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Verkehrsunfall: Schmerzensgeld für Unfallverletzungen mit Dauerfolgen

LG Lübeck, Az.: 9 O 265/09, Urteil vom 09.07.2010

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen weiteren Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 50.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2007 zu zahlen;

2. die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.234,10 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.09 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 2.759,13 Euro zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die dem Kläger aus dem Unfall vom 15. August 2007 auf der Bundesstraße 404, km 3,657 in Aumühle künftig entstehen, zu ersetzen, sofern diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

5. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Anlass eines Verkehrsunfalls, der sich am 15. August 2007 gegen 05:20 Uhr in der Gemeinde …, Bundesstraße … in Höhe des Kilometers 3,657 ereignet hat. Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen HH-… die B aus Richtung S. Das nicht abschaltbare Abblendlicht funktionierte und war eingeschaltet. Es dämmerte, die Straße war wegen eines vorangegangenen Regenschauers nass.

Verkehrsunfall: Schmerzensgeld für Unfallverletzungen mit Dauerfolgen
Symbolfoto: Kasia Bialasiewicz/Bigstock

Aus der Gegenrichtung näherte sich mit seinem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen RZ-…6 der als Zeuge vernommene Herr D. N.. Er fuhr sein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit in der Größenordnung der dort zugelassenen 100 km.

In der gleichen Fahrtrichtung wie Herr N. näherte sich von hinten der Beklagte zu 1. mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen RZ-… mit deutlich höherer Geschwindigkeit dem PKW des Zeugen. Sobald er auf das vorausfahrende Fahrzeug eng aufgeschlossen hatte, scherte der Beklagte zu 1. nach links aus und begann diesen Pkw zu überholen. Im Zuge dieses Vorganges kollidierte er streifend mit dem entgegenkommenden Motorrad des Klägers, der die Straße auf seiner Fahrspur befuhr.

Der Beklagte zu 1. setzte den Überholvorgang fort und hielt sein Fahrzeug in einiger Entfernung an.

Durch den schrägen Aufprall geriet das Motorrad des Klägers außer Kontrolle. Der Kläger wurde ca. 40 m weiter in Fahrtrichtung in das neben der Straße befindliche Unterholz geschleudert. Dort wurde er bei der von Herrn N. veranlassten Nachsuche einige Zeit später gefunden. Die Maschine wurde zum Totalschaden beschädigt.

Der Beklagte zu 1 war seit dem 21.06.07 Inhaber eines Führerscheins.

Nach dem Hinweis des Gerichts vom 19. Januar 2010 (Bl. 188 bis 190 d. A.) sowie Durchführung der Vernehmung des Zeugen N. gehen auch die Beklagten von einer vollständigen Haftung gegenüber dem Kläger aus.

Als unmittelbare Folge des Unfalles erlitt der Kläger einen Ausriss des linken Armes aus der Schulter mit Eröffnung der linksseitigen Achselregion auf ganzer Länge, ein Schädelhirntrauma ersten Grades mit Kopfplatzwunde, ein Thoraxtrauma mit Hämatopneumothorax links sowie eine Fraktur der linken Großzehe. Der Kläger, für den Lebensgefahr bestand, wurde unter Notarztbegleitung in das berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus Hamburg eingeliefert und dort bis zum 22. August 2007 intensiv medizinisch betreut. Wegen der Einzelheiten der Behandlung und der Behandlungsdauer wird auf die Darstellung auf Seite 4 der Klageschrift (Bl. 4 d. A.) Bezug genommen. Als Dauerfolgen sind der Verlust des linken Armes mit verbliebenem kurzen Oberarmstumpf sowie als weitere Folgen der erlittenen Verletzungen die Beeinträchtigungen verblieben, wie sie auf Seite 4 und 5 der Klageschrift (Bl. 4 und 5 d. A.) geschildert sind. Zur Ergänzung dieser Darstellung wird auf das von dem Kläger in diesem Zusammenhang vorgelegte Anlagenkonvolut K 2 (Bl. 49 bis 64 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger konnte den von ihm erlernten und ausgeübten Beruf des CNC-Drehers nicht mehr ausüben. Nach einer erfolgreichen Umschulung ist er nun als CNC-Programmierer tätig, wobei in seinem täglichen Arbeitsumfeld die Verletzung weiterhin schwerwiegende Nachteile verursacht. Dies insbesondere dadurch, dass bei der Arbeit am Computer zur Durchführung der einzelnen Funktionen eben nur eine Hand zur Verfügung steht. Die Berufsgenossenschaft Metall Nord – Süd hat daher durch Bescheid vom 20. Februar 2009 (Anlage K 3, Bl. 65 d. A.) die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 80 % festgestellt. Darüber hinaus ist der Kläger als Schwerbehinderter anerkannt worden.

