Skip to content

Zwangsvollstreckung bei Zug-um-Zug-Leistung

OLG Düsseldorf – Az.: I-21 U 8/18 – Urteil vom 05.06.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 16.06.2017 (Aktz.: 2 O 317/13) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind von der Beklagten zu tragen.

Das Berufungsurteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus den Urteilen zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin wendet sich wegen eines nach Rechtskraft des Urteils des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30.11.2012 (Aktz.: I-22 U 126/12) erklärten Rücktritts mit einer Vollstreckungsabwehrklage gegen die von der Beklagten aus diesem Urteil betriebene Zwangsvollstreckung.

Die Klägerin bestellte im August 2007 insgesamt 100.000 Klemmschrauben M 14 x 1 LH zum Preis von 48,90 EUR netto je 100 Stück bei der Beklagten. In der Auftragsbestätigung der Beklagten (Anlage B6, Bl. 127) heißt es u.a., dass bei Sonderanfertigungen materialbedingte Mengentoleranzen von +/- 15 % als handelsüblich akzeptiert gelten. In der Folgezeit lieferte die Beklagte insgesamt 43.681 Schrauben an die Klägerin. Die hierfür in Rechnung gestellten Beträge wurden von der Klägerin beglichen. Mit Schreiben vom 29.06.2009 (Anlage B5, Bl. 102) stellte die Beklagte weitere 61.319 Schrauben fällig und abholbereit. Zu einer Lieferung oder Abholung der Schrauben kam es in der Folgezeit nicht.

Die Beklagte nahm die Klägerin daraufhin vor dem Landgericht Wuppertal (14 O 85/10) auf Zahlung von 41.804,08 EUR zzgl. Zinsen Zug-um-Zug gegen Lieferung von 71.319 Schrauben in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage mit Urteil vom 15.05.2012 statt. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Oberlandesgericht Düsseldorf das Urteil des Landgerichts mit Urteil vom 30.11.2012 dahingehend ab, dass die Klägerin 48,90 EUR je 100 Stück Klemmschrauben zzgl. Zinsen an die Beklagte zu zahlen hat, Zug-um-Zug gegen Lieferung von 41.319 bis 71.319 Schrauben. Das Urteil ist seit Januar 2013 rechtskräftig.

Die Beklagte bot der Klägerin zum Zwecke der Vollstreckung eines Betrags von 55.947,11 EUR am 11.06.2013 Schrauben an. Der vom 06.06.2013 datierende Lieferschein (Anlage B2, Bl. 96) wies eine Lieferung von 71.319 Klemmschrauben in 133 Kartons auf zwei Europaletten mit einem Gewicht von 798 kg aus. Die Klägerin lehnte die Annahme der Schrauben unter Hinweis auf deren Mangelhaftigkeit (Lichtbilder Anlage K2, Bl. 24 ff.) ab. Wegen der teilweise feuchten Kartons verpackte die Beklagte die Schrauben im Anschluss an den Anlieferungsversuch teilweise neu.

Die Beklagte beauftragte sodann den Obergerichtsvollzieher H… . mit der Vollstreckung. Dafür lieferte sie am 15.08.2013 dieselben Schrauben nochmals bei der Klägerin an. Der Zeuge Hermann vermerkte in seinem Vollstreckungsprotokoll vom 15.08.2013 Folgendes (Anlage K4, Bl. 41 f., wörtliches Zitat):

„Die stichprobenartige Überprüfung der anzubietenden Ware hat folgendes Ergebnis gebracht:

a) die Beschriftungen der kartons war nicht urteilskonform – siehe Fotos

b) die Schrauben waren nicht leerenhaltig

c) die Schrauben waren verdreckt und bzw. oxydiert

d) nach grober Schätzung wurde auch eine Stückzahldifferenz festgestellt. Es können keinesfalls die auf dem Lieferschein angeführte Menge in den angelieferten Kartons sind.

Abschließend wurde daher festgestellt, dass die Ware in dem vorgefundenen Zustand nicht im Wege der Zug um Zug Leistung angeboten werden konnte.“

Die Klägerin wies die Schrauben unter Hinweis auf deren Mangelhaftigkeit zurück (Lichtbilder Anlage K3, Bl. 36 ff.).

Bei beiden Anlieferungsversuchen wiesen einige der angebotenen Schrauben Verunreinigungen/Verfärbungen/Anhaftungen auf.

Die Klägerin setzte der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 21.08.2013 (Anlage K7, Bl. 48 ff.) eine Nachfrist zur Lieferung von mindestens 41.319 und höchstens 71.319 mangelfreien, insbesondere rostfreien und lehrenhaltigen Schrauben bis zum 20.09.2013. Als die Beklagte hierauf nicht reagierte, erklärte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2013 (Anlage K8, Bl. 52 f.) den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte teilte mit Anwaltsschreiben vom 02.10.2013 (Anlage K9, Bl. 54 f.) mit, dass sie den Gerichtsvollzieher aufgefordert habe, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihr bei beiden Anlieferungsversuchen nicht die im Lieferschein angegebene Menge an Schrauben angeboten. Auch die Mindestmenge von ca. 41.000 Stück sei nicht annähernd erreicht worden. Später hat sie behauptet, es seien allenfalls ca. 50.000 Schrauben antransportiert worden.

