichtshof daraus hergeleitet, dass nach § 14 Abs. 1 BWaldG dem Waldbesucher das Betreten des Waldes sowie das Radfahren auf Straßen und Wegen im Wald gestattet ist, wobei die Benutzung auf seine eigene Gefahr hin geschieht. Gleichlautende Regelungen finden sich § 2 Abs. 1 und 2 Landesforstgesetz NRW (LFoG). Der Waldbesucher setzt sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen Gefahren aus. Nach der Wertung des Gesetzgebers fallen diese Gefahren grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Waldbenutzers (BGH, Urteil vom 02.10.2012, VI ZR 311/11 – Rz. 11 ff. juris). Indem § 2 LFoG dem Waldbesucher auf der Grundlage von § 14 BWaldG eine Betretungsbefugnis einräumt, ihm zugleich aber das Risiko waldtypischer Gefahren auferlegt, schafft die Vorschrift einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldeigentümer (BGH, a.a.O. – Rz. 19 zu § 25 LWaldG SL). Mit der Vorschrift des § 14 BWaldG will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass es dem Waldbesitzer verwehrt ist, seinen Verkehrssicherungspflichten dadurch nachzukommen, dass er Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehrt (BGH, a.a.O. – Rz. 22 juris). Die Haftungsbeschränkung auf atypische Waldgefahren gilt dabei auch für Waldwege. Denn gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BWaldG gelten auch Waldwege als Wald. Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt oder mit dem Fahrrad befährt, kann deshalb grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift (BGH, a.a.O. – Rz. 15 juris).

b) Mit dem vom Kläger erlittenen Unfall hat sich eine waldtypische Gefahr in dem vorgenannten Sinne realisiert. Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern muss, zählen solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Sie umfassen die Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen ausgehen. Dazu gehören etwa die Gefahren, die von herabhängenden Ästen oder aus der mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen ausgehen (BGH, a.a.O. – Rz. 25 juris). Auch vorliegend hat sich mit dem Abbruch der Baumkrone eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet gewesen ist. Denn unstreitig ist es dadurch zu dem Abbruch der Baumkrone gekommen, dass die Stand- und Bruchfestigkeit der Stieleiche infolge der im Lauf der Zeit im Inneren ihres Stammes entstandenen Braunfäule soweit geschwächt wurde, dass der Stamm das Gewicht der Baumkrone schließlich nicht mehr zu tragen vermochte.

c) Der vorliegende Fall weist auch keine Besonderheiten auf, die abweichend von den obigen Grundsätzen eine Haftung der Beklagten für das Unfallgeschehen rechtfertigen könnten.

aa) Dass die Beklagte nicht selbst Eigentümerin des Waldgrundstückes und damit des Waldweges ist, sondern die Verkehrssicherungspflicht für den Weg neben der Wegebau- und Unterhaltungspflicht von dem Grundstückseigentümer ……….übernommen hat, rechtfertigt für sich keine gesteigerten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht. Mit der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht ist diese allein in dem Umfang auf die Beklagte übergegangen, wie sie bis dahin in der Person des Grundstückeigentümers als Waldbesitzer begründet gewesen ist.

bb) Dass der an der A verlaufende Waldweg durch den Pfeilwegweiser als überregionaler Rad-/Wanderweg ausgewiesen ist, nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers von der Beklagten zur Förderung des Tourismus im Internet als Teil eines großen Radwegenetzes beworben wird und deshalb womöglich stärker von Fußgängern und Radfahrern frequentiert wird, als dies bei anderen Waldwegen der Fall ist, rechtfertigt ebenfalls keine stärkeren Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht. Denn auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsrisiken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen soll. Mit der in § 14 Abs. 1 Satz 4 BWaldG eingefügten Regelung, dass der Waldbesucher den Wald insbesondere hinsichtlich der waldtypischen Gefahren auf eigene Gefahr nutzt, hat der Gesetzgeber insbesondere auch dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass die Waldbesitzer aufgrund des Landes- und Kommunalrechts oft das Ausschildern von Wanderwegen durch Kommunen und/oder anerkannte Wandervereine dulden müssen und es ihnen im Gegensatz zu anderen Grundstücksbesitzern verwehrt ist, ihrer Verkehrssicherungspflicht dadurch nachzukommen, dass sie Besuchern den Zutritt zu ihren Flächen verwehren (BGH, Urteil vom 02.10.2012, VI ZR 311/11 – Rz. 20 und 22 juris). Darüber hinaus sprechen auch praktische Erwägungen gegen eine vom Grad der Frequentierung abhängige Verkehrssicherungspflicht. Denn eine vom Grad der Frequentierung abhängige Verkehrssicherungspflicht würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, weil nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beschrieben werden kann, unter welchen Voraussetzungen eine starke Frequentierung anzunehmen ist. Zudem kann die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen gegebenenfalls erforderlich sein sollen, nicht allgemein, sondern nur für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden (BGH, a.a.O. – Rz. 22 juris).