Wegen der mit der Verletzung und der Behinderung verbundenen Beeinträchtigung seiner allgemeinen Lebensumstände wird auf die Schilderung auf Seite 6 der Klageschrift (Bl. 6 d. A.) Bezug genommen.

Der Schaden am Fahrzeug des Klägers beträgt ausweislich des von ihm vorgelegten Gutachtens (Anlage K 5, Bl. 68 bis 77) 5.531,00 Euro. Die ihm entstandenen Gutachterkosten in Höhe von 684,61 Euro sind von der Beklagten zu 2. bezahlt worden. Es sind weiter die mit seiner Aufstellung Anlage K 6 (Bl. 78 d. A.) aufgezählten Bekleidungsstücke des Klägers bzw. ihm gehörende Gegenstände zerstört worden. Er bewertet sie auf der Grundlage des Gesamtneuwertes von 755,00 Euro in vorliegendem Prozess insgesamt mit 500,00 Euro.

Da die Beklagte zu 2. vorgerichtlich unter Vorlage eines Sachverständigengutachtens die Auffassung vertreten hatte, das Unfallereignis sei für den Kläger vermeidbar gewesen, hat der Kläger den Sachverständigen S. mit der Erstattung eines darauf bezogenen Gutachtens beauftragt. Dafür hat er 2.587,06 Euro aufgewendet.

Dem Kläger sind für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis 31. Mai 2008 Verdienstausfallschäden entstanden, die sich im Vergleich zu seinem vorher erzielten Verdienst mit den in diesem Zeitraum bezogenen Leistungen ergeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung Seite 8 der Klageschrift, Bl. 8 d. A.) verwiesen. Diese Differenz beträgt – rechnerisch richtig und von dem Beklagten insoweit nicht angegriffen – 2.596,04 Euro.

Der Kläger hält angesichts der Schwere der Verletzung sowie des Umfangs der bisher eingetretenen und absehbaren Verletzungsfolgen ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 75.000,00 Euro für angemessen. Die Beklagte zu 2. hat auf die Position Schmerzensgeld einen Betrag von 25.000,00 Euro gezahlt. Die Differenz verlangt der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit.

Zur Verrechnung auf weitere Schäden hat die Beklagte zu 2. einen Betrag von 5.000,00 Euro gezahlt. Der Kläger verrechnet dies – unangegriffen – auf den geltend gemachten Sachschaden und verlangt die verbleibende Differenz.

Darüber hinaus verlangt er eine Unkostenpauschale von 20,00 Euro sowie den Ersatz der Kosten des von ihm vorprozessual eingeschalteten Anwalts. Wegen der Berechnung der Vergütung wird auf die Berechnung am Ende der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 9 d. A.)

Der Kläger verlangt Feststellung der vollständigen Haftung der Beklagten. Zu Begründung des darauf bezogenen Antrags es in der Klageschrift unter IV.:

„Der Kläger hat weiter ein Interesse daran, die vollständige Eintrittspflicht der Beklagten auch hinsichtlich zukünftiger, gegenwärtig nicht bezifferbarer Ansprüche festgestellt zu wissen. Vor diesem Hintergrund wird der Feststellungsantrag zu 1. gestellt.“

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die dem Kläger aus dem Unfall vom 15. August 2007 auf der Bundesstraße …, km 3,657 in … entstanden sind oder künftig entstehen, zu ersetzen, sofern diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2007 zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6.234,10 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.11.09 (Rechtshängigkeit) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 2.759,13 Euro zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie verweisen darauf, dass in der Formulierung des Feststellungsantrages auch solche Schäden aufgeführt werden, die „bereits entstanden“ sind. Insoweit halten sie den Feststellungsantrag für unzulässig und machen darüber hinaus geltend, dass für die Entstehung weiterer Schäden keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte vorgetragen worden seien.