Die angebotenen Schrauben seien entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht lehrenhaltig gewesen. Nur eine lehrenhaltige Schraube entspreche dem Stand der Technik. Jedenfalls bei den vorliegenden sicherheitsrelevanten Sonderschrauben reiche eine Mutterngängigkeit nicht aus.

Die angebotenen Schrauben seien ferner zu einem beträchtlichen Anteil oxidiert und verdreckt gewesen. Die Verrostungen beruhten entweder auf einer fehlerhaften Produktion oder auf einer nicht ordnungsgemäßen, insbesondere nicht trockenen Lagerung durch die Beklagte. Die Schrauben seien für die besonders sicherheitsempfindliche Automotive-Industrie bestimmt gewesen, die nur Produkte abnehme, die sich auch optisch in einem einwandfreien Zustand befänden. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen.

Die Klägerin hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. November 2012 – Aktz.: I-22 U 126/12 – für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe bei beiden Anlieferungsversuchen die angekündigten 71.319 Schrauben zur Verfügung gestellt. Diese seien lehrenhaltig gewesen, obwohl Lehrenhaltigkeit nicht vertraglich vereinbart gewesen sei. Sie – die Beklagte – habe nur Mutterngängigkeit geschuldet, die jedenfalls gegeben gewesen sei.

Ferner sei bereits nach dem Klägervortrag nur eine geringe Anzahl der Schrauben von Verunreinigungen betroffen, so dass es sich ihrer Ansicht nach um einen unwesentlichen Mangel handele, der zudem durch einfaches Reinigen ohne weiteres hätte beseitigt werden können. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, etwaige Oxidierungen bzw. Verunreinigungen fielen in den Verantwortungsbereich der Klägerin, da diese sich seit dem 29.06.2009 und daher auch im Zeitraum der Verschlechterung im Annahmeverzug befunden habe. Sie selbst habe die Schrauben, so behauptet die Beklagte, jederzeit trocken gelagert.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß der Beweisbeschlüsse vom 07.03.2014, 10.07.2015, 04.08.2015 sowie 24.02.2017 (Bl. 131 f., 252 f., 265 und 449 f.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens sowie Vernehmung der Zeugen F…, E…, S…, H…, R… und M… . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. Ma … . vom 07.01.2015 (Bl. 194 ff.), dessen schriftliches Ergänzungsgutachten vom 24.05.2016 (Bl. 402 ff.) sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2015 und 12.05.2017 (Bl. 323 ff. und 456 ff.) Bezug genommen.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal hat mit Urteil vom 16.06.2017 die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30.11.2012 (Aktz.: I-22 U 126/12) für unzulässig erklärt.

Sie hat ausgeführt, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO sei der statthafte Rechtsbehelf zur Geltendmachung einer rechtsvernichtenden Einwendung gegenüber dem titulierten Anspruch und als solcher begründet. Infolge des wirksam mit Schreiben vom 24.09.2013 erklärten Rücktritts sei der titulierte Zahlungsanspruch der Beklagten erloschen und der Klägerin stehe eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch zu.

Die Beklagte habe die fällige Verbindlichkeit zur Lieferung von 41.319 bis 71.319 Klemmschrauben M 14 x 1 LH bis zum Ablauf der von der Klägerin gesetzten Nachfrist nicht erfüllt. Sie habe der Klägerin die Leistung auch nicht in annahmeverzugbegründender Weise angeboten, denn die Angebote vom 11.06. und 15.08.2013 stellten keine ordnungsgemäßen tatsächlichen Angebote im Sinne von § 294 BGB dar. Ein ordnungsgemäßes Angebot im Sinne von § 294 BGB liege nur dann vor, wenn die geschuldete Leistung (sach-) mangelfrei und in der geschuldeten Menge angeboten werde. Die Beklagte habe die geschuldete Leistung weder sachmangelfrei noch in der geschuldeten Menge angeboten. Die angebotenen Schrauben seien zumindest teilweise sachmangelbehaftet gewesen, da sie Verunreinigungen aufwiesen. Dabei könne die Abwesenheit von äußeren Fehlern wie Verschmutzungen auch ohne dahingehende Beschaffenheits- oder Verwendungszweckvereinbarung als üblich im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB erwartet werden. Selbst wenn die Verunreinigungen, wie von Beklagtenseite behauptet, durch eine einfache Reinigung hätten entfernt werden können, könne es jedenfalls bei einer Lieferung von mehr als 70.000 Einzelteilen nicht der Klägerin obliegen, die zu reinigenden Einzelteile auszusortieren und einzeln einer solchen Reinigung zu unterziehen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon auszugehen sei, dass lediglich einige wenige Schrauben von den Verunreinigungen betroffen gewesen seien. So zeigten insbesondere die bei den beiden Anlieferungsversuchen gefertigten Lichtbilder (Bl. 24 ff. und 36 ff.) Kartons mit einer größeren Anzahl verunreinigter Schrauben. Auch unter Zugrundelegung der Feststellungen des Sachverständigen sei nicht von einer „unerheblichen Erscheinung“ auszugehen, da danach immerhin sehr viele der ca. 7.650 Schrauben in 17 der 171 präsentierten Kartons Ablagerungen der Kartonage aufwiesen.