cc) Die Aufstellung des Verkehrszeichens 240 (Anlage 1 zu § 40 Absatz 6 und 7 StVO) an der G Straße vermag ebenfalls keine Haftung der Beklagten zu begründen. Insbesondere ist der Waldweg allein hierdurch nicht zu einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße geworden. Die Aufstellung des Verkehrszeichens sagt auch nichts darüber aus, ob es sich bei dem ausgewiesenen Rad- und Gehweg um einen öffentlichen Weg oder einen bloßen Waldweg handelt. Verkehrsschilder sind frei zu erwerben und dürfen auch auf Privatgrundstücken zur Verkehrsregelung verwendet werden. Lediglich ihre missbräuchliche Verwendung ist untersagt (BGH, Beschluss vom 22.04.2004, I ZR 15/03 – Rz. 14 juris). Von einer solchen kann vorliegend schon deshalb keine Rede sein, weil nach § 14 BWaldG und § 2 Abs. 1 und 2 LFoG NRW gerade dem Fußgänger- oder Fahrradverkehrs die Benutzung der Waldwege gestattet ist. Entsprechend wurde von der Beklagten mit der Aufstellung des Verkehrszeichens 240 gegenüber dem Kläger auch keine über das gesetzlich geregelte Benutzungsrecht des Waldbesuchers hinausgehende Verkehrsöffnung suggeriert. Mit der Aufstellung des Verkehrszeichens 240 sowie den Verbotszeichen für Reiten sollte lediglich klargestellt werden, welche Art von Benutzung des Weges erlaubt ist. Zudem konnte vorliegend für den Kläger aber auch aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Rad-/Wanderwegs kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass es sich bei ihm nur um einen bloßen Waldweg handelt, dessen Benutzung im Hinblick auf waldtypischen Gefahren auf eigene Gefahr geschieht. Denn wie sich aus den von beiden Parteien zu den Akten gereichten Lichtbildern ersehen lässt, handelt es sich bei dem betreffenden Abschnitt des Wanderweges um einen mitten durch den Wald verlaufenden, unbefestigten und von den Baumkronen der angrenzenden Bäumen überragten Weg. Dass an einen solchen Weg nicht die gleichen Sicherheitserwartungen gestellt werden können wie an einen befestigen Geh- und Radweg, ist offensichtlich.

dd) Auch das Berufungsvorbringen des Klägers, dass die zum Unfallzeitpunkt beim schadenverursachenden Baum vorhandene Vorschädigung eine sogenannte Megagefährdung dargestellt habe, die der Beklagten aufgrund der Mitteilung des von ihm benannten Zeugen I bekannt gewesen sei, vermag schließlich eine Haftung der Beklagten nicht zu begründen.

Insoweit ist zunächst ohne Belang, ob die Vorschädigung des Baumes und seine mangelnde Standsicherheit bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Baumkontrolle von Mitarbeitern der Beklagten hätten erkannt werden können. Denn wie oben ausgeführt, haftet der Waldbesitzer aufgrund der Regelung des § 14 Abs. 1 BWaldG und § 2 Abs. 1 und 2 LFoG nicht für waldtypische Gefahren. Die Gefahr eines durch Braunfäule verursachten Stammbruchs wird aber nicht deshalb zu einer atypischen Waldgefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie hätte erkennen können (BGH, Urteil vom 02.10.2012, VI ZR 311/11 – Rz. 27 für einen durch Trockenheit verursachter Astabbruch).

Gleiches gilt vorliegend für die Beklagte, weil sie die dem Eigentümer H als Waldbesitzer obliegenden Verkehrssicherungspflicht für den Rad-/Wanderweg übernommen hat.

Ob die Beklagte sich auch dann noch nach Treu und Glauben auf die aus den § 14 Abs. 1 BWaldG und § 2 Abs. 1 und 2 LFoG ergebende Haftungsbeschränkung auf atypische Waldgefahren berufen könnte, wenn ihr die Vorschädigung gerade des schadensverursachenden Baumes vor dem Unfallgeschehen positiv bekannt gewesen wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn der dahingehende Sachvortrag des Klägers, nämlich dass die Beklagte schon Wochen vor dem Unfallgeschehen durch den von ihm benannten Zeugen I über den maroden Zustand des schadensverursachenden Baumes informiert gewesen sei, ist schon deshalb unbeachtlich, weil er erkennbar ins Blaue hinein aufgestellt ist. Im Senatstermin am 02.06.2023 hat nämlich der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach Erörterung der polizeilichen Aussage des Zeugen I (Blatt 18 der Akten 901 UJs 240/18 StA Bielefeld) auf Nachfrage des Senats ausdrücklich erklärt, dass ihm keine weitere Erkenntnisse dazu vorlägen, dass der Beklagten der konkrete, hier unfallursächliche Baum als Gefahrenstelle bekannt gewesen sei. Nach seiner schriftlichen Aussage gegenüber der Polizei hatte der bei dem Abwasserverband arbeitende Zeuge I vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen seinen Vorgesetzten allein über einen in Höhe des Ablaufes des Klärwerks im Bach liegenden großen Ast, der auch einen anderen Baum beschädigt habe, informiert. Soweit der Zeuge I in seiner schriftlichen Aussage weiter ausgeführt, dass er zudem Mitarbeiter der Beklagten schriftlich und telefonisch darauf hingewiesen habe, dass sich noch mehrere marode Bäume und Totholz oberhalb und neben dem Radwanderweg # durch den A Wald befinden, hat der Zeuge in seiner polizeilichen Aussage ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Mitteilung nach dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen am 04.09.2018 erfolgt ist.

3. Mangels Schadensersatzverpflichtung der Beklagten erweist sich damit die Klage damit insgesamt, also auch hinsichtlich des Feststellungsantrages sowie der geltend gemachten Nebenansprüche als unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und Satz 2, 711 ZPO.

IV.

Die Zulassung der Revision war nicht geboten, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

 

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