Sie halten ein geringeres Schmerzensgeld für angemessen und verweisen auf Gerichtsentscheidungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung auf Seite 8 der Klageerwiderung (Bl. 110 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Verdienstausfallschadens machen die Beklagten geltend, dass der Kläger berufsbedingte Aufwendungen, die von ihm erspart worden sein müssten, nicht in seine Abrechnung eingebracht hat. Sie berechnen (Einzelheiten Bl. 111 d. A.) unter Zugrundelegung der Zahlen des Klägers eine zu berücksichtigende Verdienstreduzierung in Höhe von 1.029,04 Euro.

Die Höhe des Sachschadens wird von den Beklagten nicht angegriffen.

Der hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten in Abschnitt IV der Klageerwiderung ursprünglich formulierte Einwand ist mit Rücksicht darauf, dass im Verhandlungstermin beide Seiten davon ausgehen, dass der Kläger nicht rechtschutzversichert ist, überholt.

Ergänzend hat der Kläger hinsichtlich der Problematik der berufsbedingten ersparten Aufwendungen in Abschnitt VI. seines Schriftsatzes vom 18. Januar 2010 im Einzelnen dargelegt, dass für ihn derartige Aufwendungen nicht entstanden waren. Diesem Schriftsatz ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien und der vertretenen Rechtsauffassungen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit dies noch nicht geschehen ist.

Wegen der Erklärungen der Parteien wird auf die Niederschrift des Protokolls der Sitzung vom 17. März 2010 (Bl. 205 – 209 d. A.) Bezug genommen.

Es ist Beweis erhoben worden über den Hergang des Verkehrsunfalls durch Vernehmung des Herrn N.. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Niederschrift des genannten Protokolls (Bl. 209 bis 213 d. A.).

Nach der Mitteilung der Bereitschaft der Beklagten, die volle Haftung zugrunde zu legen, ist im Einverständnis der Parteien (Schriftsatz des Klägers vom 10. Mai 2010, Bl. 223; Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2010, Bl. 224) das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Den Parteien ist nachgelassen worden, bis zum 1. Juni 2010 Schriftsätze bei Gericht einzureichen und es ist Verkündungstermin anberaumt worden (Bl. 225 d. A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1.

a) Hinsichtlich des Feststellungsantrages trifft der im Tatbestand wiedergegebene Hinweis der Beklagten im Ansatz zu, denn der formulierte Antrag zu 1., der in der mündlichen Verhandlung auch in der in der Klageschrift formulierten Fassung gestellt worden ist, enthält die von den Beklagten zitierte Formulierung. Allerdings ergibt sich aus der im Tatbestand ebenfalls zitierten Begründung, dass der Kläger mit diesem Antrag tatsächlich nur die Feststellung zukünftiger Schäden verlangen wollte. Es liegt deshalb auf der Hand, dass die Formulierung in dem Antrag insoweit auf einem Versehen beruhte. Bei dieser Sachlage oblag es dem Gericht, den erkennbar von dem Kläger gewollten sachgerechten Antrag durch einen entsprechenden Hinweis herbeizuführen. Das ist versehentlich unterblieben, war aber im Urteil durch Auslegung zu korrigieren. Dass im Zusammenhang mit dieser auf der Hand liegenden Auslegung den Beklagten rechtliches Gehör nicht mehr gewährt worden ist, erscheint hinnehmbar.

b) Der Feststellungsantrag ist in dem also ausschließlich im Zusammenhang mit Zukunftsschäden gewollten Inhalt zulässig und begründet. Die Anforderungen an die Darlegung der Wahrscheinlichkeit, dass weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, sinken mit der Schwere der dem Antrag zugrunde liegenden Verletzungen und Beeinträchtigungen. Es liegt auf der Hand, dass sich sowohl im Hinblick auf die weitere Berufstätigkeit als auch im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand infolge der schwerwiegenden Verletzungen weitere Schäden ergeben können.