Im Ergebnis nicht von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang die Frage, ob sich die Klägerin in dem Zeitraum der Durchfeuchtung der Kartons in Annahmeverzug befunden habe. Denn die Beklagte habe weder dargelegt noch bewiesen, dass die Durchfeuchtung nicht auf einem grob fahrlässigen Verhalten ihrerseits beruhte (vgl. § 300 Abs. 1 BGB). Die Kammer halte es nicht für plausibel, dass die Beklagte die Kartons – wie von ihr behauptet – trocken gelagert und sodann entsprechend den Angaben des Zeugen E … trocken in Folie eingeschweißt und angeliefert habe. In diesem Fall verbliebe kein Zeitraum, in dem die Durchfeuchtung hätte eintreten können.

Benötigen Sie eine Beratung in einer ähnlichen Angelegenheit? Vereinbaren Sie einen Termin: 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Die Beklagte habe zudem nicht nachgewiesen, dass sie zumindest mutterngängige Schrauben angeboten habe. Sie könne sich nicht auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens berufen, da nicht festgestellt werden könne, ob der Sachverständige die der Klägerin angebotenen oder andere bei der Beklagten gelagerte Schrauben untersucht habe. Nach den Angaben des Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 12.05.2017 seien weitere Kartons aus dem Lager auf die dem Sachverständigen präsentierten Paletten „oben drauf“ gestellt und dem Sachverständigen damit 85.900 Schrauben in 171 Kartons zur Untersuchung dargeboten worden, obwohl die Beklagte nach ihren eigenen Angaben nur 71.319 Schrauben in 133 bzw. 136 Kartons angeboten haben will. Auf eine etwaig über die Mutterngängigkeit hinaus geschuldete Lehrenhaltigkeit der Schrauben komme es damit nicht mehr entscheidend an.

Die Beklagte könne ferner nicht nachweisen, dass sie bei den Anlieferungsversuchen die in dem Lieferschein angegebene Menge von 71.319 Schrauben angeboten habe. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf sei zwar (lediglich) eine Lieferung von 41.319 bis 71.319 Schrauben geschuldet gewesen; nachdem die Beklagte jedoch beabsichtigt habe, entsprechend des von ihr ausgestellten Lieferscheins die Lieferung von 71.319 Schrauben abzurechnen, stelle auch nur das Angebot einer Lieferung von 71.319 Schrauben ein ordnungsgemäßes Angebot dar. Aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte bei beiden Anlieferungsversuchen deutlich weniger als 71.319 Schrauben angeboten habe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Sie vertritt die Ansicht, die Klägerin sei bereits nicht wirksam von dem Vertrag zurückgetreten. Nachdem der Vertrag bereits seit Jahren weitenteils ordnungsgemäß erfüllt werde, könne die Klägerin nicht wirksam von dem gesamten Werklieferungsvertrag zurücktreten. Ein Interessenfortfall im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB wegen des ganzen Vertrages sei weder gegeben, noch von der Klägerin dargelegt worden. Damit gehe die Erklärung vom 24.09.2013 ins Leere, wobei auch die Klägerin selbst offensichtlich nicht eine Rückabwicklung des gesamten Werklieferungsvertrags gewollt habe.

Ferner sei kein Rücktrittsgrund gegeben. Die Angebote vom 11.06. und 15.08.2013 stellten jeweils vertragsgemäße Angebote dar, da sie die geschuldete Leistung in beiden Fällen sachmangelfrei und in der geschuldeten Menge angeboten habe. Die angebotenen Schrauben wiesen insbesondere keine Verunreinigungen bzw. sonstigen Erscheinungen auf, welche zudem ohne entsprechende Beschaffenheits- oder Verwendungszweckvereinbarung nicht als Fehler im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB gelten könnten. Dass die Schrauben fehlerfrei seien, habe auch die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, da der seitens des Sachverständigen festgestellte rein optische Mangel in Form von Verfärbungen ausdrücklich nicht zu einer Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit führe und in Bezug auf die Gesamtmenge des Loses unerheblich sei. Die rechtlich nicht relevanten Erscheinungen an vereinzelten Schrauben hätten zudem in ohne weiteres zumutbarer Weise von der Klägerin selbst beseitigt werden können. Soweit das Landgericht seine Annahme, es seien Schrauben in größerer Anzahl verunreinigt gewesen, allein auf die von der Klägerin bei Anlieferung gefertigten Lichtbilder stützen wolle, sei dies bereits keine Grundlage, die eine Beurteilung im Sinne von § 286 ZPO erlaube.

Ferner habe sie – die Beklagte – die allenfalls rein optischen und nicht relevanten – Erscheinungen nicht im Sinne von § 300 Abs. 1 BGB zu vertreten. Die Klägerin habe sich seit dem 29.09.2009 im Annahmeverzug befunden, da sie die Abnahme der schon damals vertragsgerecht angebotenen Ware zu Unrecht abgelehnt hätte. Ferner sei die Klägerin vorleistungspflichtig (Anlagen B12 bis B 14, Bl. 560 ff.) und hätte mithin zunächst ihre Zahlung erbringen müssen, bevor sie anschließend ihren Annahmeverzug durch die tatsächliche Annahme der Ware hätte beenden können.

Soweit die Erscheinungen an den Schrauben angeblich von einer Durchfeuchtung der Kartons herrühren sollen, stamme diese Durchfeuchtung jedenfalls nicht aus ihrer Sphäre. Die Schrauben seien zu allen Zeiten ordnungsgemäß und trocken gelagert worden. Es sei jedenfalls ausgeschlossen, dass irgendwelche unüblichen Erscheinungen an den Schrauben außerhalb des Zeitraums des Annahmeverzugs der Klägerin eingetreten seien.

Die Beklagte behauptet weiter, die angebotenen Schrauben seien auch mutterngängig gewesen, was dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu entnehmen sei. Insoweit spiele es entgegen der Ansicht des Gerichts keine Rolle, ob der Sachverständige nur die angebotenen Schrauben begutachtet habe, oder darüber hinaus noch anderweitige Schrauben, da die Begutachtung ergeben habe, dass alle untersuchten Schrauben mutterngängig und in ihrer Funktion und Verwendbarkeit nicht beeinträchtigt seien.

Sie vertritt ferner die Ansicht, auch wenn in dem Lieferschein eine Menge von 71.319 Schrauben angegeben sei, stelle auch ein Angebot von weniger Schrauben – jedenfalls von mindestens 41.319 Schrauben – ein ordnungsgemäßes Angebot dar, denn der Lieferschein begründe weder eine eigene Lieferungsverpflichtung noch modifiziere er eine bestehende Lieferverpflichtung. Nachdem die Klägerin letztlich zugestanden habe, dass sie – die Beklagte – ca. 50.000 Schrauben antransportiert habe, könne eine Fehlmenge nicht festgestellt werden. Schließlich handele es sich bei den streitigen Anlieferungen um teilbare Leistungen, welche bei einer mangelhaften Teilquantität nicht insgesamt nach § 266 BGB zurückgewiesen werden könnten.

Die Beklagte hat zudem Eventualwiderklage erhoben unter der Bedingung des Erfolges ihrer Berufung. Ihrer Ansicht nach befinde sich die Klägerin mangels wirksamen Rücktritts durchgängig seit dem 19.06.2009 in Annahmeverzug.

Die Beklagte beantragt daher,

1. die Klage unter Abänderung des am 16.06.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Wuppertal – Az. 2 O 317/13 – abzuweisen;

hilfsweise, für den Fall des Erfolgs der Berufung gemäß ihrem vorstehenden Berufungsantrag zu Ziff. 1.,

2. im Wege der Widerklage festzustellen, dass die Klägerin sich wegen der Annahme einer Anzahl von 41.319 bis 71.319 Klemmschrauben M 14 x 1 LH Zug-um-Zug gegen Zahlung von 48,90 EUR je 100 Stück Klemmschrauben zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.970,52 EUR seit dem 19.03.2009 und aus dem Restbetrag seit dem 11.07.2009,

a. seit dem 29.06.2009 im Annahmeverzug befindet,

hilfsweise,

b. im Annahmeverzug befindet.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. die Eventualwiderklage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des Landgerichts, die sie für rechtlich zutreffend hält.

Die in der Berufungsbegründung vorgebrachte Behauptung der Beklagten, sie habe die Schrauben trocken gelagert, halte sie im Übrigen für „neu“ und daher einschließlich der dazu benannten weiteren Zeugen für unzulässig. Die Beklagte habe den Nachweis, die von ihr angelieferten Schrauben seien mutterngängig gewesen, nicht erbracht. Der Sachverständige habe gerade nicht festgestellt, dass alle Schrauben mutterngängig gewesen seien. Gerade die Tatsache, dass die Beklagte dem Sachverständigen weit mehr Schrauben präsentiert habe, als ihr – der Klägerin – damals angeliefert worden seien, verhindere den konkreten Rückschluss aus der stichprobenartigen Überprüfung des Sachverständigen auf den tatsächlichen Zustand der angelieferten Schrauben. Dies gelte umso mehr, als der Sachverständige die Stichproben ausschließlich aus den Kartons entnommen habe, die von der Beklagten „oben drauf“ gestellt worden seien, wobei es sich gerade um die „zusätzlichen Schraubenmengen“ gehandelt habe.