2.

a) Die der Höhe nach unstreitigen materiellen Schadenspositionen sind vollständig zu erstatten, was angesichts der oben erwähnten Erklärung der Beklagten keiner weiteren Begründung bedarf.

b) Der von dem Kläger geltend gemachte Verdienstausfall ist in der von ihm dargestellten Höhe begründet. Im Ansatz zutreffend weisen allerdings die Beklagten darauf hin, dass ersparte Aufwendungen gegenzurechnen sind. Der Kläger hat mit dem im Tatbestand erwähnten Sachvortrag aber substantiiert erwidert und dargelegt, dass aufgrund der konkreten Bedingungen solche Ersparnisse nicht angefallen sind. Sofern dieser Vortrag noch bestritten werden sollte, hätte es nun einer Substantiierung durch die Beklagten bedurft. Dies ist nicht geschehen, was aber erkennbar auch darauf beruht, dass die Beklagten – ebenso wie das Gericht – jedenfalls nach der mündlichen Verhandlung davon ausgehen, dass der Kläger wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat, so dass die letzte Darstellung des Klägers dem Rechtsstreit zugrunde zu legen ist.

3.

a) Dem Kläger steht ein Schmerzensgeld in Höhe des geltend gemachten Betrages zu.

Bekanntlich gibt es für die Bemessung des Schmerzensgeldes keinen abrufbaren Maßstab, sondern es kommt auf die Bewertung aller konkreter Umstände des Einzelfalles an. Dabei ist insbesondere die Schwere der verletzungsbedingten Beeinträchtigungen sowie ihrer Auswirkungen und die Art und Weise, wie sie zugefügt worden sind, in die Würdigung einzubeziehen. Das konkrete Ergebnis jeder Schmerzensgeldbemessung ist deshalb nur in einem eingeschränkten Sinn, nicht jedoch in logischer Stringenz und Vollständigkeit, begründbar. Angesichts dieser Situation wird in der Rechtsprechung immer wieder auf in Schmerzensgeldtabellen erfasste „Vergleichsfälle“ Bezug genommen. In dieser Weise argumentiert auch die Beklagte und verweist auf nach ihrer Auffassung heranzuziehende Vergleichsfälle.

Diese Verfahrensweise beruht auf dem Bemühen, innerhalb der gesamten Rechtsprechung angesichts der Unschärfe der auszufüllenden Anspruchsgrundlage ein Höchstmaß an Gleichbehandlung herbeizuführen.

Dies setzt allerdings voraus, dass bei Durchführung des Vergleiches der Umstände des zu entscheidenden Falles mit denjenigen anderer Einzelfälle eine „umfassende Herausarbeitung der Fallähnlichkeit“ vorgenommen wird (so der Ansatz des OLG München im Urteil vom 19.06.2009, 10 U 5757/08 im Orientierungssatz Ziffer 1). Dabei ist, worauf das OLG München an gleicher Stelle – zutreffend – hinweist, ein verbindliches Präjudiz ohnehin nicht begründet. Schließlich ist auch bei Zugrundelegung dieses Ansatzes nach Auffassung des erkennenden Gerichtes die Ziffer 2. des Orientierungssatzes der genannten Entscheidung zu beachten.

Sie lautet:

„Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen ist die Tatsache zu beachten, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen heute deutlich großzügiger verfährt als früher und zugunsten des Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung zu berücksichtigen ist.“

Bei Beachtung dieser Grundsätze relativieren sich angesichts der Entscheidungsdaten der von der Beklagten herangezogenen Urteile vom 29.10.1985 und 02.06.1995 (B 7, Bl. 179 und B 8, Bl. 180 d. A.) die dort für zugesprochenen Beträge und nähern sich schon auf diese Weise der von dem Kläger für angemessen gehaltenen Größenordnung. Die im Zusammenhang mit der Benennung dieser Entscheidungen dargestellte Beurteilung der Beklagten, es komme ein Schmerzensgeld in der Größenordnung zwischen 20.000,00 Euro und 25.000,00 Euro in Betracht, fand im Übrigen noch „unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers“ statt, eine Argumentation, die zwischenzeitlich überholt ist.

Auf diesem Ansatz ist angesichts der zu würdigenden Einzelumstände der Schmerzensgeldantrag des Klägers in vollem Umfang begründet.