Ihrer Ansicht nach habe sie sich weder im Zeitpunkt der Anlieferungen noch zu einem früheren Zeitpunkt im Annahmeverzug befunden. Sie sei immer annahmebereit gewesen, allerdings habe sich immer wieder gezeigt, dass die Beklagte nicht in der Lage gewesen sei, die von ihr abgerufenen Mengen zu liefern. Ferner sei zu keinem Zeitpunkt Vorkasse vereinbart worden. Jedenfalls gelte die Abrede „Vorkasse“ nicht für die hier in Rede stehende (Rest-)Lieferung, denn der Zahlungsanspruch der Beklagten bestehe ausweislich des Urteiltenors lediglich Zug-um-Zug gegen Lieferung der Schrauben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen im Berufungsverfahren verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Weder hat die Beklagte einen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils im Sinne des § 546 ZPO dargetan, der sich zu ihren Ungunsten ausgewirkt hat, noch rechtfertigen die vom Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen eine vom Landgericht abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Beklagten. Das Landgericht hat der Klage aus den zutreffenden Erwägungen stattgegeben.

I.

Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage im Sinne von § 767 ZPO ist begründet. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nach Rechtskraft des Urteils wirksam nach § 323 Abs. 1 BGB von dem Vertrag mit der Beklagten zurückgetreten ist, so dass ihr eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den durch das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Aktz.: I-22 U 126/12) titulierten Anspruch der Beklagten zusteht.

1.

Die Beklagte hat die fällige Verbindlichkeit zur Lieferung von 41.319 bis 71.319 Klemmschrauben M 14 x 1 LH bis zum Ablauf der von der Klägerin gesetzten Nachfrist nicht vertragsgemäß erfüllt.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin die geschuldeten Schrauben bei den beiden Anlieferungsversuchen am 11.06.2013 und 15.08.2013 nicht vertragsgemäß angeboten hat. An diese Feststellungen ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Derartige Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen hat der Senat nicht, so dass keine Veranlassung besteht, von dem landgerichtlichen Beweisergebnis abzuweichen, bzw. eine eigene Tatsachenfeststellung vorzunehmen.

a.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, sie habe der Klägerin am 15.08.2013 die Schrauben vertragsgemäß angeboten, wurde bereits kein tatsächliches Angebot unterbreitet. Beauftragt der Gläubiger einen Gerichtsvollzieher mit einer Zwangsvollstreckung, die von einer Zug-um-Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt (§ 756 ZPO), muss die Gegenleistung dem Schuldner durch den Gerichtsvollzieher tatsächlich so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist (§ 294 BGB) (vgl. Zöller/Stöber, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 756 Rn. 6; Münchener-Kommentar/Heßler, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Auflage 2016, § 756 Rn. 11).

Unabhängig davon, ob die Schrauben mangelhaft waren, wurden der Klägerin die Schrauben am 15.08.2013 nicht tatsächlich angeboten. Der Zeuge H… hat als beauftragter Gerichtsvollzieher in seinem Protokoll über die Zwangsvollstreckung zu dem Aktz.: 4 DR II 1088/13 (Anlage K4, Bl. 41 f.) ausdrücklich vermerkt (wörtliches Zitat):

„Abschließend wurde daher festgestellt, dass die Ware in dem vorgefundenen Zustand nicht im Wege der Zug um Zug Leistung angeboten werden konnte.“ (Hervorhebung durch die Verfasser).

Bei dem nach § 762 ZPO über die Vollstreckungshandlung zu erstellenden Protokoll des Gerichtsvollziehers handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, der Beweiskraft nach §§ 415, 418 ZPO zukommt (Zöller/Seibel, a.a.O., § 762 Rn. 9). Damit begründet das Protokoll vollen Beweis hinsichtlich der in ihm bezeugten Tatsachen. Dass der Gerichtsvollzieher die Ware nicht angeboten hat, wurde seitens der Beklagten auch nicht bestritten. Damit gab es am 15.08.2018 kein Angebot der Beklagten an die Klägerin.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2005 berufen (Beschluss, I ZB 7/05, zitiert nach juris, dort Rn. 10), wonach der Gerichtsvollzieher den Einwand des Vollstreckungsschuldners, die Zug-um-Zug als Gegenleistung bezeichnete Sache sei mit einem Mangel behaftet, nicht zu beachten habe. Denn es geht hier nicht um die Beachtung eines Einwandes des Vollstreckungsschuldners, sondern der Gerichtsvollzieher hat aufgrund der von ihm persönlich getätigten Feststellungen vor Ort von einem Angebot abgesehen.

Ergänzend gelten für den Anlieferungsversuch vom 15.08.2013 die folgenden, unter Buchst. b. ausgeführten Erwägungen der Mangelhaftigkeit der angebotenen Schrauben, da bei beiden Anlieferungsversuchen unstreitig dieselben Schrauben angeboten wurden.

b.

Soweit die Beklagte sich auf ihr Angebot vom 11.06.2013 beruft, konnte die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats darlegen und beweisen, dass sie die Ware mangelfrei und damit vertragsgemäß angeboten hat.

aa.

Der Senat geht mit der Kammer davon aus, dass die angebotenen Schrauben aufgrund der Verunreinigungen/Anhaftungen als sachmangelbehaftet anzusehen sind. Der Einwand der Beklagten, das Landgericht habe bereits fehlerhaft festgestellt, dass die angebotenen Schrauben aufgrund der Verschmutzungen/Verfärbungen sachmangelbehaftet gewesen seien, vermag nicht durchzugreifen.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass auch ohne dahingehende Beschaffenheits- oder Verwendungszweckvereinbarung die Abwesenheit von äußeren Fehlern wie Verschmutzungen/Anhaftungen als übliche Beschaffenheit im Sinne der §§ 651 Satz 1, 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB von dem Besteller vorausgesetzt werden kann. Auch wenn diese Ablagerungen nach Aussage des Sachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Kartonage infolge einer unsachgemäßen Lagerung stammen und letztlich keine Beeinträchtigung der Funktion darstellen, sind diese Verschmutzungen/Anhaftungen, die dem Betrachter als Rost- und Korrosionsfolgen erscheinen, nicht hinzunehmen. Zum einen ist der Besteller nicht gehalten, die mangelhaft erscheinende Ware zunächst entgegen zu nehmen, um sodann im Rahmen einer aufwendigen Sachverständigenbegutachtung, wie sie hier in dem vorliegenden Rechtsstreit vorgenommen wurde, feststellen zu lassen, ob und um welche Art von Mangel (Korrosion, Rost, Anhaftungen von Karton) es sich handelt. Zum anderen wollte die Klägerin die Schrauben weiter vertreiben, die aufgrund ihres Erscheinungsbildes minderwertig und mangelhaft erscheinen (vgl. Lichtbilder in dem Gutachten vom 07.01.2015, Seite 5 und 6, Bl. 198, 199; Lichtbilder Bl. 24, 25, 27, 28, 33-35, 37, 38). Auch den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11.05.2018 als Anlage B 17 vorgelegten Lichtbildern (Bl. 685 f.) vermag der Senat kein anderweitiges, „besseres“ Erscheinungsbild zu entnehmen. Zudem hat der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2014 (Bl. 112) ausdrücklich erklärt: „dass er nicht bestreite, dass die auf den Fotos zur Klageschrift erkennbaren Schrauben den Zustand wiedergeben, wie er sich zum Zeitpunkt der Anlieferung darstellte.“

Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um zeichnungsgebundene sicherheitsempfindliche Sonderschrauben in Form von selbstsichernden Klemmschrauben mit Links- und Feingewinde handelt, die einem erhöhten Sicherheitsstandard verpflichtet sind. Unabhängig davon, ob die Beklagte wusste, dass diese Schrauben an die Automotive-Industrie weiter vertrieben werden sollten, wird von derartigen Schrauben auch in optischer Hinsicht ein dem Sicherheitsgedanken geschuldetes einwandfreies Erscheinungsbild erwartet. Der Behauptung der Klägerin, dass es sich um derartige Sicherheitsschrauben handelte, ist die Beklagte nicht qualifiziert entgegen getreten. Sie hat lediglich pauschal bestritten, dass es sich bei den Schrauben um ein sicherheitsrelevantes Teil handele. Insoweit hätte es ihr als Fachbetrieb für die Herstellung von „Spezialschrauben und Drehteilen“ oblegen, die Behauptung unter Darlegung der Einzelheiten, um welche Art von Schrauben es sich denn handelte, wenn nicht um Sicherheitsschrauben, substantiiert zu bestreiten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Beklagte in ihrer Klageschrift in dem Verfahren I-22 U 126/12 – OLG Düsseldorf – damit rühmt, dass sie seit 1975 Präzisionsteile in alle Wirtschaftszweige – ob nun Bergbau, Automobilzulieferer, Bundeswehr, chemische Industrie oder Anlagen- und Maschinenbau – liefert. Es ist auch dem E-Mail-Verkehr der Parteien zu entnehmen, dass die Parteien vor der Produktion der Schrauben über einen längeren Zeitraum hinweg über die konkreten Maße und Ausführungsformen der Schrauben diskutiert haben und mehrfach Muster angefertigt werden mussten (vgl. Anlagen K12 und K13, Bl. 290 ff.; K15, Bl. 336). Damit erscheint auch die Behauptung der Beklagten, sie habe nicht gewusst, für welchen Zweck die Schrauben benötigt worden seien, nicht plausibel.

bb.

Von der Mangelhaftigkeit der Schrauben ist auch dann auszugehen, wenn die Verunreinigungen/Anhaftungen, wie von Beklagtenseite behauptet, durch einfache Reinigung hätten entfernt werden können. Denn bei einer Lieferung von mehr als 50.000 oder – wie von der Beklagten behauptet – 70.000 Einzelteilen obliegt es nicht der Klägerin als Bestellerin, die zu reinigenden Einzelteile auszusortieren und diese sodann einzeln einer Reinigung zu unterziehen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil davon auszugehen ist, dass die Reinigung der einzelnen Rillen des Schraubengewindes nicht maschinell, sondern nur mittels filigranen Werkzeugs und mit erheblichem Zeitaufwand vorgenommen werden kann. Entsprechend hat der Sachverständige Dr.-Ing. Ma … in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Ablagerungen „abgeschabt“ werden könnten. Selbst wenn die Anhaftungen – wie von der Beklagten behauptet – maschinell in einem galvanischen Bad beseitigt werden könnten, wäre es Aufgabe der Beklagten, die betroffenen Schrauben herauszusuchen und eine entsprechende rückstandslose Reinigung sowie entsprechende Trocknung vorzunehmen.

cc.