Der Unfallhergang ist in der Weise dem Urteil zu Grunde zu legen, wie der dazu vernommene Zeuge ihn – immer noch tief betroffen aber verlässlich – geschildert hat. Dem ursprünglichen Einwand einer überhöhten Geschwindigkeit musste nicht mehr nachgegangen werden, wobei ohnehin verlässliche Möglichkeiten zum Beweis dieser zunächst erhobenen Behauptung kaum erkennbar sind.

Weiter ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass die Einzelheiten der Behandlung und der geschilderten derzeit absehbaren Folgen und Beeinträchtigungen, die der Kläger substantiiert und, durch Urkunden belegt und ergänzt, vorgetragen hat, von der Beklagten nicht bestritten werden. Nach dem sicheren Eindruck des Gerichtes hat sich auch die Beklagtenseite im Verhandlungstermin ein Bild von der Verlässlichkeit und der Redlichkeit des Klägers gemacht. Unabhängig davon ist jedenfalls das Gericht zu dieser Überzeugung gelangt. Es war sehr berührend, dass der Kläger, der von einem Strafantrag gegen den Beklagten zu 1. von vorne herein abgesehen hatte, offensichtlich diesem gegenüber keinerlei Groll hegte.

Dies ist insbesondere deshalb beeindruckend, weil jedenfalls durch die Schilderung des zum Unfallhergang vernommenen Zeugen dem Kläger, der den Vorgang selbst nicht erinnern kann, unmittelbar und sehr emotional vor Augen geführt worden ist, auf welch fatale Weise sich Leichtsinn und Unerfahrenheit des Beklagten zu 1. auf ihn, den Kläger, ausgewirkt haben.

Wer zu einer solchen Haltung fähig ist, trägt zur Überzeugung des Gerichtes zur Begründung seiner Ansprüche keine Unwahrheiten vor.

Die Einzelheiten der Verletzung, die der Kläger davongetragen hat sowie die daraus sich ergebenden Folgerungen und Erschwernisse für sein weiteres Leben, liegen auf der Hand und ihr außerordentlich hohes Gewicht bedarf keiner weitern Begründung.

In diesem Zusammenhang sind auch die Einzelheiten, die der Kläger über Hobbys und Sport vorträgt (Seite 6 der Klageschrift) als Grundlage für die Bewertung heranzuziehen. Dies gilt auch für die dort angesprochenen psychischen Beeinträchtigungen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung, wie oben schon angesprochen, einen gefestigten Eindruck hinterlassen hat, der Bewunderung abnötigt. Der Kläger hat sich offensichtlich auf die Unvermeidbarkeit seines Schicksals nicht nur abgefunden, sondern sich positiv darauf eingelassen, was sich auch daraus ableiten lässt, dass er, sobald dies möglich war, die dargestellte Veränderung seines Berufes angestrebt und mit Erfolg durchgeführt hat. Gleichwohl sind die mitgeteilten psychischen Folgen und die Furcht vor körperlicher Berührung in dem Verletzungsbereich nachvollziehbar.

Dass der Kläger nach Überzeugung des Gerichts in der bestmöglichen Weise mit dem ihm Widerfahrenen umgeht, kann aber nicht zu einer Verringerung des Schmerzensgeldanspruches führen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich die noch im Hinweis in der Verfügung vom 19.01.2010 (Bl. 188 – 190 d. A.) angesprochene Verfahrensweise bei der Abwicklung durch die Beklagte zu 2. und dem ursprünglichen Verteidigungsverhalten im vorliegenden Prozess nicht mehr maßgeblich auf die Bemessung des Schmerzensgeldes ausgewirkt hat. Dies beruht insbesondere auch auf der Darstellung der Bearbeitungsweise, die der Mitarbeiter R.s der Schadensabteilung der Beklagten zu 2. im Termin gegeben hat. Die noch bei Abfassung der genannten Verfügung vorliegende Tendenz, ein über die Vorstellungen des Klägers hinausgehendes Schmerzensgeld als angemessen zu beurteilen, hat sich damit erledigt.

b) Die Beklagten schulden unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes die geltend gemachte Pauschale sowie die von dem Kläger zutreffend berechneten Kosten seines Rechtsanwalts. Der Einwand, es habe hier eine Rechtsschutzversicherung bezahlt, ist überholt.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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