Bei den vorliegenden Verschmutzungen/Anhaftungen handelt es sich auch nicht um einen nur unwesentlichen Mangel. Das Landgericht hat vor dem Hintergrund der Gesamtumstände, der vorgelegten Lichtbilder sowie dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei festgestellt, dass nicht lediglich vereinzelte Schrauben von den Verunreinigungen betroffen waren. Bereits den bei den Anlieferungsversuchen gefertigten Lichtbildern (Bl. 24 ff. und Bl. 36 ff.) sind mehrere Kartons mit einer größeren – nicht unerheblichen – Anzahl verunreinigter Schrauben zu entnehmen. Diese Feststellungen werden auch durch die Ausführungen des Sachverständigen bestätigt, der ausgeführt hat, dass sich in der „Gruppe A“ (ca. 7.650 Schrauben in 17 Kartons) „sehr viele, augenscheinlich „korrodierte“ Teile“ befanden“ (Seite 5 des Gutachtens, Bl. 198). Soweit die Beklagte tatsächlich – wie von ihr behauptet – die Höchstmenge von 71.319 Schrauben angeliefert hätte, entspräche der Anteil bereits mehr als 10 %. Soweit sie lediglich die von der Klägerin behauptete Menge von 50.000 Schrauben angeliefert hat, wäre es ein Anteil von mehr als 15 %. Damit kann hier nicht von einer unwesentlichen Menge gesprochen werden.

Soweit der Sachverständige in seiner Zusammenfassung auf Seite 10 seines Gutachtens vom 07.01.2015 (Bl. 203) zu dem Ergebnis kommt, in Bezug auf die Gesamtmenge dieses Loses sei diese Erscheinung unerheblich, ist zum einen zu berücksichtigen, dass dem Sachverständigen unstreitig weitaus mehr Schrauben und Kartons zur Begutachtung bereit gestellt wurden, als der Klägerin angeboten worden waren, so dass der Sachverständige die verhältnismäßige Menge der verunreinigten Schrauben nicht zutreffend beurteilen konnte. Zudem handelt es sich bei der Frage, ob eine „unerheblichen Menge“ vorliegt, um eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu beantworten ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Klägerin aufgrund der Verunreinigungen/Anhaftungen auch dazu berechtigt, die gesamte Lieferung zurückweisen, auch wenn es sich um eine grundsätzlich teilbare Lieferung handelte. Denn bereits aufgrund der gefertigten Lichtbilder (Bl. 24 ff., Bl. 36 ff.) erscheint es der Klägerin nicht zumutbar, sich die einzelnen nicht mangelbehafteten Schrauben aus der Gesamtlieferung herauszusuchen. Ferner war die Klägerin auch nicht dazu verpflichtet, zunächst alle Kartons zu öffnen und daraufhin zu untersuchen, ob sich in allen Kartons mangelhafte Schrauben befanden, um dann die einzelnen Kartons herauszusuchen und anzunehmen, in denen keine mangelhaften Schrauben zu finden waren. Vielmehr wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, die Kartons mit den verunreinigten Schrauben auszusortieren und der Klägerin nur die Kartons mit den einwandfreien Schrauben anzubieten.

dd.

Die Beklagte hat die Mangelhaftigkeit zu vertreten. Auch hier sind die Feststellungen des Landgerichts zugrunde zu legen, wonach die Beklagte weder dargelegt noch bewiesen hat, dass die Ablagerungen/Anhaftungen an den Schrauben nicht auf einem grob fahrlässigen Verhalten ihrerseits beruhen (§ 300 Abs. 1 BGB).

Grundsätzlich obliegt dem Schuldner nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dabei kommt es auf den zu vertretenden Verschuldensgrad nicht an. Besteht eine Haftungsmilderung genügt der Nachweis, dass er den Grad an Sorgfalt beachtet hat, für den er einzustehen hat. Demnach hat der Schuldner im Rahmen des Annahmeverzugs diejenigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass der Untergang oder die Verschlechterung der Leistung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht (Münchener-Kommentar/Ernst, BGB, 7. Auflage 2016, § 300 Rn. 4; BeckOK/Unberath, BGB, 45. Edition, § 300, Rn. 4; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Auflage 2018, § 300 Rn. 2, § 280 Rn. 34 ff., 40).

Es oblag mithin der Beklagten, Tatsachen vorzutragen, aus denen nachvollziehbar darauf geschlossen werden kann, dass die Verschlechterung jedenfalls nicht auf einem grob fahrlässigen Verhalten ihrerseits beruhte. Dies ist der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht gelungen, nachdem sie hierauf bereits in dem erstinstanzlichen Urteil hingewiesen wurde.

Die Schrauben befanden sich die ganze Zeit über unstreitig in der Sphäre der Beklagten. Diese hatte die Schrauben ausweislich ihres Schreibens vom 29.06.2009 (Bl. 102) „abholbereit“ gestellt. Mithin oblag es der Beklagten im Rahmen ihrer Darlegungslast, konkrete Tatsachen vorzutragen, die den Rückschluss zulassen, sie treffe hinsichtlich der Aufbewahrung und Lagerung der Schrauben kein grob fahrlässiges Verhalten.

Der Sachverständigen Ma… hat in seinem Gutachten vom 07.01.2015 (Seite 10 d. Gutachtens, Bl. 203) festgestellt, dass die Verunreinigungen/Anhaftungen auf einer unsachgemäßen Lagerung der Schrauben beruhen. Insoweit verweist der Sachverständige darauf, dass die Schrauben der „Gruppe A“ nicht in Kunststoffbeuteln verpackt waren. Die Beklagte hat in ihren Schriftsätzen vom 09.12.2013 (Bl. 90) und 14.02.2014 (Bl. 124) eingeräumt, dass Folge der langen Lagerung Verfärbungen und Oxidationen sein können. In ihrem Schriftsatz vom 11.05.2018 (Bl. 656) hat die Beklagte darauf abgestellt, dass speziell nur die Schrauben von den Verunreinigungen/Anhaftungen betroffen seien, die nicht zusätzlich in Kunststoffbeuteln verpackt worden seien. Dem Vorbringen der Beklagten ist damit nicht zu entnehmen, wann und wo und durch welche Umstände die Verschlechterung eingetreten sein soll. Allein feststellbar ist, dass diese während der Lagerung bei der Beklagten eingetreten ist. Sie hat keine Tatsachen dargetan, aufgrund derer nachvollziehbar angenommen werden könnte, dass sie nicht grob fahrlässig gehandelt hat während der Lagerungszeit. Ihr pauschaler Vortrag, die Kartons seien zu jeder Zeit trocken gelagert worden, vermag sie nicht zu entlasten. Es wäre insoweit erforderlich und von ihr als Fachfirma zu erwarten gewesen, im Einzelnen darzulegen, wie derartige Schrauben grundsätzlich richtig zu lagern sind und unter Beachtung welcher Vorgaben die Beklagte die Lagerung der Schrauben veranlasst hat. Dass grundsätzlich auch eine längere Lagerung ohne eintretende Verunreinigungen/Ablagerungen möglich ist, zeigen die Schrauben, die in den Plastikbeuteln verpackt waren. Insbesondere hat die Beklagte insoweit nicht zu erklären vermocht, warum nicht alle Schrauben in Plastikbeuteln in den Kartons aufbewahrt wurden, wenn dies scheinbar einer ordnungsgemäßen Lagerung entsprach.

2.

Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Klägerin aufgrund des Urteils nicht dazu verpflichtet, ihre Zahlung im Voraus zu leisten, denn in dem Urteil wurde lediglich eine Verurteilung Zug-um-Zug ausgesprochen.

3.

Die Klägerin hat der Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 21.08.2013 (Anlage K7, Bl. 48 ff.) erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt. Sodann hat sie ihren Rücktritt wirksam gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 24.09.2013 erklärt.

Dabei hat sich die Rücktrittserklärung zweifelsfrei nur auf die in dem Urteil tenorierte Teilverpflichtung zur Lieferung der restlichen Schrauben in einer Anzahl von 41.319 bis 71.319 bezogen. Bereits die Nachfristsetzung mit Lieferungsaufforderung vom 21.08.2013 bezog sich ausdrücklich nur auf die Lieferung von „mindestens 41.319 und höchstens 71.319 Klemmschrauben M 14×1 LH“, auf welche die Klägerin in ihrer Rücktrittserklärung Bezug genommen hat. Dass auch ein Teilrücktritt im Hinblick auf eine Teilleistung entgegen der Ansicht der Beklagten möglich ist, ergibt sich bereits aus § 323 Abs. 5 BGB. Denn dieser besagt, dass der Gläubiger bei einer Teilleistung nur dann von dem ganzen Vertrag zurücktreten kann, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Rücktritt hinsichtlich der Teilleistung jedenfalls zulässig ist (vgl. hierzu auch Münchener-Kommentar/Ernst, a.a.O., § 323 Rn. 3). Letztlich steht hier auch nur die Vollstreckungsabwehrklage hinsichtlich eines Titels, der sich ebenfalls nur über diese Teilleistungsverpflichtung verhält, in Streit.

Dass der Klägerin die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag auch aus anderen Gründen gelegen gekommen sein mag, spielt entgegen der Ansicht der Beklagten für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rolle. Allein entscheidend ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB vorlagen.

II.

Über die Eventualwiderklage, die die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung erhoben hat, war nicht zu entscheiden, da die innerprozessuale Bedingung – Erfolg ihrer Berufung – unter welcher sie die Widerklage erhoben hat, nicht eingetreten ist.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 01.06.2018 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 543 Abs. 2 ZPO bestimmten Gründe für eine Zulassung gegeben ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 65.000,- EUR.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos